Profil 7-8/2024

PROFIL // Titel

Idealen der Zwischenkriegszeit den Zorn der Nationalsozialisten auf sich zog. Der Roman „Fabian“ (1931) erzählt schließlich nicht von einem deut schen Helden, der sich mannhaft dem Verführungspotential der mo dernen Großstadt in der Weimarer Zeit entzieht, sondern im Gegenteil dessen Opfer wird – ein Grund für ö ff entliche Bücherverbrennung! Auch die literarische Gattung Lyrik verdankt dem Dresdner Autor viel. Das nachhaltigste Beispiel ist sicher die Gedichtsammlung „Dr. Erich Kästners Lyrische Hausapotheke“, die ein Schweizer Verlag 1936 ver ö ff entlichte. Darin fi ndet sich eines der berühmtesten Kästner-Gedich te, das er bereits 1926 schrieb und das mehrere Schülergenerationen als Beispiel für die Stilrichtung der Neuen Sachlichkeit lesen und manchmal lernen durften: „Sachli che Romanze“. Der Widerspruch, der sich hier bereits im Titel zeigt, wird in dem kleinen Gedicht ohne jegliches Pathos und gänzlich ohne Sentimentalität o ff enbar. Die im nüchtern-lakonischen Stil erzeugte subtile Traurigkeit wird gleich zu Beginn greifbar: Als sie einander acht Jahre kannten Lyrik im Stil der Neuen Sachlichkeit

führen den Dresdner Autor zu Berühmtheit, einem respektablen Einkommen und dies auch wegen der zahlreichen Übersetzungen.

Foto: Atrium-Verlag

Kästner in der Nachkriegszeit

Trotz der Verhaftungen in der Früh phase des Nationalsozialismus bleibt der Schriftsteller in Deutsch land, ho ff t auf ein baldiges Ende des menschen- und kunstfeind lichen Regimes … und arrangiert sich gleichzeitig mit diesem. Als Drehbuchautor und Romancier mit Pseudonym erlebt und übersteht er die Jahre der Diktatur, was nicht von allen seiner Schriftstellerkolle gen akzeptiert wird. Dennoch: Der Ruhm verblasst nicht in der Zeit der jungen Bundesrepublik, der Ruhm nicht, wohl aber ganz allmählich die Scha ff enskraft. Preise und Aner kennungen häufen sich, Kästner Ausstellungen 1964 und 1999, also zehn Jahre vor und 25 Jahre nach seinem Tod können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Beziehungs probleme und hoher Alkoholkon sum nicht mehr zu wirklich bedeu tenden Werken führen. Der Ruhm bleibt, aber er hat seinen festen Platz in der Literaturgeschichte der Zwischenkriegszeit. Das ist nicht wenig. Fazit: Erich Kästner bleibt ein groß artiger Erzähler und Lyriker; ein In tellektueller mit einem klaren ge sellschaftskritischen Standpunkt, aber niemand, der gegen die Dikta tur aufbegehrt hat – wie dies seine Kollegen Brecht, Mann, Feuchtwan ger oder Remarque mit dem Res pekt der Freien Welt getan oder versucht haben. Doch einen so ein fühlsamen und wirkungsmächtigen Jugendbuchautor sollte man nicht nur auf zwölf Jahre seines Lebens reduzieren. 

Kästners Romanerfolg ,Fabian’

hungen und von seiner Heimat stadt Dresden zu isolieren. Au ff ällig an seiner Kindheit und Jugend ist die enge Mutterbindung. Diese bleibt eine Konstante in Kästners Leben, und sie fi ndet ihre literari sche Entsprechung im Personal sei ner Romane, man denke an Emils Mutter in seinem Detektivroman. Der Teilnahme am Ersten Weltkrieg folgen Gymnasialzeit, ein philologi sches Studium und 1925 die Pro motion. Titel seiner Dissertation: „Die Erwiderungen auf Friedrichs des Großen Schrift `De la litttératu re allemande`“. Als Autor für ver schiedene Zeitschriften scha ff t er sich ein Netzwerk und Kontakte zu Schriftstellern der Neuen Sachlich keit wie Ernst Toller oder dem spä ter in die USA emigrierten Lion Feuchtwanger. Dann, in der Endphase der Weima rer Republik, die Jahres des Erfolgs: Die schon erwähnten Kinderbücher

(und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden Wie anderen Leuten ein Stock oder Hut.

10 PROFIL // 7-8/2024 Erich Kästners Leben und Werk werden nur sehr unzureichend er fassbar, wenn man versucht, bei des von seinen persönlichen Bezie

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