Blickpunkt Schule 2/2022

Bildungssprache Deutsch Rechtschreibung und Kommasetzung

den) Schreibstil bevorteilt. So un- terlaufen Schülern wie in ’Satz b’ (hypotaktischer Satzbau) auf- grund des komplexeren Satzbaus schneller Zeichensetzungsfehler (im Beispiel b fehlt hinter dem zweiten Wort ’Fuge’ ein Komma, das als Fehler gewertet werden muss). Durch die Wiederholungs- fehler-Regelung werden bereits Schüler, die über einen großen Wortschatz verfügen, unter Um- ständen benachteiligt. So wird bei einem Schüler, der mit vielen Wortwiederholungen arbeitet, nur der erste Fehler im Falle eines häufig verwendeten und falschge- schriebenen Wortes gewertet. Hier könnte ein Fehlerindex ent- gegenwirken, der häufige Wort- wiederholungen als ’Ausdrucks- fehler’ bewertet. Zudem wäre zu diskutieren, ob in der Sekundar- stufe I der gleiche Abzug wie in der Oberstufe erfolgen sollte. So könnte zumindest im Fach Deutsch darüber nachgedacht werden, vier Notenpunkte anstelle von zweien (bei entsprechender Fehlerzahl) in der Mittelstufe ab- zuziehen. Somit könnte der un- glücklichen Entscheidung der Kul- tusministerkonferenz bezüglich des Fehlerindex (in der Oberstufe) gewissermaßen entgegengewirkt werden. Zudem muss überlegt werden, wie mit Modus- und Tem- pusfehlern umzugehen ist. Hier erscheint es ratsam, die Fehler zu- mindest satzweise zu werten, um die Schüler zu einer besonderen Sorgsamkeit zu sensibilisieren. Die bislang praktizierte Alternative, die sprachliche Bewertung (eben- so wie die Lektüre sprachlich komplexerer Lektüren) in die Oberstufe aufzuschieben, ver- stärkt eine ’Entkopplung der Oberstufe’, die zu einem Bruch zwischen der Mittel- und Ober- stufe führt. Da ein solcher ’Bruch’ zwangsläufig zu einer Reduzie- rung des Anspruchs und Abwer- tung des Abiturs führen muss, sollte er mit allen Mitteln vermie- den werden!

D er Deutsche Philologenver- band tritt wie seine Landes- verbände für die Förderung der Bildungssprache Deutsch ein und hat dieses Anliegen besonders wäh- rend der Präsidentschaft A. Lorz’ ge- genüber der Kultusministerkonferenz mit Erfolg deutlich gemacht. Die Bil- dungssprache Deutsch wird in der Schule verwendet, um sich über Fach- inhalte auszutauschen sowie Wissen zu erwerben und weiterzugeben. Die Beherrschung der Bildungssprache Deutsch ist Grundlage für jeden schu- lischen Kompetenzerwerb. Das Errei- chen der Bildungssprache Deutsch setzt eine umfassende und intensive Sprachbildung voraus. Deshalb muss das Fach Deutsch bereits in der Grundschule gestärkt werden. Nach- lässigkeiten, auch im Erwerb korrekter Rechtschreibung und Orthografie, wirken sich negativ aus und verhin- dern den angestrebten Erwerb von Bildungssprache. Deshalb trete ich – über die For- derungen an die Kultusministerkon- ferenz hinaus – kritisch gegenüber dem Vorstoß Winfried Kretsch- manns, digitale Hilfsmittel (zum Beispiel maschinelle Rechtschreib- korrektur) höher zu bewerten als die eigene Beherrschung der deutschen Rechtschreibung mit Beiträgen in Presse, Hörfunk und auf Internet- blogs dafür ein, Rechtschreibung und richtige Kommasetzung gesell- schaftlich und in der Schule zu stär- ken und nicht zu schwächen. Die einheitliche Rechtschreibung wurde eingeführt, damit Verschrift- lichtes schneller, verständlicher und missverständnisärmer gelesen werden kann. Auch die Kommasetzung ist da- bei hilfreich, um Informationen stö- rungsfreier zu verarbeiten. Es ist auch nicht nur ein Grundgerüst an Recht- schreibung für die Jugendlichen nö- tig, sondern ihre sichere Beherr- schung. Kinder und Jugendliche müs- sen zudem ein Rechtschreibbewusst-

Die Autorin

Sprache – Bildung – Denken

sein erwerben und erkennen, in wel- chem Kontext – Beziehung, Schule, Bewerbung – sie sich wie (richtig!) ausdrücken und korrekt schreiben müssen. Ich kritisiere kontinuierlich den la- schen politisch-administrativen Um- gang damit in den kultusministeriel- len Regelungen: Rechtschreibung, gute Deutschkenntnisse, entspre- chende Noten dafür, spielen bereits beim Übergang auf die weiterführen- den Schulen leider keine große Rolle mehr. Standards müssen jedoch kon- kret und verbindlich sein, das waren beispielsweise die Grundschulstan- dards Deutsch von 2004 nicht. Diese waren sehr allgemein formuliert, an keiner Stelle finden sich Hinweise auf ein mindestens zu erreichendes Niveau, es gibt nicht einmal einen Grundwortschatz. Es ist als Notwen- digkeit, aber nun auch als Erfolg zu betrachten, dass diese Grundschul- standards Deutsch jetzt vom IQB reformiert werden. In der Mittelstufe besteht in den meisten Bundesländern die Verpflich- tung, für schwerwiegende und ge- Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing ist Erziehungswissenschaftlerin, Professorin an der Philipps-Uni- versität Marburg und seit 2017 Bundesvorsitzende des Deut- schen Philologenverbandes.

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SCHULE

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