Blickpunkt Schule 3/2021

Lange gezögert, fragwürdige Lösung E s hat lange gedauert, bis das Ministerium auf die Forderun- gen aller Gewerkschaften, Ver-

Klartext

bände und Interessenvertretungen reagiert hat, um die anstehenden Fra- gen nach Leistungsbewertungen, Ver- setzungen und freiwilligenWiederho- lungen rechtlich zu klären. Mit Erlass vom 12. Mai 2021 (Az.: 821.100.000. 00097) ist dies nun endlich geschehen, zufriedenstellend ist das Ergebnis aber keineswegs und letztlich werden Ver- setzungen in sehr vielen Fällen wieder ohne entsprechende Leistungsnach- weise angeordnet. Pädagogische Er- wägungen der verantwortlichen Lehr- kräfte werden zugunsten formaler (willkürlicher) Kriterien hintangestellt. Aber der Reihe nach ZumEnde des letzten Schuljahres wur- den alle Schülerinnen und Schüler un- geachtet ihres Leistungsvermögens auf Anweisung des Hessischen Kultusmi- nisteriums versetzt. Bei der Leistungs- bewertung sollte trotzdemgroßzügig benotet werden, sprich, mangelhafte Noten wurden häufig nicht erteilt, ob- wohl sie oft begründbar gewesen wä- ren. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnah- men wurde schon damals angezweifelt. Im ersten Halbjahr des laufenden Schuljahres fand dann bis zum 15. De- zember weitgehend regelmäßiger Un- terricht nach der Stundentafel in Prä- senz statt. Es stand also außer Frage, dass eine korrekte Leistungsbewertung aller Schülerinnen und Schüler möglich war. Diese wurde auch vorgenommen und in den Halbjahreszeugnissen doku- mentiert. Erst danach kam es zu erneuten Un- terrichtsformen, die Distanzunterricht, Hybridunterricht und Präsenzunterricht umfassten. Von Anfang an wurde durch das Ministerium klargestellt, dass im Gegensatz zumvergangenen Schuljahr diese Unterrichtsformen als gleichwer- tig anzusehen seien. Mithin war auch die Benotung der Schülerinnen und Schüler möglich und wurde ausdrück- lich vorgesehen, da der Unterricht ja schließlich durchgehend erteilt wurde.

Bild: Dieter Pregizer/AdobeStock

Durch die verschiedenen Unter- richtsformen erschwert wurden die Durchführung von Klassenarbeiten und anderen schriftlichen Leistungs- nachweisen. Insofern bestand hier Handlungsbedarf hinsichtlich der An- zahl der verbindlichen schriftlichen Leistungsnachweise. Dies wurde nun umsetzbar geregelt. Zu bedenken ist dabei, dass in sehr vielen Regionen ab dem 31. Mai 2021 der Unterricht wieder vollständig als Präsenzunterricht er- teilt werden kann. Eine realistische Leistungsbewertung kann und soll also folgerichtig zum Ende des Schuljahres erfolgen. Die Noten am Ende eines Schuljahres berücksichtigen dabei die gesamte Lern- und Leistungsentwick- lung der Schülerinnen und Schüler. Es handelt sich keineswegs um eine Mo- mentaufnahme. Gleichzeitig wird mit dem Zeugnis eine Prognose erstellt, ob es Schülerinnen und Schülern voraus- sichtlich möglich sein wird, im folgen- den Schuljahr in der nächsten Jahr- gangsstufe erfolgreich mitzuarbeiten. Neben einer Vielzahl von formalen Vor- schriften zu den Versetzungsregeln gibt es als Ausnahme noch die Mög- lichkeit einer sogenannten »Pädagogi- schen Versetzung«. Aber auch diese unterliegt strengen Anforderungen und darf nicht willkürlich ausgespro- chen werden. Sie ist eingehend zu be- gründen. All dies ist in der VOGSV ge- regelt. An dieser Stelle setzt nun der oben genannte Erlass an. Zunächst bestä- tigt der Erlass die Regelungen der VOGSV und ergänzt diese um beson-

dere Bedingungen, die der gegenwärti- gen Pandemie geschuldet sind. Ledig- lich im Bereich der Pädagogischen Ver- setzungen trifft der Erlass Regelungen, die die Bestimmungen der VOGSV konterkarieren. Besonders auffällig ist, dass der Erlass in diesem Abschnitt in sich selbst widersprüchlich ist. Es ent- steht fast der Eindruck als wären hier zwei unterschiedliche Autoren am Werk gewesen. Wird zunächst die Aus- nahmeregelung einer Pädagogischen Versetzung betont und herausgestellt, dass diese zu begründen sei, wird sie am Ende des Abschnitts zur Regel er- klärt, wenn die Leistungen der Schüle- rinnen und Schüler am Ende des letz- ten Schuljahres durchweg ausreichend waren. Dieses Zurückgreifen auf längst vergangene Leistungen ist völlig will- kürlich und kann keineswegs begrün- den, dass die Schülerinnen und Schüler im nächsten Schuljahr erfolgreich mit- arbeiten können. (Dabei ist sogar noch außer Acht gelassen, wie die Noten im letzten Schuljahr zustande kamen.) Wenn aber schon vergangene Leis- tungen bei der Versetzungsentschei- dung berücksichtigt werden sollten, dann bleibt es unverständlich, dass man hierzu nicht die Noten der Halb- jahreszeugnisse heranzieht, wobei auch dies aus meiner Sicht rechtlich fragwürdig wäre. Ein Erlass hebelt hier eine Verord- nung in einem zentralen Punkt aus, weist die Konferenzen an, wie sie zu entscheiden haben, verlangt dafür auch noch eine Begründung und ver- pflichtet die Schulen dazu, anschlie-

8

SCHULE

Made with FlippingBook Learn more on our blog