Profil 6/2025
PROFIL // Termine
Ein vollständiges Zurückfallen in die Unterrichtsverhält nisse vor Corona ist jedoch weder sinnvoll noch realis tisch. Der zukunftsfähige Weg ist ein intelligenter, digital unterstützter Präsenzunterricht. Dafür sind fundierte Kenntnisse über die Wirksamkeit digitaler Medien und Unterrichtssettings erforderlich. Der DPhV kritisiert, dass Lernplattformen in den Bundeslän dern überwiegend dazu genutzt werden, eine unüber schaubare Menge an digitalen Medien bereitzustellen, ohne dass wissenschaftliche Erkenntnisse über deren Lernwirk samkeit vorliegen. In der Praxis scheint es oft, als würden unre fl ektiert die Angebote kommerzieller Anbieter über Lernplattformen verbreitet, ohne dass deren E ff ektivität für das Lernen der Schülerinnen und Schüler hinterfragt wird. Dringend erforderlich ist daher die Weiterentwicklung von Lernplattformen zu Qualitätsplattformen. Lernplatt formen sollten, wie anfangs geplant, mit wissenschaftlich fundiertem Wissen zur Lernwirksamkeit der angebote nen Inhalte hinterlegt werden. Die dafür notwendige For schung muss unabhängig von kommerziellen Interessen erfolgen und mit Nachdruck vorangetrieben werden. Lernplattformen könnten aus Sicht des DPhV ein wirk sames Instrument sein, um das Recht auf informationel le Selbstbestimmung, insbesondere für Schülerinnen und Schüler, zu stärken. Angesichts der nicht abseh baren Möglichkeiten zur Datenanalyse durch Künstliche Intelligenz (KI) ist es heute wichtiger denn je, die beim digital unterstützten Lernen und Lehren anfallenden personenbezogenen Daten bestmöglich zu schützen. Insbesondere muss verhindert werden, dass scheinbar harmlose Datenspuren später zu Problemen für die individuelle Selbstbestimmung führen. Ein e ff ektiver Datenschutz setzt leistungsfähige Identitäts management-Systeme voraus. Der DPhV kritisiert, dass in diesem Bereich seitens der Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen zu wenig unternommen wird. Zudem müssen die Bemühungen verstärkt werden, KI für den schulischen Unterricht nutzbar zu machen. Zwar gibt es vereinzelt Initiativen, die Datenschutz- und Urheberrechtsfragen sachgerecht adressieren, doch fehlt eine bundesweit abgestimmte KI-Strategie für das Bildungssystem. Ebenso mangelt es an Konzepten für die notwendigen Investitionen in Forschung und Ent wicklung. Ohne entschlossene Schritte droht Deutsch land, bildungspolitisch von der internationalen KI-Ent wicklung abgehängt zu werden. Informationelle Selbstbestimmung
Kommerzielle Anbieter
In den ersten Jahren während und nach der Corona- Pandemie war die Erwartung an die Potenziale von Lern plattformen von großer Euphorie geprägt. Ziel war es, durch Eigenentwicklungen die Unabhängigkeit staatli cher Schulen von kommerziellen Bildungsmedien-Anbie tern zu sichern und durch o ff ene Entwicklungsansätze die Qualität digitaler Unterrichtsmedien zu verbessern. Der DPhV kritisiert, dass die ursprünglichen Ziele mitt lerweile weitgehend aufgegeben wurden. Selbst die Be strebungen, durch lizenzfreie Eigenentwicklungen die Unabhängigkeit des Bildungssystems zu stärken, sind weitgehend erlahmt. Stattdessen dienen Lernplattfor men heute vorrangig dazu, strukturierten Zugang zu Produkten kommerzieller Bildungsanbieter zu gewäh ren. Zwar konnten dadurch grundlegende Datenschutz probleme eingedämmt werden, doch hat der Staat gleichzeitig Kontroll- und Ein fl ussmöglichkeiten auf die Entwicklung digitaler Unterrichtsmedien eingebüßt. Initiativen wie die von der Kultusministerkonferenz auf Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommis sion (SWK) vorgeschlagenen Kompetenzzentren zur Er stellung digitaler Unterrichtsmedien drohen an Bedeu tung zu verlieren. Zudem besteht die Gefahr, dass sich durch kommerzielle Eigeninteressen digitale Monokul turen etablieren, wenn beispielsweise analoge Bildungs medien aus Kostengründen eingestellt werden. Nach den anfänglichen Erfolgen digital gestützten Un terrichts wurden hohe Erwartungen an die E ffi zienz digi taler Medien und Unterrichtssettings geknüpft. Mittler weile hat jedoch eine Ernüchterung eingesetzt. Der DPhV nimmt zur Kenntnis, dass in anderen Ländern bereits Schritte zur Reduzierung digitaler Elemente im Unterricht unternommen werden. Lernwirksamkeit
Dr. Marcus Hahn, Vorsitzender des Bildungspolitischen Ausschusses.
Foto: Gawrisch
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