Blickpunkt Schule 2/2022

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Ausgabe 2/2022 · D 30462

SCHULE

Sprache – Denken – Bildung Sprache als Zugang zur Realität Mit Beiträgen von: Prof. Dr. Helmuth Feilke Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz Dr. Martin Blawind

Dr. Jan Robert Weber Dr. David Freudenthal Sebastian Krämer Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing

Bild: Thomas Reimer/AdobeStock [bearbeitet]

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

dern erlernt werden muss. Vor diesem Hintergrund erlangen die Artikel un- serer Autoren, denen wir herzlich für ihre Beiträge danken, eine erschre- ckende Aktualität. Ich wünsche uns allen, dass bei uns der Frieden erhalten bleibt und in der Ukraine wiedererlangt werden kann. Die Welt wird aber auch dann eine an- dere sein, als die, die wir gewohnt wa- ren. Herzlichst Ihr

gen. Dass uns die reale Welt in Form eines Krieges in Europa einholen wür- de, haben wir uns damals nicht vor- stellen können, vermutlich, weil wir es uns auch nicht vorstellen wollten. Aber gerade in der jetzigen bedrohli- chen Phase zeigt sich, dass Sprache auch ein Mittel der Kriegsführung, der Verschleierung, der Verbreitung von Desinformationen und Lügen ist. Da- bei ist es schwierig, echte Meldungen von Falschinformationen zu unter- scheiden. Damit dies gelingen kann, ist eine hohe Sprachsensibilität von- nöten, die nicht angeboren ist, son-

von CHRISTOF GANSS

2 In eigener Sache Inhalt

als wir uns auf das Thema des vorlie- genden Heftes verständigten, klang dieses nach einem vorrangig philolo- gischen Themengebiet, bei dem es darum ging, die Relevanz der Sprache für den Bildungserfolg zu erörtern und die Gefahren der Vernachlässigung dieser Aufgabe von Schule aufzuzei-

Editorial » Sprache im Schatten der Weltpolitik ......................................................... 3 Sprache – Bildung – Denken » Bildungssprache – Bildung durch Sprache ............................................... 4 » Der Schlüssel zum Bildungserfolg ............................................................ 12 » Gutes Deutsch – bessere Chancen .......................................................... 15 » Unterrichtest du nur oder liest du schon? ................................................ 18 » Braucht die Bildungssprache einen schulischen Literaturkanon? ......... 20 » Schreibkompetenz und wie man diese fördern kann .............................. 22 » Wie lassen sich die zunehmenden bildungssprachlichen Mängel der Schülerschaft erklären? ..................................................................... 23 » Fehlerindex in der Mittelstufe? ................................................................ 24 » Bildungssprache Deutsch ......................................................................... 25 Klartext » Jugend im Zeichen der Angst ................................................................... 26 » Die Dienstmail – ein Erfahrungsbericht .................................................. 27 Nützliche Apps für die Unterrichtspraxis » Arbeitsblätter unkompliziert erstellen mit Tutory.de .............................. 28 » Kostenloses (Bild-)Material für kreative Schreibaufgaben .................... 29 Außerschulische Lernorte in Hessen » Das Klingspor Museum ............................................................................ 30 » Das Mathematikum ................................................................................... 31 Ankündigung » Einladung zur Vertreterversammlung 2022 ............................................ 32 Berichte » Arbeit im dbb Hessen ................................................................................ 32 » ’Strategien zur Entlastung im Berufsalltag’ ............................................ 33 » Schule und Recht: Was kann, was muss, was soll? ................................. 37 » Bezirksversammlung Wiesbaden ............................................................. 38 Fortbildungen » Computerspiele und Märchen .................................................................. 39 » Handschrift und Bildungssprache ........................................................... 39 » Immunsystem stärken – Gesund bleiben in Schule und Alltag ............. 40 » Was Sie zu freien Lizenzen und Wikipedia wissen sollten ....................... 41 » Wannsee-Konferenz als Thema im Unterricht ........................................ 41 Pensionäre » Pensionärstreffen 2022 in Alsfeld ........................................................... 42 Hauptpersonalrat » Nachrichten aus dem HPRLL ................................................................... 43 Personalien » Geburtstage | Wir trauern um .................................................................. 46

» Sprache – Bildung – Denken

Der Schlüssel zum Bildungs- erfolg

12

» Klartext

Jugend im Zeichen der Angst

26

» Hauptpersonalrat Corona- Lockerungen im Schulalltag

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Sprache im Schatten

Editorial

Bild: Fox_Dsign/AdobeStock

der Weltpolitik

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Debatten im Bildungsbereich be- einflussen. In den Schulen müssen wir Foren schaffen, um mit den jun- gen Menschen über diesen Krieg zu sprechen. Belastungen, Stress, Ängste lassen sich auf diese Weise am ehesten auffangen und mildern. Auch die Schulpsychologie ist ge- fragt. »Frieden schaffen ohne Waffen«, jahrzehntelang auch Maxime unserer eigenen Jugend, erinnert momentan an einen Slogan aus demWolken- kuckucksheim. Die europäische Sicherheitspolitik wird neu zu konzi- pieren sein. »Der Worte sind genug gewechselt« … noch einmal Goethe, aber mit großem Fragezeichen! Ich wünsche Ihnen Kraft und Zuver- sicht in dieser bedrohlichen Zeit!

von REINHARD SCHWAB Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes

Sprache ist Grundstein jeglicher Bil- dung. Das vorliegende Heft widmet sich schwerpunktmäßig der sprach- lichen Dimension in der Schule. Mein Dank gilt den Autoren, die mit ihren Beiträgen das Themenheft zur Bil- dungssprache ermöglicht haben. Mehr denn je verdeutlicht die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste brisanteWeltlage, die wir als historische Zäsur erleben, die Notwendigkeit eindeutiger, klarer und differenzierter Kommunikation. Nicht von ungefähr ist es Mephisto, den Goethe in seiner Faust-Tragödie sagen lässt: »Mit Worten lässt sich trefflich streiten/Mit Worten ein Sys- tem bereiten/AnWorte lässt sich treff- lich glauben.« Sprache verleiht Macht, kann eineWaffe sein. Sie kann erläu-

tern und aufklären, aber auch ver- schleiern und manipulieren. Das erfah- ren wir derzeit auf dramatischeWeise. Bildungssprache ist nicht nur Elo- quenz und elaboriertes Sprechen, sondern vielmehr auch, dass man um Funktion und Einsatz dieses Mediums weiß. Hinter die Worte zu schauen, kommunikative Absichten zu erschlie- ßen, das gelingt nur, wenn man ’bil- dungssprachlich geübt’ ist, Sprache beherrscht. Die Entwicklungen in und nach die- ser historischen Zäsur werden auch

