Profil 9/2025

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Karin Priens Vorschlag für Obergrenzen ist ein Denkanstoß, mehr nicht! Wichtiger ist eine systematische Sprachförderung für Kinder aus Migrantenfamilien

30 PROFIL // 9/2025 Chancengleichheit führen sollte. Man kann sich vorstellen, dass die ses „Busing“ auf große Widerstände stieß. Eltern weißer Schulkinder von Walter Tetzlo ff M itte der sechziger Jahre war es dem damaligen amerika nischen Präsidenten Lyndon Johnson ein ehrliches Anliegen: Die Rassenschranken müssen schwin den, die Afroamerikaner sollten end lich dieselben beru fl ichen und gesell schaftlichen Chancen erhalten wie die weiße Mehrheitsbevölkerung. Hier sah sich Johnson, den man zu Unrecht nur mit dem seinerzeit das Land spaltenden Vietnamkrieg in Verbindung bringt, in der P fl icht, seinem Vorgänger John Kennedy und – mehr noch – der charismatischen schwarzen Identi fi kations fi gur Martin Luther King (fünf Jahre nach dem Kennedy-Attentat ebenfalls ermor det, diesmal allerdings von einem weißen Rassisten) gerecht zu werden und deren Ideen, Wünsche und Visio nen („I have a dream…“) in praktische Politik umzusetzen. Ein konkretes Ergebnis war das von Johnson eingeführte „Busing“. Da runter versteht man eine Schüler zuteilung, die ungeachtet des Wohn viertels in Großstädten und unge achtet der Elternwünsche afroameri kanische Schülerinnen und Schüler aus Problemstadtteilen (Es müssen nicht immer gleich „Slums“ sein) mit Bussen in „bürgerliche weiße“ Stadt teile bringen lässt, aber auch das Umgekehrte praktiziert. Ziel war eine soziale Durchmischung, die zu mehr

Foto: Tetzlof

Amerikanische Schulbus se im Dienste des Busing

durch erhöht werden, dass man sie in andere Klassen in anderen Schu len und in anderen Stadtteilen ver schiebt. Bildungsforscher Olaf Köller resümiert, die Durchmischung schwacher und durchschnittlicher Schülerinnen und Schüler habe kei nen positiven E ff ekt gehabt. Gegen über der F A Z stellte er fest: „Die größten E ff ekte hat immer das mitt lere Vorwissenniveau der Klasse.“ Bedauerlich sei: „Die mittleren Leis tungen sind gesunken und das An spruchsniveau der Lehrkräfte auch.“ Was ist die Alternative? Als völlig un entbehrlich erweist sich eine syste matische, professionelle, möglichst wissenschaftlich fundierte frühkindli che Bildung. Sie setzt Tests voraus (Sprachkompetenz, Lernstand) und die Erkenntnis, dass sich Erziehungs arbeit in den Kindertagesstätten nicht auf spielerische Integration und soziales Miteinander beschrän ken darf. Spätestens in den unteren Klassen der Grundschule müssen die Kenntnissse der deutschen Sprache in dem Maße vorhanden sein, dass ein Unterricht in den Kernfächern möglich und erfolgreich ist. Auch hier darf der Blick auf die weiterführenden Schularten nicht von der Vorstellung sozialen Miteinanders überlagert werden. 

stieß diese erzwungene Umvertei lung bitter auf, und wer sich nicht mittels Wählerstimmen und Bürger initiativen erfolgreich wehren konnte, der trat die Flucht in die in den USA ohnehin angeseheneren Privatschu len an, auch wenn eine Anmeldung dort den eigenen Haushalt nicht un erheblich belastete. Auch aus einigen schwarzen Familien kam Widerstand. Diese fremdelten nicht selten mit der Zwangsintegration mittels Schulklas sendurchmischung. Bald kam man zu dem Fazit: Gut gemeint ist nicht un bedingt gut gemacht! „Busing“ war keine Erfolgsgeschichte beschieden. An diese amerikanische Maßnahme fühlt man sich erinnert, wenn man die Vorschläge von Bundesfamilien- und Bildungsministerin Karin Prien zur Kenntnis nimmt und diskutiert. Die Ministerin tritt für eine Ober grenze von 30 bis 40 Prozent migran tischer Schulkinder in einer Klasse ein. Den wütenden Widerstand der SPD (und auch die Ablehnung durch den VBE) einmal ignorierend, lassen sich ein paar Gegenargumen te, kombiniert mit Alternativvorschlä gen ins Spiel bringen. Zu einer realis tischen Analyse gehört die Einsicht, dass die Deutschkenntnisse der im mer größeren Zahl von Schulkindern ausländischer Herkunft nicht da

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