Blickpunkt Schule 3/2021
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
Ausgabe 3/2021 · D 30462
SCHULE
Digitale Vertreterversammlung: Vielfalt in der Schullandschaft erhalten. Gymnasiales Profil schärfen
Bild: MoiraM/AdobeStock
Hessischer Phi lologenverband
Alles Banane – oder was?
selbst von einem Absatz des Textes zum nächsten. Noten des Vorjahres werden als Grundlage für eine Verset- zung herangezogen, ohne die Lern- entwicklung von Schülerinnen und Schülern zu berücksichtigen. Nun, von einer ’Bananenrepublik’ sind wir sicher weit entfernt, aber ein biss- chen bananig fühlt es sich schon an. Bleiben Sie gesund, die nächsten Irrungen und Wirrungen werden wir auch noch überstehen. Herzlichst Ihr
nahmen, die ergriffen wurden, um die Pandemie zu bekämpfen, als um die formalenWege, die dazu beschritten wurden. Wichtige Entscheidungen werden von Gremien getroffen, die weder grundsätzlich legitimiert sind noch von einem Parlament eingesetzt wurden. Ministerpräsidenten stellen fest, dass sie ein Gesetz zwar für ver- fassungsmäßig bedenklich halten, stimmen diesem Gesetz dann aber im Bundesrat munter zu. Ein einfacher Erlass setzt eine geltende Verordnung in einem wichtigen Punkt außer Kraft und widerspricht sich dabei inhaltlich
von CHRISTOF GANSS
2 In eigener Sache Inhalt
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe langsam, aber sicher Proble- me damit, mich mit dem Umgang mit der Pandemie in unserem Land anzu- freunden und die Entscheidungen der Politik nachzuvollziehen. Dabei geht es mir weniger um die konkreten Maß-
Editorial » Gefragt sind tragfähige Lösungen: gezielt, kraftvoll und schnell .................... 3 hphv-Standpunkt » Geschlechtersensible Sprache in Publikationen des hphv ............................... 4 Personalratsarbeit » DasTeam imHauptpersonalrat ........................................................................... 5 » Konkrete Personalratsarbeit II: Die Rechtsstellung des Personalrats ............. 5 Klartext » Lange gezögert, fragwürdige Lösung ............................................................... 8 Digitale Vertreterversammlung 2021 » Vielfalt in der Schullandschaft erhalten. Gymnasiales Profil schärfen ......... 10 » Resolutionen ..................................................................................................... 13 Referendariat & Berufseinstieg » Das Referendariat in Corona-Zeiten ................................................................ 16 » 3. Online Meet’n’Greet für neu eingestellte Referendarinnen und Referendare ...................................... 20 » Junger Ausschuss holt Lehramtsstudierende ab – so gewinnt der Verband eine Zielgruppe ......................................................... 21 Veranstaltungen » Demokratie und Klimadebatte als Gegenstand gymnasialen Unterrichts ............................................................................... 22 » Digitalisierung im Zuge der Schulentwicklung ............................................... 23 Rechtstipps » Im Fokus der Gerichte: Beaufsichtung der Testungen der Kinder ........................ 24 Berichte » Extremismus, Rassismus und Antisemitismus – Herausforderungen für die Schule .................................................................... 28 » Zukunftsweisender Landesjugendtag der ’deutschen beamtenbund jugend hessen’ ...................................................... 28 Rezensionen » Wir waren Glückskinder – trotz allem ............................................................... 29 » Schule weiter denken ....................................................................................... 30 Pensionäre » Nächstes Pensionärstreffen erst wieder im Jahr 2022 ...................................... 31 Personalien » Geburtstage | Wir trauern um .......................................................................... 32 Hauptpersonalrat » Nachrichten aus dem HPRLL ........................................................................... 34
» Editorial:
Gefragt sind tragfähige Lösungen: gezielt, kraftvoll und schnell
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» Digitale VV 2021: Vielfalt in der Schullandschaft erhalten. Gymnasiales Profil schärfen
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» Veranstaltungen: Demokratie und Klimadebatte als Gegenstand gymnasialen Unterrichts
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Editorial
Gefragt sind tragfähige Lösungen: gezielt, kraftvoll und schnell
Bild: 1STunningART/AdobeStock
D ie Personalratswahlen ha- ben am 4. und 5. Mai statt- gefunden. Dank des uner- müdlichen Einsatzes des gesamten dlh-Wahlkampfteams und aller an- deren engagierten Verbandsmitglie- der konnten sich erwartungsgemäß unsere hphv-Spitzenkandidaten An- nabel Fee und Peter Natus durchset- zen, im dlh-Verbund haben wir uns achtbar geschlagen. Die vergleichs- weise schwache Wahlbeteiligung dürfte auf die durch Corona er- schwerten Bedingungen zurückzu- führen sein. Energie und Konzentrati- on der Kolleginnen und Kollegen wa- ren im schulischen Ausnahmemodus stark gebunden, beispielsweise durch den kräftezehrenden Digital- und Wechselunterricht, auch natürlich durch die diesjährige Abiturprüfung nach den Osterferien. Ein herzliches Dankeschön allen, die uns mit ihrer Stimme gestärkt haben, wir freuen uns auf Ihre Fragen, Anregungen, Beiträge und werden uns weiterhin verlässlich und kompetent für Sie und Ihre Interessen einsetzen. Laut einem Befund der jüngsten Befragung des ’ifo Zentrums für Bil- dungsökonomie‘ unter Leitung von Ludger Wößmann (München 2021) kam es aufgrund der Anti-Corona- Maßnahmen zu empfindlichen Lern- zeitverlusten aufseiten der Schüle- rinnen und Schüler. Wissenserwerb, Persönlichkeitsentwicklung und psy- chische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen haben ohne den ge- wohnten Lern- und Lebensraum Schule deutlich gelitten. Der ist nicht
Es versteht sich von selbst, dass pandemiebedingt keine Versammlun- gen und kaum Begegnungen möglich waren und immer noch beschränkt sind. Weiterhin dominieren die virtuel- len Formate, in deren Folge zuweilen digitaler ’Meetingfrust‘ aufkommt. Die Pandemie hat sehr deutlich wer- den lassen, welche Vorteile Bespre- chungen in Präsenz, persönliche Zu- sammenkünfte, Veranstaltungen mit informellen Treffen am Rande haben, um stressige Phasen managen zu können, um angespannte Lagen auf- zulösen. Die prekäre Lage beansprucht viel Kraft, die man eigentlich dringend für andere Themen bräuchte. Hier ein Ab- riss: • Wenn gymnasiale Bildung einen vertieften Kenntnis- und Erkennt- nisgewinn erbringen soll, so ist die- ser Auftrag schon seit Längerem in Gefahr. Aktuelle Herausforderun- gen in Schule und Bildung – auf- grund der Heterogenität der Lern- gruppen und von problematischem Leistungswillen und Leistungsver- mögen in unserer Schülerschaft – führen zu einer Krisensituation der gymnasialen Bildung: Wie retten wir die Qualität? Wie sichern wir guten Unterricht? • Der Übergang von der Grundschule an die weiterführenden Schulen sollte durch ein qualifiziertes Ver- fahren abgesichert sein. • Erziehung ist und bleibt eine an- strengende Aufgabe, das wissen alle. Sie kommt immer stärker zu unserem Kerngeschäft, dem
von REINHARD SCHWAB Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
ersetzbar. Unterricht ist eben primär ein Präsenzgeschäft, das während der Pandemie enorm unter die Räder gekommen ist. Wir Lehrkräfte stehen in dieser Zeit immer mit einem Bein, zeitweise auch mit beiden, im Digita- len, viele sehen ihre Unterrichtsge- genstände in eine mächtige Wolke – sprich Cloud – entschweben. Und ein digitaler Neandertaler will und darf niemand sein. Angesichts der päda- gogischen Herausforderungen ste- hen wir oft mit dem Rücken an der Wand. »So viel Wissen über unser Nicht- wissen und über den Zwang, unter Unsicherheit handeln und leben zu müssen, gab es noch nie«, so lautet ein Statement des Philosophen Jür- gen Habermas (2020). Im schuli- schen Bereich kommen wir jedoch oh- ne ’gewisse‘ Gewissheiten nicht aus, wir sind darauf angewiesen, sie bieten Orientierungen und Sicherheit für un- sere Arbeit. In der Bildungspolitik aber immer nur auf Sicht zu fahren, ist auch problematisch. Leider kamen ministerielle Vorgaben oft chronisch spät, Nachregelungen waren immer wieder notwendig, was unproduktive Unruhe brachte und sich zusätzlich belastend auswirkte.