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Mit kollegialen Grüßen Ihr Reinhard Schwab

Bildungssprache – Bildung durch Sprache E nde September 2021 wurde in Berlin der dritte Bericht zur Lage der deutschen Sprache »Die Sprache in den Schulen« der Der Autor

wie unter einem Brennglas versam- melt: zunehmend heterogene Lern- voraussetzungen, Förderung elemen- tarer Bildungsressourcen, Integration fachlichen und fächerübergreifenden Lernens, um nur einige zu nennen. Er- gebnisse des Berichts werden im Fol- genden mehrfach angesprochen. Vor allem drei Fragen sollen beantwortet werden: • Wie hängen Sprache und (schulisches) Lernen zusammen? • Was ist Bildungssprache und wie funktioniert sie? • Wie kann der Erwerb bildungs- sprachlicher Kompetenzen gefördert werden? 1. Sprache, Denken, Lernen »Wenn Kinder Sprache lernen, dann befassen sie sich nicht ledig- lich mit einer Art des Lernens unter vielen anderen; vielmehr lernen sie die Grundlage des Lernens selbst.« (Halliday 1993, S. 93; Übers. HF) Dieses Zitat des englischen Sprach- wissenschaftlers Michael Halliday for- muliert sehr klar die besondere Rolle der Sprache in Lernprozessen: Spra- che ist für das heranwachsende Kind einerseits selbst Gegenstand des Er- werbs, zugleich aber auch Mittel des Lernens, der sprachlichen Strukturie- rung des Problemlösens und des Den- kens. Der Sprachgebrauch beginnt nicht immer bei null; er schafft selbst semantische Ressourcen, aber auch Ressourcen in Form grammatischer und textlicher Muster für unterschied- liche kommunikative Aufgaben, die im Langzeitgedächtnis verankert werden und so das Arbeitsgedächtnis in aktu- ellen Problemlöseprozessen entlasten und stützen (vgl. Kempert u.a. 2019, S. 3). Auch die Sprache in der Schule ist als Wortschatz der Fächer einerseits Unterrichtsgegenstand und zugleich ist sie andererseits dann auch – jen- seits des Fachvokabulars – unent- behrliches Mittel des Fachlernens.

Öffentlichkeit vorgestellt, initiiert von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, die sich nicht nur preiswürdiger Literatur wid- met, sondern in diesem Forschungs- bericht das Fundament des schuli- schen Erwerbs bildungssprachlicher Kompetenzen unter das Mikroskop sprachwissenschaftlicher Analysen legt (Deutsche Akademie 2021). Ins- gesamt zehn Studien eröffnen Ein- blicke in den schulischen Erwerb bil- dungssprachlicher Fähigkeiten. Für die an Bildungsfragen interessierte Öffentlichkeit ist der informative Be- richt als pdf-eBook kostenlos downloadbar (https://www.esv.info/ 978-3-503-20503-5). Die Publikati- on steht am Ende eines Jahrzehnts, in dem das schon fast programmatische Schlagwort »Bildungssprache« die Herausforderungen an die Schulen

Sprache – Bildung – Denken

Insbesondere stehen sprachliche Res- sourcen in engem Zusammenhang mit höheren kognitiven Funktionen, die schulisches Lernen kennzeichnen. Solche kognitiven Funktionen sind etwa Kategorisieren, Generalisieren, Quantifizieren, Vergleichen . Die empi- rische Forschung zeigt, dass die Leis- tungsfähigkeit in diesen Feldern sehr stark vomVerfügen über die sprachli- chen Mittel beeinflusst wird, die diese Funktionen auch im sprachlichen Handeln stützen (vgl. Kempert u.a. 2019, S. 5 ff.). Ein Beispiel dafür ist die begriffliche Strukturierung des Wis- Herausgeber der Zeitschriften Praxis Deutsch und Zeitschrift für Germanistische Linguistik. Mitglied Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darm- stadt und des Wissenschaftli- chen Beirats des Leibniz-Insti- tuts für deutsche Sprache in Mannheim. Prof. Dr. Helmuth Feilke ist Pro- fessor für Germanistische Lin- guistik und Didaktik der deut- schen Sprache an der Justus- Liebig-Universität Gießen. Forschung: Schulischer Sprach- erwerb und Sprachdidaktik, Sprach- und Kompetenztheorie, Literale Kompetenz, Schreibfor- schung und wissenschaftspro- pädeutisches Schreiben.

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eBook-Download

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sens. Kinder, die noch mit fünf Jahren auf die Frage »Was ist eine Kanne?« antworten: »Zum Gießen!«, antwor- ten mit zehn Jahren: »Ein Gefäß!«, geben die Bedeutung also über die Zuordnung zu einem Obergriff an, der wieder einer Ordnung weiterer Ober- begriffe angehört. Das Bilden von semantischen Kategorien – und das sind Begriffe – ist schon in der All- tagssprache, aber besonders dann für die Sprache der Fächer und deren Be- griffsordnungen zentral. Sprache ist ein Kommunikations- mittel, aber sie ist auch ein Werkzeug des Denkens und Lernens. Das be- grifflich strukturierte Denken, wie es die Schule fordert, ist Ergebnis eines Lernprozesses, der das Denken zu- nehmend aus der unmittelbaren An- schauung und der situativen Bindung an Handlungen löst und Schritt für Schritt in begrifflich systematische Zusammenhänge einbindet. Die Ent- wicklungspsychologin Magret Do- naldson (1978/1991) hat dies »disem- bedded thinking« genannt. Die Be- griffsbildung ist ein großenteils sprachlicher Lernprozess, der durch das schulische Lernen befördert wird. Das zeigt die Grafik in Abbildung 1 aus einem berühmten frühen Experiment von Jerome Bruner und Patricia M. Greenfield (1966/1971). Sie unter- suchten, wie Kinder und Schüler un-

terschiedlichen Alters Wortbedeutun- gen umschreiben. Dabei unterschie- den sie zwischen Antworten der Pro- banden, die auf die situative Hand- lungsbindung Bezug nahmen (zum Beispiel Zum Gießen, => Kurve ’Kom- plexe’) von solchen, die auf die Stel- lung in einem Begriffssystem Bezug nahmen und sie dort verankerten (zum Beispiel Ein Gefäß, => Kurve ’Obergriffe’). Die Grafik zeigt: Es ist das Alter zwi- schen sechs und achtzehn Jahren, die Zeit der schulischen Sprachverwen- dung, in der das Wissen in allen Fä- chern zunehmend systematisch und begrifflich geordnet wird. Sie zeigt zweitens: Sprache ist nicht nur Zei- chen für etwas in der Welt, sondern Mittel und Form der Organisation des Wissens. Das hängt eng mit dem Erwerb der geschriebenen Sprache zusammen. Die Schule ist das »gesellschaftliche ’Sprachlabor’ der Schriftlichkeit« und der damit verbundenen Sprachkom- petenzen, heißt es in dem oben zitier- ten Akademiebericht (Deutsche Aka- demie 2021, S. 24). Der Zusammen- hang mit der Schriftlichkeit betrifft ein zentrales Merkmal der Bildungs- sprache. Entscheidend ist dabei nicht die Schriftlichkeit an sich, sondern die Praxis der damit – auch schulisch – verbundenen Formen des Sprachge-

