Blickpunkt Schule 4 2025
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
Ausgabe 4|2025 · D 30462
SCHULE
Foto: MNStudio/AdobeStock | KI generiert • Historisch-politische Lernorte • Drei Fragen an … • Tätigkeitsberichte Integration
SCHULE 4|2025
Foto: HN Works/AdobeStock KI generiert
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
SCHULE 4|2025 Inhalt | In eigener Sache 2
sachsen, Dr. Christoph Rabbow. Neu ist aufgrund aktueller Entwicklungen die Kategorie ‘Historisch-politische Lernorte’ . Als Erstes stellt sich die Gedenkstätte Breitenau, ein ehemaliges Konzentrations lager, in Guxhagen bei Kassel vor. Wie in jeder Ausgabe von Blickpunkt Schule , die vor der Vertreterversammlung des hphv erscheint, legen der Landesvorsit zende Volker Weigand, seine Stellvertrete rin Annabel Fee und sein Stellvertreter Thorsten Rohde ihre Tätigkeitsberichte vor, ebenso die Vorsitzenden der vier Ausschüs se. Daneben gibt es einen Überblick, in wel cher Form die auf der Vertreterversamm lung 2024 verabschiedeten Anträge in der Zwischenzeit umgesetzt werden konnten. Im Heftteil ‘hphv intern’ stellt sich Sara Hintze als neue Justiziarin des hphv vor. Sie hat die Nachfolge von Stephan F. Dietz übernommen, der in den wohlverdienten Ruhestand eingetreten ist. Auch das facet tenreiche Verbandsleben des hphv kommt nicht zu kurz: Es gibt Berichte vom Som merfest des Bezirks Kassel und gleich drei Bezirksversammlungen. Bei ‘hphv unter wegs’ geht es zur Staatsexamensfeier der Justus-Liebig-Universität Gießen, bei der der hphv erstmalig als Sponsor mitwirkte, und zur 37. Hauptversammlung des Verban des der Lehrkräfte im Ausland in Bremen. Wie immer danke ich allen Verfasserin nen und Verfassern der Artikel für ihre Mit arbeit an diesem Heft. Ohne sie könnte es nicht in der vorliegenden Form erscheinen. Wer auch gerne einmal einen Beitrag für Blickpunkt Schule verfassen möchte, ist herzlich dazu eingeladen. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf! Ich wünsche Ihnen eine anregende und abwechslungsreiche Lektüre sowie schöne und nicht zu korrekturintensive Herbstferien.
von BORIS KRÜGER
In eigener Sache
2
Editorial » Nach dem Sommer ist vor dem Sommer 3 Titelthema » Die Integration ukrainischer Schülerinnen und Schüler am Johanneum Gymnasium 4 » Integration als Chance 9 » Mein Weg durch ein ungerechtes Bildungssystem 11 » »Deutsch? – Deutsch!« 12 » Mehrsprachigkeit und interkulturelle Öffnung als Schlüsselaufgabe 14 » Fachtag ‘Werte und Demokratie leben’ stößt auf große Resonanz 16 3 Fragen an … » Dr. Christoph Rabbow, Vorsitzender des Philologenverbandes Niedersachsen 19 Fachverbände stellen sich vor » ‘Das Zukunftsfach’ 20 Best Practice » Rund, praktisch, gut? 22 Historisch-politische Lernorte » Geschichte begreifen – Demokratie stärken 24 Lehrkräfte im Ausland » Eindrücke aus dem Auslandsschuldienst in Istanbul 26 Vertreterversammlung 2025 » Tätigkeitsberichte des Vorstandes des hphv: Volker Weigand 30 Annabel Fee 31 Thorsten Rohde 32 Tanya Gotta-Leger 32 Matthias Schuster 33 Victoria Hildebrand 34 Borries Alexander Thiele 35 » Bearbeitung der Anträge 36 hphv intern » Neue Justiziarin im hphv 38 » Eine Tradition setzt sich erfolgreich fort 39 » Die Tage kannst du nicht verlängern, aber bereichern 39 » Mit frischen Ideen Richtung VV 40 » Vorstand im Amt bestätigt und Anträge für die VV formuliert 41 » »Zum Diktat!« 42 » Ein Memelländer kehrt heim 43 hphv unterwegs » Hessen gut vertreten bei der 37. Hauptversammlung des VDLiA 44 » Die Schule ruft 45 Personalien » Geburtstage | Wir trauern um 46
I ntegration ist nicht erst seit der Massen migration vor zehn Jahren ein Thema, mit dem hessische Schulen zu tun ha ben, sondern ist schon seit Langem Be standteil ihrer Arbeit. Das vorliegende Heft setzt sich mit den Chancen, aber auch den Herausforderungen in diesem Bereich aus einander. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Beschulung von ukrainischen Kindern und Jugendlichen. Ein Schulleiter und eine ukrainische Lehrkraft berichten über die praktische Umsetzung von Integration im Schulbereich. Eine Rechtsanwältin und Topmanagerin mit irakisch-libanesischen Wurzeln legt kritisch dar, wie sie die Inte gration während ihrer Schulzeit erlebt hat und diese aktuell wahrnimmt. Artikel aus dem HMKB zeigen die Bedeutung der deut schen Sprache und der Mehrsprachigkeit im Rahmen von Integration auf. Den Fort bildungsbereich dazu betreffen ein Erfah rungsbericht vom Fachtag ‘Werte und Demokratie leben’ in Kassel sowie die Ein ladung zum großen Integrationskongress am 20. September in Frankfurt, für den sich zumindest die Leserinnen und Leser der Online-Ausgabe von Blickpunkt Schule noch anmelden können. Wie in den letzten Heften finden sich wieder fortlaufende Kategorien. Bei den ‘Fachverbänden’ stellt sich diesmal der Landesverband Hessen des Verbandes Deutscher Schulgeographie vor, bei ‘Lehr kraft im Ausland’ berichtet Martin Pabst von der Deutschen Schule in Istanbul und im Rahmen von ‘Best Practice’ zeigt unser Mitglied Björn Bock, aus YouTube bekannt als ‘MatheBock’, eine Extremwertaufgabe zwischen Konsum und Nachhaltigkeit. Die ‘3 Fragen’ gehen diesmal an den Vorsitzen den des Philologenverbandes Nieder-
Herzliche Grüße Ihr
Boris Krüger
IMPRESSUM
Der Hessische Philologenverband ist der Gesamtverband der Lehre rinnen und Lehrer an den Gymna sien in Hessen sowie an Schulen mit gymnasialem Bildungsange bot. Er ist der Fachverband im Deutschen Beamtenbund, Lan desbund Hessen (dbb), er ist dem Deutschen Lehrerverband Hessen (dlh) und durch den Deutschen Philologenverband (DPhV) dem Deutschen Lehrerverband (DL) angeschlossen. Für den Inhalt verantwortlich: Der Vorstand des Hessischen Philologenverbandes. Chefredaktion: Boris Krüger (V.i.S.d.P.) Mail: blickpunkt-schule@hphv.de Mit dem Namen der Verfasser gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Hessischer Philologenverband e.V. Geschäftsstelle: Schlichterstraße 18 Hessischen Philologenverbandes erscheint fünfmal im Jahr 2025. Mail: hphv@hphv.de Web: www.hphv.de Bank: Volksbank Odenwaldkreis BIC: GENODE51MIC IBAN: DE30 5086 3513 0004 3579 73 Der Verkaufspreis ist durch die Mitgliedsbeiträge abgegolten. Verlag und Anzeigenverwaltung: Pädagogik & Hochschul Verlag Graf-Adolf-Straße 84 40210 Düsseldorf Tel.: 0211 3558104 Fax: 0211 3558095 Mail: dassow@dphv-verlag.de Satz und Layout: Tel.: 0211 1795965 Fax: 0211 1795945 Mail: heinemann@dphv-verlag.de 75. Jahrgang | ISSN 0723-6182 Verleger: Hessischer Philologen- verband e.V. Die Zeitschrift »BLICKPUNKT SCHULE« des 65185 Wiesbaden Tel.: 0611 307445 Fax: 0611 376905 www.dphv-verlag.de Anzeigenverwaltung:
