Blickpunkt Schule 3 2025

Das Grundproblem Das unauflösbare Spannungsfeld für Lehrkräfte bestehe in dem Zusammenspiel zwischen ‘Aufgabe’, ‘Kontext’ und ‘Individuum’. Gemeint sind hiermit drei Schwerpunkte, die jede Lehrkraft im Hinterkopf behalten sollte, wenn sie sich täglich neuen Herausforderungen stellt: 1. psychologische Belastung der Schülerinnen und Schüler 2.Konflikte mit der Schulleitung 3.Konflikte mit den Eltern Lehrkräfte erliegen häufig dem Gefühl der inneren Zerris senheit, da so viele unterschiedliche Probleme täglich auf sie einströmen, dass es unmöglich ist, auf alle umfassend zeitlich einzugehen. Deshalb sei es wichtig, für sich als Lehrkraft zu akzeptieren, dass man nicht allen Hürden und Problemen mit einhundert Prozent Energie entgegenwir ken kann. Grenzen ziehen, klare Ansagen sich selbst und anderen geben, in welchem Umfang Probleme bearbeitet und gelöst werden können, das müsse im Mindset jeder Lehrkraft verankert werden. Aber wie? Zeitmanagement »Alles ist eine Frage des Zeitmanagements.« Wesentlich sind dazu Resilienz und Selbstbestimmung; denn Dauer stress mündet unreflektiert (!) in nicht erreichbaren Ver meidungszielen; zur Erreichung der Ziele bedarf es aber Annäherungszielen. Daher sollte sich jede Lehrkraft fol gende Fragen stellen, die individuell erweiterbar sind: »Wofür will ich sorgen? Was behalte ich in der Hand?« Dazu gehören die bewussten Entscheidungen: 1. »Wo und wann mache ich Abstriche?« Beispielsweise: Muss ich 24/7 für Schule (online) erreichbar sein? 2.»Wem oder was werde ich heute (nicht) gerecht?« 3.»In wen oder was investiere ich meine Energie (nicht)?« Wesentlich sind dazu die bewusste Wahrnehmung von Körper- bzw. Stresssignalen sowie eine bewusste Energie bilanz (»Woraus ziehe ich Kraft und was kostet mich besonders viel Energie?«). Selbstfürsorge & Achtsamkeit Wege zur Umsetzung sind, so Jonathan Stelck, Selbstfür sorge und Achtsamkeit aufgrund von Selbstreflexion. Hin zukommen muss das Bewusstsein, dass es oftmals keine optimalen Lösungen gibt. Also bleibt die Frage an einen selbst: Wozu will ich »Ja sagen«? Was hindert mich ggf. am »Nein-Sagen«? Wohin die Energie geben? Woher die Energie bekommen? Zur inneren Mitte (zum Squashpunkt) zurückkehren, sollte stets im Mindset jeder Lehrkraft liegen. Die stetige Selbst reflexion führt zum Gefühl der Selbstbestimmung, nicht nur bei Lehrkräften! Sich darauf besinnen, was man selbst möchte, hilft dem Gefühl der Selbstbestimmung. Im Sinne

von Achtsamkeit muss man Abgrenzung bewusst realisieren, nach dem Credo: »You can’t make everybody happy.« Ansonsten kommt es zur Selbstüberlastung, wenn man es allen Akteuren, hier Schülerinnen und Schülern, Eltern, Kolleginnen und Kollegen und Schulleitung, recht machen möchte. Das schlechte Gewissen abschalten Auch wenn man in der Schule einhundert Prozent und mehr leiste, so schwinge häufig das Gefühl bei vielen Lehrkräften mit, es sei noch nicht ausreichend. Fragen wie: »Habe ich wirklich genug getan?«, »Ist meine eigene Grenze wirklich erreicht?« etc. beschäftigen viele Lehrkräfte permanent. Daraus resultiert häufig bei den Betroffenen Gereiztheit und Unzufriedenheit und dies wiederum kann zu Burn-out führen. Um dem entgegenzusteuern, können Lehrkräfte nicht nur für die Schülerinnen und Schüler Hilfe bei der Schulpsychologie suchen, sondern auch für sich selbst! Das können Beratungsgespräche vor Ort oder telefonisch sein, das können aber auch einzelne Supervisions- und Coaching formate sein. Was kann Schule tun? Wichtig sei, dass auch ganze Kollegien an Schulen gemein same Reflexionsphasen zu schulischen Belangen etablie ren, zum Beispiel an Pädagogischen Tagen oder festen Supervisionsterminen in kleineren Gruppen. Gemeinsame Unterstützungsformate zu schaffen, das muss Bestandteil von Schule werden. Keine Lehrkraft sollte sich alleingelas sen fühlen! Achtsamkeit in der Schule Als letzte Referentin hielt Vera Kaltwasser, zertifizierte Gymnasiallehrerin, Lehrercoach und Mitarbeiterin der Hes sischen Lehrkräfteakademie, einen Vortrag zum Thema ‘Achtsamkeit in der Schule’ (AISCHU). Der Beitrag bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen tiefgehenden Ein blick in die wissenschaftlichen Grundlagen und praktischen Umsetzungsmöglichkeiten achtsamkeitsbasierter Arbeit im schulischen Kontext. Theoretische Grundlagen Im Zentrum des Vortrags stand die Bedeutung von Acht samkeit als Form der Bewusstseinsbildung. Vera Kaltwasser erläuterte, wie achtsames Wahrnehmen, Denken und Handeln nicht nur zur Stressbewältigung beitragen, sondern auch Emotionsregulation, Konzentration sowie die Fähigkeit zur Perspektivübernahme und Veränderung fördern – allesamt zentrale Kompetenzen im schulischen Alltag. Besonderes Augenmerk legte sie auf das international anerkannte MBSR-Programm (Mindfulness-Based Stress Reduction), das von Dr. Jon Kabat-Zinn an der Universi tätsklinik in Worcester (USA) entwickelt wurde. MBSR gilt als das am besten erforschte Achtsamkeitstraining welt weit und verbindet meditative Übungen in Ruhe und Bewe gung mit Ansätzen aus der modernen Psychologie und der

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SCHULE 3|2025

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