Blickpunkt Schule 2/2020

zu, so fand neben den Klas- senkameraden, der Schul- leitung, dem Lehrerkollegi- um, der Schulsozialarbeit, dem Elternhaus des Schü- lers und den Freunden der Lehrerin auch der hphv sei- nen Platz. Die Zuweisung der ’Problemtüte’ (Wer hat das Problem und muss es klären?) entfachte bei den Zuhörern rege Diskussio- nen, die aufzeigten, dass jeder, der an der Kommuni-

Jeder an der Kommunikation Beteiligte solle sich aber nicht nur über das ’Auftragskarussell’, auf welchem er stets unterwegs sei, bewusst sein, sondern auch über die ver- schiedenartigen kommunikativen Muster, nach denen eine Kommunikation erfolgen könne. Zur Darstellung der Mus- ter griff Hochbaum auf die Psychotherapeutin Satir zurück, die, je nachdem, welcher Bereich in der Kommunikationssi- tuation besonders ausgeprägt ist bzw. überwiegt (das Selbst, der Kontext oder die anderen), das kommunikative Muster charakterisiert. Abschließend wurde die Frage aufgeworfen, ob der sys- temische Ansatz als eine mögliche Herangehensweise Leh- render an Probleme des Schulalltags, die mit der Hetero- genität der Lernenden einhergehen, funktionieren könne und praktizierbar sei. Die Tagungsteilnehmer waren sich ei- nig darin, dass dieser Ansatz die Vorteile besitzt, Struktu- ren in Systemen sichtbar zu machen, ’innere Bilder’ zu er- zeugen und sich zwischenmenschliche Beziehungen klar vor Augen zu führen, was im nächsten Schritt zu einer Ver- änderung von Kommunikationsmustern führen könne, da man sie vorher kritisch hinterfragt habe. Trotzdem wurde von einigen Teilnehmern klar formu- liert, dass dieser Ansatz für uns als Lehrer eine sehr bzw. zu große Herausforderung darstellt, da wir den Weg un- serer bisherigen pädagogischen Praxis verlassen müssten und hinsichtlich unseres pädagogischen Handelns zu ei- nem Umdenken aufgefordert würden. In Bezug auf den vorgeführten Fall sollten wir nicht nach den Hintergrün- den der verbalen Beleidigung des Schülers fragen und nicht das Verhalten diagnostizieren, sondern uns vielmehr die Frage stellen: Welchen Wert besitzt das Schülerver- halten für das System und für die weitere Lösungsfin- dung? Der systemische Ansatz verlange, so einige der Publi- kumsstimmen, eine enorme Arbeitsökonomie, die unver- einbar sei mit unserer Lehrertätigkeit, da wir zu viele Schü- lerinnen und Schüler in zu großen Klasse unterrichteten, und uns somit die Zeit für eine sinnvolle Face-to-Face- Kommunikation fehle, in der wir uns individuell mit den Problemen jedes einzelnen Schülers systemisch auseinan- dersetzen könnten. Außerdem kennt die Systemik die Werte und Normen, die Schule als soziales System vermittelt und die im Schul- leben als verbindlich gelten, nicht, da der Wertbegriff für sie nicht existiert. Im systemischen Sinn sind Werte kon- textgebundene, stillschweigend vorausgesetzte, unter- stellte Konstrukte, deren Abstraktion die Bildung operati- ver Handlungskriterien verhindert. Diese Abstraktionen gilt es, so der systemische Ansatz, aufzulösen und gemeinsam kontextgerechte Handlungs- kriterien zu finden, ohne sich in theoretischen Diskussionen zu verlieren. Inwieweit dies im Schulalltag für uns als Lehr- kräfte im Umgang mit einer zunehmend heterogeneren Schülerschaft umsetzbar ist bzw. als eine Variante des (Um-)Denkens und Handelns infrage kommen kann, muss vermutlich jeder für sich selbst beantworten.

BLICKPUNKT Schule Berichte

»  Markus Hochbaum

kation beteiligt ist, sich in diversen Abhängigkeiten befindet. Noch anschaulicher wurden diese Abhängigkeiten durch ein Gummiband, welches zwei der Tagungsteilnehmer gemein- sammit Markus Hochbaum hielten und schließlich daran zo- gen bzw. sich ziehen ließen, je nachdem, welche Rolle sie in der Kommunikation einnahmen. Das sich anschließende Plenumsgespräch führte bei- spielsweise zu den Erkenntnissen, dass das System den Sinn der Kommunikation bestimmt, die Haltung des Ge- genübers die individuelle Reaktion beeinflusst und die Re- aktion aller Kommunizierender stets von Gefühlen be- stimmt wird. Außerdem stellte Hochbaum fest, dass der Beobachter eines Systems sowohl bestimme, wer zu einem System dazugehöre als auch das Problem beschreibe. In der systemischen Beratung geht man daher weniger von ’Problemen’, sondern vielmehr von problemdetermi- nierten Systemen aus. Diese Probleme sind sehr vielfältig, facettenreich und nicht immer offensichtlich, was Hochbaum anhand weite- rer Beispiele aus der Schulpraxis in Bezug auf die Kommu- nikation der Schulleitung mit einer Lehrkraft den Zuhörern vor Augen führte. Diese Beispiele zeigten, in welchem Auf- tragsirrgarten sich jede Lehrkraft tagtäglich in ihrem Be- rufsalltag zurechtfinden muss, oftmals prallen hierbei die Aufträge der Umwelt, die aber auch schon Widersprüche enthalten können, mit den inneren Aufträgen, die man sich als Unterrichtender selbst gibt, die ebenfalls sehr ambiva- lent sein können, aufeinander.

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