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Geschlechtersensible Sprache in Publikationen des hphv Leitend sind für den hphv die nachfolgenden Überlegungen
Unterrichten , dazu: Was wird da alles den Lehrkräften zugemutet? • Das Abitur und seine bundesweite Ver- gleichbarkeit kann uns nicht zufrieden- stellen, besonders angesichts des Bundes- verfassungsgerichtsurteils vom 19. Dezem- ber 2017 zur Vergabe von Studienplätzen: Wie können wir diesem Urteil gerecht wer- den? Die grundsätzliche Forderung muss lauten: Mehr Vergleichbarkeit auf hohem Niveau. • Kompetenzen und Kanon. Warum keinen Diskurs führen über die Erarbeitung eines Wissenskanons für die einzelnen Fächer? • Die Cancel Culture-Kampagne, die unse- re freie Debattenkultur und damit die Frei- heit der Wissenschaft und Forschung be- droht, kann uns nicht unberührt lassen. ’Cancel Culture’, zu übersetzen als ’Absa- ge- oder Löschkultur’, ist in ihrer Wirkung eine Unterdrückungskultur: Was nicht als angemessen gilt, selbst eine sachliche Ar- gumentation, soll in der Attitüde eines moralisch Überlegenen zumVerstummen gebracht werden. Norbert Bolz, Medien- wissenschaftler und Philosoph, merkt da- zu an: »Zunehmend verdrängen Narrative der Identität die wissenschaftliche Wahr- heit.« Und Bolz weiter: »Flankiert werden sie von der Sprachpolizei der politischen Korrektheit« (Avantgarde der Angst, 2020) . Meinungspluralismus sieht anders aus. • Formen der geschlechtergerechten Sprache wirken bisweilen irritierend: Es scheint Mode zu werden, mit ungrammati- schen Ausdrücken zu ’gendern‘, um poli- tisch korrekt zu sein. Dieses Thema dürfen wir nicht den fachlich Unbedarften über- lassen, erst recht nicht den Genderbeses- senen. Gerade die Sprache ist für uns Lehrkräfte das zentrale Kommunikations- mittel, um Bildung für unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen wirksam wer- den zu lassen. Ihre Eindeutigkeit und Ver- ständlichkeit sollten nicht dem sinnvollen Zweck – nämlich der Gleichberechtigung und gleichen Achtung der Geschlechter – geopfert werden. Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel. Ein Ja zu einer geschlechter- sensiblen Sprache – aber bitte keine ideo- logische Überfrachtung! Bleiben Sie zuversichtlich und demVerband gewogen.
Editorial | hphv-Standpunkt
A ls Verband von Gymnasi- allehrkräften können wir nicht einer Entwicklung Vorschub leisten, die uns jenseits der aktuellen orthografischen Normenlage verortet und ein ge- wachsenes, gut funktionierendes Sprachsystem so verändert, dass die eindeutige und schnelle Kommunikation erschwert wird, teilweise sogar misslingt. Kom- munikation darf nicht ineffizient werden. Ein geschlechtergerech- ter Sprachgebrauch sollte zudem das Erlernen der geschriebenen Sprache nicht erschweren und keine unnötigen Hindernisse für Nichtmuttersprachler errichten. Gezielten Lenkungsmaßnah- men, die mittels der Sprache Ge- schlechtergerechtigkeit herstel- len für die ’richtige‘ Gesinnung sorgen wollen, stehen wir skep- tisch gegenüber, zu ungewiss ist doch die Aussicht, dass sich über die ’richtige‘ Sprache das Be- wusstsein der Menschen wie auch die gesellschaftlichen Rea- litäten verändern lassen. Für die- se Notwendigkeiten gibt es bes- sere und durchsetzungsstärkere Maßnahmen im politischen Ent- scheidungsbereich. Gender-Stern, Gender-Dop- pelpunkt, Gender-Gap, Binnen-I sind Versuche einer Sprachlen- kung und stellen fremde Wort- bildungsformen dar, die nicht mit den geltenden, vom Rat für deutsche Rechtschreibung ver- tretenen Normen vereinbar sind (s. Empfehlungen vom 26. März 2021) . Befremdlich und unge- lenk wirkt beispielsweise eine Formulierung wie »Wir suchen eine*n erfahrene*n Lehrer*in.« Einen Normverstoß stellt auch
die Anrede »Liebe Kolleg*innen« dar (hier wird die männliche Ge- schlechtsmarkierung verkürzt). Der hphv schließt sich den Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung an, der folgende Kriterien für eine »geschlechtersensible Schrei- bung« anführt: Sachliche Kor- rektheit, Verständlichkeit, Les- barkeit und Vorlesbarkeit, Rechtssicherheit und Eindeutig- keit, Übertragbarkeit auf deutschsprachige Länder, Si- cherstellung der Möglichkeiten für Lesende bzw. Hörende, sich auf die wesentlichen Sachver- halte und Kerninformationen zu konzentrieren, Lernbarkeit. Der hphv bevorzugt ein gram- matisch korrektes ’Gendern‘ . Von verkomplizierten Formulie- rungen, die zwar gendergerecht erscheinen, aber ungrammatisch und kommunikativ ineffizient sind, sehen wir ab. Der hphv folgt den Vorgaben des vom Bundesjustizministeri- um herausgegebenen ’Hand- buch(s) der Rechtsförmlichkeit’ (2008) und bevorzugt im Sinne der sprachlichen Gleichbehand- lung • geschlechtsneutrale Perso- nenbezeichnungen (zum Bei- spiel ’die Lehrkraft’, ’das Mit- glied’), • kreative Umschreibungen , durch die Personenbezeich- nungen vermeidbar sind (’den Vorsitz hat’, ’die Anwesenden’, ’die kollegiale Unterstüt- zung’), und • Doppelnennungen , besonders an zentralen Stellen (’Beam- tinnen und Beamte’). Reinhard Schwab
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Ich grüße Sie herzlich Ihr Reinhard Schwab
Das Team im Hauptpersonalrat
Personalratsarbeit
Wir sagen DANKE für das VERTRAUEN , das Ihr uns durch Eure Stimmen bei den Personalratswahlen geschenkt habt. Wir freuen uns darauf, Euch und Eure Interessen im Hauptpersonalrat vertreten zu dürfen.
