Blickpunkt Schule 2/2023

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Ausgabe 2/2023 · D 30462

SCHULE

Politische Bildung im Blickpunkt Demokratie leben und Haltung zeigen

Bild: Pixel-Shot/AdobeStock

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wesentlichen Teil der Endredaktion übernommen und mich bei meiner Arbeit an diesem Heft immer unter stützt hat. Jutta Heinemann vom Pädagogik & Hochschul Verlag hat – wie immer – auch in dieser Ausgabe wieder unermüdlich am Layout gear beitet und vieles, was eigentlich un möglich ist, möglich gemacht. Herz lichen Dank dafür. Ich wünsche Ihnen für die anstren gende Zeit der Abiturprüfungen viel Durchhaltevermögen und die nötige Gelassenheit. Fordern Sie viel von Ih ren Schülerinnen und Schülern, aber seien Sie auch im nötigen Maß nach sichtig. Herzlichst Ihr

negative Erfahrungen führen leicht zur Staatsverdrossenheit und einer Abkehr von demokratischen Prinzipien. Im vorliegenden Heft spannen wir einen weiten Bogen von grundsätzli chen Überlegungen bis hin zu konkre ten Umsetzungsmöglichkeiten politi scher Bildung an unseren Schulen. Ich hoffe, dass Sie in den vielfältigen Bei trägen auch konkrete Anregungen für Ihre Arbeit mit Ihren Schülerinnen und Schülern finden. Ich bedanke mich bei allen Autorin nen und Autoren herzlich für die um fangreichen, fundierten Beiträge und bei Sebastian Krämer, der viele Ideen beigesteuert und die Kontakte zum Kultusministerium hergestellt hat. Mein besonderer Dank gilt Dr. Iris Schröder-Maiwald, die wieder den

von CHRISTOF GANSS

2 SCHULE In eigener Sache Inhalt

ein sehr umfangreiches Heft liegt uns heute vor. Dieser ungewöhnliche Um fang ist der Bedeutung des Themas geschuldet. Politische Bildung ist eine der Voraussetzungen für ein funktio nierendes Gemeinwesen. Diejenigen, die keine Kenntnis über unsere demo kratischen Institutionen und keinen Einblick in die Möglichkeiten haben, sich in demokratische Entscheidungs prozesse einzubringen, können ihre Rechte und Pflichten nur bedingt wahrnehmen. Daraus resultierende

Editorial » Literarischer Kanon – eine Lizenz zum Lesen? .................... 3 Politische Bildung » Politische Bildung im Blickpunkt .......................................... 4 » Demokratische politische Bildung betreiben zu dürfen ist ein Privileg ......................................................................... 6 » Hoher Stellenwert für politische Bildung im Unterricht ...... 9 » Grundrechtsklarheit, Wertevermittlung, Demokratieerziehung .......................................................... 12 » ‘Gewaltprävention und Demokratielernen’ (GuD) ............. 13 » Global Citizenship Education und Bildung für nachhaltige Entwicklung ............................................... 16 » Demokratie leben und Haltung zeigen ............................... 21 » ‘Netzwerk-Lotsinnen’ und ‘Netzwerk-Lotsen’ – Gemeinsam gegen Extremismus und Antisemitismus ...... 24 » Antisemitismusprävention in der Schule ............................ 25 » ‘Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage’ ................ 27 » Vielfältig, lehrreich und durchaus kontrovers .................... 30 » Wie erkenne ich Unwahrheiten und Propaganda? ............ 33 » Gedenkstättenarbeit als wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur an Schulen ...................................... 34 » NS-’Euthanasie’ .................................................................. 36 » Wenn die Spurensuche zur Zukunftsperspektive wird ....... 39 » Demokratie mitgestalten – Am Beispiel der Projekte ‘dialogP’ und ‘8er-Rat’ .............. 42 » Wider die ‘Cancel Culture’ .................................................. 43

» Der Beitrag der Hessischen Europaschulen zur politischen Bildung ........................................................ 45 Berichte » Neuigkeiten aus dem Hauptpersonalrat (HPRS) ............... 48 » Lehrerausbildung in Zeiten des Lehrkräftemangels – Zeit für Reformen!? ............................................................. 50 Klartext » Lehrermangel an deutschen Schulen ................................. 52 Zur Diskussion » »If you can’t beat them, join them!« .................................. 54 Veranstaltungen » 15 Jahre Deutscher Lehrerkräftepreis – Unterricht innovativ ............................................................. 57 » Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler an Gymnasien ................................................. 59 » Erfolgreich Deutsch lernen .................................................. 61 » Bildungssprache – Schwerpunkt Sekundarstufe I ............. 62 » Pensionärstreffen 2023 in Limburg .................................... 63 » 150 Jahre hphv ..................................................................... 65 Pensionäre » Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuung .... 64 Personalien » Geburtstage | Wir trauern um ............................................. 66

Literarischer Kanon – eine Lizenz zum Lesen?

Editorial

L esen wird zu Recht als Schlüs selkompetenz für Lernen und gesellschaftlicheTeilhabe gese hen, auch im digitalen Zeitalter. Es för dert die Fantasie und den aktiven Spracherwerb der Lesenden. Lesen ist aber nicht gleich Lesen: Es ist ein Un terschied, ob ich einen Groschenroman lese oder einen Gesellschaftsroman von Fontane. In der Praxis des Litera turunterrichts stellt sich notwendiger weise die Frage: Was lohnt zu lesen? Welche Werke sollte ein junger Mensch unbedingt lesen in seiner – zweifelsohne begrenzten – Schulzeit? Ein Orientierungsbedürfnis lässt sich konstatieren, blickt man etwa auf die medial verbreiteten zahllosen Leselis ten, die aber mit einem ‘Kanon’ nicht verwechselt werden dürfen. Mit der Frage nach einem Kanon fühlt man sich zunächst einmal aufs Glatteis geführt und sieht sich inmit ten von didaktischen Kontroversen. Sehr bald stellt sich nämlich auch hier die ‘Gretchenfrage’: Wie sinnvoll kann ein Literaturkanon für den Deutsch unterricht sein? Zeugt es von Anma ßung, wenn man einen Königsweg von literarischen Werken sucht und glaubt gefunden zu haben? Die heutige Deutschlehrkraft lebt mit Diskussionen über Kanon- und Wertungsfragen, gleichzeitig mit schulinternen Absprachen über die Lektüreauswahl für den Unterricht, weiterhin mit der eigenen Lesebiogra fie, und aktuell in der Oberstufe Un terrichtende haben auch die – mit den Jahren – geschrumpfte ‘Leselis te’ zur Vorbereitung auf das Landes abitur 2023 vor Augen, eine Zusam menstellung von mittlerweile nur sechs Nennungen für das Grundkurs-, sieben für das Leistungskursniveau, darunter Goethes ‘Faust I’ und E.T.A. Hoffmanns ‘Der Sandmann’. Läuft man Gefahr, als ‘selbst ernannter Ka noniker’ bezeichnet zu werden, wenn man angesichts dieser ‘Übersichtlich