Editorial
»Nach dem Sommer
ist vor dem Sommer«
Foto: Corri Seizinger/AdobeStock
E s liegt in der Natur der Sache, dass beim Erscheinen des Hef tes bereits ein paar Wochen seit dem Schreiben dieser Zeilen vergan gen sind. Der Sommer ist längst vor bei, ‘hitzefrei’ kein Thema mehr. Eben so liegt es in der Natur der Sache, dass es zwangsläufig nur eine Frage der Zeit ist, bis die Frage nach konkreten Maß nahmen angesichts immer längerer Hitze- und Trockenperioden wieder auf der Agenda steht. Somit wäre Zeit genug, sich früh zeitig Gedanken zu machen, wie Ab hilfe geschaffen werden könnte. Ein erheblicher Vorlauf ist notwen dig, um endlich eine Änderung der Sommerferienterminierung herbeizu führen. Bis 2030 sind die Ferientermi ne festgezurrt. Für die Zeit danach, und das hat dieser Sommer wieder gezeigt, sollten sich die Bundesländer darauf verständigt haben, den verän derten sommerlichen Bedingungen Rechnung zu tragen und intensiv über die Dauer und Lage der Ferien eine Neuausrichtung zu wagen. Dies könn te zum einen sein, dass die Sommer ferien durch Kürzung an anderer Stelle an sich länger werden und zu dem die Rotation der früheren und späteren Sommerferientermine auf alle sechzehn Bundesländer ausge weitet wird. Die Wahrscheinlichkeit, Anfang September vergleichsweise wirklich heiße Tage zu haben, ist deut lich geringer als im Juni oder Juli.
von VOLKER WEIGAND Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
3
Weiterhin wäre es wichtig, im lau fenden Schulalltag Linderung zu ver schaffen. Hier sind Hinweise auf mög liche Installationen von Trinkbrunnen nur ein Anfang. Es muss beim Gebäu debau und der Sanierung von Schul gebäuden noch mehr darauf geachtet werden, dass die Raumtemperatur für den Unterricht verträglich gehalten wird. Dies ist angesichts vieler älterer Schulgebäude und der Kassenlage der Schulträger ein wirklich langfristi ges Projekt. Und umso wichtiger ist es, dass in den Arbeitsschutzaus schüssen auf Schulamtsebene die einzelnen Schulen in den Blick ge nommen werden und genau hinge schaut wird, was getan werden kann, damit Lehrkräfte wie auch Schülerin nen und Schüler den Schulalltag ohne gesundheitliche Beeinträchtigung be wältigen können.
SCHULE 4|2025
SCHULE 4|2025
Ihr
Volker Weigand
» Das Johanneum Gymnasium
im mittelhessischen Herborn
Titelthema
Foto: Oliver Abels/wikimedia
Die Integration ukrainischer Schülerinnen und Schüler am Johanneum Gymnasium D er russische Angriffskrieg auf die Ukraine stellt nicht nur Deutschland und seine Nach
4
Zur Schule Das Johanneum Gymnasium liegt in einer beschaulichen Kleinstadt am Fuße des Westerwaldes. Aktuell besu chen rund 1700 Schülerinnen und Schüler die Schule, an der rund 160 Lehrkräfte beschäftigt sind. Es han delt sich um ein grundständiges all gemeinbildendes Gymnasium mit ei nem Schwerpunkt in Musik und Natur wissenschaften (Zertifikat: MINT– EC Schule). Zu Hochzeiten der Flücht lingsbewegung aufgrund des russi schen Überfalls auf die Ukraine wur den ukrainische Kinder in vier Inten sivklassen betreut und auf den Über gang in die Regelklasse vorbereitet. Voraussetzungen und Ausgangslage Natürlich stellte die unvorhersehbare Situation die Verantwortlichen an der Schule vor große Herausforderungen, so galt es binnen weniger Tage, quasi einen kompletten neuen Schulzweig zu entwickeln und in der Schulge meinde zu implementieren. Einerseits hat das Johanneum schon lange Zeit die Grenze der räumlichen Belastbar
keit überschritten – die Schülerinnen und Schüler der 11. Jahrgangsstufe werden bereits in Containern unter richtet –, andererseits waren die orga nisatorischen und strukturellen He rausforderungen anfangs kaum über schaubar. So war es nötig, alle mög lichen räumlichen Kapazitäten zu ak tivieren, um die neuen Schülerinnen und Schüler adäquat unterrichten zu können. In diesem Zusammenhang erschien es günstig, dass die Lern gruppengröße auf 19 Schülerinnen und Schüler gedeckelt ist, sodass Räume ertüchtigt werden konnten, die für übliche Klassengrößen nicht geeignet waren. So konnten beispiels weise Räume, die üblicherweise als Differenzierungsräume genutzt wer den, mit Beamern und Whiteboards ausgestattet und als Unterrichts- räume akquiriert werden. Glücklicherweise fanden sich im Kollegium einige Lehrkräfte, die über die Qualifikation als Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache verfügten, wobei eine von ihnen bereits prakti sche Erfahrungen im Unterrichten sammeln konnte, da sie ehrenamtlich im Zuge der vergangenen Geflüchte tenwelle ab dem Jahr 2015 Menschen
barstaaten vor eine bemerkenswerte gesamtgesellschaftliche Herausforde rung. Besonders die Integration der geflüchteten Kinder in die jeweiligen Bildungssysteme ist in diesem Kontext eine besondere Herausforderung. In Hessen wurden die jungen Menschen aus der Ukraine schwerpunktmäßig auch in Gymnasien und dort in soge nannten teilintegrativ arbeitende ‘Intensivklassen’ integriert. Gerade vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in dieser Schulform bislang wenig Know-how in diesem Arbeitsfeld vor handen war und auch an unserer Schule nur wenige Lehrkräfte eine Ausbildung im Unterricht von ‘Deutsch als Zweitsprache’ (DaZ) hatten, war diese Aufgabe für alle Beteiligten um so anspruchsvoller. Im Folgenden soll nun ein kurzer Abriss zeigen, wie das Johanneum Gymnasium im mittelhessischen Her born sich dieser Aufgabe gestellt hat, welche spannenden Perspektiven sich aus diesem Kontext ergeben haben und was die Zukunft möglicherweise noch erwarten lässt.