Jasmin Richter
Annabel Fee
Peter Natus
Roselinde Kodym
Tina Horneff
Jörg Leinberger
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Info
Eine Analyse der Personalratswahlen 2021 finden Sie in der Ausgabe 4/2021 von Blickpunkt Schule
Konkrete Personalratsarbeit II: Die Rechtsstellung des Personalrats Überblick und Einführung in die Personalratsarbeit W urde im vorhergehenden Artikel in Blickpunkt Schu- le 2/2021 eine kleine Serie gestartet, in der anhand eines soge- nannten ’Jahresplanes’ einige Haushaltsplan, Schuldeputat und A14-Beförderungen angesprochen wurden, werde ich heute die Rechts- grundlagen und damit die Rechtsstel- lung des Personalrats sowie die ver- von HEINZ SEIDEL Vorsitzender des Bezirks Gießen *
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Schwerpunkte der Arbeit eines Perso- nalrats wie zum Beispiel Lehrerversor- gung, Zustimmungsverweigerung,
schiedenen Ebenen bis zum HKM, dem Hessischen Kultusministerium, darstellen.
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Zur Geschichte der Personalräte
Ein paar praktische Tipps zum Neustart der Personalräte • Alle Personalräte haben ein Anrecht auf eine Grundschulung, und zwar jede Einzelperson und nicht per Gremium nur eine Person! Auch als Auffrischung ist dies immer wieder in bestimmten Abständen nicht nur geboten, sondern auch da besteht ein Rechtsanspruch. Gerade jetzt nach den Wahlen ist dies den Neu- lingen dringend anzuraten. • Zudembesteht für jede Gewerk- schaft und gesondert auch für den Personalrat das Recht, im Lehrerzim- mer eine eigene Informationswand zu installieren und zu betreiben. Die Kosten trägt hier die Dienststelle (§ 42,2 HPVG), zumal Dienststelle, Personalrat und Gewerkschaften »vertrauensvoll zusammenwirken« sollen (§ 60,1 HPVG) und Gewerk- schaften »bei der Erfüllung ihrer Aufgaben« vomPersonalrat zu un- terstützen sind (§ 60,2 HPVG), wozu auch das Informationsrecht der Ge- werkschaften zur Lehrerschaft na- turgemäß gehört. • Jedes Mitglied des Personalrats hat »Anspruch auf einen aktuellen Ba- siskommentar zum HPVG« (vgl. Dirk Lenders: Hess. Personalvertre- tungsgesetz, 2012, S. 132 RN 15) • Eine Benachteiligung von Personen, die sich gewerkschaftlich – und da- mit auch imPersonalrat! – betätigen, hat seitens der Dienststelle zu ’un-
das Gesetz« , so wurde diese Vorgabe in dem sogenannten ’Hessischen Per- sonalvertretungsgesetz’ (HPVG) seit 1960 umgesetzt und konkret ausge- staltet (vgl. § 1 HPVG). Dies ist unsere Geschäfts- und Rechtsgrundlage, lie- be Personalrätinnen und Personalräte. Darüber wird zu reden sein! Das Geflecht von normsetzen- den Institutionen und den zu- gehörigen Personalräten Die Tabelle zeigt, auf welcher Ebene die Amtsleitung bzw. Behörde vom HKM über das Staatliche Schulamt bis zur Schulleitung das ’Sagen haben’, wobei die jeweiligen Personalräte aber immer in der Mitbestimmung oder Mitwirkung, zumindest in der An- hörung sind. Bei den Gesetzgebungs- verfahren sind auch die Gewerk- schaftsverbände und deren Stellung- nahmen gefragt. Gliederung des HPVG Eine grobe Gliederung des HPVG, was unsere mehr zentralen Belange an- geht, sieht folgendermaßen aus: der Personalrat: Wahl und Zusammenset- zung (§§ 9-22), Amtszeit (§§ 23-28), Geschäftsführung (§§ 29-43); die Personalversammlung (§§ 44-49), Stufenverfahren und Gesamtperso- nalrat (§§ 50-53), Beteiligung und Beteiligungsrechte des Personalrats allgemein, in sozialen und Personal- angelegenheiten (§§ 60-80).
