Profil 9/2025

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PROFIL // Begegnungen

Von der Schönheit der deutschen Sprache Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt ist von ansteckender Begeisterung

Pro fi l: Herr Professor Kaehl brandt, Sie sind im Deut-

gabt. Das zeige ich in meinem neuen Buch anhand der fantastischen Mög lichkeiten, die der Sprachbau des Deutschen bietet, und ganz konkret anhand schöner Wörter, Sätze, Stel len, Verse, Lieder und Mundarten. Doch ganz entscheidend ist: Gerade in seinem Sprachbau ist das Deut sche zur Schönheit begabt. bildungsmöglichkeiten. Hier geben Sie der deutschen Sprache einen schönen Kredit. Prof. Dr. Kaehlbrandt: Ja, so ist es. Schön fi nden wir gewöhnlich eine Mi schung aus harmonischer Ordnung und ansprechendem Einfall; das be lebt unsere Assoziationen. Man kann einen Sachverhalt ganz nüchtern und spröde in einer gewöhnlichen Wort folge darstellen. Die Frage aber ist, wenn es um schöne Wirkung geht: Wie können wir in einer Sprache die Dinge inszenieren? Die elastische Wortfolge im Deutschen erlaubt es, Sachverhalte sehr stimmungsvoll in Szene zu setzen. So kann ein Satz beispielsweise mit einer Umstands bestimmung oder mit einem Objekt beginnen. Nehmen Sie einen Satz aus Joseph Roths Roman „Radetzky marsch“: „Silbern im Mondlicht schimmerte die Straße“. Die erste Stelle im Satz setzt die Stimmung. Schönheit und Assoziationsreichtum lassen sich auf diese Weise herstel len. Das ist im Deutschen ganz ein fach möglich. Sie müssen eben nicht eine strenge Folge Subjekt-Prädikat Objekt einhalten. Und das wird na- ? Pro fi l: Sie leiten jetzt schon über zu den Wort- und Satz-

?

Prof. Dr. Kaehlbrandt

schen Philologenverband ein be kannter Gesprächspartner und fast schon so etwas wie ein Freund. Wir haben ein gemein sames Interesse: die P fl ege der deutschen Sprache. Sie werden demnächst einen Vortrag vor den Thüringer Philologen und dann im Spätherbst auch vor den Hessi schen Philologen und auf dem 42. Deutschen Philologentag in Berlin halten. Am 2. Oktober wird Ihr neues Buch rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse erscheinen: „Von der Schönheit der deutschen Sprache. Eine Wiederentdeckung“. Ihr Aus gangspunkt ist ein Vorurteil: dass die deutsche Sprache bei vielen als hart, unmelodisch und letztlich unschön gilt. Prof. Dr. Kaehlbrandt: Die deutsche Sprache leidet unter ihrem Ruf. Zu Unrecht! In meinem letzten Buch „Deutsch – eine Liebeserklärung“ widerlegte ich das berühmte Vor urteil von Mark Twain, Deutsch sei im Grunde unlernbar. („Das Leben ist zu kurz, um Deutsch zu lernen.“). Doch ein anderes verbreitetes Vor urteil ließ mir keine Ruhe. Es besagt, das Deutsche sei eine unschöne, un melodische, ja sogar hässliche Spra che. Ein sehr schädliches Zerrbild! Denn die Menschen lernen natürlich lieber eine Sprache, die sie schön fi nden. Und es ist falsch. Denn das Deutsche ist beim näheren Hin schauen zur Schönheit geradezu be-

27 PROFIL // 9/2025 Sie auch keinerlei Berührungs ängste mit neuen Kommunikati onsformen wie Poetry Slam ha- türlich weidlich genutzt. Beispielswei se von Arno Geiger („Der alte König in seinem Exil“): „In der Nacht von Samstag auf Montag stand der Mond genau über der letzten Tanne vor meiner Wohnung und erleuchtete das Bett. In der zweiten Nachthälfte und am Morgen gab es heftigen Wind. Auf der Treppe hinunter zu meiner Wohnungstür raschelten Zeitungsblätter.“ möglichkeiten ein, durch die die deutsche Sprache, wie Sie sagen, „eine besondere Elastizität“ auf weist, Sie heben auch die Aspekte Klang, Melodie und Rhythmus her vor und bringen auch dazu schöne Bespiele wie „Kalt ist der Abend hauch wie die Nacht ...“ und, da ? Pro fi l: Aber Sie gehen nicht nur auf diese Satzbildungs-

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