brauchs (Scribner/Cole 1978) und des Denkens. Schrift wurde erfunden, um Information speichern zu können und um Distanzkommunikation zu ermög- lichen. Dazu kommt, dass die Schrift Sprache vergegenständlicht, dass sie Sprache selbst zum Gegenstand möglicher Betrachtung und Untersu- chung, bewusster Variation und Ver- besserung macht. Wer schreibt, kann über räumliche und auch zeitliche Grenzen hinweg kommunizieren. Deshalb ist der Whatsapp-Chat gerade nicht die ty- pische Form des Schriftgebrauchs. Und deshalb geht es auch in der Schule vor allem darum, Sprachkom- petenzen zu fördern, die es ermögli- chen, komplexe Sachverhalte auch jemandem verständlich zu machen, der sich in einer ganz anderen Situa- tion befindet. Dafür müssen Texte nicht nur grammatisch und orthogra- fisch funktional, sondern vor allem weitgehend kontextunabhängig ver- ständlich sein. Diese Fähigkeit zur Si- tuationsentbindung wird im Erwerb geschriebener Sprache aufgebaut. Dies spiegelt sich – wie oben zu se- hen – auch in der Kognition und Be- griffsbildung. Die dafür gebrauchten sprachlichen Fähigkeiten werden in der Fachdiskussion zur Bildungsspra- che mit dem Begriff der konzeptio- nellen Schriftlichkeit gefasst; »kon- zeptionell« deshalb, weil die entspre- chenden sprachlichen Kompetenzen nicht auf das Medium der Schrift be- schränkt sind, sondern konzeptionell etwa auch beim Präsentieren oder für einen mündlichen Vortrag gebraucht werden, überall dort also, wo Sach- verhalte distanziert, objektivierend und nachvollziehbar darzustellen sind. Gelernt wird dies aber vor allem im Schriftgebrauch, das heißt, im le- senden und schreibenden Umgang mit Texten. Dies führt auch zur Aus- bildung eines Wortschatzes, der das schriftliche Sprachhandeln selbst be- schreibt: gliedern, definieren, zusam- menfassen, wiedergeben, erörtern, kommentieren etc. Alle diese Verben bezeichnen textgebundene Tätigkei- ten, und es sind diese Handlungszu- sammenhänge, für die die Bildungs-

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Abbildung 1: Veränderung der Struktur von Bedeutungserklärungen während der Schulzeit aus: Bruner/Greenfield 1966/1971, S. 106

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sprache gebraucht wird und in denen sie entsteht. Für den schulischen Lernerfolg wer- den also sprachliche Kompetenzen gebraucht, die die Schule selbst erst ausbilden muss. Diese Einsicht steht im Brennpunkt der Diskussion zur Bil- dungssprache. Dabei erweist sich die bildungssprachliche Kompetenz als ein wichtiger Schlüssel zum Lerner- folg auch in Fächern wie der Mathe- matik, Musik oder Physik, die – nur auf den ersten Blick – wenig mit Spra- che zu tun zu haben scheinen. Ein ak- tueller Forschungsüberblick dazu be- richtet »substantielle Korrelationen zwischen sprachlichen Kompetenzen und fachlichem Lernen« (Kempert u.a. 2019, S. 7). Eine neuere experi- mentelle Untersuchung von 173 Grundschulkindern des 4. Schuljahrs aus 11 bayerischen Grundschulklassen hat vergleichend die Vorhersagekraft a) allgemeiner kognitiver Fähigkeiten, b) allgemeiner Wortschatzkompeten- zen und c) spezifisch bildungssprach- licher Wortschatzkompetenzen für die Schulnoten in vier Fächern (Mathe- matik, Lesen, Schreiben, Gemein- schaftskunde) untersucht. Dabei konnte die Leistung im bildungs- sprachlichen Wortschatztest (unter Ausschluss des Fachvokabulars!) die Schulnoten in allen vier Fächern am besten vorhersagen (Schuth u.a. 2017). Das heißt, die Relevanz der bil- dungssprachlichen Kompetenz für den Schulerfolg zeigt sich bereits im 4. Schuljahr und damit zu einem Zeit- punkt, der für die weitere Bildungs- laufbahn entscheidend ist. 2. Was ist Bildungs- sprache? Leitvokabeln wie ’Bildungssprache’ oder auch ’Kompetenz’ sind verhei- ßungsvolle Wortmarken in der öffent- lichen Diskussion, die auf einen allge- mein empfundenen Mangel reagieren. Als internationale Schulleistungsver- gleichsstudien vor zwanzig Jahren feststellten, dass es um die Lesefä- higkeit von Schülern in Deutschland nicht gut bestellt sei, war die Forde- rung nach Förderung der Bildungs-

sprache in aller Munde. Was genau aber darunter verstanden werden kann, war alles andere als klar. Die Diskussion dazu ist durch zahlreiche unterschiedliche Positionen gekenn- zeichnet. Deshalb »steht eine eindeu- tige und operationalisierbare Definiti- on von Bildungssprache noch aus« (Kempert u.a. 2019, S. 11). Das aber ist keineswegs von vorneherein ein Man- gel, eher ein Zeichen für die Vielfalt der zu berücksichtigenden Sach- aspekte. Eine der am häufigsten zi- tierten Definitionen stammt von dem Frankfurter Sozialphilosophen Jürgen Habermas. Mittels der Bildungsspra- che, schreibt Habermas: »(…) verständigt sich ein Publikum über Angelegenheiten allgemeinen Interesses. […] Sie unterscheidet sich von der Umgangssprache durch die Disziplin des schriftlichen Ausdrucks und durch einen diffe- renzierteren, Fachliches einbezie- henden Wortschatz; andererseits unterscheidet sie sich von Fach- sprachen dadurch, daß sie grund- sätzlich für alle offensteht, die sich mit den Mitteln der allgemeinen Schulbildung ein Orientierungswis- sen verschaffen können.« (Habermas 1978, S. 330) Nach dieser funktionalen Definition vermittelt die Bildungssprache zwi- schen den Fachsprachen und der Um- gangssprache des Alltags. Sie nimmt Elemente der Fachkommunikation auf und ermöglicht eine Teilhabe des ’Pu- blikums’ an der gesellschaftlichen Kommunikation von Wissen und Bil-

