Blickpunkt Schule 2 2025

einen chinesischen Elternteil, wieder andere Kinder kommen aus einem rein chinesischen Umfeld. Die Eltern dieser Kinder haben meist in Deutsch land studiert oder wollen ihren Kin dern die Möglichkeit bieten, später einmal ein Studium in Deutschland oder einem anderen Land zu absolvie ren. Schülerinnen und Schüler, die ihr Abitur an einer deutschen Auslands schule ablegen, gelten bei der Bewer bung um einen Studienplatz als Bil dungsinländer. Neben dem Abitur werden aber auch Hauptschulprüfungen und Real schulprüfungen abgenommen. Als Lehrkraft lernte ich sehr schnell, auf unterschiedlichen Niveaustufen zu unterrichten. Die Schule ist eine Ganztagsschule und der Lehrbetrieb geht von 8:00 bis 17:00 Uhr. Es gibt ein großes Angebot von Arbeitsgemeinschaften. Es ist sprachsensibel zu unterrich ten, dazu werden verschiedene Spracherschließungsmethoden ge lehrt und regelmäßig eingeübt, damit die Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, auch anspruchsvolle Texte zu bearbeiten und Kenntnisse aus ih nen zu gewinnen. Nach nun anderthalbjähriger Tätig keit an der Schule kann ich sagen, dass es eine tolle Erfahrung ist, hier unterrichten zu können. Einerseits wird zwar ein deutlich höheres En- gagement der einzelnen Lehrkraft erwartet, sei es beim Einsatz beim Sommerfest, des Weihnachtsmarktes oder anderer schulischer Veranstal tungen, und auch der Kontakt zu den Eltern ist deutlich höher als in Deutschland, andererseits kann man aber auch selbst in eine andere Kultur eintauchen, Reisen unternehmen und seinen eigenen unterrichtlichen Hori zont erweitern. Sehr gut finde ich, dass der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen viel leichter stattfindet als in Deutschland. Regelmäßiges Einholen von Schülerfeedback zum eigenen Unterricht ist Teil der Schul kultur, ebenso die Festlegung von Zielvereinbarungen zum eigenen Unterricht mit einzelnen Klassen. Das mag auf den ersten Blick vielleicht

etwas fremd und kontrollierend klin gen, ich jedoch sehe darin auch eine Möglichkeit, Unterricht weiterzuent wickeln und zu einer neuen Feedback kultur beizutragen. Insgesamt ist der Umgang sehr kol legial und von den Schülerinnen und Schülern wird man wertschätzend wahrgenommen. Das Leben hier in Shanghai unter scheidet sich vom Leben in Deutsch land schon sehr, ist aber nicht so, wie es manchmal in Deutschland so dar gestellt wird. Durch ein ausgeprägtes U-Bahn- und Busnetz, das sehr günstig ist, und die Bestellung von Privatfahrten mit der Didiapp, dem chinesischen Uber, kommt man innerhalb der Stadt schnell von A nach B, ebenso ausge prägt ist ein breites Netz von Leih fahrrädern, die man praktisch an jeder Ecke leihen kann. Man muss jedoch gestehen, dass ein Leben ohne Smartphone nur sehr schwer möglich ist. Bestellungen, Be zahlungen und die Kommunikation finden per Apps statt. Eine Teilhabe am sozialen Leben ohne Wechat, dem chinesischen Whatsapp, ist faktisch nicht möglich. Ebenso sollte man die Bezahl-App Alipay haben. Etwas verwundert war ich, dass englische Sprachkenntnisse in Shang hai nicht so verbreitet sind, wie ich das erwartet hätte. Jedoch kann man mit sehr gut funktionierenden Überset zungs-Apps schnell das bekommen, was man benötigt. Ich selbst tue mich mit der Erlernung der chinesischen Sprache sehr schwer. Toll ist, dass man durch ein sehr gut ausgeprägtes Schnellbahn- und Flug netz schnell in alle Teile Chinas oder das benachbarte Ausland kommt, so dass man in den Ferien oder über ein verlängertes Wochenende schnell einmal Shanghai verlassen und wo anders verbringen kann. Ich war so bereits in Seoul, Hongkong, Macau, Taipei und verschiedenen Städten in China. Die chinesische Bevölkerung ist Ausländern gegenüber zunächst meist etwas reserviert, jedoch genießt Deutschland bei vielen Gesprächs

Lehrkraft im Ausland

partnern nach wie vor ein hohes Anse hen. Als deutsche Lehrkraft an einer Deutschen Schule im Ausland wird von der Bundesrepublik auch erwar tet, dass man ein positives Deutsch landbild im Ausland vertritt. Ein kleiner Wermutstropfen jedoch ist, dass keine Personalratsarbeit wie an innerdeutschen Schulen möglich ist. Es gibt zwar einen Mitarbeiter- beirat, der jedoch deutlich weniger Einfluss hat. Die Schulleitung hat einen größeren Entscheidungsspielraum, muss Entscheidungen jedoch oft mit dem aus Eltern bestehenden Schulvor stand absprechen, der als Schulträger gilt. Arbeiten an einer deutschen Aus landsschule bedeutet auch, dass man an einer Privatschule arbeitet, was hei ßen kann, dass Eltern häufiger Nach fragen stellen, wie sich bestimmte Entscheidungen zusammensetzen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir die Arbeit nach wie vor große Freude macht und ich meinen didakti schen, pädagogischen und auch fach lichen Horizont sehr erweitern kann. Die bürokratischen Hürden am Anfang waren zwar sehr hoch, für jedes Pro blem gibt es jedoch Ansprechpartner in Deutschland oder hier vor Ort. Mario zu Löwen

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SCHULE

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