lehrernrw 5/2024
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»Ich habe nicht auf alles eine Antwort« Demokratiebildung in der Schule bedeutet, kontroverse Themen kontrovers zu behandeln und dabei auch deutlich für Grund- und Menschenrechte Stellung zu beziehen. Die Begeisterung für das demokratische System muss dabei von allen Lehrkräften glaub haft vorgelebt und erfahrbar gemacht werden, so ein Bildungs experte in einem Beitrag des Klett-Themendienstes. W elche Aufgabe hat Schule, gerade wenn es um kontroverse Themen geht? Für Steve Kenner, Professor die Vereinigung der Politiklehrkräfte, dass es in der Schule nicht nur um die Vermittlung von Kenntnissen gehe, sondern darum,
tätsgebot lässt sich weder aus dem Bil dungsauftrag der Landesverfassungen, noch den Schulgesetzen oder dem Beamtenrecht begründen«, heißt es in der DVPB-Stellung nahme. Engagement aller Lehr-
kräfte für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte
Angesichts bevorstehender Wahlen müsse der Politikunterricht die Partei- und Wahl programme kritisch unter die Lupe nehmen und dabei aktuelle Äußerungen von Politi kern hinterfragen. Kenner: »Wenn Politike rinnen und Politiker sich rassistisch, antise mitisch, homophob oder in einer anderen Weise demokratie- oder menschenverach tend äußern, muss dies in der Schule aufge griffen und klar Position bezogen werden. Kürzlich hat ein Kreisverband der AfD gegen eine Geflüchtetenunterkunft mobil gemacht und in einem Flyer von einem ‘millionenfa chen Bevölkerungsaustausch’ schwadro niert. Das ist ein völkisch-nationalistisches Verschwörungsnarrativ, das Menschen ver achtet und die Demokratie gefährdet. Als solches muss es auch im Unterricht benannt und besprochen werden.« Dafür müsse das Fach Politik besser ge fördert werden. »Politische Bildung sollte deutlich früher beginnen und mit mehr Wochenstunden ausgestattet werden. Sonst bleibt oft zu wenig Zeit, um all die relevan ten Themen in Zeiten multipler Krisen anzu gehen«, sagt Kenner. Er wünscht sich das
»Grund- und Menschenrechte sowie die de mokratische Auseinandersetzung erfahrbar zu machen«, damit junge Menschen an der Demokratie mitwirken können. Dabei gelte es laut Kenner, deutlich Stellung zu bezie hen. »Immer häufiger kommen Lehrkräfte oder auch Schülerinnen und Schüler auf uns zu, die sich gegen Rassismus, Homophobie, Menschen- und Demokratiefeindlichkeit en gagieren. Viele Schulen setzen bereits ein klares Zeichen. Nicht selten fehlt es aller dings an Rückhalt für engagierte Demokra tinnen und Demokraten.« Dies werde unter anderem mit dem angeblichen Neutralitäts gebot begründet. »Der demokratische Bildungsauftrag, der in den meisten Bundesländern Verfassungs rang hat, fordert dazu auf, sich für die Grundwerte unserer Gesellschaft einzuset zen. Ein allgemeines politisches Neutrali
für Politikwissenschaft und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten, ist die Antwort klar: »Kontroverse Positio nen müssen im Unterricht kontrovers darge stellt werden, aber nicht zwingend als gleichwertig.« Das bedeute zum Beispiel, dass die Position der wenigen Klimawandel Skeptiker in Bezug auf den vom Menschen beeinflussten Treibhauseffekt nicht gleichge setzt wird mit der auf wissenschaftlicher Evidenz basierenden Position der großen
Mehrheit der Fachwissenschaft. »Demokratie braucht
politische Bildung, keine Neutralität«
Kenner ist Mitinitiator des aktuellen Papiers »Demokratie braucht politische Bildung, kei ne Neutralität« der Deutschen Vereinigung für politische Bildung (DVPB). Darin betont
lehrer nrw · 5/2024 12
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