Unmittelbar nach demZweitenWelt- kriegmachte Deutschland, in diesem Falle das neu gegründete Bundesland Hessen, einen großen Schritt zur De- mokratisierung der Arbeitswelt, indem im Jahre 1947 in der HessischenVerfas- sung den Gewerkschaften und den Be- trieben Mitbestimmung auf Augenhöhe zugesichert wurde. So heißt es in der HessischenVerfassung in Art. 37: »(1) Angestellte, Arbeiter und Beamte in allen Betrieben und Behörden erhalten unter Mitwirkung der Gewerkschaften gemeinsame Betriebsvertretungen, die in allgemeiner, gleicher, freier, geheimer und unmittelbarer Wahl von den Ar- beitnehmern zu wählen sind. (2) Die Betriebsvertretungen sind dazu berufen, im Benehmen mit den Gewerkschaften gleichberechtigt mit den Unternehmen in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Fra- gen des Betriebs mitzubestimmen . (3) Das Nähere regelt das Gesetz.« Wir können diese Entwicklung, an der die Beamten wie auch die Angestell- ten in der Lehrerschaft in gleicher Weise partizipieren, nicht hoch genug einschätzen, waren doch die Gewerk- schaften in der Zeit des Nationalsozia- lismus und des Krieges zerschlagen, verboten, Gewerkschaftler wurden in Konzentrationslager verschleppt und getötet. Betriebsräte und Personalräte kommen aus der Arbeiter- und Ge- werkschaftsbewegung und sind deren ’Frucht’, sodass in der Folge auch wir Lehrergewerkschaften dank des HPVGs einen besonderen Schutz ge- nießen und gleichwohl eine besondere Stellung haben. So ist es auch einsich- tig und verständlich, dass zwar unab- hängige Listen, zum Beispiel die UL, kandidieren und in die Personalräte einziehen können, aber nicht ’Gewerk- schaftsbeauftragte’ grundsätzlich oder als Nachrücker dorthin entsen- den können. Dies ist allein den Ge- werkschaften vorbehalten, sofern sie in dem Gremiummit Personen aus dieser Gewerkschaft vertreten sind. Lautet in der Hessischen Verfassung der Art. 37 Abs. 3 »Das Nähere regelt
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Institution
Personalrat
Bestimmung Beispiele
Landtag
Gesetz
Hess. Beamtengesetz Hess. Schulgesetz Hess. Personal- vertretungsgesetz Konferenzordnung, Dienstordnung, Pflichtstunden- verordnung, Einstellungserlass
Landesregierung
Verordnung
Hessisches Kultus- ministerium
Hauptpersonalrat Verordnung, Erlass
Staatliches Schulamt
Gesamtpersonalrat Verfügung Versetzung, Abord- nung, Festlegung der beweglichen Ferien- tage, Genehmigung der Altersteilzeit
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Schulleitung
Schulpersonalrat
Anordnung Stundenplan,
Aufsichtsführung, Dienstbefreiung
gegen die ’Schweigepflicht’ gilt als ’grobe Pflichtverletzung’ und kann zum Ausschluss aus dem Personalrat führen (§ 25,1; vgl. Dirk Lenders, a. a. O., S. 213, RN 13). Ebenso ist die ’Friedenspflicht’ innerhalb dieser Ge- meinschaftsgeflechte unabdingbar trotz aller Meinungsverschiedenhei- ten, die auch aufgrund verschiedener Interessenlagen nicht immer vollends aufzulösen sind. Das ’Neutralitätsge- bot’ beinhaltet den Grundsatz, keine parteipolitischen Aktivitäten an der Dienststelle auszuüben, um auch hier die ’Friedenspflicht’ zu wahren; eine gewerkschaftliche Aktivität betrifft dies aber ausdrücklich nicht! Die sechs ’Säulen der Rechte’ eines Personalrats In der nächsten Ausgabe von Blick- punkt Schule werden die besonderen Rechte des Personalrats vorgestellt und konkretisiert: Es geht hierbei um das Initiativrecht (§ 69,3), das Infor- mationsrecht (§ 62,2), das Kontroll-
terbleiben’ (§ 61,1 HPVG). Das heißt imUmkehrschluss, dass aus dieser Betätigung auch keineVorteile ge- genüber anderen erwachsen dürfen, da diese dann benachteiligt wären. Die fünf ’Säulen der Pflichten’ eines Personalrats Der Personalrat hat Rechte und Pflich- ten. Zu seinen zentralen Pflichten ge- hören die vertrauensvolle Zusammen- arbeit (§ 60,1), der Wille zur Einigung (§ 60,4), das Neutralitätsgebot (§ 61,1), die Friedenspflicht (§ 60,3) und die Schweigepflicht (§ 68). Ohne die ’vertrauensvolle Zusammenarbeit’ kann ein Personalrat mit der Dienst- stelle auf Dauer nicht zusammenar- beiten. Das Vertrauen ist hier wie ge- nerell in menschlichen und Handels- beziehungen die Grundlage schlecht- hin. Manches ergibt sich automatisch daraus wie zum Beispiel die ’Schwei- gepflicht’, die insbesondere Personen nach außen schützen muss sowie die Interna eines Personalrats. Ein Verstoß
und Überwachungsrecht (§ 61), das Anhörungsrecht (§ 60), das Mitwir- kungsrecht (§ 72) und das Mitbestim- mungsrecht (§ 69). Literaturhinweise Zum Abschluss sei erneut darauf verwiesen, dass wir vom Hessischen Philologenverband das Hessische Personalvertretungsgesetz (HPVG) in einer attraktiven Form 2018 neu gedruckt haben. Dieses HPVG enthält auch ein alphabetisches Stichwortverzeichnis. Aber das HPVG bedarf zusätzlich eines Kom- mentares, weil ein solcher auch Grundsatz- urteile zu den einzelnen Themen bzw. zu den einzelnen Paragrafen enthält sowie vertie- fend den Gesetzestext erklärt. Als empfehlenswert sind hier zu nennen: Spieß, Walter: Personalvertretungsrecht Hessen 2012, Walhalla Fachverlag, Regens- burg 2012 Lenders, Dirk: Hessisches Personalvertre- tungsgesetz, BUND-Verlag; derzeit neu überarbeitet und aktualisiert (ist besonders empfehlenswert und sehr handlich!) * Heinz Seidel ist seit 2012 Referent in der Personal- räteschulung Hessen Mitte, 2. stellvertretender Vorsitzender des Gesamtpersonalrats in Weilburg (2019 bis 2021) und Mitglied des ASA-Ausschusses (Arbeitsschutz und Gesundheit) am Staatlichen Schulamt Weilburg (2012 bis 2021)
Personalratsarbeit
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Lange gezögert, fragwürdige Lösung E s hat lange gedauert, bis das Ministerium auf die Forderun- gen aller Gewerkschaften, Ver-
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bände und Interessenvertretungen reagiert hat, um die anstehenden Fra- gen nach Leistungsbewertungen, Ver- setzungen und freiwilligenWiederho- lungen rechtlich zu klären. Mit Erlass vom 12. Mai 2021 (Az.: 821.100.000. 00097) ist dies nun endlich geschehen, zufriedenstellend ist das Ergebnis aber keineswegs und letztlich werden Ver- setzungen in sehr vielen Fällen wieder ohne entsprechende Leistungsnach- weise angeordnet. Pädagogische Er- wägungen der verantwortlichen Lehr- kräfte werden zugunsten formaler (willkürlicher) Kriterien hintangestellt. Aber der Reihe nach ZumEnde des letzten Schuljahres wur- den alle Schülerinnen und Schüler un- geachtet ihres Leistungsvermögens auf Anweisung des Hessischen Kultusmi- nisteriums versetzt. Bei der Leistungs- bewertung sollte trotzdemgroßzügig benotet werden, sprich, mangelhafte Noten wurden häufig nicht erteilt, ob- wohl sie oft begründbar gewesen wä- ren. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnah- men wurde schon damals angezweifelt. Im ersten Halbjahr des laufenden Schuljahres fand dann bis zum 15. De- zember weitgehend regelmäßiger Un- terricht nach der Stundentafel in Prä- senz statt. Es stand also außer Frage, dass eine korrekte Leistungsbewertung aller Schülerinnen und Schüler möglich war. Diese wurde auch vorgenommen und in den Halbjahreszeugnissen doku- mentiert. Erst danach kam es zu erneuten Un- terrichtsformen, die Distanzunterricht, Hybridunterricht und Präsenzunterricht umfassten. Von Anfang an wurde durch das Ministerium klargestellt, dass im Gegensatz zumvergangenen Schuljahr diese Unterrichtsformen als gleichwer- tig anzusehen seien. Mithin war auch die Benotung der Schülerinnen und Schüler möglich und wurde ausdrück- lich vorgesehen, da der Unterricht ja schließlich durchgehend erteilt wurde.
