Profil 12/2024

Die Profil Ausgabe 12/2024 mit den Leitthema "Bach, der Lehrer" ist veröffentlicht. Jetzt lesen!

12 2024

DEUTSCHER PHILOLOGENVERBAND

DAS MAGAZIN FÜR GYMNASIUM UND GESELLSCHAFT

Bach, der

Lehrer

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Brücke zwischen Gymnasium und Universität: Der Wissenschaftliche Beirat

Bildungs- sprache Deutsch

Erinnerung und Mahnung als Forschungsthema unserer DLP-Preisträger

PROFIL // Auf ein Wort

Der DPhV setzt sich mit Vehemenz für den Erwerb der zweiten Fremdsprache bzw. mehrerer Fremd sprachen am Gymnasium ein. Dass ausgerechnet in Zeiten internationaler Spannungen dieses völker verständigende Element gestrichen werden soll, erfüllt uns mit Sorge. Deutschlands Geschichte ver p fl ichtet uns zum respektvollen Umgang mit ande ren Kulturen. Wenn Europa, wenn Völkerverständi gung gelingen soll, braucht es bei jedem Einzelnen den Blick über den eigenen Horizont hinaus. Gera de dafür bietet das Erlernen von Fremdsprachen enorme Möglichkeiten. Dieses Potenzial aus der Schule zu verbannen, auch aus dem profanen Grund, um Stunden für ein neu gescha ff enes Ver bundfach zu gewinnen, zeugt von erschreckender Kurzsichtigkeit. Noch grundlegender für die gymnasiale Bildung ist die Beherrschung der deutschen Rechtschreibung als ein Baustein für den souveränen Erwerb der Bil dungssprache Deutsch. Auch hier setzen wir den Grabrednern der individuell-menschlichen Beherr schung der deutschen Rechtschreibung energischen Widerstand entgegen – und wollen nun neu Zeichen setzen. Gemeinsam mit Prof. Dr. R. Kaehlbrandt ma chen wir uns deshalb im Deutschen Philologenver band gemeinsam mit den Landesverbänden auf den Weg, einen deutschen Rechtschreibwettbewerb für unsere Schülerinnen und Schüler zu gestalten. Wir arbeiten darauf hin, dieses Projekt im nächsten Jahr, voraussichtlich mit weiteren Partnern, gemeinsam an den Start zu bringen. Dies wird dann ein besseres Weihnachtsgeschenk im nächsten Jahr sein als je nes, das Winfried Kretschmann den Schülerinnen und Schülern in diesem Jahr als „taule Nuss“ unter den Baum legen möchte. Inmitten der unruhigen Zeiten all überall wünsche

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes

Kein gutes Weihnachtsgeschenk, liebe Kollegen und Kolleginnen, möchte Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Gymnasialschülerinnen und -schülern in Baden Württemberg überreichen. Zum wiederholten Male „denkt er an“, die verp fl ichtende zweite Fremdspra che für ein Schulfach „Digitale Medienkompetenz“ zu streichen. Nicht nur da stehen der Deutsche Phi lologenverband und die Landesverbände, hier ins besondere der Philologenverband Baden-Württem berg, Seite an Seite. Wir kritisieren gemeinsam den „Digital-Populismus“, den Winfried Kretschmann nicht das erste Mal betreibt. Jedesmal stößt er auf unsere fundamentale Ablehnung. Vor nicht allzu lan ger Zeit wollte Kretschmann die Beherrschung der Rechtschreibung auf dem Digital-Altar opfern, nun die Beherrschung von mehreren Fremdsprachen. Und zum wiederholten Male erliegt er damit dem Irrglauben, dass KI wesentliche Kulturtechniken er setzen könne. Wir halten dagegen. Denn wer die Grundlagen einer anderen Sprache, einer anderen Kultur nicht kennt, den führt das reine Verwenden von digitalen Medien letztlich dazu, dass er von diesen abhängig ist – das hat mit Medienkompetenz rein gar nichts zu tun. Winfried Kretschmann will elementare kulturelle Er rungenschaften auf dem Altar eines Digital-Populis mus opfern. Denn wer das Verständnis einer Fremd sprache, einer anderen Kultur, eines anderen Men schen auf einen ‚Knopf im Ohr‘ reduziert, hat das Konzept der Verständigung nicht begri ff en. Eine ge lungene Kommunikation mit anderssprachigen Menschen zeichnet sich doch durch so viel mehr aus als durch das bloße Übersetzen einfacher Sätze. Hier wird ‚Verständigung‘ zum stumpfen ‚Verständ lich-Machen‘ degradiert. Natürlich sind die Möglich keiten der KI erstaunlich und auch hilfreich, aber sie ersetzen nicht die eigene Lernleistung, und schon gar nicht die Freude am persönlichen Fortschritt.

ich Ihnen, liebe Kollegen und Kolleginnen, ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest. Bleiben Sie bewahrt!

Mit kollegialen Grüßen!

Ihre

Susanne Lin-Klitzing

3 PROFIL // 12/2024

DPhV-Standpunkte  Aktuelle ICILS-Studie: Rückläu fi ge digitale Kompetenzen sind ein Ergebnis vernachlässigter IT-Infrastruktur an vielen Schulen 5  Deutsches Schulbarometer: Psychische Belastungen der Schülerinnen und Schüler erfordern viel mehr Unterstützung für Schulen und Lehrkräfte  Konstituierende Sitzung der Wissenschafts-MK: DPhV betont gemeinsame Verantwortung der Kultus- wie der Wissenschaftsministerien für die Lehrkräftebildung 6

PROFIL // Inhalt

Bach, der Lehrer 8

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Titel  Bach, der Lehrer

Termine  Wissenschaftlicher Beirat des DPhV tagt in Berlin: PISA im Kreuzfeuer

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 Zusammenkunft zwischen Rhein und Mosel: Der DPhV-Bundesvorstand tagte in Koblenz  300 Philologen atmeten Nordseeluft und stellten harte Forderungen Niedersächsischer Philologentag in Bremerhaven

Wissenschaft- licher Beirat des DPhV: PISA im Kreuzfeuer 14

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Begegnungen  Ein wertvolles Ergebnis der letzten DLP-Preisverleihung Alena Bauer und Johannes Heitmann erinnern an die Judenverfolgung in St. Blasien

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 Die eigene Wirkung kennen – John Hattie im Gespräch

Bildungssprache Deutsch  Die Bedeutung der Bildungssprache Deutsch und der Rechtschreibung

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Aus den Ländern  PhV Nordrhein-Westfalen:

Sabine Mistler bleibt Vorsitzende des Philologenverbandes NRW

DPhV-Bundes- vorstand tagte in Koblenz 18

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 PhV Niedersachsen: Psychische Belastungen von Schülerinnen und Schülern erfordern deutlich mehr Unterstützung für Schulen und Lehrkräfte  PhV Rheinland-Pfalz: 86 Jahre nach der Reichspogromnacht: PhV ruft bei Gedenken und Aufklärung zur Mithilfe der Eltern auf

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Impressum

Buchtipp & Verlosung  Abendländischer Kulturstaat –

ohne Religionsbezug nicht denkbar Axel Bernd Kunzes Schrift „Bildung und Religion“

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Die Bedeutung der Bildungssprache Deutsch und der Rechtschreibung 30

In eigener Sache

dbb magazin

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 Wir werden uns einmischen Europäischer Abend  USA und Europa: Perspektiven und deutsche Verantwortung

dbb magazin

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Hochschulen

dbb magazin

 Wissenschaftsstandort Deutschland: Spitzenforschung duldet keine prekären Jobs 46

4 PROFIL // 12/2024

PROFIL // DPhV-Standpunkte

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Aktuelle ICILS-Studie:

