Gymnasium Baden-Württemberg 5-6/2025
Thema aktuell heute: CDU
Handys und Digitalisierung: Schule zwischen Verbot und Fortschritt
S echs Wochen Sommerferien verge hen schnell – und in dieser Zeit kann viel passieren. So kann in dieser Zeit eine neue App von 0 auf 100 Millionen Nutzer kommen. Selbst KI-Werkzeuge für Lehrkräfte wie to_teach.ai und fobizz wachsen in beeindruckender Geschwin digkeit. Die Geschwindigkeit technischer Entwicklungen steht im scharfen Kon trast zur Langsamkeit politischer Ent scheidungen. Doch während wir disku tieren, verändert sich das Leben unserer Kinder längst in Echtzeit. Genau deshalb braucht es jetzt klare, kluge und mutige Entscheidungen. Differenzieren statt verteufeln – aber handeln In vielen Schulen wird das private Smartphone-Nutzungsverbot bereits prak tiziert, es gibt aber keine einheitliche Re gelung. Dabei ist die wissenschaftliche Da tenlage eindeutig: In allen Altersklassen beeinträchtigt das Handy – selbst ausge schaltet, aber griffbereit – die Konzentra tionsfähigkeit und die Aufmerksamkeit für das Unterrichtsgeschehen. Der neuro chemische Mix aus Dopamin, ausgelöst durch Likes, Nachrichten und Push-Be nachrichtigungen, ähnelt in seiner Wir kung einem Drogencocktail. Und dabei sprechen wir neben dem hohen Suchtpo tential noch gar nicht über strafrechtlich relevante Aspekte wie Cybermobbing oder den unkontrollierten Zugang zu por nografischen Inhalten. Deshalb braucht es in Baden-Württem berg einheitliche, schulartenübergreifen de, nachvollziehbare Regeln zum Umgang mit privaten Mobilgeräten im Schulalltag, die Verlässlichkeit und Akzeptanz glei chermaßen schaffen. Ausnahmen, wie et wa im hessischen Gesetzesentwurf vorge sehen, sind sinnvoll, beispielsweise medizi nische Notfälle, Barrierefreiheit sowie die
1. Klare Regeln für Handynutzung: Ein landesweites, differenziertes und ver bindliches Konzept zum Umgang mit privaten Mobilgeräten in Schulen. 2. Pädagogik vor Technik: Digitale Mittel sind Werkzeuge, keine Selbstzwecke. Ihr Einsatz muss pädagogisch sinnvoll und didaktisch fundiert erfolgen. 3. Fortbildung für Lehrkräfte: Die beste Technik nützt nichts ohne gut ausgebil dete Lehrerinnen und Lehrer. Digitale Kompetenzen müssen Teil der Aus- und Fortbildung sein. 4. Digitale Grundausstattung: Jedes Kind braucht Zugang zu einem digitalen Endgerät – unabhängig von Herkunft und Einkommen. 5. Datensicherheit statt Digitalverhinde rung: Die Datenschutzvorgaben in Ba den-Württemberg gehören zu den res triktivsten in Europa. Sie dürfen nicht dazu führen, dass pädagogisch sinnvol le digitale Lösungen gar nicht erst ein gesetzt werden können. Wir brauchen praktikable, rechtskonforme Wege, die Datensicherheit garantieren, aber digi talen Fortschritt nicht blockieren. 6. Analog bleibt wichtig: Handschrift, Bü cher, persönliche Interaktion und di rekte Kommunikation sind unverzicht bare Bestandteile guter Bildung und ein wichtiger Baustein kognitiver Ent wicklung und Kreativität. 7. Regelungen schulartübergreifend den ken: Einheitliche Vorgaben sparen Ressourcen und schaffen Klarheit – für Schüler, Lehrkräfte und Eltern. Die Schule von morgen muss jetzt gestal tet werden. Das Ziel: Ein Bildungssystem, das Kinder und Jugendliche stark macht – digital kompetent, sozial verantwortungs voll und intellektuell selbstständig. Dafür müssen wir jetzt handeln.
von Andreas Sturm (MdL), bildungspolitischer Sprecher
Nutzung zu unterrichtlichen Zwecken auf Anweisung der Lehrkraft. Zwischen Rückschritt und Überforderung: digitale Bildung braucht Ausstattung In anderen Ländern wie Finnland wird die Digitalisierung an Schulen aktuell wieder eingeschränkt. Digital-gestützte Lehr Lern-Szenarien müssen einen pädagogi schen Mehrwert haben (vgl. Uni Tübin gen, LEAD Graduate School & Research Network) . Es besteht ein Missverhältnis zwischen dem, was technologisch möglich ist, und dem Verständnis davon, wie man diese Technologien zur Förderung des Bil dungserfolgs sinnvoll einsetzt. Deutsch land sollte daraus lernen – ohne dabei ins andere Extrem zu verfallen. Baden-Würt temberg braucht keinen Rückschritt, son dern eine ausgewogene digitale Bildungs strategie. Dazu gehört nicht nur die Diskussion über Handyverbote, sondern auch, dass Schülerinnen und Schüler einen altersge rechten Zugang zu qualitativ hochwerti gen digitalen Bildungsmedien haben und in Medienbildung firm werden. Schulträ ger, Land und Bund müssen im Zuge des DigitalPakts II gemeinsam einen zukunfts weisenden Rahmen für digital-gestützte Lehr-Lern-Szenarien mit pädagogischem Mehrwert schaffen.
Unsere Thesen für eine zukunfts- fähige Digitalisierung an Schulen in Baden-Württemberg:
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