Blickpunkt Schule 4/2022
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Editorial
D ie Krisen folgen seit einigen Jahren rascher aufeinander, als wir sie durchstehen kön nen. Zwei Flüchtlingswellen, Corona Pandemie, Energiekrise, in deren Fol ge eine Wirtschaftskrise zu erwarten ist – und wie steht es um die Schulen? Hier eröffnen sich Problemfelder, an herausfordernden Phänomenen man gelt es nicht, kritische Fragen liegen auf der Hand. Beim Eintritt von der Grundschule in das Gymnasium gilt im Endeffekt »Wer will, der kann«. Der Übergang an die weiterführenden Schulen ist nach wie vor nicht durch ein qualifi ziertes Verfahren mit klaren Aufnah mekriterien abgesichert, es zählt der Elternwille. Dabei sollten die Ergeb nisse des Bildungstrends, den das In stitut zur Qualitätsentwicklung im Bil dungswesen (IQB) veröffentlicht hat, allen die Augen öffnen: Ein Fünftel der Viertklässler kann nicht richtig le sen, ein Drittel kann nicht regelkon form schreiben und auch in Mathe matik stimmen die Leistungen nicht. Der negative Trend war längst schon vor Corona ausgeprägt. Den Grund schulen fällt es offensichtlich immer schwerer, die kulturellen Basiskompe tenzen zu vermitteln. Wir müssen uns mit kruden Kon zepten auseinandersetzen, etwa mit der Kritik an der Schulformdifferen zierung, als gäbe es zum Beispiel die aktuelle Studie »Kognitive Homoge nisierung, schulische Leistungen und soziale Bildungsungleichheit« der Bil dungsforscher Esser und Seuring nicht. Zurechtrücken müssen wir die Verheißungen des »längeren gemein samen Lernens«. Weiterhin kritikwür dig ist, dass die Lehrerrolle ’aufge weicht‘ wird, weil sich ’progressiv‘ ge rierende Bildungspolitiker und selbst ernannte Experten in Lehrkräften gern nur den Lernbegleiter oder Coach sehen wollen. Lehrkräfte sind
Bild: ThorstenSchmitt/AdobeStock
len Ebenen, vom Ministerium über die Schulämter bis zu den Schulen und der einzelnen Lehrkraft. Diese Eupho rie darf nicht den Blick verstellen auf die notwendige Qualität menschlicher Interaktion im schulischen Umfeld. Der Lehrkräftemangel macht vie lerorts den Schulen zu schaffen, die Personalgewinnung gelingt nur sto ckend. Ist der Traum vom Lehrerberuf bei vielen jungen Menschen, gerade den guten Abiturienten, ausge träumt? Der Nachwuchs übt sich auf fallend oft in Zurückhaltung, wenn es um die Lehrerlaufbahn geht. Dass die Belastungen im Lehrer alltag enorm gestiegen sind, ist be reits oft genug gesagt worden. Sie ergeben sich für Lehrkräfte in ver schiedenen Dimensionen. Nicht nur der allseits beklagte Verwaltungs aufwand schlägt zu Buche. Proble matisch ist auch die geistige und kulturelle Heterogenität in den Klas sen, wenn Lehrende spüren, dass sie diese nicht kompensieren können. Nervenzehrend sind Eltern, die die Individualität ihrer Kinder ’hypen‘ und erwarten, dass diese in der Schule priorisiert wird. Und letztend lich ist es ein nicht zu unterschät zendes Problem, wenn der Respekt fehlt vor den Angeboten, die die Schule macht, vor der Lehrperson, vor dem Lerngegenstand. In den Schulen brauchen wir dage gen Hoffnung, Perspektiven, Freude am Lernen und Lehren, aber auch Kontrollmechanismen, die ein erfolg reiches Arbeiten ermöglichen. Und der Hinweis ist nicht neu: Schule kann und darf nicht die ’Reparaturwerk statt‘ der Gesellschaft sein. Ich wünsche Ihnen Kraft und Zuver sicht in dieser nicht leichten Zeit!
von REINHARD SCHWAB Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
Pädagogen und Lehrende, überzeugt vom Unterrichtsgegenstand, ihre Per sönlichkeit einbringend; nur Begleiter oder Coach von Lernprozessen zu sein, ist eindeutig zu wenig. Irritationen gibt es um das Quali tätsverständnis von Schule, anschei nend erodiert die Bildungsqualität; auch in diesem Jahr lassen die Jubel meldungen aufhorchen. In Hessen liegt die Durchschnittsnote bei 2,23, dies ist die beste seit der Einführung des Landesabiturs (vor fünf Jahren noch: 2,41), 841-mal wurde die Traum note 1,0 erreicht, so oft wie noch nie zuvor. Diese Ergebnisse entsprechen demTrend zu kontinuierlich besseren Abiturnoten. All das trotz Pandemie! Bestnoten-Inflation im Abitur? Schla gen wir – unausgesprochen – einen Bogen um die ’harten‘ fachlichen In halte? Das Phänomen der Noteninfla tion ist ein grundsätzliches Problem. Immer bessere Noten belegen keinen Anstieg des Bildungsniveaus. Die Aus sagekraft der Abiturnoten schwindet zunehmend. Klagen nicht die Hoch schullehrer immer häufiger über die zumTeil defizitäre Studierbefähigung ihrer Studienanfänger? Hier wäre auf seiten der Politiker ein Bewusstsein für die Problematik wichtig. Eine dau erhafte Beschädigung des Leistungs prinzips in der Schule können wir uns nicht leisten. Die Digitalisierungseuphorie der Pandemiezeit droht oberflächlich zu bleiben, wenn Innovationen nicht jede einzelne Lehrkraft erreichen, nicht längerfristig etabliert werden auf al
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SCHULE
Mit kollegialen Grüßen
Ihr Reinhard Schwab
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