Rückläu fi ge digitale Kompetenzen sind ein Ergebnis vernachlässigter IT-Infrastruktur an vielen Schulen Nur Gymnasien können trotz großer Herausforderungen hohes Niveau halten / Bildungssprache Deutsch entscheidender Schlüssel für besseres Lernen D er Deutsche Philologenver band (DPhV) sieht sich in sei ner Forderung nach kontinu

Die Ergebnisse der aktuellen ICILS Studie zeigten nämlich schon jetzt einen signi fi kanten Rückgang der mittleren computer- und informati onsbezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in den vergangenen fünf Jahren. Die gym nasialen Schülerinnen und Schüler konnten ihr hohes Niveau bestäti gen. (ICILS-Studie, S. 18) Susanne Lin-Klitzing ergänzt: „Die guten Ergebnisse an den Gymnasien knüpfen an die positiven Ergebnisse aller entsprechenden Studien aus der Corona-Zeit an, in denen für die gymnasialen Lehrkräfte jeweils die höchsten Werte für die unterricht liche Nutzung von digitalen Materia lien und Wegen vorliegen. Im Inte resse unserer Schülerinnen und Schüler wollen wir diesen Weg ger ne re fl ektiert mit ihnen weiter gehen. Dies geht aber nur dann, wenn die Schulträger weiter in alle Schularten investieren, die Dienst

herren die nötigen Rahmenbedin gungen scha ff en und für den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Lehrkräfte und ihrer Schülerin nen und Schüler im digitalen Raum sorgen.“ Weitere bedeutsame ICILS-Ergebnisse sind:  Die Bildungssprache Deutsch ist in Deutschland auch für computer- und informationsbezogene Kom petenzen entscheidend. (S. 25)  Die große Mehrheit (86,6 Prozent) der Schülerinnen und Schüler gibt an, dass die Menschen viel zu viel Zeit mit der Nutzung digitaler Medi en verbringen. 73,6 Prozent sehen sie sogar als gefährlich für die Ge sundheit der Menschen an. (S. 35)  Ein Drittel der Lehrkräfte beklagt eine unzureichende IT-Ausstattung.

ierlichen Investitionen in die digitale Infrastruktur von Schulen durch die verö ff entlichte ICILS-Studie bestä tigt. Verbesserungen werden aller dings durch das erneute Aufschie ben des Digitalpakts 2.0 infrage gestellt. DPhV-Bundesvorsitzende Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing sagt: „Wir er warten von der Bundespolitik und den Kultusministern und -ministe rinnen die durch den Ampelbruch verschärfte Hängepartie um den Digitalpakt 2.0 schnell zu beenden. Wir brauchen vorausschauendes Handeln und eine pragmatische Zwischenlösung für die baldige Fi nanzierung des neuen Pakts für die Schulen und die Schülerinnen und Schüler, die eben jetzt (!) und nicht irgendwann später zur Schule ge hen.“

5 PROFIL // 12/2024 Fast die Hälfte gibt an, dass die IT nicht funktionsfähig ist, wenn die Lehrkräfte sie nutzen möchten. (S. 53) 

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PROFIL // DPhV-Standpunkte

6 PROFIL // 12/2024 noch nicht gewährleistet ist, damit sie auch dort endlich eingesetzt wird – zum profes sionellen Nutzen aller.  Pressemitteilung vom 12. November 2024 zuständig für administrative IT-Aufgaben. Die professionelle IT-Unterstüt zung fehlt nach wie vor an viel zu vielen Schulen und hemmt eine unterrichtstaugliche un komplizierte Nutzung. Die Kul tusminister und -ministerinnen müssen dort in den Dialog mit den Schulträgern eintreten, wo die professionelle IT-Wartung  Das grundsätzlich Wichtigste für alle Schülerinnen und Schü ler an allen Schularten sei je doch auch klar, so Lin-Klitzing: „Ohne das Beherrschen der deutschen Sprache nützen die besten Geräte nichts. Wir brau chen in jedem Bundesland eine diagnoseindizierte, verbindli che, vorschulische Sprachför derung. Die Stärkung der Bil dungssprache Deutsch endet nicht mit der Grundschule, Deutsch muss auch in Sekun darstufe I vierstündig unterrich tet werden und eine di ff eren zierte Förderung von Schülerin nen und Schülern mit Schwie rigkeiten beim souveränen Umgang mit der deutschen Sprache muss zusätzlich zum Regelunterricht in den Ländern erfolgen.“ Fast ein Viertel der Schülerin nen und Schüler nimmt zudem mangelnde IT-Kenntnisse der Lehrkräfte als Hemmnis wahr. Das führt aus Sicht des DPhV zu zwei Schlussfolgerungen: 1. Lehrkräfte benötigen mehr Zeitressourcen, um sich fortbilden zu können. 2. Die Lehrkräfte sind nicht

Deutsches Schulbarometer:

Psychische Belastungen der Schülerinnen und Schüler erfordern viel mehr Unterstützung für Schulen und Lehrkräfte D er DPhV verweist im Zuge des vorgestellten Deutschen Schul

mangel, immer größerer Hetero genität in den Lerngruppen und den zahlreichen außerunterrichtlichen Verp fl ichtungen dafür die Zeit sein? Zudem ist es doch klar, dass sich verfallende Schulgebäude und man gelhafte Infrastruktur weder bei der Schülerschaft noch bei den Lehr kräften positiv auf die Psyche aus wirken. Wir können nur an die Poli tik appellieren, hier endlich ausrei chende Mittel zur Verfügung zu stel len, um die zu Grunde liegenden, o ff ensichtlichen Probleme zu lösen – sowohl kurzfristig als auch lang fristig.“ Besonders alarmierend sieht der DPhV den häu fi gen Unterrichtsaus fall, aber auch die Störungen im Un terricht. Die große Mehrheit der be fragten Schülerinnen und Schüler (83 %) berichtet davon. Lin-Klitzing: „Mangelnder Respekt gegenüber Lehrkräften belastet eben nicht nur die Lehrkräfte selbst, sondern auch die Mitschüler und Mitschülerinnen. Wir haben es hier leider mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun. Hier sind auch die Eltern in der P fl icht, ihren Kindern Grund lagen des wertschätzenden Mit einanders zu vermitteln und die Lehrkräfte zu unterstützen, wenn sie entsprechendes Benehmen im Unterricht einfordern.“ 

barometers der Robert Bosch Stif tung auf die angespannte Situation der Schulen und der Lehrkräfte. In den Umfragen beklagen weite Teile der Schülerinnen und Schüler u.a. häu fi gen Unterrichtsausfall, Sanie rungsstau, zu viele Störungen im Unterricht, zu wenig Klassenleiter stunden und zu wenig Feedback möglichkeiten. Ein Fünftel der Be fragten sieht sich psychisch belastet. DPhV-Bundesvorsitzende Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing sagt: „Der dau erhafte Lehrkräftemangel, die per manente Überbelastung der Kolle gen und Kolleginnen fordern ihren Tribut. Auch wenn viele bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gehen, können sie den Unterricht nicht so gestalten wie sie gerne würden, was teilweise dazu führt, dass die Unter richtsqualität nicht mehr im ge wünschten Maß gewährleistet wer den kann. Die nicht zur Verfügung stehenden Zeit-Ressourcen bekom men die Schüler und Schülerinnen direkt zu spüren. Die meisten Lehr kräfte würden nichts lieber tun, als die Feedback-Arbeit mit ihren Klas sen zu intensivieren und regelmäßig Klassenleiterstunden durchführen, wenn es sie denn in ihrem Bundes land in ausreichenden Maße gäbe. Wie und wo soll bei den viel zu ho hen Stundendeputaten, Lehrkräfte

