Blickpunkt Schule 4 2025
lange der Abend geht, es werden immer alle Lieder mitge sungen, alle Texte sind bekannt. Im täglichen Umgang ist man hier generell eher gelas sen. Man sucht und findet Lösungen, der Kunde ist König. Vielleicht hat man sich die Gelassenheit bei den Tieren ab geschaut, den Hunden und Katzen, die allgegenwärtig und auch allseits toleriert sind, in einem für deutsche Verhält nisse undenkbaren Maße. Auch wenn ein Hund quer vor dem Eingang vor einem Geschäft liegt, würde ihn nie je mand verscheuchen. Die Katzen liegen an allen Orten und schlafen, auf Scootersitzen, im Winter auf den warmen Motorhauben, in Schaufenstern, auf Restaurantstühlen. Vielleicht das wichtigste Erlebnis ist das, was es nicht gibt: Du wirst nicht kritisiert, von Fremden schon gar nicht, so etwas wäre undenkbar! Nach und nach stellt sich da durch ein Gefühl der Sicherheit ein, man fühlt sich ent spannter und wird selbst auch gelassener. Nachts ist die Stadt hier im Zentrum voll von Menschen, die ausgehen, etwas trinken, mit Freunden in einer Meyhane essen oder später noch in einen Club gehen. Man sieht bis sehr spät in der Nacht in den Straßen Gruppen, Paare und auch einzelne Männer und Frauen, von Teenies bis zu deren Elterngeneration. Das alles ist eigentlich nicht erwähnens wert – und dann aber doch: Wie viele junge Erwachsene haben mir in Frankfurt oder auch in Freiburg schon gesagt, dass sie nicht mehr ausgehen, da es ihnen zu gefährlich ist, dass es zu viel Anmache von Gruppen junger Männer gibt. Politik Über die Politik ließe sich viel schreiben, so viel, wie die Menschen denken – und in der Regel schweigen sie. Und das tun wir hier jetzt auch, vieles ist bekannt und offen sichtlich. Nepotismus und Korruption sind eine Geißel. Nur so viel: Überheblichkeit unsererseits ist definitiv fehl am Platz: Wie gut kannten diese Geißel auch die Deutschen in der DDR! Das hat also gar nichts mit der Bevölkerung zu tun! Die Menschen hier leiden an den gleichgeschalteten Me dien. Aber die meisten, denen ich begegne, haben sich ei nen ganz starken eigenen inneren Kompass bewahrt über das, was richtig und was falsch ist. In diesem Licht sind so manche Diskussionen in Deutschland, öffentlich und pri vat, eher verstörend. Man hat den Eindruck, dass Regeln der Vorrang vor menschlichen Gefühlen gegeben wird. Dass man es auf diese Weise hinnimmt, dass sich derart gut gemeinte Grundsätze im Kampf um Menschlichkeit ins Gegenteil verkehren, wie zum Beispiel das Verbot der Kritik an Israels Politik. Vielleicht lässt sich hier eine Brücke schlagen zu dem Thema Verantwortung: Ich bin für meine Gedanken, Ge fühle und Urteile verantwortlich. Regeln helfen, offizielle Meinungen eher nicht; aber niemals würden Regeln ohne kritische Hinterfragung der Vorrang eingeräumt. Für mich persönlich ist das eine der wichtigen Erfahrungen hier in diesem Land. Martin Pabst, Istanbul
Foto: T. Rohde
Lehrkräfte im Ausland
» Lukas Winkler [links] , die Klasse 8 der Eichendorffschule Wetzlar, Prof. Dr. Felix Teichner, Universität Marburg [rechts]
Das Kalsmunt-Projekt … … ist Teil des Schulprogramms ‘denkmal aktiv’ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Das Motto ‘Kulturerbe macht Schule’ hat zum Ziel, Kindern und Jugendlichen die Geschichte ihrer Heimatregion näherzubringen und ein Bewusst sein der gemeinsamen Verantwortung für das Kulturerbe zu entwickeln. Begleitet werden sie dabei vom hphv, ihrem Projektpartner sowie dem Förderverein Kalsmunt. Auch der Lions Club Wetzlar-Solms, der die Schule seit Jahren unter stützt, konnte als Partner gewonnen werden. Im Projekt erkundeten die Jugendlichen das Areal des Kalsmunts mit dem Förderverein und lernten seine Geschichte kennen. Im Anschluss erarbeiteten sie in verschiedene Gruppen, was bisher über die Burg bekannt ist. Eine Gruppen arbeit beschäftigt sich beispielsweise mit dem Schicksal des falschen Kaisers Tile Kolup, eine andere mit den sogenannten ‘Burgmannen’ und eine andere mit den Toten, die am Kalsmunt begraben und deren Überreste bei Grabungen gefunden wurden. Eine Gruppe befasste sich mit der Namensgebung der ehemaligen Reichs burg. Auf diese Weise lernen die Schüler die Hintergründe von Geschichtsforschung kennen – und wo die Grenzen dieser Arbeit liegen. Auch ein Besuch an der Universität Marburg war Teil des Projektes. Dort wurden die Schüler von Prof. Dr. Felix Teichner empfangen, der der Gruppe einen Einblick in das archäologische Arbeiten gab. Die Schüler führten zum Abschluss des Projek tes ihre Eltern und Freunde sowie Vertreter der Projektpartner über das Burgareal. Damit er fuhren die Familien und Gäste so manches Neue und die Schüler trugen ihren Teil zur Denkmalpflege bei. Verantwortlicher Kollege war Philologe Lukas Winkler . Thorsten Rohde, stellvertretender Landesvorsitzender des hphv
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SCHULE 4|2025
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