Bildung aktuell 1/2024

Thema

Arbeitszeiterfassung – der richtige Weg zu gerechteren Arbeitszeiten? Nach höchstrichterlichen Grundsatzentscheidungen zur Erfassungspflicht von Arbeitszeiten steht das Pflichtstundenmodell für Lehrkräfte auf dem Prüfstand. Viele Kolleginnen und Kollegen erhoffen sich Verbesserungen von der Einführung der Arbeitszeiterfassung im Schulbereich.

von Ulrich Martin >> stellvertretender Landesvorsitzender (Westfalen) E-Mail: info@phv-nrw.de

Das Bundesarbeitsgericht entschied am 13. September 2022, dass Arbeit geber verpflichtet sind, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu er fassen. Wie die Arbeitszeiterfassung konkret umzusetzen ist, lässt das Ge richt offen. Vorher hatte bereits der Europäische Gerichtshof im Jahr 2019 entschieden, dass die EU-Mitglieds staaten verpflichtet sind, ein objekti ves, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die ge leistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Die notwendige Reform des Arbeitszeitgesetzes obliegt nun dem Bundesarbeitsministerium. Auch wenn die Kultusministerkonfe renz gesetzliche Sonderregelungen für Lehrkräfte fordert, ist wohl davon auszugehen, dass die Pflicht zur Ar beitszeiterfassung auch im Schulbe reich greifen wird. Viele Kolleginnen und Kollegen verbinden hiermit die Hoffnung auf Erleichterungen für ih ren Arbeitsalltag und sind überzeugt,

dass eine Arbeitszeiterfassung end lich dokumentieren wird, dass sie zu viel arbeiten und dementsprechend eine Verringerung der Arbeitszeit er folgen muss. Andere würden lieber am Deputatsstundenmodell festhal ten und fürchten – auch mit Blick auf negative Beispiele wie das ‘Hamburger Modell‘ – Ver schlechterungen für den Berufsalltag. Derzeit wird die Arbeitszeit von Lehr kräften in allen Bundesländern mit Ausnahme Hamburgs nach dem Pflichtstundenmodell organisiert. Mit 25,5 Deputatsstunden für Lehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen gehört Nordrhein-Westfalen zu den Ländern mit der höchsten Unterrichts verpflichtung. Eine zeitliche Definition der über die Unterrichtsstunden hi nausgehenden Arbeitszeiten erfolgt Pflichtstundenmodell – mit Licht und Schatten

bislang nicht. Die Arbeitszeit der Lehr kräfte beruht mithin zu einem wesent lichen Teil auf der Vertrauensarbeits zeit. Einerseits wird die hiermit verbun dene Flexibilität bei der individuellen Arbeitszeitgestaltung von vielen Kolle ginnen und Kollegen als attraktiv wahrgenommen. Andererseits hat die Unbestimmtheit der Arbeitszeiten jen seits der Deputatsstunden offensicht lich zu einer chronischen Überlastung und einer Entgrenzung von Arbeits- und Privatzeit beigetragen. Die auf schulischer Ebene zur Verfü gung stehenden Steuerungs- und Ausgleichungsmöglichkeiten sind derzeit viel zu begrenzt. Im laufenden Schuljahr 2023/24 wurden die An rechnungsstunden für besondere Be lastungen aufgrund des Wegfalls ei nes Oberstufenjahrgangs sogar ge kürzt. Hinzu tritt, dass von einer ehrli chen Umsetzung des Proportionali tätsprinzips bei Teilzeitbeschäftigten keine Rede sein kann.

.14

Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online