Pressemitteilung vom 20. November 2024

PROFIL // DPhV-Standpunkte

Konstituierende Sitzung der Wissenschafts-MK:

DPhV betont gemeinsame Verantwortung der Kultus- wie der Wissenschaftsministerien für die Lehrkräftebildung A nlässlich der konstituieren den Sitzung der neu geschaf fenen Wissenschaftsminister berei tung einer

hochklassigen Demokratiebil dung, aber auch der Erhalt der Promo tionsfähigkeit der Studie renden des gymnasialen Lehr

konferenz (Wissenschafts-MK) be tont der Deutsche Philologenver band, dass Lehrkräftebildung in der gemeinsamen Verantwortung der Kultus- und der Wissenschaftsminis terien liege. Er wünscht deren neuer Vorsitzenden, der Wissenschafts ministerin von Mecklenburg-Vor pommern, Bettina Martin, wie der Wissenschafts-MK insgesamt dazu gutes Gelingen. DPhV-Bundesvorsitzende Prof. Dr. Lin-Klitzing sagt: „Durch die neue Struktur der Konferenzen für Bil dung einerseits und Wissenschaft andererseits wird die gemeinsame Gestaltung der Lehrkräftebildung nicht leichter. Die Lehrkräftebildung darf jedoch nicht zwischen die Stüh le geraten. Am Beispiel der sach fremden, rein aus der Sicht der Wis senschaft umgesetzten und letzthin nicht hilfreichen Umstellung von Lehramtsstudiengängen auf das BA/MA-System in vielen Bundeslän dern und dem daraus resultieren den Beginn der Kürzung des Vor bereitungsdienstes haben wir ge lernt: Lehrkräfteausbildung leidet, wenn man sie nicht ganzheitlich betrachtet.“ Themen wie die Durchführung von Schulpraktika während des Studi ums, die stetige Ausrichtung der Studieninhalte an den Curricula und Erfordernissen der Schulen, die Vor

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amts sowie die auskömmliche Aus stattung der universitären Lehrkräf tebildung mit Personal im Bereich der Fachwissenschaften, der Fachdi daktik sowie der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft verlangten eine gut koordinierte Zusammen arbeit. „Zu glauben, dass die Kooperation schon dadurch gewährleistet sei, dass man weiter formal unter dem Dach der KMK bleibt, erscheint uns da mit Blick auf die Erfahrungen in der Vergangenheit etwas zu optimis tisch“, so Lin-Klitzing. „Welche Schrit te erfolgen nun? Wie kann eine kon struktive, kontinuierliche Abstim mung im Interesse einer gut auf gestellten Lehrkräftebildung sicher gestellt werden zwischen der ersten universitären Phase der Lehrkräfte bildung im Wissenschaftsressort und der zweiten Phase, dem Vor bereitungsdienst, und vor allem auch der dritten Phase, der berufs begleitenden Lehrkräftefort- und weiterbildung, die von den Kultus ministerien verantwortet werden? So erwarten wir u.a. als Anreiz für die Verbesserung der Verzahnung der verschiedenen Phasen in der

7 PROFIL // 12/2024 risch unter dem Dach der KMK. Der Vorsitz wechselt jährlich, analog zur Rotation der KMK-Präsidentschaft.  Pressemitteilung vom 21. November 2024 Lehrkräftebildung, dass Professoren und Professorinnen die Möglichkeit erhalten, kontinuierlich durch geführte fachwissenschaftliche Lehrkräftefortbildungen auf ihr Hochschuldeputat anzurechnen.“ Die KMK müsse nun zeigen, dass die neue Struktur den Herausforderun gen der Zukunft, wie der zunehmen den Durchdringung von Schule und Wissenschaft mit KI einerseits und der Gewinnung von zusätzlichen Lehrkräften bei zu hohen Abbruch quoten im Lehramtsstudium ande rerseits, gewachsen sei. Der Philolo genverband tritt dazu gerne mit kri tisch-konstruktiven Vorschlägen in diesbezügliche Gespräche mit der neu gegründeten Wissenschafts-MK ein. Die Wissenschafts-MK ist nun eine von drei neuen eigenständigen Mi nisterkonferenzen innerhalb der Kultusministerkonferenz (KMK), neben den Konferenzen für Bildung und Kultur. Sie bleibt organisato

PROFIL // Titel

Bach, der Lehrer

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8 PROFIL // 12/2024 entfaltet und ihrem Schöpfer zu globalem Ruhm verholfen. Dass von Friedrich Pohl E s gibt keinen Komponisten Lehrer pro fi tiert hat, wie Johann Sebastian Bach (1685-1750). So ein zigartig und universell seine Musik auch sein mag, ohne die kräftige Mithilfe seiner direkten Schüler (Schülerinnen sind tatsächlich nicht zweifelsfrei zu belegen) hätte sie wohl kaum die heutige Wirkmacht von Weltrang, dessen Werk so sehr von seiner Tätigkeit als

zahlreiche seiner Werke wie bei spielsweise das Weihnachtsorato- rium jetzt im Dezember weltweit zum Standardrepertoire gehören, war im 18. Jahrhundert alles andere als absehbar. Auch wenn Bachs Musik nach sei nem Tod nicht komplett in Verges senheit geriet, so entsprach sie doch schnell nicht mehr dem (ga lanten) Zeitgeist und verschwand weitgehend aus dem ö ff entlichen

Musikleben. Abgesehen davon hat te es Bach selbst zu seinen Lebzei ten nur zu vergleichsweise über schaubaren Ruhm gebracht. Sicher zeugte seine letzte Anstellung als Thomaskantor zu Leipzig und die Ernennung zum „Kurfürstlich Säch sischen und Königlich Polnischen Hof-Compositeur“ von grundlegen der, regionaler Anerkennung, doch an internationaler Popularität konnte er seinen (von ihm sehr geschätzten) Zeitgenossen Georg

PROFIL // Titel

Friedrich Händel (1685-1759), Georg Philipp Telemann (1681-1767) und Antonio Vivaldi (1678-1741) nicht das Wasser reichen. Allerdings hatten auch die Werke der Genannten nach ihrem Tod den Kampf gegen das Vergessen zu füh ren. Die P fl ege der „Alten Musik“ wie sie heute selbstverständlich ist, fand im ausgehenden 18. Jahrhun dert – wenn überhaupt – im geist lichen Rahmen statt, wo Kirchen musiker im Zweifel (oder aus Zeit not) auf bereits vorhandenes No tenmaterial zurückgri ff en. Im Fall von Johann Sebastian Bach ergab sich sogar die Besonderheit, dass seine Söhne nach seinem Tod we sentlich berühmter waren als der Vater. Wer in den 1770er- und 1780er-Jahren „Bach“ sagte, meinte damit in aller Regel Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel (1714–1788). Der diente unter anderem als Cembalist am Hof Friedrichs des Großen und wurde später Musikdirektor in Ham burg an den fünf Hauptkirchen und Kantor am Johanneum – Positionen also, die mit großem Renommee verbunden waren. Johann Sebastian Bach selbst war „der alte Bach“ oder „Sebastian Bach“. Das korrekte „Johann Sebastian Bach“ setzte sich erst im Laufe der fortschreitenden Bach-Forschung durch. Noch im Jahr 1873 benannte die Stadt Leip zig ihm zu Ehren eine Straße ver kürzt „Sebastian-Bach-Straße“. Sie heißt auch heute noch so.