Welche (Werte-)Kriterien legt man an? Man mischt sicherlich Expertenrun den auf, bringt sie gar in Verlegenheit mit dieser Frage, denn es mangelt in der Breite an konsensfähigen Krite rien. Ein Experte wie der Literaturkriti ker Denis Scheck (2019) freut sich in diesem Kontext auf eine ‘lustvolle De batte’. Deutschlehrer kennen den Wert ‘guter’ Texte für die geistige Rei fung der jungen Menschen und wis sen, wie sehr sie deren gedanklichen Horizont erweitern können. Sie schät zen die Chance, mit Literatur ethische Orientierung zu bieten, Empathie zu stärken, vielleicht auch etwas ‘Le benshilfe’ zu geben. Schule sollte ih rer Bedeutung und Verantwortung als kanonisierende Bildungsinstitution gerecht werden. Welche Werke sind ‘kanonfähig’? Das sind solche, die »eine gewisse Überzeitlichkeit« auszeichnet, in ei nem Kanon sollten sichWerke wieder finden, die »dem Zahn der Zeit entho ben sind und von bloßen Moden und Trends unberührt bleiben«. Diesem Diktum von Denis Scheck (vgl. ‘Schecks Kanon’, München 2019) ist vorbehaltlos zuzustimmen. ‘Goldstan dard’ in der Literatur sei, so Scheck weiter, was den ‘Blick auf die Welt’ verändert. Das kann auch ohne Weite res für heutige ‘Bestseller’ gelten. Literatur ist ein Kulturgut, das be wahrt werden sollte: nicht im Muse um, sondern in einer lebendigen Tra dierung in den Köpfen dank eines Kanons. Fazit Ein Ja zum Kanon, Totgesagte leben bekanntlich länger! Die Bildungsinsti tution Schule ist – neben der Univer

von REINHARD SCHWAB Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes

keit’ der Listen Unbehagen spürt? Aus dem Hessischen Kultusministerium erreichten letzthin die Schulen – im Rahmen eines Maßnahmenpakets zur Stärkung der Bildungssprache Deutsch – ‘Lektüreempfehlungen für den Deutschunterricht’ in der Primar- und Sekundarstufe I (2022). Markiert dies etwa eine Rückwende in der Ka nonfrage? Was aber ist ein Kanon in der Literatur? Die Literaturwissenschaftlerin Simone Winko (1996) versteht als Kanon »ein Corpus von Texten (…), das eine Ge sellschaft oder Gruppe für wertvoll hält und an dessen Überlieferung sie interessiert ist«. Demnach ist Literatur immer auch ein Spiegel ihrer Zeit aus individueller, subjektiver Sicht. Ihre Rezeption for dert die Auseinandersetzung damit und eine Stellungnahme dazu aus heutiger Sicht. So ergibt sich eine Ver bindung von Vergangenheit und Ge genwart: Woher kommen wir, wohin wollen wir? Das nennen wir kulturelle Bildung. Bildungspolitiker sollten sich dem nicht entziehen. Wie formuliert der Germanist und Schriftsteller Peter von Matt (1997) spitzzüngig: »Bestritten wurde der Kanon stets von literarisch unbelese nen Theoriemolchen. Diese sind nicht mehr überall an der Macht, aber die Eier, die sie gelegt haben, stinken im mer noch. Mindestens zwei Genera tionen junger Leute wurden von ihnen betrogen.«

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Politische Bildung im Blickpunkt

sität – gefragt, kanonische Texte zu tradieren, die eine gemeinsa me kulturelle Grundlage schaf fen. Der schulische Deutschunter richt sollte sich an einem um fangreicheren Bestand von mar kanten Texte orientieren; die Ver bindlichkeit sollte darin bestehen, dass eine variable Auswahl grö ßeren Umfangs entnommen und behandelt werden muss. In der Schule braucht es Mark steine: folgenreiche Werke, zeit typische Werke, Werke mit Lang zeitwirkung, etwa repräsentative Epochenwerke (zum Beispiel von Lessing und Kant). Literarische Entwicklungen sollten abgebil det, die Dynamik der Literaturge schichte verdeutlicht werden. Es geht um das kulturelle Erbe und um die Historizität der Literatur (zum Beispiel Aufklärung), in de nen sich die Genese auch heuti gen Denkens spiegelt. Ja, ein Kanon schränkt in ge wisser Weise die pädagogische Freiheit ein, er dient aber der Selbstvergewisserung von Bil dung, der Selbstverpflichtung der Lehrkräfte und Schülerschaft. Notwendigerweise muss ein Kanon an die Rahmenbedingun gen von Schule gekoppelt werden, hier sind didaktische Überlegun gen (Fragen der Altersgemäßheit) und institutionelle Gegebenheiten wie Lehrpläne, Leistungskontrol len, zentrale Abituraufgaben zu berücksichtigen. Ein zusätzlicher Aspekt sollte nicht unterschätzt werden: Warum kann man den Schülern nicht ein mal etwas abverlangen? Sie kön nen sich doch auch einmal durch einenText hindurchbeißen — diese ‘Zumutung’ stellt gewissermaßen eine kulturelle Leistung der jun gen Menschen dar – sie bilden sich in Anstrengung und erhalten etwas fürs Leben. Das Motto kann lauten: Kano nisierung wagen – aber nicht in Zement gießen! Ihr Reinhard Schwab

D as Grundgesetz und insbeson dere die Grundrechte verkör pern dieWertebasis, das eini gende Band, für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Die Unantastbar keit der Würde des Menschen, wie sie in Art. 1 des Grundgesetzes niedergelegt ist, bildet dafür den Ausgangspunkt. Aus ihr leiten sich imGrunde alle ande ren Grundrechte ab. Sie und die mit ih nen bezeichnetenWerte halten unsere Gesellschaft zusammen. Doch scheinen die Grundrechte des Grundgesetzes nicht mehr allen selbstverständlich zu sein. Populisti sche Anfeindungen von links und rechts, plumpe Vereinfachungsten denzen in den sozialen Netzwerken und antisemitische Äußerungen auf dem Schulhof machen leider immer wieder deutlich, dass unsere demo kratischen Werte und unser demokra tisches Handeln stets aufs Neue er lernt, verinnerlicht, eingeübt und ge lebt werden müssen. Schule hat hier einen wesentlichen Auftrag, der auch ein Erziehungsauf trag ist: politische Bildung und die Be deutung der Grundrechte zu vermit teln, Demokratie in der Schule erfahr bar zu machen und dafür zu sorgen, dass sich unsere Schülerinnen und Schüler als mündige Bürgerinnen und Bürger für eine demokratische und menschenwürdige Gesellschaft ein setzen. Politische und historische Bildung und die daraus erlangten Erkenntnisse sind die Voraussetzung für das Ver ständnis politischer Prozesse und poli tischer Urteilsfähigkeit. Dieses Ver ständnis ist Grundlage für die Teilhabe des mündigen Bürgers an einer rechtsstaatlichen und freiheitlichen Demokratie und zugleich das beste Mittel gegen extremistische Verhal tensweisen, mit denen unsere Grund werte infrage gestellt werden. Um das Interesse unserer jungen Menschen an Politik zu wecken, ih

Der Autor

Editorial | Politische Bildung

Prof. Dr. R. Alexander Lorz ist Hessischer Kultusminister

nen grundlegendes Wissen zu ver mitteln und ihre politische Urteils-, Entscheidungs- und Mitwirkungsfä higkeit zu fördern, braucht es die po litische Bildung in der Schule. Schule ist dafür hervorragend geeignet, da alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen dort erreicht werden. Die Aufgaben der politischen Bil dung umfassen die Dimensionen Werte, Einstellungen, praktische Handlungsfähigkeiten sowie Wissen und kritisches Denken. Die entspre chenden Fähigkeiten und Haltungen werden grundsätzlich in allen Fä chern vermittelt, auch wenn dem ge sellschaftswissenschaftlichen Auf gabenfeld inhaltlich eine besondere Bedeutung zukommt und ‘Politik und Wirtschaft’ das Leitfach der politi schen Bildung darstellt. Um der Be deutung der politischen Bildung noch besser gerecht zu werden, ist mit der im Dezember 2022 erfolgten Novellierung des Hessischen Schul gesetzes ab dem Schuljahr 2023/2024 aufsteigend ab der Ein führungsphase für alle Schülerinnen und Schüler politische Bildung in der gymnasialen Oberstufe verpflichtend vorgesehen. Des Weiteren wird das Fach Politik und Wirtschaft auch in der Sekundarstufe I weiter gestärkt.

