Blickpunkt Schule 2/2023
NS-’Euthanasie’ Ein Thema für den Unterricht?!
det. Neben psychisch Kranken, die sich bereits längere Zeit in dauerhaf ter Anstaltspflege befanden, zählen in dieser Zeit auch (ehemalige) Angehö rige der Wehrmacht sowie Menschen, die infolge der Bombardierungen von Großstädten an Traumata und Angst zuständen litten, dazu. Das Spektrum erweiterte sich zudem um zwei Grup pen, die nicht aufgrund des Gedan kens der Eugenik, sondern aus rasse ideologischen Gründen Opfer der Krankenmorde wurden. In einemabgesondert eingerichteten Erziehungsheimwaren ab 1943 Minder jährige untergebracht, die in Fürsorge erziehung waren undmindestens einen jüdischen Elternteil hatten. Lediglich fünf von 45 nach Hadamar verlegten ‘jüdischen Mischlingskindern’ überleb ten. Darüber hinaus wurden 600 bis 700 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, mehrheitlich polni scher und sowjetischer Herkunft, in Hadamar ermordet. Mehrheitlich waren dies anTuberkulose erkrankte Zwangs arbeitskräfte, die aus ‘Sammel-’ oder ‘Sterbelagern’ der Umgebung nach Hadamar deportiert und noch amTag der Ankunft ermordet wurden. 6 Die Leichen wurden auf einem an staltseigenen Friedhof oberhalb des Gebäudes in Massengräbern ver scharrt. Nach der Befreiung im März 1945 wurde die Anstalt nahezu nahtlos als psychiatrisches Krankenhaus weiter geführt. Auch die Gedenkstätte, die seit 1991 in ihrer heutigen Form exis tiert, befindet sich auf dem Gelände des Komplexes der Vitos Weil-Lahn Kliniken. Die Gedenkstätte versteht sich als außerschulischer Lernort der histo risch-politischen Bildung. Der gezielte Aufbau der Bildungs- und Vermitt lungsarbeit erfolgte bereits mit ihrer Institutionalisierung zu Beginn der 90er-Jahre. Dabei lag der Fokus früh auf individuellen und zielgruppenge rechten Zugängen und Formaten. Ins besondere durch die Arbeit mit Kin dern im Grundschulalter 7 sowie Men schen mit Lernschwierigkeiten 8 wur den dabei mitunter ungewöhnliche und innovative Wege beschritten. Die
D ie ehemalige Landesheilan stalt Hadamar nahe Limburg an der Lahn fungierte ab 1941 als Tötungsanstalt im Rahmen der NS-’Euthanasie’. Bis zur Befreiung durch US-amerikanische Soldaten am 26. März 1945 wurden dort etwa 14 500 Menschen im Zuge von zwei Mordprogrammen getötet – Men schen, die aufgrund einer Behinde rung oder psychiatrischen Diagnose als ‘lebensunwert’ stigmatisiert wur den. Aber auch Menschen, die als ‘asozial’ und unangepasst galten oder nicht dem rassenideologischen Ge danken des Nationalsozialismus ent sprachen. Am 13. Januar 1941 wurde die ‘Lan desheil- und Pflegeanstalt’ Hadamar als Tötungsanstalt der heute soge nannten ‘Aktion T4’ in Betrieb genom men. Insgesamt wurden in den fol genden acht Monaten in einer eigens für den Zweck eingerichteten Gas kammer über 10000 Menschen durch Kohlenmonoxid ermordet. Die Tötun gen folgten stets einem festen Ablauf und erfolgten in der Regel innerhalb eines Tages: Nach Ankunft der Patien tinnen und Patienten in einer im In nenhof der Anstalt errichteten Busga rage wurden diese über einen Schleu sengang in das Erdgeschoss des Ost flügels geführt. Nachdem sie sich entkleideten und man ihre Identität überprüfte, wurden sie gemessen, ge wogen und anschließend dem Arzt zur Untersuchung vorgeführt. Dieser wählte in Abgleich mit der Kranken geschichte eine fiktive und möglichst glaubwürdige Todesursache aus, die später in den offiziellen Sterbedoku menten vermerkt werden sollte. Nach demTötungsvorgang ver brannten die sogenannten ‘Desinfek toren’ die Leichname in zwei Ein äscherungsöfen. Einigen Opfern wur den im angrenzenden Sezierraum zu vor die Goldzähne bzw. die Gehirne für medizinische Forschungszwecke ent nommen. 1
Die Autorin
Politische Bildung
Judith Sucher, M.A., verantwor tet seit Ende 2019 als päda- gogische Leiterin die Bildungs- und Vermittlungsarbeit der Gedenkstätte Hadamar.
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Der Abbruch des Programms im Au gust 1941 bedeutete in Hadamar le diglich eine Unterbrechung der Tötun gen. Im Frühsommer 1942 wurden so wohl die Gaskammer als auch die Ein äscherungsöfen samt Schornstein im Keller abgebaut und das Gebäude wieder für die Aufnahme von Patien tinnen und Patienten hergerichtet. Schon bald überbrachte die Anstalts leitung dem Personal den erneuten Tötungsauftrag. 2 Gemordet wurde in den Jahren von 1942 bis 1945 individualisiert über die gezielte überdosierte Vergabe von Medikamenten. Auch die Versorgung in der Anstalt war nicht darauf ausge richtet, ein Überleben zu ermög- lichen. 3 Die Auswahl der zu tötenden Perso nen wurde allmorgendlich zwischen dem leitenden Arzt, der Oberschwes ter sowie dem Oberpfleger getroffen. 4 Als ein entscheidendes Kriterium bei der Entscheidungsfindung kann die Arbeitsfähigkeit der Patientinnen und Patienten angenommen werden. 5 Insgesamt wurden im Rahmen die ser sogenannten ‘dezentralen Eutha nasie’ rund 4400 Menschen in der Landesheilanstalt Hadamar ermor
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