Foto: Bach-Museum Leipzig Mothes

Im Bach-Museum in Leipzig

mäßig wenig Aufmerksamkeit ge schenkt. Erst in den vergangenen Jahren gab es vermehrte Anstren

gungen. Vor ein paar Monaten leg te Prof. Dr. Ingo Bredenbach mit „Johann Sebastian Bachs Clavier unterricht – Bach als Lernender und Lehrender“ (Bärenreiter, 2024, 519 Seiten) ein bemerkenswertes Standardwerk vor, das Bachs Ein fl üsse und pädagogisches Wirken detailliert beleuchtet. Den Stein ins Rollen gebracht hatte vor allem Dr. Bernd Koska. Der am Bach-Archiv in Leipzig arbeitende Forscher stellte für das Bach-Jahr buch 2019 eine vielbeachtete Liste sämtlicher namentlich bekannter Privatschüler von Bach zusammen. Diese unterteilt sich in „gesicherte“ Schüler“ (81), „vermutliche“ Schüler (44) und auch „vermeintliche“ Schü ler (32). Schon seinerzeit hatte Kos ka darauf hingewiesen, dass seine Liste nur ein Ausgangspunkt sein könne, die als Basis für weitere For schung dienen würde und somit keinen Anspruch auf fi nale Gültig keit stellen könne. Überdies muss man sich klar machen, dass Bach darüber hinaus weitere rund 400 Internatsschüler der Thomas

Foto: Schmidt

Neue Forschung zu Bachs Schülern

Angesichts der Tatsache, dass die Bach-Schüler die Musik ihres Meis ters vor dem Vergessen bewahrten und ihr damit letztlich zum späteren Weltruhm verhalfen, hatte die Bach Forschung dem Thema „Lehrer Bach und seine Schüler“ verhältnis

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Vor der Thomaskirche in Leipzig

PROFIL // 12/2024

PROFIL // Titel

Bei Bachs Wahl der Arbeitgeber spielten zeitlebens die begleiten den Optionen auf Zuverdienste zur eigentlichen Stelle eine wichtige Rolle. U.a. waren Privatschüler eine gute Einnahmequelle. Zudem konnten sich die talentiertesten von ihnen als nützliche Gehilfen erweisen, einige Schüler wohnten auch bei Bach. Allerdings stand der Unterricht bei den meisten Statio nen (Arnstadt, Mühlhausen, Wei mar, Köthen) nie im Zentrum der Karriere. Es handelte sich um einen mal mehr, mal weniger umfangrei chen Bonus. Dennoch entstand eine Win-Win-Situation. Für die Schüler lohnte sich neben der soli den Ausbildung schon allein das Bach-Siegel auf dem Empfehlungs schreiben (quasi das Zeugnis sei ner Zeit). Das ließ sich Bach übri gens gern als eine Art „Abschieds geschenk“ bezahlen. Die Schüler wiederum wussten, dass sie damit gute Chancen auf dem Arbeits markt hatten. Dass dem so war be zeugt, dass eben nicht nur Bachs Söhne, sondern auch zahlreiche seiner Schüler begehrte Musiker stellen bekleiden konnten. Koska sagt: „Das Prädikat ‚Bach-Schüler‘ war ein Qualitätssiegel, das viele Türen ö ff nete.“

Foto: Langer

DPhV-Pressesprecher Friedrich Pohl und Bach-Forscher Dr. Bernd Koska

schule unterrichtet haben dürfte. Alles in allem kommt er also auf ca. 500 Schüler (eine voll berufstäti ge Gymnasiallehrkraft unterrichtet

fundes Wissen angeeignet hatte, das ihn auch zu einem Studium befähigt hätte – was er aber nie antrat. Wohl aus fi nanziellen Gründen, aber auch mangels Interesses der Fächeraus wahl der Zeit. Musik konnte man noch lange nicht studieren. Tele mann und Händel beispielsweise begannen ein Studium (Jura), bra chen es aber auch relativ schnell zugunsten der Musik wieder ab.

bspw. im Laufe ihres Lebens ca. 3.000 bis 4.000 Schüler).

10 PROFIL // 12/2024 gen Fächern (Latein, Griechisch, Mathematik, Geogra fi e, Katechis mus und evangelische Religion) pro Bevor wir uns dem Lehrer Bach wid men, zunächst noch einige Schlag lichter auf den außermusikalischen Schüler Bach: Mit sieben Jahren kam er in Eisenach auf die Latein schule des ehemaligen Domini kanerklosters. Nach dem Tod seiner Eltern zog Bach zu seinem Bruder Johann Christoph nach Ohrdruf und besuchte dort das Lyzeum bis zur Prima. Später wechselte er an die Partikularschule des Lüneburger Michaelisklosters, die ein höheres akademisches Niveau bot und im Verhältnis zur Zeit heute mit einem Gymnasium verglichen werden könnte. Wir dürfen annehmen, dass sich Bach in den seinerzeit wichti

Infos

Bach-Museum Leipzig: Fundgrube für den Unterricht

Das Bach-Museum tritt mit unterschiedlichen Besucher- gruppen aller Altersstufen in Dialog: u.a. auch mit gehörlo sen, blinden und sehbehinderten Menschen, Pädagogen und Künstlern. Hier gibt es ein reiches Angebot an Führungen, Mitmach-Programmen und Workshops für Kinder und Jugendliche. Anmeldung und Informationen: Tel. +49 341-9137-214 E-Mail: museumspaedagogik@bach-leipzig.de https://www.bachmuseumleipzig.de/

PROFIL // Titel

Entstehung der „Bachischen Schule“

eben selbst. Dabei handelte es sich um nicht weniger als heute selbst verständliche Meisterwerke: von den kleinen Präludien und Inventio nen bis hin zu den teils hochkom plexen Präludien und Fugen im „Wohltemperierten Klavier“. Später stellte er für Familienmitglie der „Notenbüchlein“ zusammen – bestehend aus eigenen und frem den Werken. Koska sagt: „Bach hat seine Sammlungen wie die ‚Inven tionen und Sinfonien‘ oder den ers ten Teil des ‚Wohltemperierten Kla viers’ erst in Köthen, also zwischen 1717 und 1723, systematisch ge ordnet und so eine Basis für den Unterricht gescha ff en. Diese Art des selbst entwickelten Lehrplans wurde später als ‚Bachische Schule‘ bezeichnet.“ Dass diese Werke ein mal in großen Konzertsälen ge spielt werden sollten, dürfte Bach kaum im Sinn gehabt haben. Schon

allein, weil die Lautstärke der sei nerzeit verfügbaren Instrumente (also meist Clavichord oder Cemba lo) nicht ansatzweise an das Volu men moderner Konzert fl ügel heranreichten. Wie sehr die Bach-Schüler die Wer ke ihres Meisters geschätzt haben dürften, belegen die zahlreichen handschriftlichen Abschriften sei ner Werke (die wenigsten erschie nen zu Bachs Lebzeiten gedruckt und dann nur in geringer Au fl age). In weiten Lehrerkreisen etablierten sie sich als unverzichtbares Unter richtsmaterial, das geradezu zwangsläu fi g irgendwann in die Hände von Wolfgang Amadeus Mo zart (1756-1791), Ludwig van Beet hoven (1770-1827) und Felix Men delssohn Bartholdy (1809-1847) fi el. Letzterer gab 1829 mit der Auf führung von Bachs Matthäus-Pas sion in der Berliner Sing-Aka- 

Welches Temperament hatte Bach als Lehrer? Da verhält es sich ähn lich wie beim Menschen Bach. Man kann vieles nur erahnen. Wenig überraschend legte er nach Aus sagen seiner Schüler viel Wert auf Disziplin, Fleiß, Genauigkeit („Rein heit des Spiels“, wie Carl Philipp Emanuel schrieb). Das mag sicher „streng“ gewirkt haben. Mutmaß liche Zornesausbrüche sind aber nicht belegt. Entscheidend ist aber, welchen Weg Bach als Musikpädagoge ging. Zunächst stand er vor der zeitlosen Herausforderung aller Lehrkräfte: geeignetes Unterrichtsmaterial fi n den. Und das war Anfang des 18. Jahrhunderts für Instrumente aller Art praktisch unmöglich. So kom ponierte Bach die Übungsstücke