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Nachdem bereits zum Schuljahr 2022/2023 die Stundenzahl für den Politikunterricht an integrierten Ge samtschulen um eine Stunde ange hoben wurde, wird zum Schuljahr 2023/2024 die Zuweisung für inte grierte Gesamtschulen und Haupt schulen um eine weitere Stunde er höht. Damit wird ein durchgängiger Politikunterricht in allen Jahrgangs stufen und in allen Schulformen der Sekundarstufe I gewährleistet. Unsere grundlegenden demokrati schen Werte wie die unantastbare Würde des Menschen, Freiheit und Gleichheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung sind verbindlich für die Demokratiebildung an Schu len. Schule ist kein wertneutraler Ort. Gesellschaftliche Veränderun gen, Krisen, Konflikte und Heraus forderungen sollen im Unterricht ge mäß dem Beutelsbacher Konsens re gelmäßig zum Gegenstand kritisch kontroverser Diskurse und Auseinan dersetzungen gemacht werden. Martin Luther King hat einmal be tont, die Funktion der Bildung sei es, zu intensivem und kritischem Nach denken zu erziehen. Und eben dies schaffen wir, indem unsere Schüle rinnen und Schüler zielstrebig im Unterricht und im Schulalltag die für

die Demokratiebildung wesentlichen Analyse-, Orientierungs-, Kritik-, Urteils-, Entscheidungs- und Hand lungskompetenzen erlernen. Ge meinsam mit den so erlernten Fähig keiten und Fertigkeiten zur friedli chen Lösung von Konflikten, zur po litischen Streitkultur und zum re flektierten Umgang mit Medien erfahren unsere jungen Menschen die zentrale Wirksamkeit demokrati schen Handelns und zudem die da mit verbundene Selbstwirksamkeit. An dieser Stelle möchte ich unsere Handreichung zur Grundrechtsklar heit, Wertevermittlung und Demo kratieerziehung für die Lehrkräfte an hessischen Schulen erwähnen. Diese Handreichung enthält deutliche Aussagen zur Bedeutung unserer Grundrechte und Beispiele aus der Schulpraxis für angewandte Grund rechtsklarheit im Hinblick auf einen fächerübergreifenden werteorien tierten Unterricht. Politische Bildung bedeutet weit aus mehr als reine Wissensvermitt lung in einzelnen Fächern. Vielmehr handelt es sich um ein Unterschei dungsmerkmal von Unterrichts- und Schulqualität, die ihrerseits einen festen Bestandteil langfristiger Schulentwicklungsprozesse dar

stellt. Unsere Schulen sind Orte der Mitbestimmung und Räume, in de nen demokratische Prinzipien erlernt und erlebt werden. Wir unterstützen die Schülervertretungen und stehen mit der Landesschülervertretung in einem regelmäßigen Dialog. Durch eine bewusste Öffnung von Schule nach innen und nach außen gibt es weitere zahlreiche Möglichkeiten der Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an Schule und Gemeinwe sen. In dieser Ausgabe der Zeitschrift ‘Blickpunkt Schule’ befassen sich Autorinnen und Autoren aus dem Hessischen Kultusministerium, Lehr kräfte sowie Expertinnen und Exper ten mit konkreten Beiträgen aus dem breiten Themenspektrum der politischen Bildung. Ich danke an dieser Stelle unseren Lehrkräften sowie unseren Mitarbei terinnen und Mitarbeitern an den Schulen und in den Schulbehörden sehr herzlich dafür, dass sie äußerst engagiert und motiviert dazu beige tragen haben und unablässig beitra gen, dass unsere Schulen einen maßgeblichen Beitrag zur demokra tischen Orientierung und Haltung unserer Schülerinnen und Schüler leisten.

Politische Bildung

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ÖFFENTLICHER DIENST

EUCH UM IHR KÜMMERT STRUKTUR

WIR STRUKTURIEREN EURE VORSORGE

Ihr für uns. Wir für Euch. Das Füreinander zählt.

Demokratische politische Bildung betreiben zu dürfen ist ein Privileg P olitische Bildung prodemokra tisch ansetzen zu können, ver danken wir in Deutschland der Auch Nordkorea ist zurzeit ein Bei spiel, wenn nicht sogar das beste Bei spiel, für diese schlechte Abschot tung. Der Autor

Politische Bildung

Emanzipation des Bürgertums aus den Fesseln einer autoritären feuda len Obrigkeit. Das hat im 19. Jahrhun dert zu Auseinandersetzungen ge führt, die nicht ohne Straßenkämpfe ausgetragen werden konnten. Freiheit wurde erkämpft, die Grundrechte zu erreichen war eine große Errungen schaft unserer Vorfahren, die immer wieder zu würdigen ist. Demokratie geschichtliches Selbstbewusstsein zu entwickeln, ist deshalb absolut ange messen. Und diese Errungenschaften sind im Kontext der politischen Bil dung zu würdigen. Die Verfassungsgebung in der Paulskirche zu Frankfurt am Main wurde 1848/1849, vor 175 Jahren, mit militärischer Gewalt unterdrückt. Das heißt von politischer, prodemokrati scher Bildung zu sprechen, setzt im mer voraus, dass es einen historischen Horizont gibt, innerhalb dessen De mokratiegeschichte geschrieben und an die 2023 besonders erinnert wer den kann. Politische Bildung ist so ge sehen auch politisch-historische Bil dung. Deshalb ist politische Bildung immer auch interdisziplinär angelegt. 175 Jahre nach dem historischen Ereignis der Verfassungsgebung in Frankfurt am Main wägt man seine Argumente zur Demokratiebegrün dung und Demokratiegründung mit besonderer Sorgfalt und Aufmerk samkeit. Das historische Datum 1848 liefert erinnerungspolitisch einen gro ßen Rahmen, demman Respekt ent gegenbringen möchte. Trotz dieses zu würdigenden Ter mins haben wir es demokratie-ge schichtlich gesehen in Deutschland mit einer schwierigen Lage zu tun. Die vielfach gebrochene deutsche Ge schichte, durch die Zeit nationalsozia listischer Gewaltherrschaft der NS Diktatur und die Zeit der SED-Dikta

