lehrernrw 1 2022
JUNGE LEHRER NRW
Lob und Tadel als direkte Resonanz
und besonders ihre Verpflichtung liegt. Denn letztlich funktioniert es nur gemein- sam, und in der Schule muss sich dringend etwas ändern. Lehrer müssen richtiges Verhalten vorleben Eine Schule ohne ein erziehungstechni- sches Problem gibt es nicht. Ein solches zu leugnen oder ständig über die Situati- on zu nörgeln, macht es bloß bequem und schafft die Flucht aus der Verantwor- tung, welche wir als Pädagogen nun ein- mal haben. Für eine Verbesserung muss die einzelne Lehrperson aber auch bereit versagt, auch dies möchte ich Ihnen an einer von vielen Beobachtungen erläutern: Egal wie oft das Kind keine Hausaufgaben hat, zu spät im Unterricht ist oder sich schlichtweg einfach nicht an Regeln hal- ten kann, eines haben diese Kinder alle gemeinsam: Markenkleidung, Air Pods und ein aktuelles Handymodell. Gleichwohl es zu trivial ist, unser Erziehungsproblem ein- zig und allein an den Eltern und an die- sem Beispiel festzumachen, kann ich mich noch sehr gut an meine Kindheit erinnern: Durch anhaltendes Fehlverhalten wurde meine technische Ausstattung definitiv nicht besser. Ohne Eltern geht es nicht, soll es aber auch nicht gehen. Die Schule muss sie mit ins Boot holen, ihnen aber auch aufzeigen, wo ihre Verantwortung
sein, ihre persönliche pädagogische Ar- beit zu reflektieren. Denn wir Lehrerinnen und Lehrer können nur das von unseren Schülern erwarten, was wir selbst vorle- ben können. Ist das aber immer der Fall? Auch hier ein persönliches Beispiel: Meine Klasse, deren Eltern und ich einigten uns darauf, dass zukünftig Schülerinnen und Schüler, die verspätet im Unterricht er- scheinen, am Folgetag eine Stunde früher in die Schule kommen müssen. Dazu musste ich allerdings erst einmal selbst einsehen, dass ich auch nicht immer pünktlich im Unterricht erschienen bin. Was ich Ihnen damit sagen möchte, ist, dass wir Lehrkräfte bereit sein müssen, uns selbst kritisch zu reflektieren und mit diesen Erkenntnissen gemeinsame Kon- zepte entwickeln, die nicht in einer Schublade verschwinden. Wie Schule gelingen kann Abschließend lässt sich festhalten, dass Schule nur gelingen kann, wenn die Schul- gemeinschaft zusammenarbeitet und da- raus ein auf die Gemeinschaft abgestimm- tes gelebtes Konzept entsteht. Ich persön- lich bevorzuge hierbei den direkten und konsequenten Ansatz, sowohl im Lob als auch im Tadel.
Nun sind in unseren Haupt-, Real- und Ge- samtschulen aber keine Kleinkinder in den Klassen, sondern pubertierende Jugendli- che. Diese müssten normalerweise Regeln des sozialen Verhaltens nicht nur befolgen können, sondern auch einsehen und beja- hen können. Vor allem sollten sie die Fol- gen des eigenen Verhaltens vorwegneh- men können. Unsere Schülerinnen und Schüler sollten aus eigenem Antrieb erken- nen können, was Hilfsbereitschaft und Ge- rechtigkeit bedeutet. Ich könnte Ihnen auf Anhieb einige Schülerinnen und Schüler auf meiner Schule benennen, deren selbst- bestimmtes Verhalten noch nicht ausge- reift ist. Der Schulleiter Michael Rudolph, auf dessen Arbeit an einer Berliner Brenn- punktschule ich mich in dem vorigen Arti- kel beziehe, bietet hier einen Weg des di- rekten und konsequenten Handelns, in dem auch eine Kultur des Lobes ihren Platz findet. Ähnlich wie bei dem Beispiel des Kleinkindes, müssen unsere SchülerInnen Lob und Tadel direkt erfahren, nur so kön- nen sie kognitiv und emotional verstehen, welche Folgen ihr Handeln hat. Die Eltern ins Boot holen In diesem Aspekt der Erziehung haben oft- mals die Elternhäuser unserer Schützlinge
Marcel Werner ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft junge lehrer nrw E-Mail: werner@lehrernrw.de
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1/2022 · lehrer nrw
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