SCHULE 4|2025
aus verschiedenen Nationen beim Erwerb der deutsche Sprache unter stützte und in dem Zusammenhang auch schon über Unterrichtsmaterial verfügte bzw. entsprechende Lehr werke kannte, sodass sehr schnell ein Pool an Unterrichtsmaterial vorhan den war und allen Lehrkräften zur Verfügung stand. Zum Einsatz in den Intensivklassen kommen bis heute nur Lehrkräfte, die sich freiwillig dazu bereit erklären, was den sehr hohen fachlichen, päda gogischen und psychischen Heraus forderungen im Unterricht mit den geflüchteten Schülerinnen und Schülern geschuldet ist. Ein weiterer wichtiger Baustein für die erfolgreiche Arbeit ist das im Staatlichen Schulamt angesiedelte besonders engagierte Aufnahme- und Beratungszentrum (ABZ), das nicht nur die Schülerinnen und Schü ler zuweist, sondern in allen mög- lichen und unmöglichen Situationen beratend und unterstützend tätig ist. Eine Hilfe, die man in dieser Zeit gar nicht hoch genug bewerten kann. Schließlich ergab ein glücklicher Zufall, dass sich eine ausgebildete ukrainische Lehrkraft und ihre Schwester am Herborner Gymnasium vorstellten und ihre Unterstützung anboten. Was dann folgte, war auch für alle Beteiligten neu. Zahllose Do kumente mussten übersetzt und vom zuständigen Schulamt überprüft wer den. Die Lehrkräfte benötigten ärzt liche Bescheinigungen, die während der Pandemie ohne finanzielle Mittel und ohne deutsche Krankenversiche rung nicht einfach zu erhalten sind. In dieser Situation zeigte sich einmal mehr, welche bürokratischen Hürden in einer Kleinstadt, in der sich die Menschen noch persönlich kennen, völlig unbürokratisch überwunden werden können. Apropos unbürokratisch: Sehr bald wurde klar, dass auch die Herborner Schulen einen Beitrag zur Unterstüt zung der Menschen in der Ukraine ei nerseits und der hier angekommenen Geflüchteten andererseits leisten wollten. So starteten alle Herborner Schulen gemeinsam eine nie dagewe
sene Spendenaktion, bei der definier te Sachspenden wie beispielsweise medizinische Hilfsprodukte, Decken und Kleidung gesammelt wurden. Diese wurden durch die seit Jahren re gional tätige Ukrainehilfe mit zahlrei chen LKW in das Kriegsgebiet trans feriert. Zudem gestalteten die Schu len einen gemeinsamen Spendenlauf. Die hierbei von den über 2000 Läufe rinnen und Läufern erzielte Spenden summe übertraf alles, was sich die Verantwortlichen jemals haben träu men lassen. So konnten mehrere 10.000 Euro an Herborns Partner stadt in Polen übermittelt werden, um dort eine angemessene Flüchtlings unterkunft für akut vom Krieg betrof fene Menschen einzurichten, eine weitere Spende unterstützte die wich tige Arbeit der Ukrainehilfe und zu gu ter Letzt konnten die Schulen ihre Schülerinnen und Schüler, die zum Teil nur mit einem Koffer aus ihrem Hei matland geflohen sind, mit dem Nö tigsten ausstatten und gute Materia lien für einen erfolgreichen Unter richtseinstieg zur Verfügung stellen. So erhält bis heute jeder neue Schüler unserer Intensivklasse ein Starterpa cket mit allen Materialien, die er für eine problemlose Arbeit in seiner neu en Schule benötigt. Viele geflüchtete Kinder sind durch die Flucht und den Krieg stark belas tet und teilweise schwer traumatisiert. Daher ist es besonders wichtig, ihnen ein Stück Normalität zu bieten, in der sie sich möglichst sicher und gebor gen fühlen können. Intensivklassen und Sprachförderung Nach der Ankunft in Deutschland be suchen die Kinder und Jugendlichen ohne Deutschkenntnisse zunächst unsere beschriebenen Intensivklassen. Diese speziellen Klassen haben das primäre Ziel, den Neuankömmlingen intensiv die deutsche Sprache zu vermitteln. In der Regel erhalten die ukrainischen Schülerinnen und Schü ler dabei 22 Wochenstunden gezielten Deutschunterricht; eine Teilintegration wird in bestimmten Fächern wie Kunst
oder Sport individuell ermöglicht. Die ser intensive Spracherwerbsunterricht bildet die Grundlage für eine spätere erfolgreiche Integration in das Regel schulsystem und ermöglicht es den Kindern, sprachliche Hürden, die sie beim Lernen in regulären Klassen ha ben, ein Stück weit zu überwinden. An dieser Stelle gilt es zu erwähnen, dass die Lernausgangsvoraussetzungen der Kinder erheblich differieren, sodass wir die Klassenzusammensetzungen auf Basis der vorhandenen Kenntnisse und Kompetenzen, aber ohne Berück sichtigung der psychosozialen Voraus setzungen vornehmen mussten. Bei den vorhandenen sprachlichen und kulturellen Barrieren kein ganz leich tes Unterfangen, das von den Verant wortlichen viel Einfühlungsvermögen und Flexibilität verlangte. Um den Erhalt der souveränen kul turellen Identität weiter zu unterstüt zen, wurde in Hessen Unterricht in der ukrainischen Sprache und Kultur an geboten. Dieser Unterricht wurde am Johanneum von unseren ukrainischen Lehrerinnen durchgeführt. Gleich zeitig wurden den ukrainischen Schü lerinnen und Schülern im Deutsch unterricht auch der Alltag sowie die deutsche Kultur nähergebracht. Die Schülerinnen und Schüler kom men nicht nur mit sehr unterschied lichem Alter, sondern auch mit sehr unterschiedlichem Vorwissen. Nicht alle Unterrichtsfächer werden in der Ukraine flächendeckend so unterrich tet, dass das Vorwissen anschlussfä hig an den Unterricht gleichaltriger deutscher Schülerinnen und Schüler ist. Das aktuelle Angebot soll eine Brücke zu ihrer bisherigen schulischen Ausbildung in der Ukraine schlagen und den Kindern helfen, sich in ihrer neuen Umgebung besser zurechtzu finden. Vor dem Hintergrund der teilweise traumatisierenden Erfahrungen, die die jungen Menschen vor und während ihrer Flucht gemacht haben, ist eine Unterschiedliche Vorkenntnisse und Unterstützung
Titelthema
5
SCHULE 4|2025
enge pädagogische Begleitung durch die eingesetzten Lehrkräfte, oft weit über das übliche schulische Maß hi naus, zwingend geboten. In diesem Zusammenhang steht die Schulpsy chologie des Staatlichen Schulamtes bereit, um bei psychischen Auffällig keiten, Verhaltensauffälligkeiten oder möglichen Traumatisierungen zu bera ten. Dabei berücksichtigt man auch die Unterstützung, die die Schülerin nen und Schüler möglicherweise durch ihr häusliches Umfeld erhalten. Die Bandbreite ist hier enorm. Von der Aufarbeitung erheblicher posttrauma tischer Belastungsstörungen bis zur Begleitung bei einem ersten Einkaufs bummel in der neuen Heimat ist hier alles gefragt. Nur vor dem Hintergrund der sehr engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit der multiprofessio nellen Teams aus Lehrkräften, Sozial- und Sonderpädagogen, der Schulpsy chologie und der Schulleitung ist diese Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Sobald die Deutschkenntnisse der ukrainischen Schülerinnen und Schü ler ausreichend fortgeschritten sind, erfolgt eine individuelle und gestufte Integration in den regulären Unter richt. Dieser Übergang wird am Johanneum flexibel entsprechend den individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers ge handhabt. Der Übergang in den Regelunterricht ist ein entscheidender Schritt, der sorgfältig geplant und begleitet werden muss. Zu Beginn nehmen die ukrainischen Schülerin nen und Schüler meist nur in einzel nen Fächern, zu Beginn meist Sport, später dann andere Fächer, und nicht in allen Stunden am Regelunterricht teil. Je nach individuellem Leistungs niveau können auch schon Lernkon trollen in diesen Fächern abgelegt werden. Unsere Lehrkräfte und das Unterstützungsteam beobachten den Fortschritt der ukrainischen Schüle rinnen und Schüler genau und arbei ten eng mit den Eltern zusammen, Übergang in den Regelunterricht
