Blickpunkt Schule 4/2022

Was Lehrerinnen und Lehrer gesund hält Empirische Ergebnisse zur Bedeutung psychosozialer Ressourcen im Lehrerberuf Z weifellos gehört der Beruf der Lehrerin und des Lehrers durch die (insbesondere im psycho von PROF. HEINRICH DAUBER Erziehungs- wissenschaftler

nisse sind hinreichend klar und auf dem Hintergrund des gewählten transaktionalen Modells nachvollzieh bar. Bezogen auf die einzelne Lehrerin, den einzelnen Lehrer in ihrer spezifi schen persönlichen Situation und ih rem beruflichen Umfeld sind unsere statistischen Daten allerdings nicht geeignet für ein diagnostisches Scree ning im Sinne einer Checkliste oder prognostischen Klassifikationen im Blick auf eine potenzielle gesundheit liche Gefährdung. Sehr wohl hingegen können unsere Ergebnisse Hinweise liefern, was auf verschiedenen Ebenen getan werden kann, um die übergrei fenden Metakompetenzen von Lehre rinnen und Lehrern zu stärken, die ge eignet erscheinen, beruflichen Belas tungen konstruktiv zu begegnen und – last, but not least – einen anderen Umgang mit sich selbst, mit ihren Schülern, mit Eltern und ihren Kolle ginnen und Kollegen zu entwickeln und zu pflegen. Aufgrund unserer Erfahrungen und anderer einschlägiger Studien gehen wir davon aus, dass es vor allem auf persönliche Lernbereit schaften und einschlägige Lerner fahrungen in geeigneten Settings der Aus-, Fort- und Weiterbildungen ankommt. Die aus unserer Sicht we sentlichen Punkte dafür sind: 1. personale Kompetenzen fördern und entwickeln, soziale Unter- stützungssysteme aufbauen, 2. über alle Phasen des Lehrerwerdens und Lehrerseins Selbstverantwor tung für den eigenen beruflichen Professionalisierungsprozess er möglichen, einfordern und indivi duell fördern, 3. institutionelle Anerkennung und Honorierung von psychosozialer Fort- und Weiterbildung im bio grafischen Verlauf. Dazu nochmals die wichtigsten Un tersuchungsergebnisse und mögli che Konsequenzen:

sozialen Bereich) gestiegenen Anfor derungen heute zu den besonders be lastenden Berufen mit einem über durchschnittlich hohen Anteil an Frühpensionierungen. Das ist die ’schlechte‘ Nachricht. Die ’gute‘ Nachricht lautet: Lehrerinnen und Lehrer sind nicht automatisch Opfer ihrer Berufsbedingungen, sondern können weitgehend selbst dazu bei tragen, wie sie mit diesen Belastun gen konstruktiv umgehen, um die sen Beruf lange, erfolgreich, gesund und mit Freude ausüben zu können. Im Zentrum unserer Untersuchung stand daher nicht die Suche nach po tenziell krankmachenden ’äußeren‘ Faktoren im Lehrerberuf, sondern die Identifizierung der personalen Res sourcen und Widerstandsfaktoren, die die Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern stärken. Dabei zeigte sich – was nicht überraschend war, aber sel ten so klar nachgewiesen wurde –, dass Lehrerinnen und Lehrer diese ge sunderhaltenden Ressourcen durch Weiterbildung vertiefen und erweitern können. Dabei sind diese Ressourcen sowohl Voraussetzung wie Ziel weite ren Kompetenzerwerbs. Dass es sich dabei nicht um lineare Ursache-Wir kungs-Prozesse handelt, die auf der Basis korrelativer Daten aus einer Querschnittsuntersuchung auch nicht abgeleitet werden können, ist aus wissenschaftlicher Sicht banal. Des halb lassen sich aus unseren Ergeb nissen auch keine einfachen Schluss folgerungen ziehen oder unmittelbare Rezepte für die Aus-, Fort- und Wei terbildung von Lehrern ableiten. Man kann gesunde Lehrer weder ’machen‘ noch kranke Lehrer ’fit machen‘. Den noch hat unsere Untersuchung ge zeigt, dass Lehrerinnen und Lehrer durch selbst gewählte Fort- und Weiterbildungen im psychosozialen

Arbeitsbelastung im Lehrberuf

Bereich ihre personalen Ressourcen stärken und ausweiten sowie in komplexen Lern- und Ausbildungs prozessen Kompetenzen erwerben können, die es ihnen ermöglichen, mit den Belastungen ihres Berufes konstruktiv umzugehen. Angesichts der Komplexität solcher Lernprozesse ist ermutigend, wie wirksam solche Fort- und Weiterbil dungen sein können. Die von uns in die Untersuchung einbezogenen Wei terbildungen thematisieren den Pro zess einer komplexen, ’fließenden‘ le benslangen Selbstprofessionalisie rung, indemmehrere, in sich rückge koppelte Bereiche und Faktoren be wusst gemacht und bearbeitet werden – persönliche Voraussetzun gen und äußere Bedingungen, ’objek tive‘ Anforderungen und deren ’sub jektive‘ Bewertung, personale Res sourcen (’eigene Kompetenzen‘) und soziale Ressourcen (’Unterstützungs systeme von außen‘), psychische Ver arbeitungsformen und eine körperlich gesunderhaltende Lebensweise. Die in diesen Aus-, Fort- und Weiterbildun gen erworbenen und vertieften Res sourcen und die damit verbundenen oder daraus erwachsenden Kompe tenzen führen in einem systemischen Zusammenspiel dazu, in Belastungs situationen eher aktive oder passive Bewältigungsformen zu wählen und in letzter Konsequenz gesund zu bleiben oder krank zu werden. Die empirische Bestimmung und Beschreibung dieser Faktoren und Prozesse steht imMittelpunkt unserer Studien. Unsere quantitativen Ergeb

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