Profil 12/2024
PROFIL // Titel
demie den Startschuss für den bei spiellosen Erfolgszug Bachscher Werke aller Gattungen im ö ff entli chen Konzertleben – bis zum heuti gen Tag. Bach hat unter den klassi schen Komponisten heute nicht nur die meisten Google-Tre ff er, son dern führt auch beispielsweise beim Streamingdienst Spotify vor Mozart und Beethoven.
bung um einen Platz im Alumnat (Internat) waren die Knaben in der Regel 13 bis 14 Jahre alt. Die Alters struktur der Thomaner entsprach zu Bachs Zeit also eher einem Ju gendchor als einem Kinderchor. Bach unterrichtete die Klassen in der Aula der Schule, insgesamt sieben Stunden pro Woche.
men – ungeachtet ihrer musika lischen Fähigkeiten. Der Streit eska lierte. In einer dies thematisieren den Denkschrift an das Leipziger Rathaus listetet Bach seine 54 Alumnen auf und unterteilt sie in „17 zu gebrauchende, 20 noch nicht zu gebrauchende, und 17 untüchtige“. Geholfen hat es wenig. Bach muss te sogar viele der „Untüchtigen“ nehmen, was o ff ensichtlich nicht gerade motivationsfördernd war. Und so verrichtete er in Thomas schule-Fragen mit fortschreitender Zeit nur das Allernötigste, „innere Kündigung“ würde man heute wohl sagen. Immerhin blieb ihm so we nigstens genügend Kraft, um zahl reiche Meisterwerke zu schreiben, die ohne Zweifel als künstlerischer Gipfel ihrer Gattung gelten (u.a. „Johannes-Passion“, „Matthäus Passion“, „h-moll-Messe“, „Kunst der Fuge“). Daneben entfaltete Bach ein vielseitiges Tätigkeitsspek trum außerhalb der Schule: Kom positionsaufträge, Ka ff eehausmusi ken, Orgelprüfungen, Privatunter richt – alles, was die fl orierende Messestadt Leipzig und ihre Umge bung hergab. So gewaltig Bachs musikalisches Scha ff en seiner letzten 23 Lebens jahre als Thomaskantor in Leipzig auch war, so profan liest sich seine Bilanz als angestellter Lehrer: Ärger mit dem Dienstherrn, unterschiedli che Leistungsniveaus der Schüler schaft, unzureichende Rahmenbe dingungen, ausbaufähige Bezah lung, unverhältnismäßige Auf gabendichte, Suche nach geeig netem Unterrichtsmaterial – Bach mag einer der berühmtesten Kom ponisten der Welt sein, als Lehr kraft teilte er die alltäglichen, zeitlo sen Nöte mit den meisten seiner Kolleginnen und Kollegen.
Thomaskantor in Leipzig: Vom Privatlehrer zum Klassenlehrer
12 PROFIL // 12/2024 Die Thomasschule war für die da malige Zeit eine anspruchsvolle Bil dungseinrichtung, die besonderen Wert auf eine umfassende huma nistische und musikalische Ausbil dung legte. Sie spielte eine zentrale Rolle im kulturellen und religiösen Leben Leipzigs. Bei ihrer Bewer Soweit der Privatlehrer Bach, zum Klassenlehrer wurde er erst wäh rend seiner letzten, aber auch längsten Berufsstation in Leipzig (von 1723 bis zu seinem Tod 1750). Das von ihm hier bekleidete Amt des Thomaskantors beinhaltete zu nächst u.a. neben dem Musikunter richt auch den Unterricht in Latein. Bach wäre um ein Haar also auch Lateinlehrer geworden, doch die sen Teil verhandelte er sich aus und bezahlte dem Tertius der Tho masschule 50 Reichstaler pro Jahr, damit dieser den Lateinunterricht übernahm – immerhin die Hälfte von Bachs Festeinkommen. Von ei ner professionellen, pädagogischen Ausbildung wie heute waren Lehr kräfte seinerzeit weit entfernt. Im Grunde begnügte man sich damit, dass die entsprechende Person über das Wissen eines Fachs ver fügte und dann die Schüler ent sprechend „informieren“ könne. Insofern war Bach formal ausrei chend quali fi ziert.
Foto: Sammlung Bach-Archiv Leipzig
Thomasschule und Thomaskirche um 1723
Das mag nach einem überschauba ren Unterrichtsdeputat aussehen, doch die Erwartungen der Ratsher ren an den Thomaskantor waren gewaltig. Neben dem Musikunter richt sollte Bach herausragende Musik komponieren (gern eine neue Kantate pro Woche!) und auch noch für die Bespielung von vier Leipziger Kirchen (St. Thomae war nur eine davon) sorgen. Das alles ging schnell mit großen Problemen einher. Prämien für zu sätzliche Musiker und studentische Helfer wurden Bach früh gestri chen, und auch bei der Auswahl der Schüler redete die Stadt immer mehr mit. Denn diese sollten auf einmal verstärkt aus Leipzig selbst und nicht aus dem Umland kom Ärger mit dem Dienstherrn
Made with FlippingBook Ebook Creator