PROFIL // Titel

demie den Startschuss für den bei spiellosen Erfolgszug Bachscher Werke aller Gattungen im ö ff entli chen Konzertleben – bis zum heuti gen Tag. Bach hat unter den klassi schen Komponisten heute nicht nur die meisten Google-Tre ff er, son dern führt auch beispielsweise beim Streamingdienst Spotify vor Mozart und Beethoven.

bung um einen Platz im Alumnat (Internat) waren die Knaben in der Regel 13 bis 14 Jahre alt. Die Alters struktur der Thomaner entsprach zu Bachs Zeit also eher einem Ju gendchor als einem Kinderchor. Bach unterrichtete die Klassen in der Aula der Schule, insgesamt sieben Stunden pro Woche.

men – ungeachtet ihrer musika lischen Fähigkeiten. Der Streit eska lierte. In einer dies thematisieren den Denkschrift an das Leipziger Rathaus listetet Bach seine 54 Alumnen auf und unterteilt sie in „17 zu gebrauchende, 20 noch nicht zu gebrauchende, und 17 untüchtige“. Geholfen hat es wenig. Bach muss te sogar viele der „Untüchtigen“ nehmen, was o ff ensichtlich nicht gerade motivationsfördernd war. Und so verrichtete er in Thomas schule-Fragen mit fortschreitender Zeit nur das Allernötigste, „innere Kündigung“ würde man heute wohl sagen. Immerhin blieb ihm so we nigstens genügend Kraft, um zahl reiche Meisterwerke zu schreiben, die ohne Zweifel als künstlerischer Gipfel ihrer Gattung gelten (u.a. „Johannes-Passion“, „Matthäus Passion“, „h-moll-Messe“, „Kunst der Fuge“). Daneben entfaltete Bach ein vielseitiges Tätigkeitsspek trum außerhalb der Schule: Kom positionsaufträge, Ka ff eehausmusi ken, Orgelprüfungen, Privatunter richt – alles, was die fl orierende Messestadt Leipzig und ihre Umge bung hergab. So gewaltig Bachs musikalisches Scha ff en seiner letzten 23 Lebens jahre als Thomaskantor in Leipzig auch war, so profan liest sich seine Bilanz als angestellter Lehrer: Ärger mit dem Dienstherrn, unterschiedli che Leistungsniveaus der Schüler schaft, unzureichende Rahmenbe dingungen, ausbaufähige Bezah lung, unverhältnismäßige Auf gabendichte, Suche nach geeig netem Unterrichtsmaterial – Bach mag einer der berühmtesten Kom ponisten der Welt sein, als Lehr kraft teilte er die alltäglichen, zeitlo sen Nöte mit den meisten seiner Kolleginnen und Kollegen. 

Thomaskantor in Leipzig: Vom Privatlehrer zum Klassenlehrer

12 PROFIL // 12/2024 Die Thomasschule war für die da malige Zeit eine anspruchsvolle Bil dungseinrichtung, die besonderen Wert auf eine umfassende huma nistische und musikalische Ausbil dung legte. Sie spielte eine zentrale Rolle im kulturellen und religiösen Leben Leipzigs. Bei ihrer Bewer Soweit der Privatlehrer Bach, zum Klassenlehrer wurde er erst wäh rend seiner letzten, aber auch längsten Berufsstation in Leipzig (von 1723 bis zu seinem Tod 1750). Das von ihm hier bekleidete Amt des Thomaskantors beinhaltete zu nächst u.a. neben dem Musikunter richt auch den Unterricht in Latein. Bach wäre um ein Haar also auch Lateinlehrer geworden, doch die sen Teil verhandelte er sich aus und bezahlte dem Tertius der Tho masschule 50 Reichstaler pro Jahr, damit dieser den Lateinunterricht übernahm – immerhin die Hälfte von Bachs Festeinkommen. Von ei ner professionellen, pädagogischen Ausbildung wie heute waren Lehr kräfte seinerzeit weit entfernt. Im Grunde begnügte man sich damit, dass die entsprechende Person über das Wissen eines Fachs ver fügte und dann die Schüler ent sprechend „informieren“ könne. Insofern war Bach formal ausrei chend quali fi ziert.

Foto: Sammlung Bach-Archiv Leipzig

Thomasschule und Thomaskirche um 1723

Das mag nach einem überschauba ren Unterrichtsdeputat aussehen, doch die Erwartungen der Ratsher ren an den Thomaskantor waren gewaltig. Neben dem Musikunter richt sollte Bach herausragende Musik komponieren (gern eine neue Kantate pro Woche!) und auch noch für die Bespielung von vier Leipziger Kirchen (St. Thomae war nur eine davon) sorgen. Das alles ging schnell mit großen Problemen einher. Prämien für zu sätzliche Musiker und studentische Helfer wurden Bach früh gestri chen, und auch bei der Auswahl der Schüler redete die Stadt immer mehr mit. Denn diese sollten auf einmal verstärkt aus Leipzig selbst und nicht aus dem Umland kom Ärger mit dem Dienstherrn

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PROFIL // Termine

Wissenschaftlicher Beirat des DPhV tagt in Berlin

PISA im Kreuzfeuer

Der Wissenschaftliche Beirat diskutiert PISA und seine Folgen

14 PROFIL // 12/2024 haltspunkt, denn aus PISA-Daten kann man keine kausalen Rück schlüsse ziehen. Der DPhV forderte darauf von der Kultusministerkon von Friedrich Pohl S eit fast einem Vierteljahrhun dert ist PISA (Programme for International Student Assess ment) bedeutsam in der bildungs politischen Debatte in Deutschland. Ende 2023 erschien die jüngste Pu blikation „PISA 2022 Ergebnisse – Lernstände und Bildungsgerechtig keit. Band I“ (521 Seiten). Im Zuge der Verö ff entlichung hatte der PISA Koordinator Andreas Schleicher (der die Studien seit Anbeginn konzipiert) viel Unmut auf sich gezogen, indem er deutsche Lehrkräfte u.a. als „Be fehlsempfänger“ bezeichnete und das mehrgliedrige Schulsystem als Ursache der nachlassenden Leistun gen ausmachte – ohne soliden An

Foto: Pohl

ferenz (KMK) ein Aussetzen der PISA Studien, solange Andreas Schleicher deren Koordinator ist. Im dbb-Jah resgespräch mit der KMK teilten die Kultusminister unseren Eindruck: Es gibt keine derartige Kausalität. Ganz abgesehen davon, dass die für PISA in Deutschland erhobenen Daten (6.116 Schülerinnen und Schüler an 257 Schulen) unmöglich die 16 un terschiedlichen Bildungssysteme in den Bundesländern repräsentieren können, schreiben selbst die OECD Autoren: „Im OECD-Vergleich entfal len aber nur 12 % der Varianz der Mathematikleistungen auf Unter schiede zwischen Bildungssystemen. Anders ausgedrückt: Die Merkmale der Bildungssysteme spielen keine wichtige Rolle für die Erklärung der

Unterschiede bei den Schülerleistun gen in den OECD-Ländern.“ (S. 71)

Dies alles war ein guter Anlass für den wissenschaftlichen Beirat des DPhV, PISA einer kritisch-konstrukti ven Betrachtung zu unterziehen. So stand die diesjährige Tagung in Berlin unter dem Motto „PISA revisited“. Den Eingangsimpuls lieferte Prof. Dr. Kristina Reiss (TU München, Didaktik der Mathematik). Sie forschte aus un terschiedlichen Perspektiven zum Thema „Mathematische Kompetenz“, leitete bis 2021 die Auswertung der PISA-Studien in Deutschland und war entsprechend eng in deren Konzepti on eingebunden, zumal der diesjähri ge Schwerpunkt auf dem Fach Ma thematik lag.