Militärische Gewalt auszuüben, war nach 1945 in Europa jahrzehntelang unvorstellbar. Nun sind wir 2022 un erwartet Zeitzeugen einer militäri schen Aggression geworden, die die demokratische Entwicklung eines eu ropäischen Nationalstaates, der Ukraine, zu unterdrücken versucht. Die internationale Lage, die sich in der ukrainischen Welt ereignet, for dert uns menschlich, aber eben auch demokratiebezogen heraus. Aus einer immer autoritärer werdenden Herr schaft Putins, die als solche nach 2000 zu wenig Aufmerksamkeit er fuhr, ist allmählich ein diktatorisches Regime hervorgegangen, das nun so gar den Weltfrieden bedroht. Demokratie und Frieden gehören zu sammen. Friedenspädagogik ist ange sichts der Barbarei des russischen Neoimperialismus zu einer noch aktu elleren Aufgabe und Verpflichtung in Europa als bisher schon geworden. Po litische Bildung darf auch friedenspoli tisch Krieg niemals mehr ignorieren, der Möglichkeit nach ausschließen. Halten wir dazu gleich aktuell fest: Der Mangel an demokratischer politi scher Kultur in Russland nach dem Untergang der Sowjetunion, der sich in der Ära Putins immer wieder durch zahllose unaufgeklärte politische Morde und Mordanschläge gezeigt hat, ist vor dem 24. Februar 2022 zu wenig beachtet worden. Wir imWes ten müssen selbstkritisch feststellen: Die Aufarbeitung der sowjettotalitä ren politischen Kultur hätte nach 1990 demokratiepolitisch eine viel größere Aufmerksamkeit des gesamten Wes tens verdient gehabt. Der fehlende in nere Friede in Russland, die erwähn ten vielen Gewaltakte, die wir seit über zwanzig Jahren mit dem Putin Regime verbinden, bedeuten eben,

Univ.-Prof. Dr. em. Tilman Mayer lehrt Politikwissenschaft an der Universität Bonn. Er leitet dort den Weiterbil dungsmaster ‘Politisch-Histo rische Studien’.

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tur, erfordert unweigerlich eine kriti sche Herangehensweise. Demokratie geschichte in Deutschland zu betrei ben, muss viel erklären können. Aber ohne einen demokratiegeschichtli chen Rückblick lässt sich politische Bildung nicht sinnvoll einordnen. Die demokratischen Errungenschaften der 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland verdanken wir vor allem dem amerikanischen Reeducation Ansatz, mit demWestdeutschland 1945 bis 1947 eine neue Wertevermitt lung erhalten hat, die die demokrati sche Sozialisation einer ganzen Ge sellschaft tangierte und bewirkte. Doch wir dürfen nicht nur zurück und auf uns selbst blicken. Auch in Diktaturen gibt es politische Bildung. Eine sogenannte Informati onsglocke legt sich dort dann über die beherrschte Bevölkerung. Die Men schen darunter werden desorientiert und manipuliert. Wir sehen das aktu ell in verschiedenen autoritären Re gimen und kennen das Phänomen aus der deutschen Geschichte. Eine Welt sicht entsteht in diesen Regimen, die fernab der Realität angesiedelt ist.

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dass Rechtsstaatlichkeit und Gewal tenteilung im nachsowjetischen Russ land nicht richtig eingeübt wurden. Demokratie verlangt eben nach einer inneren stabilen Ordnung und nach Rechtssicherheit, die den Frieden ga rantiert und eine Institutionenord nung praktiziert, die demokratischen Anforderungen entspricht. Eine demokratische politische Kul tur zu entwickeln, setzt eine Werte vermittlung voraus, die klassischer weise mit dem Stichwort politische Bildung verbunden wird. Etwas Ähnli ches wie der amerikanische Reeduca tion-Ansatz im Nachkriegsdeutsch land hätte in Russland nach 1991 eine große Aufmerksamkeit finden müs sen. Die Entstalinisierung zu reflektie ren, blieb bald nur Organisationen wie Memorial vorbehalten. Und die Um stände der Jelzin-Ära ließ Bereiche rungsentwicklungen zu, aus denen oligarchische Strukturen entstanden, die dann von den Silowiki um Putin kontrolliert wurden. Vor diesem zeitgeschichtlich aktu ellen Hintergrund setzen wir nun drei Akzente zur allgemeinen Bedeutung von politscher Bildung hierzulande: 1. Politische Bildung ist eine Angele genheit, für die nicht nur in den Schulen gesorgt werden muss. Sie legt aber dort, in den Schulen, wenn sie eindrucksvoll unterrichtet wird, ein Leben lang nachwirkende Grundlagen politischen Bewusst seins. Das darf man nicht unter schätzen. Politische Bildung in den Schulen muss gerade in einer plura listischen, gar multikulturellen Ge sellschaft zu integrieren gesucht werden. Ein enormes Pensum an Vermittlungsaufgaben leisten die Schulen durch einen gelingenden Unterricht von Gemeinschaftskun de und so weiter. Zu vermitteln ist auch ein gewisser Habitus, ein Stil des Umgangs miteinander. Anstand zum Beispiel ist eine Tugend, die wieder mehr zu verinnerlichen aller Anlass besteht. 2. Aufklärung über das staatsbürger liche Selbstbewusstsein, Bürgerin oder Bürger einer Demokratie zu sein, setzt voraus, dass ein gewisses

tung für fortgesetzte politische Bil dungsarbeit sehr bewusst sein. Wir sind uns alle einig: Politische Bil dung darf natürlich nicht erst zur Brandbekämpfung eingesetzt wer den, das heißt zur Korrektur zum Bei spiel von antisemitischen Entgleisun gen, wie wir sie immer wieder erleben müssen, oder zur Korrektur von extre mistischen Fehlentwicklungen. Politi sche Bildung muss im schulischen All tag dauerhaft und nachhaltig einge übt werden, als wertvoll erkannt wor den sein – dazu liegt als Empfehlung die Handreichung für Lehrkräfte ‘Grundrechtsklarheit, Wertevermitt lung, Demokratieerziehung’ vor, auf die in diesem Heft in einem eigenen Beitrag näher eingegangen wird. Politische Bildung ist selbstredend positiv auf die demokratische politi sche Kultur hin orientiert. Ohne diese normative Grundeinstellung ist eine Demokratie nicht zu bewahren. Ohne eine derart werbende und im Schul alltag eingeübte politische Kultur, wird man es in Konfliktsituationen nicht weit bringen. An Grundrechts klarheit orientierte Unterrichtspraxis und ein wertebezogener Schulalltag tragen zum gesellschaftlichen Zu sammenhalt einer immer pluralisti scher werdenden Gesellschaft bei, die auf ihren Zusammenhalt achten muss. Eine derartige Erfahrung und Praxis erzieht zum demokratischen Selbstbewusstsein und, ja, zum Stolz auf die Demokratie, die jede demo kratische Gesellschaft benötigt. Und jede Gesellschaft benötigt auch die ständige Erneuerung dieses demo kratischen Selbstbewusstseins. Eine derartig gut gebildete – poli tisch gebildete – Gesellschaft för dert informierte Bürgerinnen und Bürger, die zu einem demokratischen Urteilsvermögen fähig sind. Die also fähig sind sogenannten Fake News, dass zum Beispiel die amerikanische Präsidentenwahl 2020 Donald Trump gestohlen worden sei, widersprechen zu können. Die erwähnte Reichsbür gerszene, die die Existenz der Bun desrepublik Deutschland nicht be griffen hat und infrage stellt, verkör pert beispielhaft dieses irregeleitete,

