Blickpunkt Schule 2/2023
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Politische Bildung
das auch richtig so. Aber: Nicht jede Verkleidung, mit der die Rolle eines Menschen aus einem anderen Kultur kreis oder einer anderen Hautfarbe übernommen werden soll, ist rassis tisch. Hierzu müssten zum Beispiel rassistische Stereotype bedient wer den. Es kann ja nicht die Hautfarbe per se sein. Meiner Wahrnehmung nach hat der Mohr aus Ober-Mörlen keine Stereotype bedient. Der Leser mag sich im Internet selbst ein Bild davon machen. Positiv und im Sinne der Wertschätzung füllte der Mohr seine Rolle aus. Es war doch eine Eh rensache für die Karnevalisten, sich vom Mohren herzen zu lassen. Kindern und Jugendlichen wurde eine Figur gezeigt, die als Träger einer zentralen Rolle im karnevalistischen Treiben positiv für die Wahrnehmung des (scheinbar) Fremden warb. Was kann aus pädagogischer Perspektive in ei ner pluralistischen Gesellschaft sinn voller sein? Hier könnte der Einwand geäußert werden, dass dies heute aufgrund der Realität der bundesre publikanischen Gesellschaft nicht mehr nötig sei. Wieso solle in der bun ten Einwanderungsgesellschaft das Fremde explizit mittels Verkleidung positiv beworben werden? Die zahlrei chen farbigen Hessinnen und Hessen sind doch Botschafter der pluralisti schen Gesellschaft genug, wird der ein oder andere sagen. Earl Kolbe übernahm einmal die Rolle des Mohren beim Grenzgang im mittelhessischen Biedenkopf. Auch dort existiert diese Figur seit langer Zeit. Als schwarzer Mensch sieht Kol
eins, von der oben die Rede war, ist auch Ausdruck dieser Verunsicherung. Es genügt heute schon der leiseste Verdacht der Diskriminierung, um sich von Traditionen und Brauchtum loszu sagen. Bedauerlich, wenn schon ein zelne Stimmen aus dem Internet aus reichen, ein Lossagen zu bewirken. Diese Verunsicherung führt zu Ver meidungsstrategien und voreiliger Selbstzensur. Alles, was irgendwie An stoß erregen könnte, wird vermieden, gecancelt und nicht mehr themati siert. Lachen (auch über sich selbst) ist verboten! Das kann in einer Demo kratie keiner wollen! Der aufgeklärte Mensch muss dem entgegentreten: Je bunter, je viel schichtiger die deutsche Gesellschaft ist, desto weniger sichtbare Fremdheit mag es geben. Dennoch haben vor al lem die Schulen den Auftrag, das Zu sammenleben bei allen Unterschie den zu üben und vorzuleben. Eine Rol len- und Perspektivenübernahme, auch durch Verkleiden, kann hier nur förderlich sein. Dass dies für jede Ge neration immer wieder aufs Neue gilt, erklärt sich von selbst. Das Konzept der kulturellen Aneig nung ist ein Erfolgsrezept. Kulturen und Menschen haben sich seit jeher gegenseitig befruchtet, indem sie ko pierten, kommunizierten, sich imitier ten und Rollen übernahmen. Und: Was wäre der Karneval, wenn wir uns alle nur als Nilpferde oder Champi gnons verkleiden würden?
be es selbst so, dass der Mohr eine positive und verbindende Rolle aus füllt. So wird er in einem Artikel auf www.mittelhessen.de von 2019 zitiert. Wie in Ober-Mörlen, so ist auch der Mohr des Grenzganges eine positiv konnotierte Figur. Die Teilnehmer su chen den Kontakt, die Besetzung der Rolle ist begehrt. Aber nur einer kann der Mohr sein. Und nur für eine kurze Zeit. Die kulturelle Aneignung – um im Jargon zu bleiben – bewirkt auf diese Weise Positives. Wenn es anders wäre, müsste das vor Ort auch schon aufgefallen sein. Für die politische Bildung in unseren Schulen bedeutet das, dass wir uns nicht verunsichern lassen sollten. Wir sollten darauf achten, dass Traditio nen sowie Brauchtum und kulturelle Aneignungen kritisch hinterfragt wer den. Dazu gehört aber auch, das Ver bindende zu sehen. Gerade in Zeiten des oft beklagten fehlenden gesell schaftlichen Zusammenhalts schaf fen Traditionen und Brauchtum Brü cken. Sie sind Anknüpfungspunkte für Menschen verschiedenster Herkunft. Der Vorwurf der Aneignung entlarvt sich auf diese Weise. Die Aneignung sollte gerade deshalb gefördert wer den. Auf diese Weise schlüpfen schon die Kleinsten in Rollen des ihnen (viel leicht) Fremden. Als Lehrerinnen und Lehrer ist es unser Auftrag, in der plu ralistischen Gesellschaft diese Rol lenübernahme zuzulassen und zu för dern. Das Verbot der Rollenübernah me sorgt für eine Verunsicherung in nerhalb der Gesellschaft. Die prompte öffentliche Entschuldigung des Ver
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