PROFIL // Termine

Reiss ging zunächst auf die PISA- Methodik und deren jeweilige Schwerpunkte in den vergangenen Jahren ein (Lesen, Mathematik, Na turwissenschaften) – alles vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Fragestellungen: Wie wirksam sind die Bildungssysteme in den Staaten der OECD? Kommen sie ihrem Auf trag in ausreichender Weise nach? Sind die Bildungssysteme geeignet, allen Jugendlichen gleiche Bildungs chancen zu erö ff nen? Unter welchen Bedingungen fi ndet schulisches Ler nen in den Staaten der OECD statt? Mit Blick auf den jüngsten PISA Schwerpunkt Mathematik verwies Reiss auf teils veränderte Sichtwei sen. Ging es historisch um grund legende arithmetische Fähigkeiten (z. B. Rechnen mit ganzen und ratio nalen Zahlen, Berechnung von Flä chen), sind inzwischen neue Blickfel der dazugekommen: die Digitalisie rung vieler Lebensbereiche, die All gegenwärtigkeit von Daten für Ent scheidungen, gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawan del, Ausbreitung von Pandemien, die Globalisierung der Wirtschaft. Die Leistungen der deutschen Schü ler sind in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen – womit sie allerdings im allgemeinen OECD Trend liegen. (Auch die Leistungen der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien sind vom Rückgang be tro ff en, allerdings liegen ihre Leis tungen auf einem weit höheren ab soluten Niveau als die der Schüler an nichtgymnasialen Schulen.) Als mögliche Konsequenz daraus warb Reiss u.a. für einen Blick auf erfolgreichere Staaten – wenn auch mit Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede. Für Mathematik kon kret schlug sie eher am Alltag ori entierte Anwendungen vor, mehr Fehlertoleranz und einen größeren Schwerpunkt auf dem Weg zum Lö

sungsziel. Auch die erhöhten Leis tungen in modernen Fremdsprachen („kommunikative Wende“ seit den 1970er-Jahren) sei insofern bemer kenswert, als dass dadurch mögli cherweise auch Impulse für den Mathematikunterricht übernommen werden könnten. Gerade der Blick auf mögliche Kon sequenzen aus den PISA-Ergebnissen entfachte eine intensive Diskussion. Vor allem Arnd Niedermöller, Schul leiter des Imanuel-Kant-Gymnasiums in Berlin Lichtenberg und Vorsitzen der der Vereinigung der Oberstudi endirektorinnen und Oberstudien direktoren des Landes Berlin e.V., mahnte zu großer Vorsicht bei bil dungspolitischen Maßnahmen allein auf Grundlage der PISA-Daten. Einer seiner zentralen Kritikpunkte ist das Schlechtreden des Bildungssystems in Deutschland. In der ö ff entlichen Debatte würden pauschale und oft übertriebene Aussagen getro ff en, wie etwa „Unser Schulsystem ist un gerecht!“ oder „Bildungskatastro phe!“. Dabei werde häu fi g ein Ver gleich mit anderen Ländern gezogen, die angeblich deutlich besser ab schnitten. Niedermöller sieht in die ser Art der Argumentation eine un gerechtfertigte Schuldzuweisung, häu fi g vor allem an das Gymnasium und betont, dass der Fokus auf das punktuelle Übertragen erfolgreicher

15 PROFIL // 12/2024 gebnisse dürften nicht als Grundlage für eine pauschale Abwertung des deutschen Schulsystems dienen,  Bildungssysteme anderer Länder auf Deutschland die Diskussion vereinfache und vereinseitige. Darüber hinaus hinterfragte Nieder möller die Aussagekraft der PISA-Er gebnisse im Hinblick auf die Beurtei lung des deutschen Bildungssystems insgesamt. Während Schülerinnen und Schüler aus dem oberen Leis tungsviertel im internationalen Ver gleich sehr gute Ergebnisse erzielen, zeigt sich gleichzeitig ein größerer Abstand zwischen den oberen und unteren Leistungsgruppen. Länder wie Finnland oder Kanada schneiden hier homogener ab. Niedermöller fragte jedoch, ob die Konzentration auf das Gesamtergebnis der Studie tatsächlich ein realistisches Bild der Leistungsfähigkeit des gesamten deutschen Schulsystems zeichne oder ob dies nicht eher zu pauscha lierenden Fehleinschätzungen führe. Statt das deutsche Bildungssystem generell abzuwerten, fordert Nieder möller eine di ff erenzierte Betrach tung der PISA-Ergebnisse. Besonders wichtig sei ihm, den Blick auf konkre te Herausforderungen zu richten, die sich aus den Ergebnissen ableiten lassen. So hebt er beispielsweise die Frage hervor, wie die sprachlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund frühzeitig gefördert werden können. Auch die gezielte Unterstützung von Schulen, die einen hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern aus soge nannten „Risikogruppen“ haben, sieht er als dringende Aufgabe an. Abschließend betont Niedermöller, dass seine Kritik sich nicht gegen PISA selbst richte, sondern gegen die Art und Weise, wie die Ergebnisse in der ö ff entlichen Diskussion häu fi g instrumentalisiert würden. Die Er

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Prof. Dr. Kristina Reiss von der TU München

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16 PROFIL // 12/2024 Die politische Sicht vertrat Matthias Böhme. Er ist Referatsleiter im Säch sischen Kultusministerium für die Be reiche Grundsätze, Qualitätsentwick lung, Bildungsmonitoring und Inter nationales. „Die Kompetenzwerte müssen uns nachdenklich machen“, sagte er in Bezug auf das Abschnei den Deutschlands. Allerdings zeichne sich gerade Sachsen neben Bayern immer wieder als Land mit den bes ten Schülerleistungen im bundeswei ten Vergleich aus. Da PISA die födera len Strukturen in Deutschland nicht berücksichtige, könne die Politik auch nur eingeschränkt Rückschlüsse zie hen und man müsse vorsichtig sein, hier „keine Datenfriedhöfe“ zu produ zieren. Andererseits hält Böhme PISA auch nicht für unnötig. Man müsse die Daten aber mit besonderer Be sondern als Ausgangspunkt für eine sachliche und lösungsorientierte Dis kussion über die konkreten Heraus forderungen, vor denen die deut sche Bildungslandschaft stehe. Prof. Dr. Nele McElvany (TU Dort mund, u.a. Lehr-/Lernforschung im schulischen Kontext) stellte in ihrem Vortrag PISA im Kontext mit IGLU (In ternationale Grundschul-Lese-Unter suchung) vor. Sie verwies auf die entscheidende Bedeutung der Lese kompetenz, deren Grundlagen be reits in der Grundschule gelegt wer den. Zwar liege Deutschland hier im Mittelfeld, aber in den vergangenen 20 Jahren sei die Lesekompetenz sig ni fi kant zurückgegangen. McElvany plädiert daher für konsequente Maßnahmen zur Förderung der Le sekompetenz, insbesondere für frü he Sprachförderung, wirksame Inter ventionen und datengestützte Schul entwicklung. Sie betonte die Not wendigkeit einer intensiveren Zu sammenarbeit zwischen Wissen schaft und Praxis, um Erkenntnisse aus Studien in die Schulentwicklung ein fl ießen zu lassen.