Wissen da sein muss, um am demo kratischen Prozess teilnehmen, um bestenfalls sogar eine gewisse Ur teilskraft entwickeln zu können. Diese Art an sich anspruchsvoller Bildung setzt voraus, dass dieser Bürger, auch die junge Bürgerin in der Schule, dafür sorgt, informiert zu sein. Zu dieser Informationsver arbeitungskompetenz ist die Schule berufen. Dem Gegenteil begegnet man in Gestalt der Desinformation imVerschwörungsdenkermilieu, wo mit Halbbildung Politikwahrneh mung fehlgesteuert wird und gar nicht mehr sortiert werden kann, was wahr und was nicht wahr ist. Die Verrohung in der Internetkom munikation offenbart eine krasse Fehlentwicklung in der Gesell schaft, die beunruhigend wirken sollte. Die Entfremdung gegenüber dem politischen System ist zu groß geworden, bedarf dringender Ge genmaßnahmen. Politische Bildung ist eine Leistung, die dieser Ent fremdung entgegenwirken muss. Um anspruchsvolle politische Bil dung zu erhalten und fortzuentwi ckeln sollte aller Anlass bestehen. 3. Politische Bildung ist aber darüber hinaus eine Daueraufgabe der ge samten Gesellschaft. Die prodemo kratische Einstellung zum politi schen Systemmuss immer wieder eingeübt werden und in der Medien welt sichtbar sein. Wo Verschwö rungsdenken hochkocht, Fake News verbreitet werden, Reichsbürger Irr lehren verbreiten, da hat politische Bildung in Gestalt der Demokratie erziehung eine klassische integrati ve Aufgabe, die vor allem und zuerst über die schulische Sozialisation ge leistet werden muss. Aber nach schulische politische Bildung, die ‘sans la lettre’ über die Medien er folgt, ist eine Daueraufgabe der Ge sellschaft. Auch gilt dabei, was im schulbezogenen Beutelsbacher Konsens beschlossen wurde: Me dienkonsumenten nicht zu überwäl tigen und eine neutrale Berichter stattung zu gewährleisten. Der Journalismus muss sich dieser ge samtgesellschaftlichen Verantwor

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Leitlinien und Empfehlungen einer demokratischen Auseinandersetzung Z ur sachlichen und rationalen Debatte gehört es, dass man nicht nur das als Tatsache ak Eine gewisse Demut an den Tag zu legen, wenn man entgegenstehende Auffassungen wahrnehmen muss, drückt einen Respekt aus, der eingeübt werden muss.

auf Halbbildung beruhende Denken. Politische Bildung, darauf möchte ich besonders hinweisen, findet deshalb tagtäglich statt, wird über wichtige Nachrichten agenturen weiterbefördert und stellt ein Politikfeld dar, das in freien Gesellschaften starke und eigentlich noch mehr Aufmerk samkeit verdient, denn in Dikta turen findet sie, wie bereits er wähnt, natürlich ohnehin, top- down-gelenkt, indoktrinierend statt, dient sie der Manipulation der Bürgerinnen und Bürger, die dort, siehe aktuell Russland, sich deshalb gerade keine freie Mei nung bilden können. So gesehen ist so etwas wie der Beutelsba cher Konsens in diesem Russland unvorstellbar. Demokratieverteidigung und Demokratiebehauptung – zen trale Gegenstände politischer Bildung – sind in Europa, nach einer jahrzehntelangen friedli chen Entwicklung, keine Selbst verständlichkeiten mehr. Die Beachtung der politischen Kultur eines Landes, ihres demo kratischen Selbstbewusstseins, beschäftigt nicht nur das Feuille ton der Tageszeitungen, sondern ist zu einemTopthema auf der Agenda der Tagespolitik gewor den. Die erwähnte Paulskirchen thematik ist längst keine nur his torische Angelegenheit mehr. Politische Bildung ist zu einer gesamtgesellschaftlichen Auf gabe geworden, deren Grundle gung und praktizierter Einübung in den Schulen, wie ich ausführ te, besondere Aufmerksamkeit gebührt. Von daher gesehen sind die Leitlinien eines demokratischen Umgangs miteinander in Schulen zu reflektieren, die in der Hand reichung für hessische Lehrkräfte ‘Grundrechtsklarheit, Wertever mittlung, Demokratieerziehung’ entwickelt wurden und als Emp fehlungen hier abschließend ih ren Ort haben sollen.

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zeptiert, an was man ohnehin glaubt. Halbwahrheiten, Verschwörungstheo rien und Gerüchten muss entgegenge treten werden. Die Bereitschaft, neue Informatio nen aufzunehmen und zuzulassen, so wie einräumen zu können, dass der Diskussionsgegner vielleicht ein gutes Argument vorgetragen hat, hebt das Niveau jeder Auseinandersetzung. Unterschiedliche Perspektiven und Alternativen aufzuzeigen, bereichert jede Diskussion und zeugt von Kennt nis der Materie. Eine Diskussion vorzu bereiten, setzt voraus, sich vertieft mit der Materie zu beschäftigen. Ober flächlichen Betrachtungen wird auf diese Weise vorgebeugt. Allgemeines Misstrauen gegenüber der bundesdeutschen Qualitätspresse und gegenüber den Medien generell zu kultivieren, kann nicht Bestandteil ei ner seriösen Diskussion sein. Kritik muss begründet vorgetragen werden können. Einseitige Berichterstattung soll als solche erkannt werden und kann nicht Quelle einer soliden Urteils bildung sein. Das Kriterium der Einsei tigkeit sollte im Klassenverband Ge genstand von Kritik sein. Andersdenkende anzuhören und ih ren Standpunkt wiederzugeben, doku mentiert eine gehobene Diskussions kultur.

Argumente für oder gegen eine Mei nung zu sammeln, die nicht nur in ei nem sogenannten Echoraum verwen det werden, ist unerlässliche Basis ei ner Erörterung. Die Quelle für gravie rend ausfallende Argumente muss all gemein nachprüfbar und umstandslos belegbar sein. Die Quelle muss zudem Mindestanforderungen von Seriosität genügen. Andersmeinende sogar aufzufor dern, ihre Argumente vorzutragen, zeugt von einem guten Stil in einer Auseinandersetzung. Dadurch wird auch die Anerkennung der Diskussi onspartner gewährleistet – sofern die se sich ihrerseits auf diese Fairness im Umgang verstehen. Demokratie bedeutet nicht, dass prinzipiell Kritik an bestehendenVer hältnissen gut ist. Eine Überprüfung der Stichhaltigkeit von Kritik ist zu erwarten. Nicht jede wahrgenommene Äußerung in den Medien und in der Öffentlichkeit sollte unkritisch akzeptiert werden. Das A und O der politischen Ausei nandersetzung in Demokratien ist es, Argumente zu begründen. Schlecht dagegen ist es, wenn einfach nur Be hauptungen aufgestellt werden – noch dazu, wenn diese gar nicht überprüft werden können.