dungsgehalten in der Schule, aber auch in den Massenmedien (s. Abbil- dung 2) . Habermas betont besonders die gesellschaftliche Verständigungs- funktion der Bildungssprache. Neuere Definitionsversuche beziehen dane- ben noch die bereits angesprochenen Funktionen für das Denken als kogni- tives Werkzeug und auch die Tatsache mit ein, dass die Bildungssprache in sozialer Hinsicht so etwas wie eine »Visitenkarte« für den Eintritt in sonst exklusive gesellschaftliche Status- gruppen ist. Gerade auch für die Schule gilt: Sie ist ein »symbolisches Kapital«, das Kinder etwa aus Akade- mikerfamilien häufig schon von zu- hause mitbringen, während andere damit in der Schule erstmals konfron- tiert werden. Das heißt auch, für die, denen die entsprechende Spracher- fahrung fehlt, ist sie eine Art Geheim- sprache. Deren Regeln sind oft schwer zu durchschauen und zu erwerben, was im erwähnten Akademiebericht etwa die Beiträge von Vivien Heller und Miriam Morek (Deutsche Akade- mie 2021, S. 37-62) zur Familienkom- munikation oder von Moti Mathiebe (Deutsche Akademie 2021, S. 125- 146) zum schulischen Erwerb des Schriftwortschatzes für Anleitungs- texte zeigen. Während die Bildungs- sprache für die einen vor allem eine Barriere ist, die gesellschaftliche Teil- habe verhindert, sehen sie die ande- ren als Ressource, deren Erwerb erst Teilhabe ermöglicht. Vieles spricht dafür, dass beides stimmt; in jedem

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Abbildung 2: Bildungssprache: Mittler zwischen Fach- und Umgangssprache

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Fall bedeutet dies für die allgemein- bildenden Schulen, dass die Vermitt- lung bildungssprachlicher Kompeten- zen zu ihrem Bildungsauftrag zählt. Bildungssprache ist keine Sprache wie Englisch oder Französisch mit ei- genen Formgesetzlichkeiten, auch keine einzelsprachliche Varietät etwa im Sinn eines räumlich gebundenen Dialekts. Sie ist auch keine Fachspra- che der Bildungsinstitutionen. Lin- guistisch gilt sie als ein sogenanntes »Register«. Wenn bestimmte Register der Sprache ’gezogen’ werden, heißt das auch für die Bildungssprache, dass abhängig vom Gebrauchskontext und der Handlungsfunktion bestimm- te Sprachstrukturen mit ihren Formen und Funktionen bevorzugt genutzt werden. Handlungsfunktionen sind

etwa das Berichten , das Beschreiben , das Erklären oder Argumentieren , aber die kommen freilich auch um- gangssprachlich vor. Ausschlagge- bend ist deshalb nicht die Handlungs- funktion alleine, sondern ausschlag- gebend sind Gebrauchskontexte, die eine situationsübergreifend verständ- liche, verallgemeinernde, objektivie- rende und wissensbildende Art der Darstellung fordern (vgl. Feilke 2021). Welches sind nun die strukturellen Merkmale der Bildungssprache und was leisten sie? Im Folgenden wird ein Satz aus einer Versuchsbeschreibung aus dem Biologieunterricht umge- formt; so werden wichtige grammati- sche, wortschatzbezogene und textli- che Eigenschaften der Bildungsspra- che deutlich.

wichtskraft, Zentrifugalkraft ) dar- gestellt. Das Beispiel zeigt zudem eine bildungssprachlich zentrale Texthandlung, das Definieren: »Se- dimentierung ist … das Ablagern von … unter dem Einfluss der …« Definitionen stehen am Ende viel- facher Beobachtungen und Überle- gungen. Sie generalisieren ein Wis- sen und fassen es zusammen. Welch wichtige Rolle hier auch die Grammatik spielt, kann man schon daran erkennen, dass das die defi- nierende Sequenz ( das Ablagern von … ) aus einer einzigen sehr komplexen Nominalgruppe be- steht. Dabei kennzeichnet der prä- positionale Prozedurausdruck »un- ter dem Einfluss von« innerhalb der Nominalgruppe zugleich auch wichtige kausale Zusammenhänge. Sedimentierung wird so erklärt . 6) Für Bildung wichtig ist auch, dass man weiß, wie das Gewusste einzu- ordnen und zu bewerten ist und wie sicher und verallgemeinerbar es ist. Wissen muss diskutierbar sein. Da- für braucht man die sprachlichen Mittel zum Ausdruck des Für und Wider (hier einerseits und anderer- seits ) und zum Ausdruck von Si- cherheit und Unsicherheit (hier der Konjunktiv könnte und das Adver- bial häufig ). Man kann mit dem Beispiel eine ganze Reihe bildungssprachlich zentraler Funktionen illustrieren: Situationsent- bindung, Fokussieren, Verallgemei- nern, Kategorisieren, Verdichten, De- finieren, Erklären, Erörtern . Dies alles sind Leistungen der hier gebrauchten Sprache. Insbesondere auf der Text- ebene kommen für das Erklären und Argumentieren weitere Funktionen hinzu wie Gliedern, Begründen, Exem- plifizieren, Schlussfolgern, Verglei- chen, Hervorheben, Präzisieren und Zusammenfassen (vgl. Steinhoff u.a. 2020). Hier ergibt sich ein enger Be- zug auch zu den sogenannten Opera- toren, die gleichfalls stark metatextu- ell-reflexive sprachbezogene Lern- handlungen fassen (vgl. Feilke/Rezat 2019). Die dazu gebrauchte Sprache ist nicht nur ein Zeichen für das Wis- sen, sondern sie stützt die Prozesse

8 Sprache – Bildung – Denken SCHULE

Abbildung 3: Bildungssprache: Satzgrammatik und Textgrammatik Punkte 1 bis 4 in Anlehnung an: Walther v. Hahn (1983), Fachkommunikation. Berlin/New York, S. 113 Punkte 5 bis 6, eigene Beispiele unter Rückgriff auf Wikipedia ’Sedimentation’

