Profil 12/2024
PROFIL // Termine
16 PROFIL // 12/2024 Die politische Sicht vertrat Matthias Böhme. Er ist Referatsleiter im Säch sischen Kultusministerium für die Be reiche Grundsätze, Qualitätsentwick lung, Bildungsmonitoring und Inter nationales. „Die Kompetenzwerte müssen uns nachdenklich machen“, sagte er in Bezug auf das Abschnei den Deutschlands. Allerdings zeichne sich gerade Sachsen neben Bayern immer wieder als Land mit den bes ten Schülerleistungen im bundeswei ten Vergleich aus. Da PISA die födera len Strukturen in Deutschland nicht berücksichtige, könne die Politik auch nur eingeschränkt Rückschlüsse zie hen und man müsse vorsichtig sein, hier „keine Datenfriedhöfe“ zu produ zieren. Andererseits hält Böhme PISA auch nicht für unnötig. Man müsse die Daten aber mit besonderer Be sondern als Ausgangspunkt für eine sachliche und lösungsorientierte Dis kussion über die konkreten Heraus forderungen, vor denen die deut sche Bildungslandschaft stehe. Prof. Dr. Nele McElvany (TU Dort mund, u.a. Lehr-/Lernforschung im schulischen Kontext) stellte in ihrem Vortrag PISA im Kontext mit IGLU (In ternationale Grundschul-Lese-Unter suchung) vor. Sie verwies auf die entscheidende Bedeutung der Lese kompetenz, deren Grundlagen be reits in der Grundschule gelegt wer den. Zwar liege Deutschland hier im Mittelfeld, aber in den vergangenen 20 Jahren sei die Lesekompetenz sig ni fi kant zurückgegangen. McElvany plädiert daher für konsequente Maßnahmen zur Förderung der Le sekompetenz, insbesondere für frü he Sprachförderung, wirksame Inter ventionen und datengestützte Schul entwicklung. Sie betonte die Not wendigkeit einer intensiveren Zu sammenarbeit zwischen Wissen schaft und Praxis, um Erkenntnisse aus Studien in die Schulentwicklung ein fl ießen zu lassen.
konnte Prof. Dr. Katrin Kleinschmidt Schinke (Uni Oldenburg) für das Schulfach Deutsch erkennen. Dabei zitierte sie u.a. die Forschungen von Dorothee Wieser (2017): „Inwiefern die entsprechenden deutschdidakti schen Forschungsvorhaben und De batten oder die bildungspolitischen Maßnahmen […] auch zu konstrukti ven Veränderungen des Unterrichts in den Schulen geführt haben, er scheint weniger eindeutig, wenn nicht zumindest in Teilen fraglich“. Aus Sicht der Deutschdidaktik gab es hinsichtlich PISA und den Folgen in den vergangenen Jahren zahlreiche kritische Stimmen. So verkenne PISA z. T. die „textliche Qualität“, den „Möglichkeitssinn“ beim literarischen Lesen oder die „Identitätsbildung und ästhetische Sensibilität“ (Spin ner, 2013). Zudem bestehe die Ge fahr der Vernachlässigung literari schen Lernens gegenüber der För derung der basalen Lesekompetenz und der Vernachlässigung literatur- und kulturgeschichtlichen Wissens – und ganz grundlegend die Gefahr des „teaching to the test“. Bei aller Kritik müsse man PISA aber zugutehalten, dass ein Verständnis dafür entwickelt wurde, dass sich De fi zite in der Bildungssprache Deutsch kumulativ in Sachfächern auswirken. Als eine Konsequenz wur de beispielsweise „Lesen durch Schreiben“ (Jürgen Reichen) bzw. lautorientierte Verfahren in einigen Bundesländern verboten. Kleinschmidt-Schinke schloss mit den Forderungen der AG Leseverste hen des Symposions Deutschdidak tik (SDD): einerseits die Vermittlung evidenzbasierten Wissens über Lese verstehensprozesse, Leseförderung und Lesediagnostik, andererseits eine stärkere Vernetzung der an der lesebezogenen Lehrkräfteausbildung beteiligten Akteurinnen und Akteure
Foto: Gretzschel
Matthias Böhme, Referatsleiter im sächsi schen Kultusministerium
rücksichtigung der föderalen Struktu ren in Deutschland lesen. Einen besonderen Blick auf die na tionalen Auswirkungen von PISA auf Standards, Lehrpläne und Unterricht richtete Prof. Dr. Maik Walpuski (Uni versität Duisburg-Essen). Grundsätz lich attestiert er der deutschen Bil dungslandschaft seit dem „PISA Schock“ im Jahr 2000 Fortschritte hinsichtlich der Implementation von Standards und der Beschreibung der tatsächlichen Kompetenzen. So wurden die Lehrpläne der Länder basierend auf den Bildungsstan dards überarbeitet und länderüber greifend überprüft. Auch bei ver bindlichen Abschlussprüfungen (Abitur) würden sich die Länder annä hern. Allerdings gebe es in Bezug auf gewünschte Veränderungen im Un terricht und der tatsächlichen Kom petenzstände noch einiges zu tun. Grundsätzlich positiv attestierte Wal puski, dass PISA in Deutschland eine Bildungsdiskussion ausgelöst habe. Man wisse inzwischen relativ viel über die Leistungen der Schülerin nen und Schüler, aber vergleichswei se wenig über den Unterricht und die Lehrkräfte. An dieser Stelle warb Walpulski für mehr Beachtung des Unterrichts. Walpulski machte die Entwicklung auch anhand des Schulfachs Chemie deutlich. Ähnliche Beobachtungen
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