um den besten Zeitpunkt für die nächsten Schritte der Integration zu bestimmen. Darüber hinaus haben einige ukrainische Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, an der schu lischen naturwissenschaftlichen Begabtenförderung teilzunehmen, um ihre besonderen Talente in diesen Bereichen weiterzuentwickeln. Diese Förderangebote können parallel zum Regelunterricht stattfinden und bie ten den Kindern zusätzliche Unter stützung und Anreize, ihre Fähig- keiten auszubauen. Notengebung und Leistungsbewertung In der Anfangsphase erhalten die ukrainischen Kinder und Jugendlichen in unserem regulären Unterricht zu nächst in der Regel keine Noten. Dies ermöglicht es ihnen, sich vollkommen auf den Spracherwerb und das Ankom men in der neuen Umgebung zu kon zentrieren. Erst mit dem vollständigen Wechsel in die Regelklasse erfolgt eine reguläre Leistungsbewertung, die es unseren Lehrkräften ermöglicht, die Fortschritte der ukrainischen Schüle rinnen und Schüler angemessen zu dokumentieren und zu fördern. Ukrainisch als zweite Fremdsprache Das Angebot von Ukrainisch als zwei ter Fremdsprache stellt eine neue und in Deutschland bislang einzigartige Entwicklung dar, die insbesondere als Reaktion auf die große Zahl an zuge wanderten ukrainischen Schülerinnen und Schülern seit 2022 in Hessen im plementiert wurde. Ab dem Schuljahr 2024/25 wird Ukrainisch an ausge wählten Schulen, zu denen das Jo hanneum Gymnasium gehört, als zweite Fremdsprache eingeführt. Um den Unterricht in Ukrainisch als Fremdsprache auf hohem fachlichen Niveau zu ermöglichen, unterrichtet bei uns eine ukrainische mutter sprachliche Lehrkraft. Das Angebot richtet sich gleichermaßen an ukraini sche Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen in Herborn
und Umgebung als auch an deutsche Schülerinnen und Schüler, die Inte resse haben, Ukrainisch als zweite Fremdsprache zu erlernen. Der Unter richt in Ukrainisch als zweiter Fremd sprache erfolgt in der Regel in der gleichen Anzahl, wie in den anderen Fremdsprachen. So sollen die ukraini sche Sprache und Kultur erhalten und gefördert werden. Ukrainische Schü lerinnen und Schüler können ihre Kenntnisse in der Muttersprache auch im deutschen Schulsystem weiter pflegen und ausbauen und so auch ihre Chancen auf das Erreichen höherer Schulabschlüsse steigern. Integration bedeutet an dieser Stelle nicht nur Anpassung, sondern auch Wertschätzung, was mit dem Er halt der Herkunftssprache unterstützt werden kann. Gleichzeitig ermöglicht es deutschen Schülerinnen und Schü lern, eine zusätzliche, auch geopoli tisch wichtige Sprache zu erlernen. Kooperation mit einer ukrainischen Schule Im Rahmen eines Projektes 13 ver schiedener Länder unter Ägide der OECD bot sich für das Johanneum Gymnasium in Herborn die einzig- artige Gelegenheit, als einzige allge meinbildende Schule Deutschlands an einem Projekt mitzuwirken, was zum Ziel haben soll, eine Reform der wei terführenden Bildungsgänge insbe sondere hinsichtlich der Reform der gymnasialen Oberstufe in der Ukraine beratend zu begleiten und anhand von ‘Best Practise’ der jeweils natio nalen Besonderheiten der Bildungs systeme beratend zu unterstützen. Seit Januar 2025 fanden unter Beteiligung der OECD, der Schule Lyceum 241 in Kiew und des Johan neum Gymnasium Herborn in Hessen regelmäßig Videokonferenzen statt, die einen intensiven Austausch über konzeptionelle Strukturen der jeweili gen Schulsysteme sowie über prakti sche Herausforderungen im schuli schen Alltag ermöglichten. Die OECD bot den organisatorischen Rahmen, übernahm die Koordination und das Hosting der digitalen Treffen und
Titelthema
6
SCHULE 4|2025
spielte eine zentrale Rolle bei der sprachlichen und strukturellen Ver mittlung zwischen den Schulen. Den Ausgangspunkt des Projekts bildete ein vorbereitendes Treffen im Jahr 2024, bei dem sich die Vertrete rinnen und Vertreter beider Schulen sowie der OECD über strukturelle Rahmenbedingungen und inhaltliche Zielsetzungen verständigten. Dieses Treffen legte den Grundstein für eine kooperative und vertrauensvolle Zu sammenarbeit über Länder- und Sprachgrenzen hinweg. Gegenseitiges Kennen lernen und erste Einblicke (Januar 2025) Die erste Videokonferenz im Januar 2025 diente dem gegenseitigen Ken nenlernen der handelnden Personen, aber auch der Strukturen der Systeme und der individuellen Besonderheiten der beiden bemerkenswerten Bil dungseinrichtungen. Beide Schulen stellten sich mit ihren Profilen, schuli schen Rahmenbedingungen und pä dagogischen Schwerpunkten vor. Da bei wurden sowohl Unterschiede in der organisatorischen Ausgestaltung als auch Gemeinsamkeiten in der pä dagogischen Haltung deutlich. Die Präsentationen gaben einen ersten Einblick in den jeweiligen Schulalltag und schufen eine Basis eines gegen
Titelthema
Foto: Christian Betz
» Die für die Integration Verantwortlichen v.l.n.r. : Jan Moos, Birger Hahn, Irina Kovalchuk, Dr. Michael Pirr und Christian Betz
seitigen Verständnisses. Die Offenheit und das Interesse beider Seiten tru gen wesentlich dazu bei, ein positives und kooperatives Arbeitsklima zu etablieren, das die folgenden Termine maßgeblich prägte. Vergleich der Oberstufen- und Kurssysteme (Februar 2025) Im Februar lag der Fokus auf der strukturellen Gestaltung der höheren Jahrgangsstufen. Das Johanneum Gymnasium Herborn präsentierte die gymnasiale Oberstufe hessischer Ausprägung mit ihren verbindlichen Fächern, der Kurswahl und den Vo
raussetzungen für das Abitur. Die ukrainische Seite stellte Gemeinsam keiten und Unterschiede dar. Beide Seiten äußerten großes Interesse an den jeweiligen Ansätzen und erkann ten Entwicklungspotenziale für das eigene Schulmodell. Eine gemeinsa me Frage war, wie Schülerinnen und Schüler individuell gefördert und auf weiterführende Bildungswege noch besser vorbereitet werden können. Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule (April 2025) Im April wurde die Rolle der Eltern in schulischen Prozessen umfassend