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Hoher Stellenwert für politische Bildung im Unterricht Allgemein zur politischen Bildung hungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen vor, dass Kinder das Die Autorin

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Demokratieprinzip als ‘gelebte All tagsdemokratie’ erfahren. Die Kinder erwerben demokratische Kompeten zen wie Gesprächsregeln und Ge sprächsdisziplin, Akzeptanz von Mehr heitsentscheidungen sowie Sicherheit im Umgang mit demokratischen Aus handlungsprozessen. Zu den Werten und Orientierungskompetenzen, die der Bildungs- und Erziehungsplan nennt, gehören das Gefühl der Zuge hörigkeit zur eigenen Kultur, die Sen sibilität für und die Achtung vor An dersartigkeit und Anderssein, solidari sches Handeln, sozial und ökologisch verantwortlicher Umgang mit der ei genen Handlungsfreiheit sowie Un voreingenommenheit gegenüber Per sonen mit anderen Werten, Einstel lungen und Sitten. Eine weitere wichtige Grundlage für die politische Bildung stellen über fachliche Kompetenzen dar, die in Hessen für alle Fächer und für alle Schulformen in den Kerncurricula be schrieben sind. Von besonderer Rele vanz ist hier der Aufbau von Sozial kompetenz. Grundlage ihrer Entwick lung ist eine soziale Wahrnehmungs fähigkeit. In Interaktionen sollen die Lernenden Rücksichtnahme und Soli darität entwickeln. Kooperation und Teamfähigkeit werden in ihrer zentra len Bedeutung für ein erfolgreiches gemeinsames Lernen beschrieben. Zur Sozialkompetenz gehören zudem die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, die aktive Ausübung von Gestaltungsrechten sowie ein Handeln, das zur interkulturellen Ver ständigung beiträgt. Für die gymnasiale Oberstufe sind in allen hessischen Kerncurricula ebenfalls fachübergreifend ‘wertebe wusste Haltungen’ als Lern- bzw. Kompetenzziel verankert. Dazu gehö ren Kategorien wie Respekt, Gerech tigkeit, Fairness, Eigentum und fried

Der Rechtsstaat ist die tragende Säule unserer Demokratie und Vorausset zung für Frieden, Freiheit und gesell schaftlichen Zusammenhalt. Wie wichtig der Rechtsstaat und ein funk tionierendes Rechtssystem für unsere Gesellschaft sind, kann nicht deutlich genug betont werden. Dies gilt gerade in Zeiten, in denen Proteste zu um strittenen politischen Maßnahmen von manchen Gruppen für Botschaf ten genutzt werden, die sich gegen den demokratischen Rechtsstaat und gegen die im Grundgesetz veranker ten Werte, Normen und Institutionen richten. Auch der Angriffskrieg in der Ukraine zeigt, dass es ohne demokra tische Werte kein freiheitliches und sicheres Zusammenleben der Men schen geben kann. Demokratie ohne Rechtsstaatlichkeit ist nicht möglich. Dies zu verdeutlichen, ist deshalb zu jeder Zeit ein wichtiges Anliegen und muss bereits in der Schule beginnen, wo alle jungen Menschen zusammen kommen und erreichbar sind. In Hessen genießt die Förderung poli tischer Bildung (bzw. Demokratie- erziehung) in der Schule einen hohen Stellenwert. Die Schulen und Bil dungseinrichtungen in Hessen folgen der Werteorientierung des Hessischen Schulgesetzes, die sich nach der Ver fassung des Landes Hessen und dem Grundgesetz richtet. Besonders die §§ 2 und 3 des Hes sischen Schulgesetzes, die den Bil dungs- und Erziehungsauftrag der Schulen in Hessen darstellen, sind hier hervorzuheben. So sind alle hes sischen Schulen verpflichtet, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und in der Hessischen Politische Bildung an hessischen Schulen

Verfassung aufgeführten Menschen- und Bürgerrechte gemäß § 2 Abs. 2 Hessisches Schulgesetz (HSchG) zu lehren. Ziel ist, dass sich Schülerinnen und Schüler zu selbstbewussten und mün digen Staatsbürgerinnen und Staats bürgern entwickeln, die ihre Rechte und Pflichten in der sozialen Gemein schaft ihres Staates kennen und wahrnehmen können. Politische Bil dung ist an hessischen Schulen daher auch nicht nur einem Fach zuzuord nen, sondern als eine fachübergrei fende Aufgabe von Schule zu verste hen. Insofern begleitet politische Bil dung als Teil des Bildungs- und Erzie hungsauftrages die Schülerinnen und Schüler während ihrer gesamten Schullaufbahn. Demokratie und Grundwerte sind in Hessen bereits in der Grundschule fachübergreifend Unterrichtsinhalt. So sieht der Bildungs- und Erzie Ministerialrätin Ulrike Nau mann, Lehrerin für Deutsch und Geschichte und Referentin im Gymnasialreferat des Hessi schen Kultusministeriums, dort zuständig für das gesellschafts wissenschaftliche Aufgaben feld. Frau Naumann ist derzeit abgeordnet an die Hessische Landeszentrale für politische Bildung in Wiesbaden.

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liche Gesinnung im Geiste der Völker verständigung. Die Schülerinnen und Schüler sollen ethische Normen sowie kulturelle und religiöse Werte ken nenlernen, reflektieren und auf dieser Grundlage eine Orientierung für das eigene Handeln gewinnen. Darüber hinaus reflektieren die Schülerinnen und Schüler demokratische Normen und Werthaltungen im Sinne einer historischen Weltsicht und ziehen Rückschlüsse auf das eigene Leben in der Gemeinschaft. Gleichfalls fächer übergreifend ist in den Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe inter kulturelle Kompetenz im Sinne des Stiftens kultureller Kohärenz veran kert. Leitfach Politik und Wirtschaft Inhaltlich ist die politische Bildung insbesondere angebunden an die Fä cher des gesellschaftswissenschaftli chen Aufgabenfeldes; sie findet je doch auch in anderen Fächern statt, beispielsweise über die Lektüre im Fach Deutsch oder in den modernen Fremdsprachen. Auch im Fach Ge schichte spielt der Aspekt der politi schen Bildung auf der Basis der Grundrechte und der Hessischen Ver fassung eine wichtige Rolle. Das Fach hat in Hessen – zusammen mit den Fächern katholische und evangeli sche Religion – Verfassungsrang und muss in Hessen durchgehend in der gymnasialen Oberstufe belegt wer den. Das Leitfach der politischen Bildung ist in Hessen das Fach Politik und Wirtschaft, das an allen allgemeinbil denden Schulen in der Sekundarstufe I und II sowie an beruflichen Schulen unterrichtet wird. An Gesamtschulen ist das Fach integrativer Bestandteil des Fachs ‘Gesellschaftslehre’. Das Fach Politik und Wirtschaft wurde nach dem Regierungswechsel 1999 in Hessen unter der Führung einer CDU- und FDP-Regierung eingeführt. Zuvor wurde an den Schulen das Fach Sozi alkunde unterrichtet; wirtschaftliche Themenstellungen hatten in diesem Fach keine curriculare Verankerung