Einige Beobachtungen möchte ich zur Interpretation der sechs Beispiele herausgreifen: 1) Der Beobachter spricht in der ersten Person (ich) . Das Geschehen wird im Präteritum rückblickend als ein individuelles Geschehen erzählt. Die Satzverbindung mit als ist rein tem- poral. Es gibt noch keine wissensbil- denden Verallgemeinerungen. 2) Der Beobachter wird im Pronomen »man« generalisiert: Jeder kann die Beobachtung machen. Die Satzverbindung mit wenn ist kondi- tional. Sie bringt eine generalisierte Bedingung zum Ausdruck und for- muliert eine empirische Regelhaf- tigkeit. Das zeigt auch das soge- nannte generische Präsens, das eben keinen Zeitbezug hat, son- dern die Aussage zeitunabhängig verallgemeinert. 3) Hier wird das konditionale Verhält- nis zwischen beiden Aussagen

durch eine Verberststellung zum Ausdruck gebracht. Das Passiv blendet – ebenso wie das reflexive Verb zeigt sich – den Beobachter nun ganz aus. Stattdessen rückt der beobachtete Zusammenhang in den Fokus und wird zumThema. Zudem generalisiert das Passiv: Im- mer dann , wenn die Flüssigkeit ab- gegossen wird, tritt das Ereignis als Folge ein. 4) Das bisher durch ein Verb ausge- drückte Geschehen wird nun durch die Nominalisierung ’das Abgießen’ neu gefasst. Semantisch wird das Geschehen dadurch methodisch kategorisiert. 5) Nominalisierung (zum Beispiel Se- dimentierung ) und der Ausbau von Nominalgruppen sind zentrale Merkmale der Bildungssprache (vgl. Langlotz 2021). Komplexe Sachverhalte werden verdichtet etwa in Zusammensetzungen( Ge-

der Bildung des Wissens. Und in ge- nau diesem Sinn handelt es sich um Bildungssprache. Für das Verständnis der Bildungs- sprache wichtig sind also drei Ebe-

nen, die Abbildung 4 noch mal ver- einfacht zusammenfasst. Sie sollten auch die Logik und den Aufbau einer Didaktik der Bildungssprache be- stimmen:

rung nach einer durchgängigen Sprachbildung betrifft horizontal das Verhältnis der Fächer zueinander und vertikal das Verhältnis der Schulstu- fen zueinander. Für das Verhältnis der Fächer zueinander ist zum Beispiel zu fragen: Welche Interaktionsformate, welche Formen des Umgangs mit Tex- ten, welche Schreibformen bieten sich für ein fächerübergreifendes Sprach- lernen an? Zu denken ist hier an • Textsorten (zum Beispiel Experi- mentprotokoll, Konstruktionsbe- schreibungen im Mathematikunter- richt, Quellenanalyse im Ge- schichtsunterricht etc.) • Interaktionsformate (zum Beispiel Präsentation und Diskussion) • oder einzelne Textprozeduren (Be- schreiben und Interpretieren von Grafiken und Tabellen). Der vertikale Aspekt betrifft die Durchgängigkeit über Bildungsstufen hinweg, also schon das Verhältnis von Elternhaus und Schule und den Übergang von einer dominant münd- lich bestimmten familiären Sprach- praxis zur Schule und den Erwartun- gen konzeptioneller Schriftlichkeit. So zeigt etwa die Untersuchung von Vivien Heller und Miriam Morek im Akademiebericht, dass Elternhäuser in sehr unterschiedlichem Maß die Fähigkeit der Schüler herausfordern, kommunikativ initiativ und zum Bei- spiel beim Argumentieren oder Er- klären ausführlich und explizit zu werden (Deutsche Akademie 2021, S. 43 ff.). Wie kann der Unterricht schon in der Grundschule Gelegen- heiten für den Erwerb der Fähigkeit schaffen, Zusammenhänge erklä- rend oder argumentativ ausführli- cher darzustellen. Auch im Verhältnis der Grundschule zu weiterführenden Schulen, von Unterstufe und Mittel- stufe sowie im Übergang zur Sekun- darstufe II wäre jeweils zu fragen, welches Konzept der Progression bil- dungssprachlicher Fähigkeiten zu- grunde gelegt werden soll. Hierauf sollte auch bei notwendigen Überar- beitungen der Bildungsstandards für die Grundschule und den mittleren Schulabschluss in Zukunft reagiert werden.

Abbildung 4: Ebenen der Bildungssprache

Sprache – Bildung – Denken

Zwei in der Diskussion oft anzutref- fende Vereinfachungen seien noch kurz angesprochen, weil sie auch für Fragen der Förderung relevant sind: Oft werden Zweitspracherwerb, Mehrsprachigkeit und Bildungs- spracherwerb in einen sehr engen Zu- sammenhang gebracht. Das ist nur eingeschränkt sinnvoll. Bildungs- sprachliche Kompetenzen betreffen nicht den Spracherwerb des Deut- schen schlechthin. Vielmehr geht es um den Erwerb von Handlungssche- mata und dafür einschlägigen Gram- matik- und Formulierungsformen, bei denen auch Schüler mit der Erstspra- che Deutsch oft noch Schwierigkeiten haben (Heppt 2016). Auch umgekehrt zeigt sich, dass von einer Förderung bildungssprachlicher Fähigkeiten im Deutschen Schüler mit Deutsch wie mit Türkisch als Erstsprache profitie- ren (Wenk u.a. 2016) Deshalb kann ei- ne Didaktik der Mehrsprachigkeit – auch wenn sie aus anderen Gründen erstrebenswert ist – keine Antwort auf Erwerbsprobleme im bildungssprach- lichen Handlungsfeld des Deutschen geben. Priorität sollte deshalb eine Didaktik der Bildungssprache haben, von der alle Schüler in gleicher Weise profitieren. Oft werden auch Wortschatzlernen und Bildungsspracherwerb in eins ge- setzt. Zwar ist bekannt, dass Begriffe wie Arbeit, Kraft oder Weg in der Phy- sik eine andere Bedeutung haben als in der Alltagssprache (vgl. Härtig u.a. 2015). Das aber betrifft zunächst Pro- bleme der Physikdidaktik, nicht des

fächerübergreifenden Sprachlernens, wie sie das Beispiel illustriert hat. Es geht bei den für das Lernen wichtigen bildungssprachlichen Kompetenzen auch nicht primär um den sogenann- ten klassischen und modernen Bil- dungswortschatz (Augst 2019/2021) mit Bildungsversatzstücken wie Me- netekel, Präliminarien, einen Gessler- hut grüßen, den Rubicon überschrei- ten, Hotspot, superspreader etc. . Die- se Aspekte sind zwar auffällig und po- pulär, betreffen aber nicht den Kern des Themas. Der liegt weniger bei den spektakulären Bildungsvokabeln als in den für Distanzkommunikation und Wissensbildung notwendigen Sprach- praktiken, den textbezogenen Sprach- handlungen und den für das fächer- übergreifende Sprachlernen ge- brauchten Sprachformen, wie sie Ab- bildung 3 exemplarisch illustriert hat. 3. Förderung bildungs- sprachlicher Kompe- tenzen Sehr viele Punkte müssten angespro- chen werden, wenn es um die Förde- rung geht. Ich möchte hier nur einen allgemeinen schulentwicklungsbezo- genen und zwei weitere Aspekte auf- greifen, die fächerübergreifende As- pekte der Förderung betreffen. Durchgängige Sprachbildung als Schulentwicklungsaufgabe Dieser Punkt ist schulentwicklungsbe- zogen und auch forschungsseitig lei- der noch Zukunftsmusik. Die Forde-