konnte Prof. Dr. Katrin Kleinschmidt Schinke (Uni Oldenburg) für das Schulfach Deutsch erkennen. Dabei zitierte sie u.a. die Forschungen von Dorothee Wieser (2017): „Inwiefern die entsprechenden deutschdidakti schen Forschungsvorhaben und De batten oder die bildungspolitischen Maßnahmen […] auch zu konstrukti ven Veränderungen des Unterrichts in den Schulen geführt haben, er scheint weniger eindeutig, wenn nicht zumindest in Teilen fraglich“. Aus Sicht der Deutschdidaktik gab es hinsichtlich PISA und den Folgen in den vergangenen Jahren zahlreiche kritische Stimmen. So verkenne PISA z. T. die „textliche Qualität“, den „Möglichkeitssinn“ beim literarischen Lesen oder die „Identitätsbildung und ästhetische Sensibilität“ (Spin ner, 2013). Zudem bestehe die Ge fahr der Vernachlässigung literari schen Lernens gegenüber der För derung der basalen Lesekompetenz und der Vernachlässigung literatur- und kulturgeschichtlichen Wissens – und ganz grundlegend die Gefahr des „teaching to the test“. Bei aller Kritik müsse man PISA aber zugutehalten, dass ein Verständnis dafür entwickelt wurde, dass sich De fi zite in der Bildungssprache Deutsch kumulativ in Sachfächern auswirken. Als eine Konsequenz wur de beispielsweise „Lesen durch Schreiben“ (Jürgen Reichen) bzw. lautorientierte Verfahren in einigen Bundesländern verboten. Kleinschmidt-Schinke schloss mit den Forderungen der AG Leseverste hen des Symposions Deutschdidak tik (SDD): einerseits die Vermittlung evidenzbasierten Wissens über Lese verstehensprozesse, Leseförderung und Lesediagnostik, andererseits eine stärkere Vernetzung der an der lesebezogenen Lehrkräfteausbildung beteiligten Akteurinnen und Akteure

Foto: Gretzschel

Matthias Böhme, Referatsleiter im sächsi schen Kultusministerium

rücksichtigung der föderalen Struktu ren in Deutschland lesen. Einen besonderen Blick auf die na tionalen Auswirkungen von PISA auf Standards, Lehrpläne und Unterricht richtete Prof. Dr. Maik Walpuski (Uni versität Duisburg-Essen). Grundsätz lich attestiert er der deutschen Bil dungslandschaft seit dem „PISA Schock“ im Jahr 2000 Fortschritte hinsichtlich der Implementation von Standards und der Beschreibung der tatsächlichen Kompetenzen. So wurden die Lehrpläne der Länder basierend auf den Bildungsstan dards überarbeitet und länderüber greifend überprüft. Auch bei ver bindlichen Abschlussprüfungen (Abitur) würden sich die Länder annä hern. Allerdings gebe es in Bezug auf gewünschte Veränderungen im Un terricht und der tatsächlichen Kom petenzstände noch einiges zu tun. Grundsätzlich positiv attestierte Wal puski, dass PISA in Deutschland eine Bildungsdiskussion ausgelöst habe. Man wisse inzwischen relativ viel über die Leistungen der Schülerin nen und Schüler, aber vergleichswei se wenig über den Unterricht und die Lehrkräfte. An dieser Stelle warb Walpulski für mehr Beachtung des Unterrichts. Walpulski machte die Entwicklung auch anhand des Schulfachs Chemie deutlich. Ähnliche Beobachtungen

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unterschiedlicher Disziplinen voran zutreiben. Und damit zurück zur Eingangsfrage: Was hat PISA nun nach fast 25 Jah ren `gebracht´? Ein endgültiges, all umfassendes Fazit verbietet schon die wissenschaftliche Sorgfalts p fl icht. Zu komplex ist die Daten menge, zu unterschiedlich die inter nationalen Bildungssysteme, zu kon trovers die Debatte um das PISA-De sign und die Interpretation der Da ten. Positiv kann man sicher feststel len, dass PISA seinen Teil dazu bei getragen hat, Bildungspolitik in Deutschland auf ein größeres Podi um zu stellen und Leistungsrückgän ge auch für eine breitere Ö ff entlich keit zu dokumentieren. Der Blick auf die PISA-Ergebnisse zeigt jedoch, dass das alte drei Jahre wiederholte Durchführen die Studie

selbst o ff enbar nicht zu besseren Leistungen geführt hat, was die all gemein abfallenden Leistungskurven der vergangenen Jahre zeigten. Und dass ein simpler Verweis auf frühere „Musterschüler“ wie Finnland mit nichten ein Garant für leistungsfähi gere Schulsysteme ist, eben weil ein solch singulärer Hinweis nicht nur die unterschiedlichen Eigenarten der Schulsysteme, sondern auch die ge sellschaftlich-kulturellen Komplexitä ten völlig außen vor lässt. Nicht zu letzt zeigt aber auch die (auch beim wissenschaftlichen Beirat) intensiv geführte Debatte um die PISA-Inter pretationshoheit, wie heikel, ja ge fährlich verknappte und vereinfach te Narrative sein können. Was übri gens im Zusammenhang mit PISA auch für die von der OECD häu fi g kritiklos ins Feld geführten 4K (Krea tivität, kritisches Denken, Kommuni

kation und Kollaboration) gilt – für deren Auswahl keine wissenschaftli che Begründung vorliegt. Es ist sicher wünschenswert, dass bei kommenden PISA-Studien (die es trotz aller Kritik und Kosten weiter geben wird) die Darstellung und In terpretation der Daten weitaus di ff e renzierter vorgenommen wird als bisher, vor allem in der medialen Darstellung. Doch diese Ho ff nung ist wahrscheinlich naiv. Hatte der erste „PISA-Schock“ noch wochen- bzw. monatelange Debatten nach sich ge zogen (die zumindest etwas Raum für Vertiefung boten), war das Inte resse der meisten größeren Medien an PISA dieses Mal schon kurz nach der Verö ff entlichung merklich abge ebbt. Als hätte man sich an den Nie dergang gewöhnt und nimmt ihn nur noch müde zur Kenntnis. 

Foto: Langer

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Zusammenkunft zwischen Rhein und Mosel Der DPhV-Bundesvorstand tagte in Koblenz

18 PROFIL // 12/2024 DPhV-Bundesvorstands eine anre gende Stadtführung vorgeschaltet. Koblenz hat das Deutsche Eck, wo sich die weinumsäumte Mosel dem Rhein anschließt, wo die Flaggen und Denkmäler aller Bundesländer die Ufer säumen und wo mit der le gendären Sitzung der Ministerprä sidenten der deutschen Länder die Gründung der Bundesrepublik auf den Weg gebracht wurde – hier lei der ohne die Mitwirkung der fünf ostdeutschen Länder, denen die Sowjetunion das Tre ff en und die Mitwirkung untersagte. von Walter Tetzlo ff D amit wenigstens ein kleiner kultureller Bezug zum Ta gungsort gewährleistet war, wurde der letzten Sitzung des

Hier in Koblenz trafen sich die Vor sitzenden und ihre Stellvertreterin nen und Stellvertreter der Landes

verbände zur zweiten Halbjahres tagung des DPhV-Bundesvorstands. Unter der Leitung ihrer Vorsitzen den Frau Prof. Dr. Susanne Lin-Klit zing kamen die Philologen zusam men und koordinierten ihre Ver bandsarbeit. Dann ging es konzentriert um bil dungspolitische und berufspoliti sche Themen. Zunächst machte DPhV-Geschäftsführerin Gabriele Lipp auf Veranstaltungen aufmerk sam, die das Verbandsjahr 2025 be stimmen werden: die Veranstaltung zur Demokratie- und Werteerzie hung am 14. März in der Luther stadt Wittenberg sowie die Vertre terversammlung, das höchste Ver

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Cornelia Schwartz, Landesvor sitzende in Rheinland-Pfalz