7
» Videokonferenz mit der ukrainischen Partnerschule, dem Lyceum 241 in Kiew
Hier sprechen Lehrkräfte miteinander. Vor allem die vielen Gemeinsamkeiten unseres Schulalltags, insbesondere im Hinblick auf pädagogische und admi nistrative Herausforderungen verbin den uns. Der internationale Austausch förderte ein Verständnis für die jeweils andere Bildungsrealität und eröffnete neue Perspektiven auf das eigene schulische Handeln. Die im Rahmen des Projekts ge wonnenen Erfahrungen und Erkennt nisse hinterlassen auf beiden Seiten einen nachhaltigen Eindruck. Sie stär ken nicht nur die institutionellen Ver bindungen, sondern tragen auch dazu bei, Bildung als globalen, gemein schaftlich gestaltbaren Prozess zu verstehen. Die Zusammenarbeit mit der OECD, der ukrainischen Partner schule und dem hessischen Gymna sium war somit nicht nur ein gelun genes Beispiel für internationale Verständigung, sondern auch ein wertvoller Beitrag zur Weiterent wicklung schulischer Praxis in einem transnationalen Kontext. Ausblick Auf beiden Seiten ist der Wunsch nach einer Fortsetzung des begonnenen Austauschs groß. Die positiven Erfah rungen, das gewachsene Vertrauen und die inhaltlich gewinnbringenden Gespräche haben den Grundstein für eine möglicherweise längerfristige Kooperation gelegt. Sowohl die ukrai nische als auch die deutsche Schule möchten die begonnenen Themen weiter vertiefen und neue Schwer punkte setzen. Eine strukturierte Re flexion der Zusammenarbeit sowie ei ne Dokumentation der Ergebnisse wurden als sinnvoll und zielführend erachtet, um das Projekt nachhaltig zu gestalten und Impulse auch in an dere schulische Kontexte zu tragen. Die beteiligten Lehrkräfte zeigten sich offen für eine Ausweitung der Koope ration, sei es durch weitere digitale Treffen, gemeinsame Projekte oder zukünftige Begegnungen im Rahmen internationaler Bildungsprogramme. Christian Betz, Schulleiter Johanneum Gymnasium
8 Titelthema SCHULE 4|2025
Foto: Christian Betz
thematisiert. Der Austausch zeigte Unterschiede in der institutionellen Verankerung der Elternarbeit. Wäh rend in Deutschland strukturierte Ab läufe wie Elternsprechtag, Eltern abend und Gremien wie Elternbeiräte fester Bestandteil des Schulalltags sind, erfolgt die Zusammenarbeit mit Eltern in der Ukraine häufig informel ler und weniger systematisch. Gleich zeitig ist die Häufigkeit des Elternkon takts in der Ukraine in keinem Fall kleiner. Es folgte ein Austausch über bewährte Praktiken, Herausforderun gen und Erfolgsfaktoren in der Eltern arbeit. Es zeigte sich, dass eine gelin gende Kooperation zwischen Schule und Elternhaus ein wesentlicher Bau stein für den schulischen Erfolg der Lernenden ist. Aus dem Austausch gingen wertvolle Anregungen hervor, insbesondere zur Stärkung der Eltern partizipation in schwierigen Rahmen bedingungen. Lehrerbildung und Professionalisierung (Mai 2025) Die bisher letzte thematische Video konferenz im Mai 2025 widmete sich der Aus- und Weiterbildung von Lehr kräften. Das Johanneum Gymnasium Herborn präsentierte das dreiphasige Modell der Lehrerbildung in Hessen, bestehend aus universitärem Studi um, Vorbereitungsdienst und kontinu ierlicher Fortbildung. Die Lehrkräfte vom Lyceum 241 in Kiew berichteten
von den besonderen Herausforderun gen, denen sich Lehrkräfte angesichts der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt se hen. Der gemeinsame Austausch über professionelle Entwicklung, Unter stützungssysteme und resiliente Bil dungsstrukturen war für beide Seiten von großer Bedeutung. Es entstand ein Dialog darüber, wie Lehrkräfte un ter den jeweiligen Ausgangsbedin gungen gestärkt und langfristig qua lifiziert werden können. Besonders beeindruckend für die deutsche Seite war auch in dieser Sitzung, welch dra matisch unmittelbaren Einfluss die Kriegshandlungen in der Ukraine auf das schulische Leben in Kiew haben. Ein erfolgreicher inter kultureller Dialog mit nachhaltigem Mehrwert Inhaltlich und menschlich waren die Videokonferenzen eine großartige Er fahrung. Trotz sprachlicher Barrieren entwickelte sich, nicht zuletzt dank engagierter Übersetzungshilfen und gezielt visualisierter Präsentationen, ein tragfähiger Austausch. Die Offen heit gegenüber neuen Perspektiven, das Engagement für Schülerinnen und Schüler, das gegenseitige Inte resse trugen zu einer vertrauensvollen und kooperativen Atmosphäre bei. Die vielen Parallelen, sowohl in grundle genden Fragen als auch im schuli schen Alltag, aber auch grundsätzli che Haltungen ließen keinen Zweifel:
Integration als Chance Neue Perspektiven durch Integration: Ukrainische Lehrkraft bereichert Schule – ein persönlicher Bericht V or etwas mehr als drei Jahren musste ich gemeinsam mit meinen zwei kleinen Kindern dass ich schon während meines Studi ums die Möglichkeit hatte, Fremd DIE AUTORIN
Titelthema
sprachen intensiv zu lernen. Denn als der Krieg begann und ich gezwungen war, mit meinen Kindern auszureisen, war es nicht so belastend für mich, in einem neuen Land Fuß zu fassen. Ich konnte bereits von zu Hause aus flie ßend Deutsch sprechen und hatte so die Chance, mich schnell in der neuen Umgebung zurechtzufinden und mei nen Kindern Sicherheit zu vermitteln. Was damals vielleicht nur eine Lei denschaft für Sprachen war, wurde in dieser schweren Zeit zu einer echten Lebenshilfe – ein Fundament, auf dem ich hier in Deutschland ein neues Leben aufbauen konnte. Dass ich eines Tages wieder unter richten würde, hätte ich am Anfang nicht zu hoffen gewagt. Doch mein geben. Der erste Schultag in Deutsch land war für mich genauso aufregend wie für meine Schülerinnen und Schü ler. Ich hatte Angst, nicht genug zu sein Ich stand in einem fremden Klassen zimmer, sprach in einer Sprache, die nicht meine Muttersprache war, be nutzte neue Unterrichtsmethoden, lernte ein anderes Schulsystem ken nen. Ich hatte Angst, nicht gut genug zu sein. Aber als ich in die Augen der Kinder schaute, wusste ich: Genau hier gehöre ich hin. Die Kinder spür ten, dass ich sie verstehe. Besonders die, die selbst neu in Deutschland wa ren. Sie erkannten, dass ich ihre Sor gen verstehe: die Sprachbarrieren, das Gefühl, ‘anders’ zu sein, die Sehn sucht nach der Heimat. Meine Offen heit, mein Lächeln, mein Wunsch, die Kinder zu unterstützen, halfen mir, Beruf war immer ein Teil meiner Identität, und ich wollte diese Leidenschaft nicht auf
