lehrernrw 1 2022
UNTER DER LUPE
Ist das EFV tatsächlich das Maß aller Dinge?
nun aber bei der Simulation berufsrelevanter Arbeitssituationen bescheinigen lassen müsse, dass man ungeeignet sei, weil man beispielsweise in der schriftlichen Übung ’Postkorb’ eine Reihe von Mitteilungen und einen Terminkalender nicht in der erwünschten Art und Weise bearbeitet ha- be. Schlechtere Ergebnisse im Eintagesverfahren Diese Gespräche haben mich dazu veranlasst, das Ministerium darum zu bitten zu überprüfen, ob die Umstellung auf Eintagesverfahren im Zeit- raum Juni bis August 2020 zu signifikant schlech- teren Ergebnissen geführt hätte. Im Dezember 2020 erhielt ich die Antwort, man habe stichpro- benartig geprüft, es gäbe tatsächlich Abweichun- gen von der Norm, diese seien jedoch marginal. Exakt ein Jahr später bin ich dann in den Parla- mentspapieren des Landtags auf die Antworten der Landesregierung zu zwei Kleinen Anfragen der Fraktion der SPD gestoßen, die die Auswirkun- gen der pandemiebedingten Prüfungsbedingun- gen auf die Ergebnisse des EFV im Jahr 2020 zum Thema hatten. Die Landesregierung verwies er- neut darauf, dass sich in den insgesamt zehn ein- tägigen Verfahren bei der Durchfallquote keine merklichen Veränderungen zeigen würden, muss- te jedoch gleichzeitig einräumen, dass die ande- ren Ergebniskategorien ’deutlichere Unterschiede aufweisen’.
Unabhängig davon hat mich der Blick auf die Zahlen für die Schuljahre 2016/2017 bis 2021/2022 erschrocken. Denn Voraussetzung für die Bewerbung als Schulleiterin oder Schulleiter ist die erfolgreiche Teilnahme am EFV. Als erfolg- reich gilt die Teilnahme faktisch dann, wenn das Ergebnis ’die Leistungen übertreffen die Anforde- rungen’ oder ’die Leistungen übertreffen die An- forderungen in besonderem Maße’ lautet. Durchs Raster fallen also regelmäßig nicht nur diejeni- gen, die nicht bestehen, sondern auch diejenigen, die ’nur’ mit ’die Leistungen entsprechen die An- forderungen’ abschließen. Das sind in den Schul- jahren 2016/2017 bis 2021/2022 durchschnittlich 30,65 Prozent aller Teilnehmenden gewesen!
Schuljahr
Nicht be- standen
Die Leis- tungen entspre- chen den An- forde- rungen
Die Leis- tungen über-
Die Leis- tungen übertref- fen die Anforde- rungen in
treffen die An- forde- rungen
beson- derem Maße
2016/2017 17,03% 14,24% 40,87% 27,86% 2017/2018 21,20% 11,33% 40,72% 26,75% 2018/2019 15,74% 11,38% 45,76% 27,12% 2019/2020 20,00% 15,29% 41,18% 23,53% 2020/2021 20,70% 11,68% 42,42% 25,20% 2021/2022 15,43% 9,88% 41,98% 32,72% Ergebnisse der Eignungsfeststellungsverfahren in den Schuljahren 2016/2017 bis 2021/2022 Können wir uns solche Zahlen angesichts des oben beschriebenen Schulleitungsmangels leis- ten? Ich meine nein. Und ist es vorstellbar, dass Menschen in einer künstlichen Laborsituation ver- sagen und dennoch in der schulischen Praxis Lei- tungskompetenz Tag für Tag unter Beweis stellen? Ich meine ja. Deshalb habe ich mittlerweile auch so meine Zweifel, ob das Eignungsfeststellungs- verfahren das geeignete Instrument ist, um Eig- nung zweifelsfrei festzustellen.
Eintages- verfahren
Nicht be- standen
Die Leis- tungen entspre- chen den Anforde- rungen
Die Leis- tungen übertref- fen die Anforde- rungen
Die Leis- tungen übertref- fen die Anforde- rungen in besonde- rem Maße
10
22,81% 17,54% 43,86% 15,79%
Ergebnisse der zehn eintägigen Eignungsfeststellungsverfahren im Zeitraum 4. Juni 2020 bis 28. August 2020
Die Zahlen hätten auch keine andere Interpretati- on zugelassen. Für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen ist das eine mittelprächtige Kata- strophe und die Aussicht, die Prüfung nach einem Jahr wiederholen zu können, sicherlich nur ein schwacher Trost.
Sven Christoffer ist Vorsitzender des lehrer nrw sowie Vorsitzender des HPR Realschulen E-Mail: christoffer@lehrernrw.de
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