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Adaptives Sprachangebot –Wie sprechen Lehrerinnen und Lehrer?

brauch von LehrerInnen im Unterricht von der Grundschule (GS) über die Unterstufe (US) bis in die Mittelstufe (MS) und Oberstufe (OS) des Gymna- siums untersucht. Das Ergebnis: Leh- rerinnen und Lehrer passen ihren Sprachgebrauch bis in die Grammatik hinein dem Könnensniveau ihrer Schülerinnen und Schüler an. Dabei sind sie mit ihrem Sprachangebot den Schülern immer einen Schritt voraus, bieten also ein Sprachniveau, das die SchülerInnen selbst noch nicht pro- duktiv verwenden, aber als Nächstes erreichen können. Das zeigt sich auf allen Ebenen der Sprache, zum Bei- spiel auch imWortschatz. Dabei kommt es aber ganz offenkundig nicht auf die einzelnen Wörter an, sondern auf die erworbenen Wortbil- dungstypen (vgl. auch Augst 2019/2021, S. 23 ff.), die in engem Zusammenhang mit Funktionen der Bildungssprache stehen, so etwa auch schwierige nominale Ableitungen wie Häufigkeit, Vererbung, Isolation . Deutsche Akademie 2021, S. 82). Das heißt, die Schüleräußerung wird auf einem stärker bildungssprachlichen Niveau reformuliert; kein sogenanntes ’Lehrerecho’, sondern ein erweiteres Sprachangebot, das den Erwerb for- dert. Erwerbsrelevant ist aber nicht nur das Angebot, sondern auch die Nach- frage: Vivien Heller und Miriam Morek zeigen im Akademiebericht, dass Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich sprach- lich fordern. Legen sie Wert auf Schü- lerantworten, die primär zu ihrer knappen Zeit für den Unterricht pas- sen oder setzen sie »globale Zug- zwänge« für Schülerantworten? Das heißt, ermuntern sie die Schüler, einen Sachzusammenhang in größeren »Äußerungspaketen« erklärend oder begründend darzustellen? Als Beispiel

für eine solche Forderung zitieren sie die Lehrerfrage: »Was ist dämmern? Wer kann erklären, was dämmern ist?« (vgl. Deutsche Akademie 2021, S. 54). Individuell und auch im Schul- artenvergleich gibt es große Unter- schiede in der Menge der durch Lehrer etablierten »globalen Zugzwänge« je Unterrichtsstunde (vgl. ebd. S. 55). Transformationsaufgaben stellen: Von der Nähe- zur Distanzsprache Wenn die Entwicklung konzeptionel- ler Schriftlichkeit ein wesentliches Kennzeichen bildungssprachlicher Kompetenz ist, sollten vermehrt Auf- gaben gestellt werden, die diesen Prozess unterstützen. Wie können die sprachlichen Transformationen initi- iert werden, die auf demWeg von sprachlicher Nähe- zu sprachlicher Distanzkommunikation notwendig sind? Bekannt geworden ist dafür ei- ne didaktische Konstellation, die methodisch dafür drei Phasen vor- sieht. In der Ausgangssituation wird in Schülergruppen mündlich zu einer Beobachtungs- oder Analyseaufgabe kommuniziert. Das kann eine Beob- achtungsaufgabe im naturkundlichen Unterricht oder auch das Sprechen über ein Gedicht im Deutschunter- richt sein. Im nächsten Schritt werden die Be- obachtungen und Ergebnisse aus ver- schiedenen Gruppenarbeiten dann den Mitschülern im Klassenzusam- menhang mündlich berichtet. Hier liegt bereits eine Distanzierung von der Ausgangssituation vor. Im dritten Schritt schließlich sollen die Beobachtungen und die daraus erwachsenen Erklärungen zusammen mit den Ergebnissen der Diskussion im Klassenzusammenhang in einem schriftlichen Bericht zusammenfas- send dargestellt werden. Hier liegt dann eine vollständige Ablösung des Sprachgebrauchs von der Ausgangs- situation vor; außerdem ist nun der Adressat ein allgemeines und unbe- kanntes Publikum, das selbst kein Vorwissen zu den Beoachtungen und der Diskussion hat. Es liegt also eine distanzierte Kommunikationssituati-

Dies ist ein in der jüngsten Forschung stark beachteter Punkt. Mit welcher Sprache werden Schülerinnen und Schüler in der Schule konfrontiert, et- wa in Arbeitsmaterialien und Lehr- werken, und wie ist diese Sprache auf ihren Erwerbsstand bildungssprachli- cher Fähigkeiten bezogen (vgl. zum Beispiel Berendes u.a. 2018)? Ein in diesem Zusammenhang leider viel zu lange vernachlässigter Faktor ist der Sprachgebrauch der Lehrerinnen und Lehrer selbst. Um das Schlagwort der bekannten Hattie-Studie zu zitieren, – es kommt tatsächlich auf die Lehre- rinnen und Lehrer an (Hattie 2009), und das gilt gerade auch für deren Sprachgebrauch in der Klasse. In einer preisgekrönten Fallstudie, die auch im zitierten Akademiebericht vorgestellt wird, hat Katrin Klein- schmidt-Schinke (Deutsche Akade- mie 2021, S. 63-90) den Sprachge- Die Darstellung in Abbildung 5 – hier aus dem erwähnten Bericht zur Lage der deutschen Sprache in den Schulen (Deutsche Akademie 2021, S. 77) – zeigt: Die Lehrkräfte liegen in ihrem Gebrauch stets etwas über dem der Schüler, die dann günstigenfalls die- ses Niveau auf der nächsten Stufe ih- rer Entwicklung erreichen. Lehrerin- nen und Lehrer sind also so etwas wie lebende Modelle oder Vorbilder für die angestrebten bildungssprachlichen Fähigkeiten der Schüler. Kleinschmidt- Schinke hat auch untersucht, wie die Lehrkräfte Äußerungen der Schülerin- nen und Schüler aufgreifen, erwei- tern, reformulieren und umformulie- ren . In mehr als 56 Prozent bis bei ei- nigen Klassen zu über 80 Prozent aller ausgewerteten Fälle ist die Lehrer- äußerung distanzsprachlicher als die vorhergehende Schüleräußerung (vgl.