oft: »Wann fahren wir wieder nach Hause?« Eine der größten Erleichte rungen war, dass wir eine Wohnung fanden. Sie wurde zu einem Ort, an dem wir nach Monaten des Unter wegsseins endlich die Türen hinter uns schließen und unsere Schritt, haben wir ein neues Leben aufgebaut. Meine Tochter fand neue Freunde in der Schule, sie lachte wie der. Dieses Lachen war für mich das größte Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Sprachen sind die Brücken zwischen Menschen Schon in meiner Heimat, in der Ukrai ne, war mein Weg klar: Ich studierte Lehramt und Fremdsprachen an der Nationalen Wassyl-Stefanky- Universität der Vorkarpaten in Iwano Frankiwsk, weil ich immer davon über zeugt war, dass die Sprachen die Brücken zwischen Menschen sind. Mit großer Leidenschaft arbeitete ich an einer Schule, brachte meinen Schüle rinnen und Schülern nicht nur Gram matik und Vokabeln bei, sondern zeig te ihnen auch, dass die Sprache die Türen zu neuen Welten öffnet. Heute empfinde ich es als großes Glück, Routine wieder auf nehmen konnten. Langsam, Schritt für Mariia Sapa • Stabsstelle Beschulung ukrainischer Schutzsuchender • Hessisches Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen Mariia Sapa unterrichtet an der Alexander-von-Humboldt Schule in Aßlar Ukrainisch als zweite Fremdsprache im Gymnasium
aus meiner Heimat fliehen. Der Krieg hat uns gezwungen, alles zurückzu lassen. Alles, was uns vertraut war, blieb zurück – unsere Wohnung, unsere Bücher, die Spielsachen der Kinder, Erinnerungen an ein normales Leben. In meiner Tasche waren nur die nötigsten Dokumente, Kleidung für die Kinder und ein paar Spielzeuge. Mehr konnte ich nicht mitnehmen. Wir waren auf der Flucht Es war der schwerste Schritt meines Lebens: die Heimat, die vertrauten Straßen, das eigene Zuhause hinter mir zu lassen. Die Flucht war schwer. Wer das selbst nicht erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, wie es ist, mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm und einem Koffer in der Hand das eigene Land zu verlassen. Jeder Schritt war mit Fragen verbunden: »Wann gehen wir nach Hause?«, »Wo schlafen wir heute?«, »Warum weinst du?« – und man muss Antworten finden, obwohl man selbst keine hat. In diesen Mo menten habe ich gelernt, die Angst in mir zu verbergen und nach vorne zu schauen. Mit zwei kleinen Kindern zu fliehen, bedeutet, stärker sein zu müssen, als man eigentlich ist. Doch trotz aller Sorgen gab es in mir einen festen Willen: Ich wollte meinen Kin dern Sicherheit geben. Deutschland als Zufluchtsort Plötzlich standen wir vor einem Neu anfang in einem fremden Land. Deutschland wurde zu unserem Zu fluchtsort. Die ersten Monate waren nicht einfach. Ich erinnere mich noch genau an die ersten Tage: Alles war fremd – die Straßen, die Geräusche, die Anlaufstelle. Meine Kinder fragten
9
»Wann fahren wir wieder nach Hause?«
SCHULE 4|2025
Brücken zu bauen. Darum sage ich auch meinen Schülerinnen und Schülern im mer wieder: Wer Deutsch lernt, findet nicht nur Worte – sondern auch seinen Platz und seine Zukunft in diesem Land. Deutsch ist der Schlüssel, um Teil der Ge sellschaft zu werden, sich verstanden zu fühlen und selbst etwas beitragen zu können. Sprache gibt mir eine Stimme in einem neuen Land – ohne sie wäre ich stumm geblieben. Die Arbeit mit den Kin dern an der Schule gibt mir die Kraft, das Leben in einem neuen Land anzunehmen. Ich bin angekommen In Deutschland fand ich Arbeit, ein neues Zuhause und neue Freunde. Ich bin ange kommen – und doch bleibt ein Teil von mir immer in meiner Heimat. Jeden Tag denke ich an die Menschen in der Ukraine, an Kolleginnen und Kollegen, die wegen der ständigen Luftangriffe kein normales Schulleben haben, an Familien, die aus einandergerissen wurden, an Kinder, die nicht in die Schule gehen können. Dieses Wissen begleitet mich und macht meine Arbeit hier noch bedeutungsvoller. Denn jedes Kind, das ich hier fördern darf, ist ein kleiner Sieg gegen die Dunkelheit des Krieges. Ich lebe zwischen zwei Welten: einer neuen Heimat, die mir Sicherheit gibt, und einer alten Heimat, die vom Krieg zerstört wird. Manchmal ist das schwer auszuhalten. Aber ich habe ge lernt, dass Integration bedeutet, beides in sich zu tragen: die Vergangenheit und die Gegenwart, mit der Hoffnung, dass die Zukunft kommt. Mein Hintergrund ist hier nicht nur geduldet, sondern willkommen Integration bedeutet für mich nicht nur, dass ich die deutsche Sprache weiter lerne und die Regeln dieses Landes ver stehe. Es bedeutet auch, dass ich meine eigene Kultur einbringe und meine Per spektiven teile. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen fragten mich nach meiner Heimat, nach den Traditionen und nach dem Alltag in der Ukraine. Ich merkte, dass mein Hintergrund hier nicht nur ge duldet, sondern willkommen war. In Pro jekten konnte ich ukrainische Märchen
vorlesen, Rezepte teilen oder mit den Schülerinnen und Schülern über die Be deutung der Heimat sprechen. Darüber hinaus öffnet meine Präsenz auch den deutschen Schülerinnen und Schülern neue Horizonte. Sie lernen, dass Europa größer und vielfältiger ist, dass Krieg und Flucht keine abstrakten Nachrichten sind, sondern das Leben realer Menschen prä gen. Integration ist kein einfacher Weg. Sie erfordert Geduld, Offenheit und manchmal auch Mut, wenn man Fehler macht oder auf Grenzen stößt. Ich verste he jetzt, dass Integration auch eine große Chance ist. Für mich persönlich bedeutet sie, dass ich trotz Flucht und Verlust ein neues Zuhause gefunden habe. Für meine Kinder bedeutet sie, dass sie eine Zukunft haben. Die Gesellschaft wird vielfältiger: durch neue Sprachen, Geschichten, Kul turen und Perspektiven. Die Sehnsucht bleibt Natürlich bleibt die Sehnsucht nach der Ukraine, nach meiner Familie, nach Orten, die ich vielleicht nie wieder so sehen wer de wie früher. Aber diese Sehnsucht ist nicht mehr nur Schmerz – sie ist auch ei ne Verbindung, die ich in mir trage. Als geflüchtete Lehrkraft habe ich gelernt, dass mein Schicksal nicht nur eine Last ist, sondern auch eine Ressource – für mich, für meine Kinder, für die Gesell schaft, in der wir jetzt leben. Manchmal, wenn ich abends das Licht in unserem kleinen Zuhause lösche, überkommt mich ein stiller Dank: dafür, dass wir überlebt haben, dass wir hier neu anfangen dür fen, dass meine Kinder von Zukunft träu men können. Und gleichzeitig schmerzt es, weil so viele andere diese Chance nicht bekommen. Integration ist für mich nicht nur ein Wort, sondern ein neues Le ben – geboren aus Schmerz, aber getra gen von Hoffnung. Und wenn ich sehe, wie meine Schülerinnen und Schüler mit mir lachen, Deutsch lernen und mich als ihre Lehrerin annehmen, dann weiß ich: Wir sind angekommen. Doch all das wäre nicht möglich ohne die Unterstützung, die wir hier erhalten durften – von den Schulen, von den Kolleginnen und Kolle gen, von den Menschen, die uns die Hand reichten und zeigten, dass wir nicht allein sind.
