Profil 9/2024

PROFIL // Interview

Kerstin von der Decken, Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz

Eine funktionierende Grund- und Notfallversor gung muss auch in der Fläche gewährleistet sein Mit der viel diskutierten Krankenhausreform soll unter anderem eine „Vorhalte fi nanzierung“ eingeführt werden. Bleibt damit eine qualitativ hochwertige Versorgung auch in ländlichen Gebieten gewährleistet? Die Fusion kleiner Krankenhäuser spricht schließlich nicht gerade dafür, dass die Reform dem Sicherstel lungsauftrag ausreichend Rechnung trägt. W ir setzen uns als Länder ge nau dafür ein, die Gesund heitsversorgung auch in länd

Daher ist die Sicherung kleiner Kli niken und damit auch der Gesund heitsversorgung in der Fläche in der Tat sehr fraglich, sollten im weiteren Verfahren keine Änderungen mehr erfolgen. Die Länder haben im Bundesrat eine umfangreiche, ausschließlich fachlich begründete Stellungnahme mit Ver besserungen eingebracht, übrigens völlig unabhängig von jeglichen politi schen „Farben“. Und es gibt von den Abgeordneten der regierungstragen den Fraktionen auch positive Signale, diese konstruktiv zu prüfen. Mir ist da bei wichtig, dass allen Beteiligten bei der häu fi g irreführenden Qualitäts debatte klar ist, dass im Notfall Er reichbarkeit ein essenzielles Qualitäts merkmal darstellt! Das ist unabhängig davon, dass für planbare Operationen jeder gerne be reit ist, weitere Wege zum Spezialisten in entsprechenden Zentren auf sich zu nehmen. Bei hochkomplexen plan baren Eingri ff en wird es zu Zusam menlegungen von Angeboten kom men, und das ist vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen auch sinnvoll. Aber daneben brauchen wir eine funk tionierende Grund- und Notfallversor gung weiterhin nicht nur in Großstäd ten, sondern auch in der Fläche. aktuelle DAK-Studie geht von ei nem Beitragssprung von 16,3 auf ? Die gesetzliche Krankenver sicherung wird teurer. Eine

lichen Regionen zu sichern. Es ist ein immer wieder erklärtes Ziel der Bun desregierung, die Grund- und Notfall versorgung fl ächendeckend – und damit auch im ländlichen Raum – zu sichern. Aber das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der dieses Ziel bislang verfehlt. Ihre Frage ist daher sehr berechtigt. Ein Kernpunkt der Klinikreform soll der von Ihnen angesprochene Wandel in der Vergütungssystematik werden. Nach den ursprünglichen Plänen soll te ein Teil der Finanzierung fallzahl unabhängig erfolgen. Erreicht werden sollte damit zum einen, dass gerade kleine Kliniken in der Fläche, die wir für die Notfallversorgung brauchen, wirtschaftlich überleben. Bei ihnen entstehen Kosten einfach, weil sie da sind, um im Notfall helfen zu können – ähnlich wie bei der Feuerwehr. Er reicht werden sollte zum anderen, Fehlanreize für eine möglicherweise unnötige Mengenausweitung der Leistungen zu reduzieren. Das war die gemeinsame Idee der Vorhaltever gütung. Der Bundesgesundheitsminis ter nutzt diesen Begri ff zwar weiterhin ausdauernd, aber in dem vorgelegten Gesetzesentwurf ist die Vorhaltever gütung doch weiter fallzahlabhängig, wenn auch indirekt. Hinzu kommen zu starre Rahmenvorgaben, die von kleinen Kliniken kaum erfüllbar sind.

Foto: © Frank Peter

Prof. Dr. Kerstin von der Decken ist Ministerin für Justiz und Gesund heit des Landes Schleswig-Holstein.

19,3 Prozent bis 2034 aus. Ins gesamt könnten die Sozialbeiträge um bis zu 7,5 Prozent steigen. Die DAK fordert deshalb einen „Stabili tätspakt“ für die gesetzliche Kran kenversicherung. Wäre das eine Lösung oder nur eine Umverteilung der Kosten? Das kommt darauf an, was mit dem Wort Stabilitätspakt gemeint ist. Die Kostensteigerung der Beiträge ist eine enorme Herausforderung, und die Bundesregierung ist hier gefordert, Anforderungen an unser Gesundheits system und die Finanzierbarkeit mit einander in Einklang zu bringen. Aber wir erleben stattdessen den aus mei ner Sicht ungerechtfertigten Versuch, alte und neue Belastungen aus schließlich durch Beitragszahlende fi nanzieren zu lassen. Der mit der Kran kenhausreform des Bundes einher gehende Transformationsfonds ist ein Beispiel für eine neue Belastung. In den gemeinsam mit den Ländern ver

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