lehrernrw 6/2021
TITEL
Schlechtes Digital-Zeugnis D ie Lehrkräfte in Deutschland vergeben mit Beginn des neuen Schuljahres schlechte Noten für die digitale Ausstattung ihrer Schulen. Einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Cloud- und Hostinganbieters IONOS zufolge hält nach wie vor die Mehrheit (51 Prozent) den Digitalisierungsgrad ihrer Schule für schlecht, 16 Prozent davon sogar für sehr schlecht. Gleichzeitig zeigen die Befragten wenig Interesse am Thema Datenschutz: Mit Blick auf digitale Lernformate gab knapp die Hälfte der Lehrkräfte (48 Pro- zent) an, dass ihnen dieser Aspekt unwichtig ist. Für die Umfrage befragte das Meinungsforschungsunternehmen Civey zwischen 31. August und 18. September deutschlandweit rund 250 Lehrkräfte. Nur zehn Prozent bewerten die Ausstattung ihrer Schule mit Hard- und Software sowie die Möglichkeiten für digitalen Unter- richt mit sehr gut. Immerhin: 58 Prozent der Lehrenden sind der Meinung, dass ihre Schulen oder Schulträger während der Pande- mie deutlich mehr in die Digitalisierung investiert haben. Bei einem Drittel der Befragten (34 Prozent) hat sich auf diesem Gebiet aller- dings nichts getan – hier stehen weiter die Kreidetafel und der Overhead-Projektor im Mittelpunkt. Noch viel Unsicherheit beim Umgang mit digitalen Lösungen Der Wechsel zwischen Präsenz- und Distanz-Unterricht hat den Ein- satz von onlinebasierten Formen der Zusammenarbeit unausweich- lich gemacht. Etwa sechs von zehn Lehrenden (62 Prozent) fühlen sich laut Umfrage sicher im Umgang mit den digitalen Lösungen, die sie im Schulumfeld einsetzen. Mehr als ein Viertel (29 Prozent) ge- ben allerdings an, dass sie unsicher bei der Nutzung sind (18 Prozent) beziehungsweise sich nur teilweise damit wohlfühlen (11 Prozent). Für die digitale Zusammenarbeit mit Kollegium und Lernenden setzen die befragten Lehrkräfte am häufigsten auf die E-Mail mit Schuladresse – vor der Pandemie (63 Prozent) genauso wie seit Be- ginn (55 Prozent).Während vor Corona Messenger wie Signal oder WhatsApp an zweiter Stelle standen (29 Prozent), findet seit Pande- mie-Beginn der Austausch verstärkt über Microsoft Office 365/Teams statt (39 Prozent vs. vorher 18 Prozent). Die Messenger liegen nur noch auf Platz drei (24 Prozent). Auch der Videokonferenz-Dienst Big Blue Button und die Lernplattform Moodle konnten zulegen.
Zwei Milliarden Euro für die schulische Digitalisierung
SS chulministerin Yvonne Ge- bauer hat am 23. September die ’Digitalstrategie Schule NRW’ vorgestellt. Rund zwei Milliarden Euro werden in Nordrhein-Westfalen innerhalb von fünf Jahren bis 2025 in das Lehren und Lernen mit digitalen Medien investiert. Davon sind 184 Millionen für ein zweites Ausstattungsprogramm für Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten vorgese- hen. Die ’Digitalstrategie Schule NRW’ umfasst drei Handlungs- felder: ■ Handlungsfeld 1: Die pä- dagogischen und didakti- schen Chancen der Digitali- sierung in den Mittelpunkt stellen – Schulen und Unter- richt weiterentwickeln ■ Handlungsfeld 2: Lehrkräf- te unterstützen und qualifi- zieren ■ Handlungsfeld 3: Zugang zu digitalen Medien und digitaler Infrastruktur schaffen und sicherstellen Insgesamt stehen für die Digita- lisierung der Schulen in Nord- rhein-Westfalen für den Zeit- raum 2020 bis 2025 Mittel in Höhe von knapp zwei Milliar- den Euro zur Verfügung. Diese Summe umfasst die Gesamtheit aller zum Teil auch bereits er- folgten Investitionen in diesem Bereich. Aus Sicht von lehrer nrw ist das Gesamtvolumen von zwei Milliarden Euro beachtlich. »Ob die ’Digitalstrategie Schule NRW’ ein Erfolg wird, hängt allerdings maßgeblich von der
Umsetzung vor Ort ab. Geld und guter Wille allein reichen nicht«, betonte der Verbands- vorsitzende Sven Christoffer in einer Pressemitteilung. Damit aus der Digitalstrategie eine wirkliche Digitaloffensive für die Schulen werden kann, seien drei Punkte entscheidend: ■ Mehr Personal: Die meis- ten Schulen sind schon jetzt personell am Limit oder da- rüber hinaus. Um ein sinn- volles und pädagogisch- didaktisch passgenaues Digitalkonzept zu implemen- tieren, brauchen die Schulen mehr Personal. ■ Mehr zeitliche Ressour- cen: Ab dem Schuljahr 2022/23 soll es an jeder Schule in Nordrhein-Westfa- len eine Digitalisierungsbe- auftragte bzw. einen Digita- lisierungsbeauftragen ge- ben. Die Kolleginnen und Kollegen, die diese Aufgabe übernehmen sollen, brau- chen mehr als nur eine sym- bolische Entlastung. Digitali- sierung nebenbei funktio- niert nicht. An den Schulen muss es Ko- ordinatoren für Digitalisie- rung geben, die das Binde- glied zwischen Schulleitung und Kollegium bilden und den Digitalisierungsprozess steuern. Das erfordert neue Funktionsstellen, denn gera- de in kleineren Systemen ist die Führungsebene viel zu dünn besetzt, um eine sol- che Herkulesaufgabe zu stemmen. ■ Mehr Funktionsstellen:
Grafik: IONOS
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