Titelthema
10
SCHULE 4|2025
Foto: Frank H./AdobeStock
Mein Weg durch ein ungerechtes Bildungssystem – und warum ich heute Verantwortung übernehme
Titelthema
I ch heiße Fatima Hussain und leite heute eine Rechtsabteilung. Wenn ich auf meine Kindheit zurück- blicke, wirkt dieser berufliche Weg fast unwahrscheinlich. Denn ich bin 1989 in Deutschland geboren – in einem Elternhaus, das nicht reich an Geld war, aber reich an Kultur, Liebe und Erfahrungen. Meine Eltern fanden keinen beruflichen Anschluss Mein Vater stammt aus dem Irak und hat in Deutschland in Agrarwissen schaften promoviert. Meine Mutter hat im Libanon Jura studiert. Doch in Deutschland fanden beide keinen be ruflichen Anschluss. Mein Vater fährt seit über dreißig Jahren Taxi. Meine Mutter ist Hausfrau. Nicht, weil sie es nicht anders wollte – sondern weil der Arbeitsmarkt für sie verschlossen blieb. Es gibt Vorurteile Ich wurde nach der Grundschule auf die Realschule geschickt. Nicht, weil ich zu schlecht für das Gymnasium war – sondern weil andere Faktoren mitspielten. Unsere Herkunft, unsere Religion, das Kopftuch meiner Mutter. Ich spürte schon früh: Es gibt Vorur teile, die mit schulischer Leistung nichts zu tun haben. Und diese Vor urteile haben Folgen. Erst nach der neunten Klasse konn te ich aufs Gymnasium wechseln. Ich machte mein Abitur, studierte Jura und schloss meine Ausbildung mit zwei Prädikatsexamina ab. Das klingt wie eine Erfolgsgeschichte – und das ist es auch. Aber sie ist in Deutschland nicht die Regel. In kaum einem anderen Land der OECD hängt der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft ab wie
schaffen es später an eine Hochschu le – bei Akademikerkindern sind es 63 Prozent. Ich kenne viele Kinder mit ähnlicher Geschichte wie meiner, deren Poten zial nie gesehen wurde. Viele von ih nen glauben schon früh, sie seien nicht gut genug, nicht schlau genug oder einfach ‘nicht geeignet’. Dieses Selbstbild kann vieles zerstören – und ist eine der größten Ungerechtigkeiten, die unser Bildungssystem produziert. Dass ich heute in einer Führungs position bin, sehe ich nicht als selbst verständlich. Ich empfinde es als Verantwortung. Ich habe Privilegien erhalten, für die ich kämpfen musste – und die ich nun nutzen möchte. Um sichtbar zu sein. Um anderen Mut zu machen. Und um den Finger in die Wunde zu legen. Wie gerecht ist das Bildungssystem? Wir müssen uns fragen: In welchem politischen und gesellschaftlichen System wachsen Kinder in Deutsch land eigentlich auf? Wie gerecht ist ein Bildungssystem, das Talente nach der Herkunft sortiert? Wie viele po tenzielle Ärztinnen, Ingenieure, Leh rerinnen, Richterinnen oder Füh rungskräfte lassen wir links liegen, weil sie nicht ins gewohnte Raster passen? Wir können es uns nicht leisten, das Potenzial Hunderttausender Kinder zu übersehen. Bildung darf nicht das verlässliche Abbild sozialer Herkunft bleiben. Wir brauchen echte Durch lässigkeit. Wir brauchen ein Bildungs system, das seinen Erfolg nicht nur an Noten, sondern auch an Gerechtigkeit misst. Ich bin ein Beispiel dafür, was mög lich ist. Aber ich will nicht die Ausnah me bleiben.
DIE AUTORIN
Foto: Sebastian Pfütze
hier. Kinder aus Akademikerfamilien haben eine dreifach höhere Wahr scheinlichkeit, ein Gymnasium zu be suchen, als Kinder aus nicht akademi schen Haushalten. Nur 17 Prozent der Kinder aus bildungsfernen Familien »Deutschlands Top 40 unter 40« und vom Business Insider als »25 Zukunftsmacherinnen« ausgezeichnet. Fatima Hussain, LL. M., ist Rechtsanwältin und Legal Inno vation Advisor. Sie ist Head of Legal bei LIQID und war zuvor als Senior Legal Counsel bei der Trade Republic Bank GmbH, bei der Tesla SE sowie bei der AUDI AG als Syndikusrechtsanwältin tätig. Davor war sie bei Link- laters, Clifford Chance und Freshfields Bruckhaus Deringer in den Bereichen Capital Mar kets, Litigation und Arbitration tätig. Sie bietet zudem Work shops an und veröffentlicht zahlreiche Artikel und Podcasts zu den Themen Female Empo werment und Diversität, unter anderem im Handelsblatt. Für ihren Einsatz wurde sie vom Ca pital Magazin im Jahr 2022 als
11
SCHULE 4|2025
»Deutsch? – Deutsch!« Zur Bedeutung der deutschen Sprache und des Deutschen Sprachdiploms: weltweit und mit speziellem Fokus auf das hessische Schulwesen Einleitung, Auslandsschulen
Teil 1
Titelthema
cher Tradition. Die deutschsprachige Literatur, Musik und Philosophie prä gen das globale Kulturerbe maßgeb lich und motivieren viele Menschen weltweit zum Erlernen der deutschen Sprache. Deutschunterricht weltweit: die Deutschen Auslandsschulen Die didaktisch angeleitete Vermittlung der deutschen Sprache – also die Lehre von Deutsch im Kontext von Unterricht – wird sowohl im (vor)schu lischen als auch im universitären Be reich weltweit von zahlreichen Institu tionen getragen und unterstützt. Im Hinblick auf die internationale Ver mittlung von Deutsch sind hier vor allem der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), der sich der Verbreitung von Deutsch als Hoch schul- und Wissenschaftssprache widmet, als auch das weltweite Netz Deutscher Auslandsschulen zu nen nen. 4 Dieses Netz umfasst derzeit etwa 140 vom Auswärtigen Amt an erkannte und geförderte Deutsche Auslandsschulen (DAS) in 72 Ländern, an denen aktuell rund 85000 Schüler unterrichtet werden. Diese Schulen stellen einen entscheidenden Pfeiler der deutschen auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik dar. Die deutschen Auslandsschulen sind zum Großteil als Begegnungs schulen konzipiert, an denen deut sche und einheimische Kinder ge meinsam unterrichtet werden. Sie för dern somit die Begegnung deutscher und lokaler Kulturen und stärken die deutsche Sprache und Kultur interna tional. Die Schulen werden als Privat schulen geführt. Träger von Deut schen Schulen im Ausland sind in der Regel Schulvereine. Diese setzen sich aus Mitgliedern zusammen, die an