Bild: Dieter Pregizer/AdobeStock
Durch die verschiedenen Unter- richtsformen erschwert wurden die Durchführung von Klassenarbeiten und anderen schriftlichen Leistungs- nachweisen. Insofern bestand hier Handlungsbedarf hinsichtlich der An- zahl der verbindlichen schriftlichen Leistungsnachweise. Dies wurde nun umsetzbar geregelt. Zu bedenken ist dabei, dass in sehr vielen Regionen ab dem 31. Mai 2021 der Unterricht wieder vollständig als Präsenzunterricht er- teilt werden kann. Eine realistische Leistungsbewertung kann und soll also folgerichtig zum Ende des Schuljahres erfolgen. Die Noten am Ende eines Schuljahres berücksichtigen dabei die gesamte Lern- und Leistungsentwick- lung der Schülerinnen und Schüler. Es handelt sich keineswegs um eine Mo- mentaufnahme. Gleichzeitig wird mit dem Zeugnis eine Prognose erstellt, ob es Schülerinnen und Schülern voraus- sichtlich möglich sein wird, im folgen- den Schuljahr in der nächsten Jahr- gangsstufe erfolgreich mitzuarbeiten. Neben einer Vielzahl von formalen Vor- schriften zu den Versetzungsregeln gibt es als Ausnahme noch die Mög- lichkeit einer sogenannten »Pädagogi- schen Versetzung«. Aber auch diese unterliegt strengen Anforderungen und darf nicht willkürlich ausgespro- chen werden. Sie ist eingehend zu be- gründen. All dies ist in der VOGSV ge- regelt. An dieser Stelle setzt nun der oben genannte Erlass an. Zunächst bestä- tigt der Erlass die Regelungen der VOGSV und ergänzt diese um beson-
dere Bedingungen, die der gegenwärti- gen Pandemie geschuldet sind. Ledig- lich im Bereich der Pädagogischen Ver- setzungen trifft der Erlass Regelungen, die die Bestimmungen der VOGSV konterkarieren. Besonders auffällig ist, dass der Erlass in diesem Abschnitt in sich selbst widersprüchlich ist. Es ent- steht fast der Eindruck als wären hier zwei unterschiedliche Autoren am Werk gewesen. Wird zunächst die Aus- nahmeregelung einer Pädagogischen Versetzung betont und herausgestellt, dass diese zu begründen sei, wird sie am Ende des Abschnitts zur Regel er- klärt, wenn die Leistungen der Schüle- rinnen und Schüler am Ende des letz- ten Schuljahres durchweg ausreichend waren. Dieses Zurückgreifen auf längst vergangene Leistungen ist völlig will- kürlich und kann keineswegs begrün- den, dass die Schülerinnen und Schüler im nächsten Schuljahr erfolgreich mit- arbeiten können. (Dabei ist sogar noch außer Acht gelassen, wie die Noten im letzten Schuljahr zustande kamen.) Wenn aber schon vergangene Leis- tungen bei der Versetzungsentschei- dung berücksichtigt werden sollten, dann bleibt es unverständlich, dass man hierzu nicht die Noten der Halb- jahreszeugnisse heranzieht, wobei auch dies aus meiner Sicht rechtlich fragwürdig wäre. Ein Erlass hebelt hier eine Verord- nung in einem zentralen Punkt aus, weist die Konferenzen an, wie sie zu entscheiden haben, verlangt dafür auch noch eine Begründung und ver- pflichtet die Schulen dazu, anschlie-
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ßend Fördermaßnahmen zu ergreifen, um den Schülerinnen und Schülern die erfolgreicheTeilnahme in der nächsten Jahrgangsstufe zu ermöglichen, was ja vorher als Voraussetzung für eine Pä- dagogische Versetzung schon unter- stellt wurde. Mit Verlaub, das verstehe ich mit meinem normalen Verstand nicht mehr. Wenn dies zumNutzen der betroffe- nen Schülerinnen und Schüler wäre, könnte ich gelassen über diese aus meiner Sicht verdrehte Sichtweise hin- wegsehen. Dem ist aber mitnichten so. Im gegliederten Schulsystem sind Bin- nendifferenzierungen nur bedingt möglich. Das Unterrichten auf ver- schiedenen Niveaustufen ist nicht ziel- führend, weil am Ende eines Schuljah- res festgestellt werden muss, ob eine Beschulung im gleichen Bildungsgang auch in der nächsthöheren Jahrgangs- stufe erfolgreich möglich sein wird. Auch für Laien müsste verständlich sein, dass eine erfolgreiche Mitarbeit bei mangelhaften Leistungen in meh- reren (Haupt-)Fächern kaummöglich sein dürfte. Dass aber ausgerechnet das zuständige Fachministerium sug- geriert, dies sei durch Fördermaßnah- men neben dem regulären Unterricht in absehbarer Zeit zu leisten, ist schon grotesk. Völlig befremdlich wird diese Haltung dann, wenn in einer Mitteilung des Hessischen Kultusministeriums er- klärt wird, dass diese Fördermaßnah- men problemlos von Abiturienten (sic!), Lehramtsstudierenden und pen- sionierten Lehrkräften geleistet wer- den könnten. Das schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus. Pensionierte Lehrkräfte könnten diese Aufgabe na- türlich bewältigen, aber wurden diese gefragt, ob sie hierzu auch bereit wä- ren?Wer soll diese Menschen anspre- chen und rekrutieren?Wer schließt die entsprechenden Arbeitsverträge ab? Dies sind nur einige Fragen, die sich stellen, und ich ahne schon die gene- röse Antwort des Ministeriums: Diese Zusatzaufgaben können die Schulen in eigener Zuständigkeit erledigen. Eben- so können sie den zusätzlichen Unter- richt in allen Klassenstufen und zumin- dest in allen Hauptfächern sowie in den unterschiedlichen Ausprägungen des
