Blickpunkt Schule 2 2025

Technostress

Bild: Frank H./AdobeStock

Stress machen, aber richtig Welcher Stress uns hilft, welcher uns schadet und welche Rolle Technologie dabei spielt

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? KRÜGER: Wie sollte man mit der negativen Form von Stress am besten umgehen? ! SPÖRRLE: Es gibt hier drei An- sätze: (1) Erstens begegnen wir dem für uns schädlichen Stress grundsätzlich gut vorbereitet: Vollgefressen mit ungesundem Essen, bewegungs arm, ohne Schlafhygiene und ohne soziale Austausch- und Unterstüt zungsmöglichkeit laden wir den Stressor geradezu ein, uns zu schaden. Wir achten also selbst verantwortlich auf unsere Res sourcen. schädlichen Stressor selbst zu ver ändern, arbeiten ihn ab, gestalten ihn neu oder beenden unseren Kontakt dazu. Hier gibt es viele Möglichkeiten der eigenverant wortlichen Gestaltung. Aber was ist, wenn all dies wirklich (nicht als Ausrede) nicht in unserer Hand liegt? Das kann es durchaus insbe sondere in der Familie und in der Arbeitswelt immer wieder geben. Kann ich aber entscheiden und (2)Zweitens versuchen wir den

? BORIS KRÜGER: Ist Stress grundsätzlich etwas Negatives? ! MATTHIAS SPÖRRLE: Im Gegen teil, Stress ist eine Anpassungsre aktion, die Körper und Geist (die Tren nung ist ohnehin künstlich) darauf vorbereiten soll, mit einem als be drohlich wahrgenommenen Stimulus (= Stressor) besser umzugehen. In dieser Funktion ist Stress also grund sätzlich ein Helfer, er soll unsere Chancen zur Bewältigung des Stres sors verbessern. Hierbei geht es nicht nur um den sogenannten Eustress (= ein inspirierender, anregender und mit Glücksgefühlen einhergehender Stress). Auch ein negativ erlebter Stress kann gut für uns sein. Eine als sehr intensiv erlebte körperliche Aktivität fühlt sich beispielsweise im Moment der Ausführung nicht gut an, aber ist für uns gesundheitlich und hinsichtlich unserer Stressverarbei tungskompetenz förderlich. Für uns auf Dauer schädlich ist hingegen der Stress, der (a) lang anhaltend, (b) von uns als nicht kontrollierbar erlebt, (c) in Dauer unabsehbar, (d) evolutionär neu und (e) zu stark ist.

Der Begriff Stress hat in der All tagssprache eine überwiegend negative Bedeutung. Disruptive technologische Veränderungen, der aktuelle Zustand der Polykri se, VUCA und BANI überfordern viele von uns. Dies führt zu einer Abwehrhaltung, Stressoren jeglicher Art werden vermieden, aber nicht mehr geschaffen und aktiv gestaltet, wir trainieren nicht mehr unsere Stressverar beitung, sondern unsere Passi vität. Letztlich führt dies zu zu nehmender Stressbewältigungs inkompetenz – ein Teufelskreis. Matthias Spörrle und Modelice Nam forschen und lehren am Hochschulinstitut Schaffhausen (Schweiz) zu individueller Stressverarbeitungskompetenz, Resilienz und der Rolle, die Tech nologie dabei einnehmen kann (Technologische Resilienz). Das Interview führt Boris Krüger.

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