Profil 9/2024

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PROFIL // Recht

Im Dienst beleidigt

So handeln Sie richtig Bei der Polizei, im Justizvollzug, in Behörden: Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind mit Beleidigungen konfrontiert. Ein Rechtsanwalt beantwortet die wichtigsten Fragen.

D ie Beleidigung ist der Angri ff auf die Ehre eines anderen durch die Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung“ – so lautet zumindest eine De fi nition aus längst vergangenen Zeiten, die allerdings noch immer verbreitet ist. „Wenn ich das als Grundlage nehme, müsste ich mich ständig beleidigt füh len“, sagt Kai Naumann, Jurist beim dbb beamtenbund und tarifunion. „Es steckt noch mehr dahinter.“ Das Grundgesetz garantiert die Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 3, schränkt diese jedoch unter anderem in Art. 5 Abs. 2 durch das Recht der persönlichen Ehre ein. Will heißen: „Wenn mir jemand sagt, dass er mich für keinen guten Juristen hält, kann ich mich zwar darüber ärgern, aber rechtlich nichts dagegen unterneh men“, erklärt Naumann. „Anders ver hält es sich, wenn jemand herum erzählt, ich sei der dümmste und schlechteste Jurist aller Zeiten“ – denn diese Aussage geht über eine sachli che Kritik hinaus und ist damit von der Meinungsfreiheit nicht mehr ge deckt. In Hinblick auf den ö ff entlichen Dienst spielt es eine Rolle, dass das Grundgesetz vom „Recht der persönli chen Ehre“ spricht. „Nicht von der Ehre eines Berufsstandes oder der Ehre des ö ff entlichen Dienstes“, be tont der Jurist. In der Praxis bedeutet das: Ein Gericht muss im Einzelfall prüfen, ob sich eine Beleidigung ge gen die Einzelperson richtet – oder allgemein der Staat, der ö ff entliche Dienst oder der Berufsstand angegrif fen wird.

Grundsätzlich gehört die Beleidigung zu den Ehrdelikten. Das gilt auch für die Verleumdung und üble Nach rede. Eine Verleumdung liegt vor, wenn eine Behauptung nachweisbar falsch ist. Und eine üble Nachrede, wenn jemand ehrverletzende Aus sagen verbreitet, bei denen nicht ein deutig klar ist, ob sie stimmen oder nicht. Ein Beispiel: „Man darf nicht einfach in der Ö ff entlichkeit behaup ten, dass jemand seine Frau schlägt, nur weil es sein könnte“, sagt Nau mann. Anders verhalte es sich, wenn jemand zur Polizei geht, weil er einen konkreten Verdacht hegt – dann be stünde nämlich ein berechtigtes Inte resse. Beleidigung als Antragsdelikt Wer strafrechtlich gegen eine Beleidi gung vorgehen möchte, muss wis sen: Es handelt sich um ein soge nanntes Antragsdelikt. Das bedeutet: Ohne Strafantrag passiert nichts. „Das ist eine sinnvolle Regelung“, sagt Naumann. „Denn wie eine Belei digung empfunden wird, ist sehr subjektiv“ – theoretisch könnte es auch sein, dass Betro ff ene gar kein ö ff entliches Verfahren wollen und ihre Ehre besser geschützt sehen, indem sie direkt Widerworte geben oder den Fall auf sich beruhen las sen. Für andere Delikte greift in Deutschland das O ffi zialprinzip. Dieses besagt: Die Staatsanwalt schaft ist verp fl ichtet, Ermittlungen aufzunehmen, sobald der Verdacht einer Straftat besteht.

Die Antragsfrist beträgt drei Monate Im ö ff entlichen Dienst ist es möglich, dass Vorgesetzte den Strafantrag stellvertretend für den Dienstherrn oder Arbeitgeber stellen. „Ich halte das für den sinnvollen Weg, weil dann die Aussicht auf Erfolg größer ist“, unterstreicht der Jurist. Beispiel: Wahrscheinlich würde die Staats anwaltschaft dem Strafantrag eines Behördenleiters, der sich vor seine Beschäftigten stellt, eher stattgeben als dem Strafantrag des Betro ff enen. Denn eine Rolle spielt, ob über den Einzelfall hinaus ein Interesse be steht, die Beleidigung zu verfolgen. Aus Sicht des Behördenleiters kann das durchaus gegeben sein: „Schließ lich kann er nicht erwarten, dass sei ne Leute gute Arbeit machen, wenn sie ständig beleidigt werden.“ Gut zu wissen: Wenn die Staatsanwaltschaft kein ö ff entliches Interesse an der Verfolgung sieht, erhält der Kläger beziehungsweise die Klägerin ein Schreiben, in dem auf den Weg der Privatklage verwiesen wird. Nau mann: „Damit ist nicht das Zivilrecht gemeint, sondern die Option, selbst vor das Strafgericht zu treten und Anklage zu erheben, sozusagen als Staatsanwalt. Mir ist allerdings kein Fall bekannt, in dem jemand diesen Weg genutzt hat.“ Anonym bleiben nicht immer möglich „Um die Nennung des Namens kommt niemand herum“, stellt Kai Naumann klar. Im Hinblick auf 

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