gymnasialen Bildungsgangs, der im- mer noch gleichzeitig G8- und G9- Organisationsformen aufweist, organi- sieren. Alles kein Problem, denn es gibt ja schließlich die Ferien, die für die För- dermaßnahmen genutzt werden kön- nen, nur dumm, dass die ersten Ferien erst sechs Wochen nach Schuljahres- beginn liegen. Die Schulleitungen ha- ben aber sicher auch hierfür eine Lö- sung in der Hinterhand. Zurück zu den angedachten Unter- stützungen durch Abiturienten und Lehramtsstudierenden. Allein diese Idee verunglimpft den Beruf der aus- gebildeten Lehrkräfte. Lehrkräfte ha- ben in einer langen Ausbildung gelernt, gezielt Lernentwicklungen zu organi- sieren, Inhalte methodisch-didaktisch aufzubereiten, Leistungen und Leis- tungsdefizite zu diagnostizieren und ganze Klassen oder Lerngruppen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzun- gen so anzuleiten, dass nahezu allen Schülerinnen und Schülern der Lern- stoff so vermittelt werden kann, dass sie zumindest ausreichende Leistun- gen erzielen. Besondere Herausforde- rungen werden an Lehrkräfte gestellt, wenn durch gezielte Fördermaßnah- men größere Leistungsdefizite aufge- holt werden sollen. Hierzu bedarf es großer Professionalität. Diese Profes- sionalität ohne weitere Prüfung Abitu- rienten und Lehramtsstudierenden zu- zuschreiben ist ein Schlag ins Gesicht eines ganzen Berufsstandes. Zurück zu der Frage, ob die Regelun- gen des Erlasses wenigstens den Schü- lerinnen und Schülern nutzen. Meine Antwort darauf ist eindeutig. Vielen Schülerinnen und Schülern wird diese automatisierte Versetzung eher scha- den, weil es unmöglich sein wird, den Lernstoff eines ganzen oder halben Jahres parallel zu der Erarbeitung des neuen Lernstoffes der neuen Jahr- gangsstufe nachzuarbeiten. EineWie- derholung der Jahrgangsstufe böte hier sicher eine solidere Grundlage. Von dieser Möglichkeit machen leider nur wenige Eltern Gebrauch. Aber all dies ist ja den Verantwortli- chen imHessischen Kultusministerium durchaus bewusst und das ist die ei- gentlicheTragik. Christof Ganß
Impressum
72. Jahrgang | ISSN 0723-6182 Verleger: Hessischer Philologen- verband e.V. Die Zeitschrift »BLICKPUNKT SCHULE« des Hessischen Philologenverbandes erscheint fünfmal im Jahr 2021. Der Hessische Philologenverband ist der Gesamtverband der Lehre- rinnen und Lehrer an den Gymna- sien in Hessen sowie der an ande- ren Schulformen tätigen Philolo- gen. Er ist der Fachverband im Deutschen Beamtenbund, Lan- desbund Hessen (dbb), er ist dem Deutschen Lehrerverband Hessen (dlh) und durch den Deutschen Philologenverband (DPhV) dem Deutschen Lehrerverband (DL) angeschlossen. Für den Inhalt verantwortlich: Der Vorstand des Hessischen Philologenverbandes. Chefredaktion: Christof Ganß (V.i.S.d.P.) Dr. Iris Schröder-Maiwald eMail: blickpunkt-schule@hphv.de Mit dem Namen der Verfasser gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Hessischer Philologenverband e.V. Geschäftsstelle: Schlichterstraße 18 65185 Wiesbaden Tel.: 06 11 / 30 74 45 Fax: 06 11 / 37 69 05 eMail: hphv@hphv.de Web: www.hphv.de Bank: Volksbank Odenwaldkreis BIC: GENODE51 MIC IBAN: DE30 5086 3513 0004 3579 73 Der Verkaufspreis ist durch die Mitgliedsbeiträge abgegolten. Verlag und Anzeigenverwaltung: Pädagogik & Hochschulverlag Graf-Adolf-Straße 84 40210 Düsseldorf www.dphv-verlag.de Anzeigenverwaltung: Tel.: 02 11 / 3 55 81 04 Fax: 02 11 / 3 55 80 95 eMail: dassow@dphv-verlag.de Satz und Layout: Tel.: 02 11 / 1 79 59 65 Fax: 02 11 / 1 79 59 45 eMail: heinemann@dphv-verlag.de
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Digitale Vertreterversammlung 2021
Digitale Vertreterversammlung des Hessischen Philologenverbandes Vielfalt in der Schullandschaft Gymnasiales Profil schä
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A m 1. Juni fand von 14:00 bis 18:00 Uhr die Vertreterver- sammlung des Hessischen Philologenverbandes, der Interessen- vertretung der hessischen Gymnasial- lehrkräfte an Gymnasien, Gesamt- schulen und anderen Schulen mit gymnasialem Bildungsangebot, statt. Aufgrund der Corona-Pandemie wur- de diese als ’Hybrid-Veranstaltung’ durchgeführt. Der geschäftsführende Vorstand und die Vorsitzenden der Ausschüsse waren in Präsenz bei dem Technikanbieter ’tividoo’ in Langen- lonsheim vor Ort. Auch der Kultusmi- nister war aus Wiesbaden gekommen und konnte live und in Präsenz seine Rede halten. Die Sitzung wurde ge- streamt und die angemeldeten Teil- nehmerinnen und Teilnehmer waren online zugeschaltet. Per Videochat- Funktion gab es die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden, parallel konnten schriftliche Fragen gestellt werden.
