Profil 1-2/2025
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28 PROFIL // 1-2/2025 raus echte Hilfen abzuleiten. An dernfalls könnte KI – und das sage ich jetzt etwas provokant – als eine Art neuer „Nürnberger Trichter“ missverstanden werden. Wenn wir nicht bei den Verstehensprozessen der Schülerinnen und Schüler an setzen, geht es letztlich nur darum, Lerninhalte möglichst e ffi zient herunterzubrechen. über den Umgang mit KI machen, ist doch die zentrale Frage, wie sich dies auf unsere Schülerinnen und Schüler auswirkt. Was machen sie damit? Was machen wir mit ih nen damit? Und vor allem: Wie kann KI im besten Fall beim Lehren und Lernen helfen? Dieser zentrale Aspekt ist meiner Meinung nach sehr schwach ausgearbeitet. Ich würde mir wünschen, dass man sich auf den Gedanken konzen triert, Schülerinnen und Schüler bei Verstehensprozessen zu unter stützen – das ist doch eigentlich unser Bildungsauftrag in der Schule. Stattdessen finden sich überwie gend Vorschläge und Vorausset zungen, die sich die Länder selbst auferlegen wollen, ohne zu berück sichtigen, dass einzelne Länder von ihnen bereits viel weiter als andere sind. Manche haben be reits erheblich in Fortbildungstools wie fobizz investiert, während an dere dafür noch gar kein Budget aufwenden. Um meinen Gedanken für die Lehr Lern-Nutzung von KI noch einmal aufzugreifen: Die KI müsste, um die Verstehensprozesse der Schülerin nen und Schüler besser zu unter stützen und ein echtes Verständnis zu fördern, entsprechend geformt werden. Dazu müssten daten schutzkonform umfangreiche schülerbezogene Daten gesammelt werden, um die typischen Verständ nisfehler zu identi fi zieren und da
Atoms zu veranschaulichen – basie rend auf einer Analogie zur Umlauf bahn von Planeten um die Sonne. Ein Atom sieht natürlich nicht wirklich so aus. Dieses Missverständnis, das Mo dell für die Realität zu halten, tritt oft schon im herkömmlichen Unterricht auf. Ich glaube jedoch, dass es umso häu fi ger vorkommen wird, wenn sol che Modelle lediglich durch KI prä sentiert und „geschluckt“ werden, ohne zusätzliche Erklärung und Ein ordnung durch die Lehrkraft. einen Großteil der Arbeitszeit in Anspruch. Ist es für Sie keine ver lockende Vorstellung, dass Lehr kräfte in Zukunft Klassenarbeiten einfach einscannen und automati siert auswerten lassen könnten? Die KI könnte dann Berichte auf bereiten, die zeigen, was in den Ar beiten steht, wo Fehler, Schwä chen und Stärken liegen, und die Lehrkraft müsste nur noch die Note daruntersetzen. Ist das für Sie eine Horrorvision oder eher etwas Positives? Susanne Lin-Klitzing: Grundsätzlich bleibt die Bewertung nach wie vor die hoheitliche Aufgabe der Lehrkräf te – das bestätigt auch die KMK. Ein weiterer Aspekt ist: Was macht die KI in Bezug auf Rechtschreibung eigent lich so viel besser als die Fehlerkor rektur, die wir schon in Word haben? Ja, sie könnte das mithilfe der ein gescannten Materialien übernehmen – vorausgesetzt die Kultusminister konferenz oder die einzelnen Länder stellen sicher, dass dies datenschutz konform geschieht. Sicherlich würde es dadurch graduelle Veränderungen und Erleichterungen in den Vorprüf verfahren geben, also in der Phase vor der eigentlichen Bewertung. Allerdings fi nde ich die Schlussfolge rung, dass Lehrkräfte dadurch um- ? Gerade im gymnasialen Be reich nehmen Korrekturen
Es gibt Aussagen zur Rolle der Lehrkräfte, die durchaus Aufmerksamkeit erregen, weil sie recht konkret sind. Zum Beispiel wird angedeutet, dass sich der Beruf der Lehrkraft insgesamt verändern könnte, da Korrekturen künftig stark automatisiert ablau fen könnten. Teilen Sie diese Ein schätzung? Ist das eine Perspekti ve, die Sie befürworten? Susanne Lin-Klitzing: Ich glaube, dass sich die Rolle der Lehrkraft in gewisser Weise verändern wird, aber es wird meiner Ansicht nach keine revolutionäre Umwälzung geben. Das hängt auch davon ab, welchen Sinn man Schule und Lehrkräften zu schreibt. Was jedoch meiner Mei nung nach stärker im Vordergrund stehen wird als je zuvor, ist die Rolle der Lehrkraft, die zusammen mit den Schülern das, was die KI liefert, kritisch bewertet. KI gibt ja oft nur Mehrheitsmeinungen wieder, was bedeutet, dass die vorherrschende Meinung als „Wahrheit“ erscheint – aber Mehrheit ist nicht zwangsläu fi g Wahrheit. Ich denke, dass der kri tisch-konstruktive Umgang mit KI da rin besteht, das von der KI Gelieferte zu prüfen und zu re fl ektieren. Und diese Aufgabe sollte eben nicht nur die Lehrkraft übernehmen, sondern sie sollte idealerweise gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern angegangen werden. Außerdem glaube ich, dass die Rolle der Lehrkraft als Erklärer ebenfalls eine Renaissance erfahren wird. Wenn ich zum Beispiel frage, wie das Bohrsche Atommodell aussieht, er klärt die KI möglicherweise, dass es einen kleinen Kern gibt und Elektro nen auf bestimmten Bahnen um die sen Kern kreisen. Schüler könnten dann glauben, dass Atome tatsäch lich genau so aussehen. Dabei war das Bohrsche Modell nur ein Ver such, die innere Struktur eines ?
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