und gesellschaftlich verantwortungs bewusste Bürgerinnen und Bürger und zugleich tragende Akteure politi scher und wirtschaftlicher Handlun gen und Prozesse zu befähigen, die gegenwärtige Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angemessen wahrzu nehmen und sich in diesen Domänen zu orientieren. Das beinhaltet, indivi duelle Handlungen in die Zusammen hänge gesellschaftlicher Strukturen sowie Macht- und Herrschaftsverhält nisse einzuordnen und damit die eige nen politischen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen zu verstehen, ak tiv und verantwortungsvoll an den ge sellschaftlichen Selbstverständi gungsdiskursen sowie Entschei dungsprozessen teilzunehmen und die Gesellschaft bewusst aufgrund der eigenen Interessenlage im Rah men des Verfassungskerns des Grundgesetzes demokratisch mit zu entwickeln. Insbesondere ist in die sem Kontext auf das Themenfeld ‘Hi neinwachsen in Gesellschaft – Politi sche Sozialisation’ in der Einfüh rungsphase (E1.3) und auf das Thema des ersten Kurshalbjahres der Qualifi kationsphase (Q1) ‘Demokratie im po litischen Mehrebenensystem’ hinzu weisen. Besonderer Wert wird in den hessi schen Kerncurricula darauf gelegt, dass das Fach dem Beutelsbacher Konsens verpflichtet ist. Dazu gehört – neben dem Überwältigungsverbot und der Schülerorientierung – auch das Kontroversitätsgebot. Bei den Schülerinnen und Schülern sollen Kompetenzzuwächse ermöglicht wer den, ohne dabei das Recht der Ler nenden auf individuelle Meinungs- und Urteilsbildung einzuschränken (‘Überwältigungsverbot’). Inhalte po litischer und ökonomischer Bildung, die in den Wissenschaften und in der Politik offen und kontrovers diskutiert werden, sollen auch im Fach Politik und Wirtschaft kontrovers behandelt werden (‘Kontroversitätsgebot’). Die se Prinzipien sind auf alle Dimensio nen des Faches zu beziehen. Darüber hinaus ist auch das Aktua litätsprinzip im Fach Politik und Wirt schaft eine wichtige didaktische An

und wurden im Unterricht lediglich vereinzelt aufgegriffen. Die Fächerkombination ergibt sich daraus, dass Politik und Wirtschaft in einer so engen gegenseitigen Abhän gigkeit stehen, dass weder Politik oh ne Ökonomie noch Ökonomie ohne Politik verstanden werden kann. Schülerinnen und Schüler müssen als zukünftige Staatsbürgerinnen und Staatsbürger darauf vorbereitet wer den, auf der politischen Ebene Ent scheidungen zu treffen, die letztlich auch ökonomische Konsequenzen ha ben können. Will man begreifen, wel che Auswirkungen die Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise haben, welche Überlegungen hinter den sozialen Si cherungssystemen stehen und welche Effekte die Globalisierung hat, dann muss man ökonomische Sachverhalte im politischen Kontext erörtern, wie es derzeit in nahezu allen Bundesländern üblich ist. Das Fach Politik und Wirtschaft för dert auf der Grundlage der freiheit lich-demokratischen Grundordnung, also des Grundgesetzes sowie der Hessischen Verfassung, jene Fähigkei ten, Fertigkeiten und Bereitschaften, die es den Lernenden ermöglichen, als mündige Person, d.h. autonom und verantwortungsvoll, an der de mokratischen Öffentlichkeit teilzu nehmen und sich an der Diskussion und Lösung grundlegender Fragen und Probleme aus Politik, Gesell schaft, Recht und Wirtschaft zu betei ligen. Blickt man auf das Inhaltsfeld ‘Demokratie’ im Kerncurriculum für die Sekundarstufe I, so wird deutlich, dass in dessen Rahmen Aspekte der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere der Grundrechte, der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität, des Pluralis mus und der Parteiendemokratie, so wie Elemente gesellschaftspolitischer Partizipation zu behandeln sind (vgl. Kerncurriculum Politik und Wirtschaft für die Sekundarstufe I, S. 25) . Im Kerncurriculum Politik und Wirt schaft für die gymnasiale Oberstufe (KCGO) wird explizit ausgeführt, dass der Unterricht in diesem Fach an dem Ziel ausgerichtet ist, Lernende als zu künftige mündige, d. h. autonome

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forderung an den Unterricht. Im Sinne exemplarischen Lernens sollen aktu elle politische und wirtschaftliche Themen und Probleme behandelt werden, die über eine tagesaktuelle Betrachtung hinausgehen und somit eine mittel- und längerfristige Be deutung für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen aufweisen. Daraus ergibt sich der Auf trag für alle Lehrkräfte für Politik und Wirtschaft, im Unterricht aktuelle Er eignisse – wie etwa anstehende Landtagswahlen oder Kommunal wahlen – aufzugreifen und zu thema tisieren. Das Fach Politik und Wirtschaft ist bei Schülerinnen und Schülern be liebt. Im Abitur 2022 absolvierten rund 18 Prozent aller Schülerinnen und Schüler eine schriftliche Prüfung im Fach Politik und Wirtschaft. Zum Vergleich: Im sehr oft angewähltem Fach Biologie absolvierten rund 26 Prozent aller Schülerinnen und Schü ler des Abiturjahrgangs die schriftli che Prüfung im Grundkurs bzw. im Leistungskurs Biologie. Stärkung der politischen Bildung Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag für die 20. Legisla turperiode darauf verständigt, einen durchgängigen Politikunterricht an allen weiterführenden Schulen sicher zustellen und für eine Stärkung des Faches Politik und Wirtschaft einzu treten. In Hessen sind bestimmte Fächer verpflichtend, während der gesamten gymnasialen Oberstufe zu belegen, die explizit in der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Gestaltung der gymnasialen Oberstu fe und der Abiturprüfung 1 genannt werden (Deutsch, Mathematik, Fremdsprache, Religion/Ersatzfach, Sport). Hinzu tritt das Fach Geschich te und eine Naturwissenschaft. Mit der im Dezember 2022 erfolg ten Novellierung des Hessischen Schulgesetzes ist ab dem Schuljahr 2023/2024 aufsteigend ab der Ein führungsphase für alle Schülerinnen

und Schüler der durchgehende Be such des Fachs Politik und Wirtschaft in der gymnasialen Oberstufe ver pflichtend vorgesehen. Stattdessen kann ab dem Kurshalbjahr Q3 auch das Fach Geografie (ehemals Erd kunde) mit politischen Anteilen belegt werden. Durch die Verschiebung des Halbjahresthemas ‘Wirtschaft und Entwicklung’ im Fach Erdkunde in das Kurshalbjahr Q3 und die Behandlung des Themas ‘Internationale Beziehun gen im Zeitalter der Globalisierung’ im Fach Politik und Wirtschaft eben falls im Kurshalbjahr Q3 befassen sich nunmehr beide Fächer zeitgleich mit globalen Prozessen, allerdings mit ei gener fachspezifischer Ausschärfung. Dies zeigt wiederum, dass politische Bildung eine fachübergreifende Auf gabe ist und insbesondere zwischen den Fächern des gesellschaftswissen schaftlichen Aufgabenfeldes Syner gien genutzt werden können. Des Weiteren wird das Fach Politik und Wirtschaft auch in der Sekundar stufe I weiter gestärkt. Nachdem be reits zum Schuljahr 2022/2023 die Stundenzahl für den Politikunterricht an integrierten Gesamtschulen um ei ne Stunde angehoben wurde, wird zum Schuljahr 2023/2024 die Zuwei sung für integrierte Gesamtschulen und Hauptschulen um eine weitere Stunde erhöht. Damit wird ein durch gängiger Politikunterricht in allen Jahrgangsstufen und in allen Schul formen der Sekundarstufe I gewähr leistet. Neben diesen strukturellen Ände rungen müssen Demokratie und de mokratische Werte in der Schule auch praktisch erfahrbar sein. In Form von Projekten, zum Beispiel Parlaments besuche, der Teilnahme an Demokra tietagen, in Klassenräten und Mitbe stimmungsgremien gibt es an hessi schen Schulen ein breites Spektrum von Möglichkeiten, demokratisches Handeln zu praktizieren und einzu üben. An erster Stelle stehen erfah rungsorientierte Methoden wie zum Beispiel Plan- und Rollenspiele. Diese finden auch außerhalb der Schule statt, etwa im Hessischen Landtag mittels der Simulation einer Parla