Rund 100 Delegierte waren über die Dauer von vier Stunden bei der Vertre- terversammlung eingeloggt und ent- schieden über vier Resolutionen zu den Themen ’Lesen stärken – Sprachschatz stärken!’, ’Förder- maßnahmen zur Kompensation’, ’Microsoft Teams und der Daten- schutz: Kultusministerium ver- schläft Brisanz’ sowie ’Lehrerge- sundheit’ . Entschieden wurde auch, dass die Beschlussfassung über zahl- reiche der eingereichten Anträge auf die nächste in Präsenz stattfindende Vertreterversammlung (geplant am 18. November in Fulda) verschoben wird. Das neue Format hat alle Beteilig- ten vor Herausforderungen gestellt. Aufgrund technischer Probleme vor Ort musste mehr als gedacht improvi- siert werden. Unser besonderer Dank geht an den Sitzungsleiter Bert Thie- me, der souverän und wortgewandt
die technischen Unwägbarkeiten ’um- schifft‘ hat und wesentlich zu dem letztlich guten Verlauf beigetragen hat. Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz ging in seiner Rede schwerpunkt- mäßig auf die letzten fünfzehn ’Coro- na-Monate’ ein. Er stellte die positive Entwicklung hinsichtlich der techni- schen Ausstattung der Schulen he- raus und verkündete die »gute Bot- schaft«, dass es wegen der gesunke- nen Inzidenzzahlen in Kürze wieder in ganz Hessen für alle Jahrgangsstufen in den eingeschränkten Regelbetrieb gehen werde. Um die Sicherheit des Schulbetriebes zu gewährleisten, ha- be die Masken- und Testpflicht an den Schulen noch lange Bestand. Auch das nächste Schuljahr werde voraus- sichtlich noch im Zeichen der Pande- mie stehen inklusive der mittlerweile etablierten Hygienemaßnahmen. Lorz betonte die Vorteile der digitalen
SCHULE
Kompromiss imVergleich zum letzten Jahr mit pauschalen, undifferenzier- ten Lösungen«. Dieser Möglichkeit der Versetzung stehen viele Lehrkräf- te jedoch eher ablehnend gegenüber, was auch in der sich anschließenden Diskussion mit den online zugeschal- teten Teilnehmerinnen und Teilneh- mern deutlich wurde. Nach der Rede von Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz schloss sich der Bericht des Vorsitzenden Reinhard Schwab an. Er formulierte sehr deut- lich, dass der Wissenserwerb, die Per- sönlichkeitsentwicklung und die psy- chische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen ohne den ’Lebensraum Schule’ massiv gelitten hätten. Be- grüßt werde seitens des Philologen- verbandes, wenn das Hessische Kul- tusministerium das nächste Jahr zum Schuljahr der Kompensation ausrufe. Geld müsse unbedingt in den Unter- richt gehen, so zum Beispiel für Leh- rerstunden eine Stunde mehr in den Klassen 7 bis 11 in den Hauptfächern. Zwingend notwendig seien überdies kleinere Klassen für effektiveren Un- terricht. Schwab betonte, dass die kritische, gleichwohl zugewandte Distanz des Verbandes zum Hessischen Kultusmi- nisterium sich bewährt habe, jedoch bleibe die Kritik bestehen, dass minis- terielle Vorgaben chronisch zu spät kamen und Nachregelungen allzu oft notwendig waren. Der Philologenver- band wünsche sich oftmals mehr
KICK’. Prof. Lorz konstatierte, dass Hessen zusätzlich zu den zugesagten Hilfen des Bundes weitere finanzielle Mittel in die Hand nehmen werde, um Kompensationsmaßnahmen in Form von Förderkursen, Zusatzunterricht und Lernbegleitung durch qualifizier- tes Personal an den Schulen zu er- möglichen. Das Geld werde nicht an private Fortbildungsinstitute fließen, sondern direkt an die Schulen ausge- geben. Primär solle es darum gehen, leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler wieder in die bestehen- den Lerngruppen zu integrieren. In ei- nem nächsten Schritt solle es dann auch um Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler gehen. Für diese Förderungsmaßnahmen seien individuelle Lernstandserhebungen von zentraler Bedeutung, so Kultus- minister Lorz, standardisierte Tests für ganz Deutschland seien nicht zielfüh- rend. Ein weiteres Thema, auf das der Mi- nister kurz einging, waren die ’Päda- gogischen Versetzungen’, die es in diesem Schuljahr erstmalig geben werde. Eine Versetzung könne in be- sonders begründeten Ausnahmefäl- len auch ohne Ausgleich nicht ausrei- chender Leistungen erfolgen, wenn besondere Umstände vorliegen, die die Schülerin oder der Schüler auch vor dem Hintergrund der Corona- Pandemie nicht zu vertreten habe. Der Kultusminister bezeichnete diese Va- riante als einen »ausgewogenen
Digitale Vertreterversammlung 2021
erhalten. rfen
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Möglichkeiten des Unterrichtens zum Beispiel über Videokonferenzen. Diese werden nie Ersatz des Präsenzunter- richtes sein, jedoch könnten sie sehr wohl auch zukünftig als pädagogi- sches Instrument gezielt eingesetzt werden. Minister Lorz thematisierte in seiner Rede auch das Landesabitur, das aus seiner Sicht sehr positiv verlaufen sei. Die regulären Prüfungen konnten stattfinden, sodass keine Rede von ei- nem ’Not-Abitur’ sein könne. Er be- dankte sich bei allen Lehrkräften für ihren Einsatz und stellte fest, dass die regulären Prüfungen ohne deren be- sonderen Einsatz nicht möglich gewe- sen wären. Für die Kompensation fehlender Lerninhalte und die Aufholarbeit im nächsten Schuljahr sei seitens des Hessischen Kultusministeriums ein besonderes Programm entwickelt worden: ’Löwenstark – der Bildungs-
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Fundierung des Unterrichts, einem leistungsorientierten Unterricht auf demWeg zur allgemeinen Hochschul- reife sowie Noten, die den tatsächli- chen Leistungsstand spiegeln. Im weiteren Verlauf der Vertreter- versammlung stellten sich die beiden Kandidaten für die Nachwahl des stellvertretenden Vorsitzenden, Ralph Hartung und Thorsten Rohde, vor und stellten sich den Fragen der Mitglie- der. Die Nachwahl erfolgt nach der Vertreterversammlung per Briefwahl. Dazu erhalten alle Delegierten ent- sprechende Formulare per Post mit demTermin der erforderlichen Rück- sendung. Die schriftliche Vorstellung der beiden Kandidaten erfolgte be- reits in ’Blickpunkt Schule 2/2021’ . Dr. Iris Schröder-Maiwald
politischen Mut und Entschlossenheit und insbesondere weniger Verspätung in der Kommunikation mit der Basis. »Das HKM sollte durch regelmäßigen Kontakt mit den Verbänden und der Basis den Eindruck verhindern, selbst in einer Blase zu leben«, stellte Schwab sehr deutlich fest. »Betroffe- ne müssen eingebunden werden, um Entwicklungen voranzutreiben und gemeinsam zu evaluieren.« Weiterhin ging der Vorsitzende auf das Motto der Vertreterversammlung ’Vielfalt in der Schullandschaft erhal- ten – gymnasiales Profil schärfen’ ein und bezweifelte, dass das Einebnen der Schullandschaft Bildungsqualität generieren werde. Es komme auf lern- förderliche Bedingungen in den Klas-
