Gymnasium Baden-Württemberg 5-6/2021
Qualitätskonzept
Das Qualitätskonzept – sein Versprechen und was davon übrig blieb
und Einschätzungen der beteiligten Fortbildner keinerlei Prüfverfahren oder -prozesse – schon gar nicht durch die (empirische) Wissenschaft gestützt –, mit denen die multiplizier- ten Materialien geprüft würden. Tat- sächlich werden diese so wie seit Jahr- zehnten (in meist sehr bewährter Form) auf der Basis des gesammelten Wissens- und Erkenntnisschatzes der Fortbildner und in Kenntnis neuester fachwissenschaftlicher Literatur er- stellt, also nach bestem Wissen und Gewissen. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, bezog sich die 2018 beklagte »un- zureichende Qualität der Lehrerfort- bildung« 3 nicht unbedingt auf das Gymnasium, sondern auf andere Schularten. Die von vielen gymnasia- len Lehrkräften gewünschten »Fort- bildungen im Bereich der Fachwissen- schaft« 4 sind bislang auf der Ebene der Lehrkräfte genauso ausgeblieben wie auf der der Fortbildner. Fortbild- ner werden hierfür auch nicht erkenn- bar entlastet, um in den Austausch mit Wissenschaftlern zu treten, deren neueste Veröffentlichungen zu lesen und dadurch ihre Fächer weiterentwi- ckeln zu können. »Das Institut für Bildungsanalysen liefert die wissenschaftlichen Erkennt- nisse und Grundlagen, die das Zen- trum für Schulqualität und Lehrerbil- dung anschließend nutzt, um daraus entsprechende Unterstützungsange- bote wie Fortbildungen und Handrei- chungen zu entwickeln.« 5 – Auch die- se Ankündigung entbehrt bislang je- der praktischen Relevanz. »Eine sys- tematische, wissenschaftlich basierte Beobachtung und Dokumentation von Bildungsprozessen und -ergebnis- sen« mag vielleicht an dem neuen In- stitut IBBW stattfinden. Noch ist sie ohne Relevanz für die Praxis der Fort- bildungen. Eine sichtbare Kooperati- on zwischen Wissenschaft und Praxis ist nicht erkennbar. Vor allem gibt es bislang auch noch praktisch keine
greifbaren Ergebnisse des IBBW, auf denen Fortbildungsmaterialien auf- bauen könnten, und logischerweise gibt es folglich auch keine darauf auf- bauenden Fortbildungen oder Hand- reichungen. »Die starke Zersplitterung der Ver- antwortlichkeiten« 6 wurde von den Kolleginnen und Kollegen in der Flä- che so nicht bemerkt. Tatsächlich ist vom Standpunkt 2021 diese Zersplit- terung und Unübersichtlichkeit erst entstanden. Dazu hat maßgeblich das neu etablierte Anmeldesystem ’LFB- online’ beigetragen, das nicht nur un- übersichtlich, dysfunktional und we- nig hilfreich bei den Suchroutinen ist, sondern das vor allem die Information über die Schulleitungen an die Kolle- gien ersetzt hat. Konkret bedeutet dies: Eine Lehrkraft muss sich selbst- ständig in regelmäßigen Abständen erkundigen, welche möglichen Fort- bildungen in der Nähe ihres Einsatz- ortes für sie interessant sein könnten (oder nicht). Das ist zeitaufwändig und führt für den einzelnen Kollegen zu unnötigen Frustrationen. Aufwän- dig erstellte Fortbildungen bleiben hierdurch schlecht besucht, weil sie gar nicht bekannt sind. Tatsächlich werden Fortbildungen inzwischen durch Mund-zu-Mund-Propaganda nach dem Motto: »Hast du schon ge- hört?« multipliziert. Regionalstellen des ZSL und Schulleitungen, die die Lehrkräfte noch systematisch infor- mieren, tun dies gegen den erklärten Willen der Zentrale. Der Zersplitte- rung von Verantwortlichkeiten wird zudem Vorschub geleistet durch die Integration von Drittanbietern, deren Fortbildungsinhalte nicht nur nicht »wissenschaftlich geprüft« werden, sondern die vielleicht auch eigene In- teressen haben. Dem von der Ministe- rin beklagten »Wildwuchs ’handge- strickter’ Fortbildungskonzepte« 7 (wenn es diesen denn je gab) ist keine schlüssige Konzeption entgegenge- stellt worden.
22 017 lancierte die Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann, begleitet von einer breiten Pressebericht- erstattung, das sogenannte ’Qualitäts- konzept’ zur Verbesserung der Leis- tungsfähigkeit des baden-württember- gischen Schulsystems. Nach vier Jah- ren sei ein (Zwischen-)Fazit erlaubt, was die Ministerin bei diesem Projekt erreicht hat, das sehr eng mit ihrem Namen verbunden ist und dadurch ein Ausweis für ihre zur Zeit auf Plakaten lesbare Eigenschaft als ’Macherin’ sein sollte. Dazu werden die vielfach vom Ministerium veröffentlichten Ziele mit dem Stand der Entwicklung abgeglichen und das Konzept als Gan- zes auf den Prüfstand gestellt. »Dass es bislang kein abgestimmtes und professionelles Bildungsmonito- ring und keine datengestützte Schul- entwicklung in Baden-Württemberg gibt«, beklagte die Ministerin im Juni 2017. 1 Im Februar 2021 muss man fest- stellen: Daran hat sich (leider) nichts geändert. »Unterstützungsleistungen wie Fortbildungen und Unterrichts- materialien sollen vor ihrem Einsatz auf ihre Wirksamkeit überprüft wer- den.« 2 Auch dies ist nach wie vor ein frommer Wunsch und scheitert schon alleine an der Struktur, wie diese Fortbildungsmaterialien erstellt wer- den. Es gibt jenseits der Erfahrung
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