Blickpunkt Schule 4 2025

aus verschiedenen Nationen beim Erwerb der deutsche Sprache unter stützte und in dem Zusammenhang auch schon über Unterrichtsmaterial verfügte bzw. entsprechende Lehr werke kannte, sodass sehr schnell ein Pool an Unterrichtsmaterial vorhan den war und allen Lehrkräften zur Verfügung stand. Zum Einsatz in den Intensivklassen kommen bis heute nur Lehrkräfte, die sich freiwillig dazu bereit erklären, was den sehr hohen fachlichen, päda gogischen und psychischen Heraus forderungen im Unterricht mit den geflüchteten Schülerinnen und Schülern geschuldet ist. Ein weiterer wichtiger Baustein für die erfolgreiche Arbeit ist das im Staatlichen Schulamt angesiedelte besonders engagierte Aufnahme- und Beratungszentrum (ABZ), das nicht nur die Schülerinnen und Schü ler zuweist, sondern in allen mög- lichen und unmöglichen Situationen beratend und unterstützend tätig ist. Eine Hilfe, die man in dieser Zeit gar nicht hoch genug bewerten kann. Schließlich ergab ein glücklicher Zufall, dass sich eine ausgebildete ukrainische Lehrkraft und ihre Schwester am Herborner Gymnasium vorstellten und ihre Unterstützung anboten. Was dann folgte, war auch für alle Beteiligten neu. Zahllose Do kumente mussten übersetzt und vom zuständigen Schulamt überprüft wer den. Die Lehrkräfte benötigten ärzt liche Bescheinigungen, die während der Pandemie ohne finanzielle Mittel und ohne deutsche Krankenversiche rung nicht einfach zu erhalten sind. In dieser Situation zeigte sich einmal mehr, welche bürokratischen Hürden in einer Kleinstadt, in der sich die Menschen noch persönlich kennen, völlig unbürokratisch überwunden werden können. Apropos unbürokratisch: Sehr bald wurde klar, dass auch die Herborner Schulen einen Beitrag zur Unterstüt zung der Menschen in der Ukraine ei nerseits und der hier angekommenen Geflüchteten andererseits leisten wollten. So starteten alle Herborner Schulen gemeinsam eine nie dagewe

sene Spendenaktion, bei der definier te Sachspenden wie beispielsweise medizinische Hilfsprodukte, Decken und Kleidung gesammelt wurden. Diese wurden durch die seit Jahren re gional tätige Ukrainehilfe mit zahlrei chen LKW in das Kriegsgebiet trans feriert. Zudem gestalteten die Schu len einen gemeinsamen Spendenlauf. Die hierbei von den über 2000 Läufe rinnen und Läufern erzielte Spenden summe übertraf alles, was sich die Verantwortlichen jemals haben träu men lassen. So konnten mehrere 10.000 Euro an Herborns Partner stadt in Polen übermittelt werden, um dort eine angemessene Flüchtlings unterkunft für akut vom Krieg betrof fene Menschen einzurichten, eine weitere Spende unterstützte die wich tige Arbeit der Ukrainehilfe und zu gu ter Letzt konnten die Schulen ihre Schülerinnen und Schüler, die zum Teil nur mit einem Koffer aus ihrem Hei matland geflohen sind, mit dem Nö tigsten ausstatten und gute Materia lien für einen erfolgreichen Unter richtseinstieg zur Verfügung stellen. So erhält bis heute jeder neue Schüler unserer Intensivklasse ein Starterpa cket mit allen Materialien, die er für eine problemlose Arbeit in seiner neu en Schule benötigt. Viele geflüchtete Kinder sind durch die Flucht und den Krieg stark belas tet und teilweise schwer traumatisiert. Daher ist es besonders wichtig, ihnen ein Stück Normalität zu bieten, in der sie sich möglichst sicher und gebor gen fühlen können. Intensivklassen und Sprachförderung Nach der Ankunft in Deutschland be suchen die Kinder und Jugendlichen ohne Deutschkenntnisse zunächst unsere beschriebenen Intensivklassen. Diese speziellen Klassen haben das primäre Ziel, den Neuankömmlingen intensiv die deutsche Sprache zu vermitteln. In der Regel erhalten die ukrainischen Schülerinnen und Schü ler dabei 22 Wochenstunden gezielten Deutschunterricht; eine Teilintegration wird in bestimmten Fächern wie Kunst

oder Sport individuell ermöglicht. Die ser intensive Spracherwerbsunterricht bildet die Grundlage für eine spätere erfolgreiche Integration in das Regel schulsystem und ermöglicht es den Kindern, sprachliche Hürden, die sie beim Lernen in regulären Klassen ha ben, ein Stück weit zu überwinden. An dieser Stelle gilt es zu erwähnen, dass die Lernausgangsvoraussetzungen der Kinder erheblich differieren, sodass wir die Klassenzusammensetzungen auf Basis der vorhandenen Kenntnisse und Kompetenzen, aber ohne Berück sichtigung der psychosozialen Voraus setzungen vornehmen mussten. Bei den vorhandenen sprachlichen und kulturellen Barrieren kein ganz leich tes Unterfangen, das von den Verant wortlichen viel Einfühlungsvermögen und Flexibilität verlangte. Um den Erhalt der souveränen kul turellen Identität weiter zu unterstüt zen, wurde in Hessen Unterricht in der ukrainischen Sprache und Kultur an geboten. Dieser Unterricht wurde am Johanneum von unseren ukrainischen Lehrerinnen durchgeführt. Gleich zeitig wurden den ukrainischen Schü lerinnen und Schülern im Deutsch unterricht auch der Alltag sowie die deutsche Kultur nähergebracht. Die Schülerinnen und Schüler kom men nicht nur mit sehr unterschied lichem Alter, sondern auch mit sehr unterschiedlichem Vorwissen. Nicht alle Unterrichtsfächer werden in der Ukraine flächendeckend so unterrich tet, dass das Vorwissen anschlussfä hig an den Unterricht gleichaltriger deutscher Schülerinnen und Schüler ist. Das aktuelle Angebot soll eine Brücke zu ihrer bisherigen schulischen Ausbildung in der Ukraine schlagen und den Kindern helfen, sich in ihrer neuen Umgebung besser zurechtzu finden. Vor dem Hintergrund der teilweise traumatisierenden Erfahrungen, die die jungen Menschen vor und während ihrer Flucht gemacht haben, ist eine Unterschiedliche Vorkenntnisse und Unterstützung

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SCHULE 4|2025

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