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bandsgremium, das vom 13. bis zum 15. November in Berlin statt fi nden wird. Kurz darauf durfte die Bundesvor sitzende Frau Prof. Dr. Lin-Klitzing unter dem Beifall der Anwesenden die rheinland-pfälzische Bildungs ministerin Frau Dr. Stefanie Hubig begrüßen. Diese legte ein klares Bekenntnis zum Digitalpakt ab. So sinnvoll, wie der Digitalpakt gewe sen sei, so notwendig sei dessen Fortsetzung, der Digitalpakt 2. Die Errichtung desselben sei aber ab hängig von einem gültigen Bundes haushalt, dessen Verabschiedung aber wegen des Bruchs der Ampel koalition im Bund noch nicht erfolgt sei. Stefanie Hubig sprach sich da bei für einen überproportionalen Anteil des Bundes am Digitalpakt 2 aus. Eine 50 : 50-Regelung lehnten die Länder ab. Enttäuschend – besonders für den Phv Rheinland-Pfalz - war sicher Stefanie Hubigs Ablehnung einer Deputatssenkung für Lehrkräfte, deren Engagement, besonders bei der Integration ukrainischer Flüchtlingskinder sie ausdrücklich lobte. Im weiteren Verlauf erläuterte die Ministerin die Neuaufstellung der

Die Bundesvorsitzende im Gespräch mit Dr. Stefanie Hubig Foto: Langer

19 PROFIL // 12/2024 Knoblauch) und „Zukunft der Indivi dualisierung an Gymnasien“ und „Demokratiebildung am Gymnasium (BPA unter der Leitung von Dr. Mar kus Hahn) erfuhren große Zustim mung und wurden einstimmig be schlossen. Die nächste Sitzung des Bundesvor stands fi ndet am 9. und 10. Mai 2025 in Göttingen statt.   der Bruch der Ampelkoalition und die Neuwahlen, die einen Forde rungskatalog von seiten des DPhV an die Parteien nahelegten,  das Thema Digitalisierung und Handygebrauch im Unterricht,  die Notwendigkeit einer verbind lichen Schulartempfehlung nach Klasse 4, worauf die Bundesvor sitzende unter Verweis auf die Studie „Bildung in Deutschland“ verwies,  die Ablehnung eines eigenständi gen Schulfaches „Finanzbildung“, wobei auf die Rubrik „Auf ein Wort“ von Susanne Lin-Klitzing in der letzten Ausgabe von „Pro fi l“ verwiesen werden kann. Die in den beiden Ausschüssen des DPhV erstellten Positionspapiere „Digitalisierung an Schulen“ (BRA un ter der Leitung von Dr. Thomas

Kultusministerkonferenz in drei ein zelne Konferenzen. Die für die Schulen zuständige Konferenz kann e ff ektiver und zielgerichteter arbei ten. Der Deutsche Philologenverband sieht die Aufspaltung der Kultus- und Wissenschaftsministerkon ferenz kritisch. Er fürchtet, dass die Belange der Lehrkräftebildung durch die Spaltung der Konferen zen zwischen die Räder geraten könnten. Im weiteren, internen Verlauf der Vorstandssitzung standen die fol genden Themen im Vordergrund:

Anwesende Mitglieder des Bundesvorstands

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300 Philologen atmeten Nordseeluft und stellten harte Forderungen Niedersächsischer Philologentag in Bremerhaven

Foto: PhV Niedersachsen

20 PROFIL // 12/2024 nen. Mit seiner Rede traf er den Nerv der Delegierten aus dem gan zen Land, aber seine Worte ließen auch die Kultusministerin Julia Willie von Walter Tetzlo ff F ür ihren Philologentag über Niedersachsen führte seine diesjähri ge Großveranstaltung diesmal nicht – wie so viele Jahre zuvor – in Goslar, sondern ganz am nordwestlichen Rand des großen Bundeslands, nämlich in Bremerhaven durch. Wenn man den Landesvorsitzen den, Dr. Christoph Rabbow, kennt, dann überrascht es Delegierte und Besucher nicht, dass alles wie am Schnürchen klappte. Beginnen wir mit dem Empfang am Vorabend des Delegiertentages im 19. Stock des imposanten Atlantic Hotels. Hier hatte man einen atemberaubenden Blick auf Stadt, Hafen und die Nord see, von wo aus kleine bunte Lichter die Szenerie umrahmten. Und doch galt die Aufmerksamkeit – neben der wohlschmeckenden Bekösti gung – mehr den beiden Hauptred nern. Der Landesvorsitzende ver stand es mit der ihm eigenen Kom bination von Hartnäckigkeit und freundlichem Humor, die Verbands forderungen zu formulieren, als da sind: die unzureichende Lehrerver sorgung, die ausbleibende Alters ermäßigung oder die kleinkarierte Praxis, nach dem Abitur nicht mehr erteilte „Minusstunden“ aufzurech schritten sie sogar die Landes grenze. Der Philologenverband

Hamburg (Bündnis 90 / Die Grünen) nicht ungerührt. Diese versuchte gar nicht erst, alle von der Landesregierung und ihr als Ministerin getro ff enen Maßnahmen als einzig richtigen Weg herauszustel len. Stattdessen wählte sie den Weg des Dialogs, den Dr. Christoph Rab bow und sein Vorstand denn auch dankbar aufgri ff en. Ihr einstündiger Vortrag, der mehr war als ein hö fl i ches Grußwort, stellte sicher nicht alle Delegierten zufrieden, war aber von einem hohen Maß an Respekt gegenüber unserem Berufsverband und seinem Vorsitzenden gekenn zeichnet. Dass man sich bei aller Un terschiedlichkeit in vielen Fragen der Schulpolitik nicht nur noch die Hand reichen darf (und sollte), das be stimmte den Abschluss des Auftritts der Ministerin. Nach launigen Ab schiedsworten Rabbows nahm die Ministerin gern kleine Aufmerksam keiten an und setzte – zur Über raschung aller Anwesenden – auch noch die Mütze des niedersächsi schen Philologenverbands auf. Die eigentliche Erö ff nungsveranstal tung fand dann am nächsten Tag statt. Es war eine besondere Ver anstaltung, auch deshalb, weil ein hochkarätiger Vortrag im Zentrum des Vormittags stand und die erst malige Verleihung des Niedersächsi schen Lehrkräftepreises. Neben vie len externen Gästen, die dem gro ßen Landesverband die Ehre erwie

Gratulation an den mit 97% wieder gewählten PHVN-Landesvorsitzenden Dr. Christoph Rabbow, hier mit Nie sersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg sen, waren auch die DPhV-Vorsit zende Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing und der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, er schienen, um mit wertschätzenden und heiteren Grußworten ihre Wert schätzung für die niedersächsischen Philologen zum Ausdruck zu brin gen. Beide und Dr. Christoph Rab bow als Dritter im Bunde steuerten ihren individuellen Part zum Motto der diesjährigen Versammlung bei. Das hieß LEISTUNG – VERTRAUEN – ZUKUNFT, und der Gastgeber war es, der für das Vertrauen nicht nur warb, sondern angesichts einer mehr als zukunftsskeptischen Ju gend darum bat, den jungen Men schen dieses Vertrauen zurückzuge ben. Und bei diesem Thema schlug er geschickt den Bogen zur Berufs politik. Vertrauen verdienten auch die im Amt be fi ndlichen Lehrkräfte, für die er Entlastung und Alters ermäßigung forderte, und für den Lehrernachwuchs im Referendariat, dem die Angst in der Ausbildung genommen werden müsse. Die DPhV-Bundesvorsitzende Susan ne Lin-Klitzing schlug den Bogen zum Festvortrag des Klimaforschers Prof.

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