Gymnasium Baden-Württemberg 11-12/2024

Vortrag

BBW Tarifunion: Vortragsreihe ‘Begegnungen’ Die 4-Tage-Woche im öffentlichen Dienst

Die Art und Weise, wie wir arbeiten, unterliegt einem permanenten Wandel, der von technologischen Fortschritten, soziokulturellen Ver änderungen und neuen Managementansätzen beeinflusst wird. Ei ne Entwicklung in diesem Bereich, beschleunigt durch die Covid-19 Pandemie, ist die Einführung der 4-Tage-Woche – ein Arbeitszeitmo dell, bei dem ein Tag weniger gearbeitet wird. Es zielt darauf ab, die Arbeitszeit zu verkürzen, ohne die Produktivität zu verringern, und gleichzeitig das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu steigern.

geberattraktivität zu erhöhen, die Ge sundheit der Beschäftigten zu verbes sern und den Umsatz zu steigern. Ne ben den positiven Auswirkungen nahm die Referentin das Arbeitszeit modell auch kritisch in den Blick: So stelle sich beispielsweise die Frage, ob Deutschland angesichts der Arbeits zeitverkürzung im Vergleich zu ande ren Ländern wie China noch wettbe werbsfähig sei. Auch sei zu hinterfra gen, wie nachhaltig die Effekte einer Arbeitszeitverkürzung seien – forder ten Mitarbeiter nach einer Implemen tierung der 4-Tage-Woche dann eine 3-Tage-Woche? Obwohl die konkreten Ergebnisse der Studie derzeit noch ausgewertet werden, gab Professorin Backmann dem Publikum einen Einblick in erste vorläufige Erkenntnisse. So verlaufe die Umsetzung der 4-Tage-Woche branchenspezifisch: In Büroberufen funktioniere die Umstellung leichter, im Bereich der Produktion sei sie he rausfordernder. In sozialen Einrich tungen habe die Umstellung erstaun lich gut funktioniert. Die Art und Weise, wie die teilneh menden Unternehmen die 4-Tage Woche umsetzen, variiere sehr stark: Das häufigste Modell sei eine Arbeits zeitreduzierung um zehn Prozent und eine Umverteilung der Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag. In eini gen Firmen konnte die Arbeitszeitver kürzung jedoch noch nicht vollum fänglich umgesetzt werden, unter an derem weil detaillierte Anpassungen der Arbeitsabläufe vor der Umstel lung auf vier Arbeitstage nicht klar festgelegt worden seien. Prozessver besserungen konnten daher nicht di rekt erreicht werden. Im Zuge der Umstellung wurden verschiedene be triebsinterne Abläufe angepasst, etwa Häufigkeit, Dauer und Agenda von Meetings, das Kommunikationsver halten wurde verändert und digitale Tools zur Optimierung der Arbeitsab läufe eingeführt. Das Arbeitszeitmo dell sei von den Beschäftigten sowohl

D ie Arbeitszeitgestaltung wird zu nehmend zu einem entscheiden den Faktor für die Attraktivität von Arbeitsplätzen und ist deshalb auch für den öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg von Bedeutung, da hier der Personalmangel ein Re kordniveau erreicht hat. Der BBW Beamtenbund Tarifunion lud im Rah men seiner Vortragsreihe ‘Begegnun gen’ am 26. September 2024 zu einem spannenden Austausch über die 4-Ta ge-Woche im öffentlichen Dienst ein. Als renommierte Experten konnte der BBW dafür Prof. Dr. Julia Back mann von der Universität Münster und Veit Hailperin, Experte aus Zü rich und Dozent am CG Jung Institut in Küsnacht, gewinnen. In seiner Begrüßung betonte der BBW-Landesvorsitzende Kai Rosen berger den besonderen Stellenwert der 4-Tage-Woche sowohl als Werk zeug zur Rekrutierung qualifizierter Fach- und Nachwuchskräfte als auch zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes in Baden-Würt temberg.

Prof. Dr. Julia Backmann erläuterte anschließend die Chancen und He rausforderungen der 4-Tage-Woche aus wissenschaftlicher Perspektive: Sie und ihr Team an der Universität Münster führen derzeit eine deutsch landweite Studie zu den Auswirkun gen dieses Arbeitszeitmodells durch. 43 Unternehmen sind daran beteiligt, darunter vor allem kleine Betriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten, gefolgt von mittelgroßen Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitenden. Es handelt sich mehrheitlich um Unternehmen aus der Beratungs- und Dienstleis tungsbranche. Die Wochenarbeitszeit sei schon immer ein polarisierendes Thema gewesen, stellte die Referentin fest. Deutschland liege mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 34,7 Stunden im Jahr 2022 im un teren Mittelfeld, während Spitzenrei ter Griechenland eine Wochenarbeits zeit von 41 Stunden aufweise. Deut lich geringer sei die Arbeitszeit der er werbstätigen Frauen. Befürworter sehen in der 4-Tage Woche eine Möglichkeit, die Arbeit

>> Kai Rosenberger bedankt sich bei den Referenten Prof. Dr. Julia Backmann und Veit Hailperin (v.l.n.r.)

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