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Abbildung 5: Lehrpersonen als Modelle für den Sprachgebrauch von Schülerinnen und Schülern (vgl. Deutsche Akademie 2021, S. 77)

on vor. Die Adressaten sind resultats- orientiert über das Experiment und

die Erklärung der Beobachtungen zu informieren.

cen eröffnet, geteilte Aufmerksamkeit auch auf die sprachliche Seite des Ler- nens zu lenken. Das kann beim Spre- chen über den angemessenen Sprach- gebrauch bei einer Folienpräsentation imUnterricht ebenso geschehen wie beim Austausch über inTexten mar- kierte bildungssprachliche Formulie- rungsmuster zum Beispiel für die Funktion des Hervorhebens wichtiger Inhalte (zum Beispiel von entscheiden- der Bedeutung ….; besonders hervor- zuheben ist … etc.) Die Forschung dazu (zum Beispiel Steinhoff u.a. 2020) zeigt, dass die Herstellung von Auf- merksamkeit für bildungssprachliche Gestaltungselemente den Erwerbspro- zess und die Qualität der resultieren- denTexte erheblich fördern kann. Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf (1985): Spra- che der Nähe – Sprache der Distanz. Münd- lichkeit und Schriftlichkeit im Spannungs- feld von Sprachtheorie und Sprachge- schichte. In: Romanistisches Jahrbuch 36, Seite 15-43. Langlotz, Miriam (2021): Nicht nur Nomen – Schulischer Grammatikerwerb am Beispiel der Nominalgruppe. In: Deutsche Akademie (Hg.): Die Sprache in den Schulen. Seite 147-176. Mathiebe, Moti (2021): Wie aus Wörtern Wort- schatz wird. In: Deutsche Akademie (Hg.): Die Sprache in den Schulen. Seite 125-146. Schleppegrell, Mary. J. (2004): The Language of Schooling. A Functional Linguistics Per- spective. New Jersey. Schuth, Elisabeth/Köhne, Judith/Weinert, Sabine (2017): The influence of academic vocabulary knowledge on school perfor- mance. In: Learning and Instruction 49, Seite 157-165. Scribner Sylvia/Michael Cole (1978): Unpa- ckaging literacy. In: Social Science Informa- tion 17 (1):19-40. Steinhoff, Torsten/Borgmeier, Hendrik/Bro- sowski, Tim/Marx, Nicole (2020): Förde- rung des mündlichen bildungssprachlichen Handelns in den Sachfächern der Sekun- darstufe I. In: Cora Titz/Susanne Weber/ Hanna Wagner/Anna Ropeter/Sabrina Geyer/Marcus Hasselhorn (Hg.): Sprach- und Schriftsprachförderung wirksam ge- stalten: Innovative Konzepte und For- schungsimpulse. Stuttgart, Seite 135-155. Wenk, Anne Kathrin/Nicole Marx/Lars Rüß- mann/Torsten Steinhoff (2016): Förde- rung bilingualer Schreibfähigkeiten am Beispiel Deutsch – Türkisch. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, 27/2, Seite 151-179.

Abbildung 6: Bildungssprache auf dem Kontinuum von Nähe- zu Distanzsprache

Sprache – Bildung – Denken

Aufgaben dieser Art verbinden die Si- tuierung des Lernens im jeweiligen Fach durch die Berichtsaufgaben mit dem fachlichen Lernziel einer zuneh-

mend abstrahierten und begrifflich zu fassenden Darstellung der Beobach- tungen. Das ist die fachliche Seite des Lernens. Zugleich werden damit Chan-

Literatur

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Bild: JuanCi Studio/AdobeStock

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Der Schlüssel zum Bildungserfolg Zur Bedeutung der Bildungssprache Deutsch

»S prache ist das Blut der Seele, in die Gedanken fließen und aus der sie entstehen.« Dieses Zitat des ameri- kanischen Arztes und Dichters Oliver Wendell Holmes führt uns vor Augen, wie unentrinnbar Sprache, Persön- lichkeit und Denken miteinander ver- bunden sind. Im Jahr 2019 übernahmHessen die Präsidentschaft innerhalb der Kultus- ministerkonferenz der Länder (KMK). In diesemZusammenhang ist es üblich, eines oder mehrere Kernthemen für die Präsidentschaft zu benennen – ein Thema, dem im Laufe des Jahres eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommt. Aus hessischer und aus gesamtdeut- scher Perspektive bot sich dieWahl von Deutsch als Bildungssprache für diese thematische Schwerpunktsetzung aus mehreren Gründen an. Sprache ist der entscheidende Schlüssel zur gesell- schaftlichen Integration. Das betont der aktuelle Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode in Hessen:

bzw. mit geringen Deutschkenntnis- sen (einschließlich Vorlaufkurskin- der) wurden seit 2015 in das hessi- sche Schulsystem aufgenommen. Der Anstieg der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Hessen beträgt in den letzten zehn Jahren rund 17 Prozent. Aufgrund weiterer Zuwanderung wird sich der Anteil in den nächsten Jahren merk- lich erhöhen. Fest steht, dass bereits jetzt 53 Prozent der Kinder im Alter von null bis sechs Jahren einen Mi- grationshintergrund haben. Die entscheidende Bedeutung der Sprache reicht jedoch weit über die Komponente der Integration von Menschen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, hinaus. Für alle Schülerinnen und Schüler verknüpft sich mit dem Beherrschen der deut- schen Sprache ein Zugang zur Kultur, die unsere Gesellschaft auszeichnet und prägt. Insbesondere für unsere Kleinsten imVorschulalter entstehen aufgrund der gesellschaftlichen Ver-

von PROF. DR. R. ALEXANDER LORZ Kultusminister des Landes Hessen

»Die Beherrschung der deutschen Sprache ist die Grundlage von Bil- dung in fast allen Schulfächern und darüber hinaus von entscheidender Bedeutung für ein Leben in unse- rem Land und die Integration in un- sere Gesellschaft. Deshalb ist es uns wichtig, dass die deutsche Sprache im gesamten schulischen Umfeld gepflegt wird.« 1 Diese Aussage lässt sich am Beispiel Hessens eindrucksvoll illustrieren, wobei die unterschiedlichen Zahlen verdeutlichen, in welcher herausfor- dernden Gesamtsituation wir uns ak- tuell befinden: Über 80 000 Ge- flüchtete und Zugewanderte ohne

