Blickpunkt Schule 3 2025
nasiale Oberstufe formuliert explizit das Ziel, Hand lungsfähigkeit im Sport und durch Sport zu ent- wickeln. Das bedeutet, dass sportliche Handlungs kompetenz nicht nur auf motorischen Fertigkeiten beruhen darf, sondern auf einem tiefen Verständnis der physiologischen, biomechanischen und trainings wissenschaftlichen Grundlagen. Auch greift das Modell der multiperspektivischen Kompetenzorientierung im Sportunterricht – also die Verbindung von Körper-, Wahrnehmungs-, Sozial-, Gesundheits- und Leistungsperspektive. Theorie-Praxis-Verzahnung fördert dabei nicht nur die Reflexionsfähigkeit, sondern auch die Transfer kompetenz: Schülerinnen lernen, sportliche Prozes se nicht nur zu erleben, sondern auch zu verstehen, zu bewerten und selbst zu gestalten. Genau darin liegt der pädagogische Mehrwert. Didaktisch betrachtet bietet die Verzahnung zu dem hervorragende Gelegenheiten zur individuellen Förderung und Differenzierung: Schülerinnen, die im motorischen Bereich schwächer sind, können über den Theoriezugang Erfolge erleben. Und umge kehrt: Sportlich Stärkere werden über die theoreti sche Reflexion aus ihrer Automatismus-Komfort zone geholt und zum expliziten Nachdenken über ihr Können angeregt – im Sinne eines entdeckenden Lernens. Nicht zu unterschätzen ist auch die Förderung der metakognitiven Kompetenzen: Durch gezielte Theo rie-Praxis-Verknüpfungen – etwa bei Videoanaly sen, Bewegungsbeobachtungen oder Trainingspro tokollen – lernen Schülerinnen, ihr eigenes Lernen zu steuern. Damit wird der Sportunterricht zu einem Ort echter Selbststeuerung und Persönlichkeits- bildung, was ja eines der Hauptziele gymnasialer Bildung überhaupt ist.
wird durch eine übermäßige Theorieorientierung schnell erstickt. Didaktisch-pädagogisch gesehen birgt die erzwungene Verzahnung von Theorie und Praxis erhebliche Risiken – vor allem im Hinblick auf die Heterogenität der Lernvorausset zungen und die Motivation der Schülerinnen. Wir müssen uns fragen: Welche pädagogische Funktion hat das Fach Sport überhaupt? Wenn wir es zu stark akademisieren, entfernen wir uns vom ursprünglichen Bewegungsauftrag des Faches. Wir laufen Gefahr, den Sportunterricht in ein kognitiv überfrachtetes Nebenfach der Biologie oder Phy sik zu verwandeln. Der Lehrplan spricht zwar von ‚Handlungsfähigkeit‘, aber diese ist nicht zwangsläufig an Theorie gebunden. Im Ge genteil: Viele Schülerinnen erleben Sport gerade dann als Bildungsraum, wenn sie körperlich, emotional und sozial eingebunden sind – nicht unbedingt kognitiv. Bewegungs freude, Flow-Erlebnisse, Gruppendynamiken, Selbstwirk samkeit – das sind pädagogisch zentrale Wirkdimensionen des Sportunterrichts, die durch zu viel Theorie konterka riert werden können. Hinzu kommt die zeitdidaktische Problematik: Pro Halb jahr stehen im besten Falle maximal zwanzig Doppelstun den zur Verfügung. Wenn davon ein großer Teil in Theorie räume, Arbeitsblätter oder Präsentationen fließt, fehlt schlichtweg Zeit für vielfältige Bewegungserfahrungen. In klusion, Förderung, soziales Lernen – all das benötigt Zeit im Praxisfeld, nicht im Klassenzimmer. Pädagogisch sollten wir uns fragen: Welche Schülerinnen erreichen wir durch Theorie – und welche verlieren wir? Die Gefahr einer impliziten Exklusion ist groß: Schülerinnen mit kognitiven Schwächen oder geringem sprachlichem Aus drucksvermögen werden durch Theorieanteile unter Druck gesetzt, obwohl sie gerade in der Bewegung ihre Stärken entfalten könnten. Damit widerspricht die Theoriezentrie rung dem Ziel der Chancengleichheit und der Teilhabe.
Pro & Contra
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Foto: AdobeStock/KI generiert
SCHULE 3|2025
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