Profil 9/2024

PROFIL // Interview

bedenken gegenüber der elektro nischen Patientenakte. Mangelt es bei der Einführung an Aufklärungs arbeit? Die historischen Erfahrungen in Deutschland – auch in Ostdeutschland – mögen eine Erklärung sein, warum bei uns Datenschutzbedenken häu fi g tief verwurzelt sind. Im internationalen Vergleich bietet die Datenschutz Grundverordnung der Europäischen Union jedoch ein wirklich hohes Schutzniveau, dem auch die elektro nische Patientenakte in Deutschland gerecht werden muss. Ja, es besteht ein Bedarf an verstärkter Aufklärungs arbeit. Alle Beteiligten müssen dabei auch im positiven Sinne die großen Vorteile der Digitalisierung im Gesund heitswesen mitdenken und kommuni zieren. Das wird, wie in anderen Le bensbereichen auch, mit erheblichen Erleichterungen für jeden Einzelnen einhergehen, wenn es entsprechend gut gemacht ist. der dbb und andere Verbände kriti sieren, dass ihre Möglichkeiten zur Mitgestaltung in der Gesundheits politik mit kurzen Fristen für Stel lungnahmen und häu fi gen Rich tungswechseln erschwert werden. Was kann getan werden, um die Ein beziehung der Zivilgesellschaft in die Gesetzgebungsprozesse zu ver bessern? Da sprechen Sie mir aus der Seele, das geht den Bundesländern nicht anders. Im Bundesgesundheitsministerium sollte wieder ein Bewusstsein einkeh ren, dass die Beteiligten eben nicht nur Lobbygruppen sind. Natürlich vertre ten sie ihre Interessen, aber sie haben auch eine ganze Menge Wissen, Erfah rung und Fachkompetenz. Diese zu nutzen, kann nur von Vorteil sein, auch wenn gegebenenfalls am Ende eine andere Entscheidung gefällt wird.  ? Noch ein Punkt in „eigener Sache“: Gewerkschaften wie

abschiedeten Eckpunkten sollte der Transformationsfonds noch von Bund und Ländern getragen werden. Davon hat sich die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf verabschiedet und sieht stattdessen die Finanzierung durch Länder und Beitragszahlende vor. Das geht aus Ländersicht so nicht, und das haben wir in unserer Stellungnahme deutlich gemacht. Ein Beispiel für eine alte Belastung ist, dass alle Beitragszahlerinnen und Bei tragszahler weiterhin versicherungs fremde Leistungen, wie die Leistun gen für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger, mit fi nanzieren. Auch das entspricht nicht der Logik unserer Krankenversicherung. Der Bund ist gefordert, die Finanzierung von sol chen gesamtgesellschaftlichen Auf gaben auf mehr Schultern zu vertei len. Natürlich sind es auch Bürgerin nen und Bürger, die dafür Steuern zahlen müssen, aber es führt eben nicht zu so einer einseitigen Steige rung zulasten der gesetzlichen Kran kenversicherung. Medizin wird auch global betrachtet immer kostspie- liger. Individualisierte Therapien etwa kosten nicht selten sechsstel lige Summen, die das Gesundheits system zu überfordern drohen. Wie kann die Preisexplosion bei Arznei mitteln eingedämmt werden, ohne Forschung, Entwicklung und Ver sorgung zu gefährden? Die Kosten für Arzneimittel stellen nur einen geringen Anteil an den Gesamt kosten unserer Gesundheitsversor gung dar. Wir dürfen also nicht an nehmen, dass hier ein maßgebliches Sparpotenzial wäre, wenn wir zugleich eine angemessene Arzneimittelver sorgung erwarten. Wir haben mit den Engpässen bei Antibiotika oder auch fi ebersenkenden Mitteln für Kinder bereits deutlich erlebt, wie labil unser System derzeit ist und wie abhängig ?

wir von Dritten sind. Wir müssen da her auch in Europa wieder gute Be dingungen scha ff en, die zuverlässige europäische Forschungs- und Herstel lungskapazitäten ermöglichen. Ja, das geht mit entsprechenden Ausgaben für Arzneimittel einher. Aber dem ist die Dämpfung der Kosten für sonstige medizinische Behandlungen wie OP Notwendigkeit, Arztbesuche oder so gar P fl ege gegenüberzustellen. Viele der innovativen Arzneimittel führen zur kompletten Heilung oder geringe rer Mortalität und schnellerer Wieder eingliederung auch ins Arbeitsleben. Daneben müssen wir es grundsätzlich scha ff en, durch Prävention oder früh zeitige Intervention Erkrankungen, wie beispielsweise Adipositas, Hyper tonie oder Diabetes mellitus, wirk samer zu begegnen. Das erhöht nicht nur die Lebensqualität, sondern hilft auch, Kosten zu sparen. empfänger ist die Gebührenord nung für Ärzte als Abrechnungs grundlage maßgeblich. Diese ist seit vielen Jahren reformbedürftig. Ist hier zeitnah mit einer Novelle zu rechnen? Nach den Informationen meiner Kol legin aus dem für die Thematik feder führenden Finanzministerium sind die Gespräche zwischen der Bundesärzte kammer und unter anderem dem Verband Privater Krankenversicherun gen weit fortgeschritten. Es gibt o ff en bar Anzeichen, dass mit einer gemein samen Novellierungsempfehlung viel leicht noch in diesem Jahr gerechnet werden kann. Für die Umsetzung müsste das Bundesgesundheitsminis terium diese dann in einer entspre chenden Verordnung auf den Weg bringen – aber ich empfehle, dazu auch die direkt Beteiligten zu fragen. Viele Bürgerinnen und Bürger hegen Datenschutz- ? ? Für die beihilfeberechtigten Beamten und Versorgungs-

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