lehrernrw 5/2021

BATTEL HILFT

Ein Konzept muss her ! Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Stefan Battel gibt in seiner Kolumne regelmäßig Antworten auf Fragen aus dem Lehreralltag. Diesmal geht es um die Frage, was wir der heranwachsenden Generation noch zumuten wollen. N eulich beunruhigte mich eine dpa- Meldung, in der mitgeteilt wurde, dass etwa 30 000 Schüler in Nord- gnitiven und emotionalen Entwicklung, als dass es einen Schaden im Sinne einer er- heblichen Hospitalisierung oder Todesfälle gibt.

halten. Hier geht es nicht um besser oder schlechter, um moralisch oder nicht mora- lisch oder um solidarisch oder nicht solida- risch, sondern es kann nur darum gehen, in einen wohlwollenden gemeinsamen Dis- kurs zu treten und den Zustand in Schulen wie auch in Kindergärten bei geringen Hospitalisierungsraten von knapp vierzehn Millionen unter Achtzehnjährigen in Deutschland wieder in ein ’Zurück zu Frü- her’ zu bringen. Sonst erwarte ich in naher Zukunft eine Entwicklungskrise in erhebli- chem Ausmaß bei vielen Kindern und Ju- gendlichen. Ach so, nebenbei bemerkt, ich bin in voller Blüte Optimist.

rhein-Westfalen in Quarantäne sind. Nach nunmehr eineinhalb Jahren im Rückblick aus Sicht einer kinder- und jugendpsychi- atrischen Praxis muss jetzt wirklich ein Konzept für Schulen, für Kinder und Ju- gendliche her. Im Laufe der letzten einein- halb Jahre haben wir in der Praxis wie auch sicherlich Sie in der Schule Kinder und Jugendliche erlebt, die in ihrer Ent- wicklung deutlich zurückgeworfen wur- den. Schulängstliche Kinder, die nach lan- ger Abstinenz wieder Fuß gefasst hatten mussten entweder in Quarantäne oder waren vom Lockdown betroffen. So subsumieren sich viele kleine Ge- schichten aus einem Großen und Ganzen. Was man üblicherweise im wirtschaftli- chen Denken als Lieferketten beschreibt, sehen wir hier in der Praxis als Unterbre- chung der Entwicklungsketten bei vielen Kindern und Jugendlichen. Auch Kindergar- tenkinder, die jetzt eingeschult wurden, weisen zum Teil erhebliche Entwicklungs- rückstände auf. All dies ist publiziert und gut untersucht. Doch was machen wir da- raus? Manchmal erwische ich mich bei dem Gedanken, was wäre eigentlich, wenn es in Schulen, zumindest in Grundschulen, keine Maskenpflicht mehr gäbe, keine Ab- standsregeln und dass alles so wäre wie früher? Wäre das unser Untergang? Wel- che Risiken sind wir bereit, in Kauf zu neh- men und die Maßnahmen verhältnismäßig abzuwägen? Schaut man in manche euro- päischen Nachbarländer, so scheint es dort einen größeren Nutzen für die zukünftige Generation zu geben bezüglich ihrer ko-

Ich glaube, wir nähern uns einem Kipp- punkt, an dem wir uns entscheiden müs- sen: Erstens, wie wir miteinander leben wollen. Und zweitens, was wir unserer zu- künftigen Generation noch zumuten wol- len. Diejenigen von uns Erwachsenen, die sich schützen möchten mit einer Impfung, können dies mittlerweile in einer Art So- fortzustand in Anspruch nehmen. Diejeni- gen, die noch ein wenig zurückhaltend sind, aus was für Gründen auch immer, können sich entsprechend vorsichtig ver-

ZUR PERSON

Dr. med. Stefan Battel ist seit 2007 niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendpsychia- trie und -psychothe- rapie mit eigener Praxis in Hürth bei Köln und seit 2012 systemischer Famili- entherapeut (DGSF). Im Rahmen des lehrer nrw -Fortbil- dungsprogramms greift er in einer Vor- tragsreihe regelmä- ßig verschiedene Themen aus dem Bereich der Jugend- psychologie auf.

Foto: Andreas Endermann

Ausschließlich für Mitglieder von lehrer nrw bietet Dr. Stefan Battel einmal pro Woche eine Telefonsprechstunde an. Lehrkräfte, die Infor- mation, Rat und Hilfe im Umgang mit schwierigen Schülern oder Eltern brauchen oder selbst in einer psychisch belastenden beruflichen Situa- tion stecken, können dieses Angebot nutzen. Die Hotline ist jeden Dienstag von 15 Uhr bis 16 Uhr freigeschaltet und unter der Telefonnummer 02233 / 9610120 erreichbar.

lehrer nrw · 5/2021 10

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