Profil 9/2024

PROFIL // Begegnungen

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Vergessen wir die Mathematik nicht Ein Gespräch mit Prof. Dr. Olaf Köller

34 PROFIL // 9/2024 mit „Mathe sicher können“ an der T U Dortmund, wobei „Mathe macht stark“ auch nach Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg exportiert wur de, aber die Programme sind noch nicht weit genug in die Fläche gekom men, und wir sehen auch noch nicht PROFIL: Im Fokus der Ö ff ent lichkeit und der Schulpolitik steht nach der jüngsten PISA-Stu die die Notwendigkeit, in den Kernfächern der Grundschule zu handeln und die Schülerschaft zu mehr und wirksameren Übungs leistungen zu bringen. Im Fach Deutsch zeigen sich erste Erfolge, besonders in Hamburg und in Baden-Württemberg. Stichwort: Lesebänder. Schwieriger gestalten sich notwen dige Maßnahmen in Mathematik. Warum gibt es hier so großen Handlungsbedarf? Olaf Köller: Wir haben tatsächlich diesen großen Fokus auf sprachliche Kompetenzen. Hierbei gibt es 2015, als die Lesebänder eingeführt wur den, viel Erfahrung. Wir wissen, dass die Lesebänder sehr schnell die Basis kompetenzen von Schülerinnen und Schülern, sprich die Lese fl üssigkeit steigern, mit großem E ff ekten, und wenn man nachhaltig übt, bleiben diese E ff ekte auch bestehen. Und in der Mathematik gibt es ja auch schon seit einiger Zeit Programme wie „Mathe macht stark“ in Schleswig-Hol stein, auch hier am I P N entwickelt, ?

die ganz großen Erfolge wie bei den Lesebändern. Das hat viele Gründe: Die jetzigen Förderprogramme sind typischerweise unterrichtsintegriert, d. h., sie beschränken sich auf den Mathematik u n t e r r i c h t, während die Stärkung der Lesebänder ist, dass sie in jedem Fach durchgeführt wer den, d. h., wenn das Leseband funk tioniert, wird es fünfmal die Woche ergänzend zum Deutschunterricht durchgeführt. Das sind 100 Minuten zusätzliche Lesezeit für die Schülerin nen und Schüler, da an jedem Wo chentag einmal „die Glocke läutet“ – außer im Sportunterricht. In der Mathematik geht es zwar auch um die Förderung der Basiskom petenzen, es geht um arithmetische Kompetenzen und mathematisches Verständnis, aber ist keine zusätzliche Lernzeit, die geboten wird. Für schwa che Schülerinnen und Schüler ist das zu wenig, und wir haben vielleicht auch noch nicht das Bewusstsein in der Mathematik, dass man zusätzli che Zeit zur Verfügung stellen muss. Grundschulzeit erfüllt sein, damit der Anschluss an den weiterfüh renden Schulen gelingt? Köller: Es geht in der Mathematik darum, dass das technische Arbeiten, d. h. die arithmetischen Kompeten zen, sitzen, also die Addition, die Sub traktion, die Multiplikation und die Di vision. Es geht aber auch um das ma thematische Verständnis. Als Beispie- ? Welche Voraussetzungen müssen denn am Ende der

Prof. Dr. Olaf Köller, Psycho loge, Bildungsforscher und Direktor des Instituts für Pädagogik der Naturwissen schaften an der Christian- Albrechts-Universität in Kiel

le sind hier die Stellenwerttafel oder die Erkenntnis, dass Zahlen zerlegbar sind, zu nennen. Dies geht über die reinen Rechenvorgänge hinaus und führt dazu, dass Kinder in die Phase der Beurteilung von Ergebnissen kommen. Sie loben das in Schleswig- Holstein und Rheinland-Pfalz in den ersten beiden Grundschul jahren praktizierte Programm „Mathe macht stark“. Wie funktio niert dies, wo stößt es an seine Grenzen? Köller: Das Schöne an „Mathe macht stark“ ist, dass es in Bausteine und Fördereinheiten gegliedert ist und am Ende jeder Fördereinheit eine Über prüfung, d. h. eine Lernstandserhe bung (Überprüfung), erfolgt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Schüle rinnen und Schüler den entsprechen den Baustein wirklich verstanden ha ben. Für den weiteren Erfolg im Fach ?

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