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änderungen besondere Herausforde- rungen, denen die Gesellschaft be- gegnen muss. Elementare Kultur- techniken wie das Vorlesen von Mär- chen als abendliches Einschlafritual, das Erzählen von Geschichten im Fa- milien- und Freundeskreis oder der spielerische Umgang mit Sprache so- wie Mimik und Gestik im Puppenthea- terspiel werden in den Familien deut- lich weniger gepflegt, als es noch vor einer oder zwei Generationen üblich war. Parallel dazu nehmen wir wahr, dass der Medienkonsum von Kindern ansteigt: ZumTeil lernen schon Klein- kinder den Umgang mit einem Smartphone. Aus unterschiedlichen Rückmeldungen von Grundschulen erfahren wir, dass die motorischen Fä- higkeiten der Kinder insgesamt eher rückläufig sind. Selbstverständlich sind das Mo- mentaufnahmen, die wir weder über- bewerten noch unterschätzen dürfen, denn die zahlreichen Eltern, Großel- tern, Verwandte und Freunde, die sich der sprachlichen Förderung unserer Kinder und Jugendlichen täglich sehr hingebungsvoll und mit großer Sorg- falt widmen, gehören ebenso in das Gesamtbild wie die zuvor geschilder- ten Befunde. Was sich offenbar aus beiden Momentaufnahmen ergibt, ist eine sehr heterogene Ausgangssitua- tion, von der aus unsere Kinder und Jugendlichen ihre schulische und per- sönliche Entwicklung in Angriff neh- men. Da das Beherrschen der deut- schen Sprache – wie es uns einschlä- gige wissenschaftliche Untersuchun- gen vor Augen führen 2 – den zentra- len Schlüssel für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn in unserem Land darstellt, ergibt sich automatisch für alle Schülerinnen und Schüler das sichere Beherrschen der deutschen Sprache in Wort und Schrift als Grundvoraussetzung für Bildungs- und Chancengerechtigkeit. Daher wird eine intensive, systematische Deutschförderung insbesondere in den Teilbereichen Lesen, (Recht-) Schreiben, Zuhören und Sprechen über alle Bildungsetappen in der aktuellen Situation wichtiger als je zuvor.

Die elementaren Fertigkeiten des Lesens und Schreibens sind Schlüs- selqualifikationen für die Teilhabe an der heutigen, mehr denn je auf Kom- munikation ausgerichteten Gesell- schaft. Zugleich bilden beide Bereiche das Fundament für das sprachliche Register, mithilfe dessen man sich in der Schule und darüber hinaus Wissen aneignen und zum Ausdruck bringen 3 kann: Die Rede ist von Deutsch als Bil- dungssprache, dem Schwerpunktthe- ma der hessischen Präsidentschaft in der Kultusministerkonferenz 2019. Im Laufe des gesamten Jahres 2019 er- gingen zahlreiche landes- und bun- desweite Impulse, die sich diesem wichtigen Thema widmeten. Auf die spezifisch hessischen Maßnahmen zur Stärkung der Bildungssprache Deutsch wird an anderer Stelle in dem vorliegenden Themenheft noch ge- sondert eingegangen. 4 Ein zentrales Dokument, das die gemeinsamen Anstrengungen zur nachhaltigen Stärkung bildungs- sprachlicher Kompetenzen abbildet, ist die am 5. Dezember 2019 veröf- fentlichte KMK-Empfehlung mit dem Titel ’Bildungssprachliche Kompeten- zen in der deutschen Sprache stär- ken’. 5 Die Empfehlung umfasst das Arbeitsergebnis einer von Hessen ini- tiierten und geleiteten, länderüber- greifenden Arbeitsgruppe. Erstmals wurde auf diesemWege eine gemein- same Empfehlung zumThema ’Bil- dungssprache Deutsch’ mit konkreten Praxisempfehlungen für bundesweit alle Schulen ausgesprochen. Die in der Presse vielbeachtete Empfehlung wurde unter anderem als das ’Einmal- eins für den Schulerfolg’ 6 bezeichnet. Die Länder erhalten mit dieser Emp- fehlung einen Orientierungsrahmen zur Stärkung der bildungssprachli- chen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Der Orientierungsrah- men ermöglicht den Ländern jedoch individuelle Ausgestaltungsmöglich- keiten für bestehende und zukünftige Maßnahmen. Dazu verständigte sich die Arbeitsgruppe zur Erstellung der Empfehlung länderübergreifend auf zehn Grundsätze, die Gelingensbedin- gungen für eine erfolgreiche Stärkung

bildungssprachlicher Kompetenzen in der deutschen Sprache definieren. Zusätzlich formulierten die Länder – an diesen zehn Grundsätzen orien- tiert – Beispiele für aktuelle Maßnah- men, die in den jeweiligen Ländern bereits umgesetzt werden. Diese Zu- sammenstellung dokumentiert die beachtlichen Anstrengungen der Län- der in der Stärkung bildungssprachli- cher Kompetenzen. Wichtig ist in die- sem Zusammenhang, dass sich die KMK-Empfehlung auf alle Schülerin- nen und Schüler mit ihrem jeweils be- sonderen Unterstützungsbedarf und den unterschiedlichen individuellen Begabungen bezieht. An dieser Stelle wird beispielhaft auf zwei Thesen der KMK-Empfeh- lung eingegangen, die mitunter im Zusammenhang mit schulischer Bil- dung auch kontrovers diskutiert wer- den: Grundsatzthese 1: Sprachliche Bil- dung und Sprachförderung erfolgen durchgängig und systematisch über alle Bildungsetappen hinweg, vom Übergang aus dem Elementar- in den Primarbereich bis in die Sekun- darbereiche der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen. Alle an schulischer Bildung Beteiligten stehen in der gesellschaftlichen Ver- antwortung, für unsere Kinder und Jugendlichen jeglichen Sprachstan- des die bestmögliche Bildung gemäß ihren individuellen Begabungen zu schaffen. Ganz wesentlich sind in un- serer schriftlich geprägten Kultur das Leseverstehen und das schriftliche und mündliche Ausdrucksvermögen. Diese Fähigkeiten stellen die Grundla- ge für den Erwerb weiteren Wissens dar. Dementsprechend ist die Ent- wicklung und Festigung bildungs- sprachlicher Kompetenzen per defini- tionem bildungsetappenübergreifend notwendig. Dabei kommt insbesonde- re den Übergängen vom Elementar- in den Primarbereich sowie vom Pri- mar- in den Sekundarbereich und schließlich vom schulischen in den universitären Bereich oder den Be- reich der dualen Ausbildung eine Schlüsselrolle zu. Gleichzeitig ist die

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