und das Deutsche Sprachdiplom Einleitung: eine Sprache für Millionen Mit rund 100 Millionen Muttersprach lern 1 (L1) und etwa 80 Millionen wei teren Sprechern (L2) zählt Deutsch nach wie vor zu den bedeutendsten Weltsprachen. 2 Dafür gibt es viele gu te Gründe: Als die meistgesprochene Muttersprache in der Europäischen Union spielt sie eine zentrale Rolle für Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Die deutsche Sprache ist offizielle Amtssprache in sechs Ländern Europas (Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Lichtenstein und Luxemburg) und genießt in zahlrei chen weiteren Regionen einen beson deren rechtlichen Status. Historische Migrationsbewegungen und koloniale Einflüsse zu unterschiedlichen Zeiten haben zudem zur Entstehung von deutschsprachigen Minderheiten auf allen Kontinenten beigetragen. Insbe sondere in Osteuropa hat Deutsch ei ne lange Tradition als wichtige Fremd sprache im Bildungssystem, was auf die weitreichenden historischen und wirtschaftlichen Verflechtungen zu rückzuführen ist. In jüngerer Zeit ge winnt Deutsch auch in asiatischen Ländern wie China und Indien an Be deutung. 3 Die Position Deutschlands als viertgrößte Volkswirtschaft welt weit legt die Schlussfolgerung nahe, dass solide Deutschkenntnisse auch zukünftig ein wertvolles Gut auf dem internationalen Arbeitsmarkt darstel len werden. In bestimmten wissen schaftlichen Disziplinen, insbesondere den Geisteswissenschaften, Philoso phie und Technik, ist und bleibt die Bildungssprache Deutsch eine rele vante Publikations- und Forschungs sprache mit langer und umfangrei
dem Erhalt und der Entwicklung einer schulischen Einrichtung mit dem Schwerpunkt ‘Deutsch’ für deutsche und ausländische Schüler in besonde rer Weise interessiert sind. Das päda gogische Personal setzt sich aus ent sandten deutschen Lehrkräften und lokalen Fachkräften zusammen. Die Finanzierung erfolgt durch eine Kom bination aus Schulgebühren, Zuwen dungen des Auswärtigen Amtes und weiteren Mitteln der Bundesrepublik Deutschland. Jährlich werden etwa 290 Millionen Euro für dieses Netz werk aufgewendet. 5 Die deutschen Schulen im Ausland bieten alle deut schen Bildungsabschlüsse an und un terrichten nach ihren Lehrplänen, die sich wiederum an den Vorgaben der Kultusministerkonferenz für das deutsche Inland orientieren. Der Un terricht erfolgt in deutscher Sprache. Eng verwandt damit sind die soge nannten Deutsch-Profil-Schulen. Diese Schulen folgen lokalen Curricu la, integrieren jedoch umfassenden Deutschunterricht und bieten häufig bilinguale Unterrichtseinheiten an. Sie bereiten auf nationale und in eini gen Fällen auch auf deutsche Ab schlüsse vor. Deutsche Sprachdiplom schulen und das Deut sche Sprachdiplom (DSD) Hierbei handelt es sich um lokale Schulen mit verstärktem Deutschun terricht, die ihre Schülerinnen und
12
SCHULE 4|2025
Titelthema
Foto: studio v-zwoelf/AdobeStock
Schüler auf das Deutsche Sprachdi plom (DSD) 6 vorbereiten. Diese Schu len folgen dem lokalen Curriculum, bieten jedoch zusätzliche Deutsch stunden zur Festigung und Vertiefung der Inhalte – vor allem in der Vorbe reitung auf die Prüfung des Deut schen Sprachdiploms – an. Das Deut sche Sprachdiplom der Kultusminis terkonferenz ist ein standardisierter Sprachtest, der die Deutschkenntnis se von Nichtmuttersprachlern nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) zertifiziert. Es wird seit 1972 angebo ten und hat sich als wichtiges Instru ment der Förderung der deutschen Sprache im Ausland etabliert. Vor al lem im Hinblick auf seine Verwendung für Studium, Ausbildung oder berufli che Tätigkeiten in deutschsprachigen Ländern hat sich das Deutsche Sprachdiplom seit vielen Jahren als ein bewährtes Verfahren erwiesen. In der Vorbereitung erhalten die Schüler einen intensiven Sprachunterricht an den jeweiligen DSD-Schulen mit spe ziell geschulten Lehrkräften und standardisierten Materialien. Die Prü fung besteht aus schriftlichen und mündlichen Komponenten mit ein heitlichen, zentral erstellten Aufga ben, wobei zwischen unterschiedli chen Stufen unterschieden wird: Das DSD I bescheinigt deutsche Sprach kenntnisse auf den Niveaustufen A2/B1 des GER. Es wird nach etwa 800 bis 1000 Unterrichtsstunden Deutsch als Fremdsprache abgelegt und ermöglicht eine Teilnahme an Vorbereitungskursen für ein Studium
in Deutschland, den Besuch von Ju gendkursen an deutschen Volkshoch schulen oder gilt als Nachweis grund legender Deutschkenntnisse für Prak tika und Ausbildungen. Jährlich legen etwa 65000 Schüler weltweit das DSD I ab. 7 Das DSD II bescheinigt Sprach kenntnisse auf den Niveaustufen B2/C1 des GER. Es wird nach etwa 1200 bis 1500 Unterrichtsstunden Deutsch als Fremdsprache abgelegt und bietet den direkten Zugang zum Studium an deutschen Hochschulen ohne zusätzliche Sprachprüfung und eröffnet den Schülern und jungen Erwachsenen verbesserte Berufs- chancen in deutschen Unternehmen im In- und Ausland. Zudem wird es als Sprachnachweis für qualifizierte Ar beitskräfte im Rahmen der Einwande rungsgesetze anerkannt. Jährlich ab solvieren etwa 20000 Schüler welt weit das DSD II. 8 Martina Lohse und Dr. Martin Blawid, Referat III.5 des Hessischen Ministeriums für Kultus, Bildung und Chancen Teil 2 des Artikels wird in Blick punkt Schule 5/2025 erscheinen. →
2 In diesem Zusammenhang wird stellvertretend auf folgende Texte verwiesen: Ammon, Ulrich: Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Ber lin/München/Boston: De Gruyter 2015, S. 159 bis 198. Zur Verbreitung ebenfalls empfehlenswert: König, Werner/Elspaß, Stephan/Möller, Robert: dtv-Atlas deutsche Sprache. München: dtv 2015. 3 vgl. https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/ 2023/heft/1/beitrag/indien-eine-alternative zu-china.html | Zugriff: 22. Juli 2025 4 Vgl. https://www.daad.de/de/der-daad/ sowie https://www.auslandsschulwesen.de/DE/Schul netz/DAS/das_node.html | Zugriff: 22. Juli 2025 5 https://www.auslandsschulnetz.de/bundeshaus halt-2024-mittel-fuer-die-deutschen-auslands schulen-gesichert/#:~:text=291%20Millionen% 20f%C3%BCr%20die%20Deutschen,Euro%20f %C3%BCr%20die%20Deutschen%20Auslands schulen | Zugriff: 22. Juli 2025 6 Für weitergehende Informationen vgl. https://www.kmk.org/themen/deutsches sprachdiplom-dsd.html | Zugriff: 22. Juli 2025 7 https://www.auslandsschul wesen.de/DE/Deutsch-lernen/DSD/ 50_Jahre_DSD/ DSD-auf- einen-Blick.html | Zugriff: 22. Juli 2025 8 Ebd.
13
1 Das generische Maskulinum im Text dient der besseren Lesbar keit und bezieht den gängigen Schreibkonventionen folgend selbstver
ständlich alle Geschlechter ein.
SCHULE 4|2025
Foto: Fabiano Di Paolo/AdobeStock
Made with FlippingBook Digital Publishing Software