mentssitzung. Auf der Internetseite des Hessischen Landtags finden sich diesbezüglich zahlreiche Seminar- und Bildungsangebote (www.hessi scher-landtag.de). Auch die Hessi sche Landeszentrale für politische Bildung bietet – neben zahlreichen Publikationen – Planspiele und Online-Workshops zur politischen Bildung an, die Lehrkräften, aber auch von Schülerinnen und Schülern genutzt werden können (www.hlz. hessen.de). Im Kontext der Demokratieerzie hung ist insbesondere auf den ‘Tag des Rechtsstaates’ hinzuweisen. Mit diesem neuen Format des Hessischen Kultusministeriums, des Hessischen Ministeriums der Justiz und des Hes sischen Ministeriums des Innern und für Sport wird Schülerinnen und Schülern ab der Jahrgangsstufe 10 ein besonderes Angebot gemacht. Die Veranstaltungsreihe wird von Februar bis Juli 2023 an vierzehn verschiede nen Standorten in Hessen stattfinden, entweder vor Ort in einem der Polizei präsidien oder in einem der mitwir kenden Amtsgerichte. Etwa 2000 teilnehmenden Schülerinnen und Schülern wird die Möglichkeit eröff net, mit Berufsgruppen von Polizei und Justiz ins Gespräch zu kommen, deren Funktion im Rechtsstaat sowie die Abläufe vor Ort interaktiv kennen zulernen und verschiedene rechtliche Fragestellungen zu erörtern. Die hessenweite Veranstaltungsrei he wurde am 6. Februar 2023 in der ‘Wiege der Demokratie’ der Paulskir che in Frankfurt im Rahmen einer Auftaktveranstaltung mit rund 400 angemeldeten Schülerinnen und Schülern sowie zahlreichen Ehrengäs ten aus Politik, Justiz und Polizei er öffnet. Im Anschluss konnten die Ju gendlichen Tatortarbeit hautnah erle ben, gingen den Täterspuren digital und analog selbst nach, wurden Teil einer Gerichtsverhandlung und erfuh ren, welche spannenden Berufe Justiz und Polizei bieten. 1 Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom7. Juli 1972 in der Fassung vom 18. Februar 2021)

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Eine Handreichung für hessische Lehrkräfte Grundrechtsklarheit, Wertevermittlung, Demokratieerziehung U m noch nachhaltiger die Wer tevermittlung im Sinne des Grundgesetzes in den Schu Die Autorin

gogischen und rechtlichen Umgangmit grundrechtsverletzendemVerhalten im Schulalltag eingegangen. Es erfolgen konkrete Handlungsvorschläge, umdie Lehrkräfte in belastenden Situationen zu unterstützen. Dabei werden insbe sondere dieThemen ‘Antisemitismus und Extremismus’ sowie ‘Diskriminie rung und Mobbing’ näher beleuchtet. Die Handreichung steht als Download auf der Homepage des Hessischen Kultusministeriums mit zahlreichen konkreten Themenanre gungen, Unterrichtsmaterialien und Zugriffsmöglichkeiten für die Unter richtspraxis zur Verfügung. Darüber hinaus können gebundene Exemplare kostenfrei unter https://kultusminis terium.hessen.de/infomaterial/ Grundrechtsklar heit-Wertever

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len umzusetzen, wurde am 30. Sep tember 2022 ein Demokratiebildungs kongress mit anschließenden praxis orientierten Foren im Haus am Dom durchgeführt. 1 Ziel dabei war es, Lehr kräfte bei einer grundrechtsklaren Werte- und Demokratievermittlung in der Schule fächerübergreifend durch unterrichtsbezogene Veranstaltungs formate zu unterstützen. Grundlage dafür bildete die Handreichung ‘Grundrechtsklarheit, Wertevermitt lung, Demokratieerziehung’, die im Januar 2021 bereits in dritter aktuali sierter Auflage erschienen ist. Was erwartet die Leserin und den Leser in dieser Handreichung für hes sische Lehrkräfte? ImVordergrund steht zunächst die These, dass wir in der Demokratie unser Handeln stets an den Grundrechten unserer Verfas sung orientieren. Demokratieerzie hung an Schulen befördert unsere de mokratische politische Kultur. Die Werte der Grundrechte zu vermitteln und sich an ihnen zu orientieren, schafft Klarheit, die wir im schulischen Alltag benötigen. Demokratie ist dabei viel mehr als eine Herrschaftsform. Als eingeübte demokratische Lebens- und Gesellschaftsform schützt sie insbe sondere vor Extremismen. Schule kann damit präventiv und früh allen Arten von Extremismus entgegentreten. Kapitel I widmet sich demweiten Feld der grundrechtsorientierten Demokra tieerziehung. Dass Grundrechtsklarheit, Wertevermittlung und Demokratieer ziehung heute von großer Bedeutung sind, verdeutlicht Kapitel II. In Kapitel III steht das Demokratielernen in der Schule als Aufgabe aller Schulformen imMittelpunkt. In Kapitel IV wird die Bedeutung der Grundrechte für den Schulalltag erläutert. Ausgewählte Prüfsteine für angewandte Grund

rechtsklarheit beinhaltet Kapitel V, hier werdenmögliche Konfliktfelder be nannt und Lösungsansätze aufgezeigt. In der Handreichung finden sich ne ben allgemeinen Informationen zur grundrechtsorientierten Demokratie erziehung auch konkrete Hinweise zum Umgang mit Rassismus und An tisemitismus in der Schule und ande ren, potenziell konfliktreichen konkre ten Unterrichtssituationen, Empfeh lungen für den pädagogischen Um gang, passgenaue Unterrichtsmate rialien sowie die entsprechenden gesetzlichen Rechtsgrundlagen. Mit der Handreichung unterstützt das Hessische Kultusministerium Lehr kräfte bei der Umsetzung des Bil dungs- und Erziehungsauftrages im Bereich der Demokratiebildung und bietet ihnen gleichzeitig eine auf den Grundwerten unseres Grundgesetzes basierende Orientierung imUmgang mit Extremismus und Konfliktsituatio nen. Anhand von Praxisbeispielen wird auf Möglichkeiten zur Demokratie- und Wertevermittlung sowie auf den päda Fabricia Lederer ist Studienrä tin an der Peter-Paul-Cahensly Schule Limburg mit den Fächern Englisch und evangelische Reli gion und derzeit abgeordnet an das Hessische Kultusministeri um im Referat Z.4.

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mittlung-Demo kratieerziehung oder über den QR Code bestellt werden.

Autorinnen und Autoren: Prof. Dr. Til man Mayer, Irene Horn M.A., Julia Reuschenbach M.A. | 3. aktualisierte Auflage, Januar 2021 | 128 Seiten | DIN A4 | Herausgeber: Hessisches Kultusministerium

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1 Blickpunkt Schule berichtete bereits in Ausgabe 4/2022 über den Kongress.

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