senräumen an, wobei an erster Stelle die Verkleinerung der Klassen stehen müsse. Weiterhin seien gute Konzepte und durchdachte Bildungspläne von- nöten mit begrenzt heterogenen Lerngruppen, der wissenschaftlichen
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» Annabel Fee
» Prof. Dr. R. Alexander Lorz
» Reinhard Schwab
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» v.l.n.r.: Boris Krüger, Annabel Fee, Matthias Schuster, Bert Thieme, Christof Ganss, Volker Weigand, Stephan F. Dietz, Reinhard Schwab
Resolution 1
Lesen stärken – Sprachschatz stärken! D er Hessische Philologenverband fordert das Hessische Kultus- ministerium auf, eine zusätzliche
tik des Textverständnisses ist dabei kein alleiniges Problem des Deutsch- unterrichts, sondern zieht sich durch alle Fächer hindurch, sowohl bei Quel- lenanalysen in Geschichte als auch bei Aufgabenstellungen imChemieunter- richt – überall werden Schülerinnen und Schüler bereits vor der eigent- lichen Aufgabe vor scheinbar unüber- windbare Hindernisse gestellt. Um dem zu geringen aktiven und passiven Wortschatz, der fehlenden Routine bei Satzstrukturen und der
Förderung der Kreativität gerecht zu werden, fordert der hphv in diesem Zusammenhang eine zusätzliche Deutschstunde zur gezielten Leseför- derung in den Jahrgangsstufen 5 und 6, um gezielt Lesetechniken anhand unterschiedlicher Methodiken (Lese- tandems, Lesen und Verstehen von Aufgabenstellungen) einzuüben und dauerhaft zu festigen und somit die Stundentafel inklusive der Zuweisung zu erweitern. Der Pädagogische Ausschuss
Deutschstunde zur gezielten Leseför- derung in den Jahrgangsstufen 5 und 6 einzuführen. In den vergangenen Jahren wird von den verschiedensten Seiten das stetig sich verschlechterndeTextverständnis von Schülerinnen und Schülern be- klagt – sowohl vonseiten der Gymna- siallehrkräfte, der Berufsschulen als auch der Universitäten. Die Problema-
Digitale Vertreterversammlung 2021
Resolution 2
Fördermaßnahmen zur Kompensation D er Hessische Philologenverband fordert den Hessischen Kultus- minister auf, für die Zeit nach der Ein-
schränkung des Präsenzunterrichts durch die COVID-19-Pandemie zeit- nah ein Konzept zur Förderung der
Schülerinnen und Schüler zu entwi- ckeln. Es sollten differenzierte Pla- nungen zur Kompensation von
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Lerndefiziten erarbeitet werden, um Lücken im Lernstand der Kinder und Jugendlichen auszugleichen. Undifferenzierte Maßnahmen leis- ten dies erfahrungsgemäß nicht, und die Unterschiede im Lernstand der Schülerinnen und Schüler würden sich verstärken. Eine Konzentration auf bestimmte Jahrgangsstufen und Fächer erscheint sinnvoll. Die Kom- pensation innerhalb der Lerngruppen muss schuljahresbegleitend und in- tegriert in den Regelunterricht umge- setzt werden. Voraussetzung einer deutlichen Binnendifferenzierung ist der Einsatz einer zweiten Lehrkraft in der jeweiligen Gruppe. Diese Maß- nahmen müssen darüber hinaus durch eine fachbezogene Einzel- und Kleingruppenförderung ergänzt wer- den. Hierfür sind die Mittel (zusätzli- che ’Poolstunden’) für geschultes Fachpersonal, im Regelfall eine Lehr-
kraft mit Zweitem Staatsexamen, an der Schule zur Verfügung zu stellen. Generell ist die Förderung einer gro- ßen Anzahl von Schülerinnen und Schülern eine staatliche Aufgabe. Diese kann nicht auf die Privatwirt- schaft verlagert werden. Mit Blick auf die notwendige Diffe- renzierung bietet sich der Einsatz di- gitaler Medien und Materialien in un- terstützender Form – etwa durch Übungseinheiten und Hilfen – gera- dezu an. Die während der Zeit des Distanzunterrichts gewonnenen Er- fahrungen mit digitalen Medien soll- ten dabei genutzt und die Kompeten- zen weiter ausgebaut werden. Hierzu ist eine nachhaltige und zukunftsfä- hige Versorgung der Schulen mit der technischen Infrastruktur, geeigne- ten und rechtlich abgesicherten Ma- terialien sowie Support unerlässlich. Digitale Angebote für alle Klassen-
stufen und Fächer müssen mit Blick auf die heterogene Schülerschaft dif- ferenziert (zum Beispiel Inhalte, Ni- veau, Methoden) bereitgestellt wer- den. Auch die emotionale Förderung als Resilienzförderung zum Beispiel zur Suchtprävention (Handy- und Spielsucht) ist wichtig. Im Bereich der Ausbildung, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte sind Konzepte zur Nutzung digitaler Medien zur Lernstandsanalyse, Lern- förderung und Neugestaltung von Lernprozessen zu entwickeln. Auch Schulleitungen müssen bei der Wei- terentwicklung und Gestaltung des Unterrichtsbereichs ihrer Schule un- ter Nutzung digitaler Möglichkeiten unterstützt werden. Die Schulauf- sicht muss dabei verstärkt die Aufga- be der Beratung und des unterstüt- zenden Services übernehmen. Der Pädagogische Ausschuss
14 Online-Vertreterversammlung 2021 SCHULE Resolution 3
Microsoft Teams und der Datenschutz Kultusministerium verschläft Brisanz D er Hessische Datenschutzbeauf- tragte (HBDI) entschied Ende März, die Duldung nicht daten-
sungen. Nach über einem Jahr Pan- demie lässt sich sagen: Der Distanz- unterricht funktioniert. Durch die Entscheidung des HBDI werden nun mancherorts alle Fort- schritte zunichtegemacht. Auch da- für steht das Kultusministerium in Verantwortung, lag doch von Anfang an nur eine zeitlich begrenzte Dul- dung vor. Grundsätzlich begrüßt der Hessische Philologenverband die Entscheidung des HBDI, das Thema Datensicherheit wieder in den Fokus zu rücken. Auch der in der Pandemie notwendig gewordene Distanzunter- richt muss alle Gütekriterien deut- scher Daten- und Persönlichkeits- schutzrechte erfüllen. Er darf diesbe- züglich in keiner Weise dem Präsenz- unterricht hinterherhinken. Der Hessische Philologenverband fordert daher das Kultusministerium
auf, vonseiten des Landes endlich eine datenschutzkonformeVideokonfe- renzlösung zur Verfügung zu stellen, die den Erfordernissen des Distanzun- terrichts gerecht wird. Bei der konkre- ten Ausgestaltungmuss ferner darauf geachtet werden, dass sich das Video- konferenzsystemproblemlos in die bestehende IT-Infrastruktur wie bei- spielsweise das Schulportal Hessen integrieren lässt. Schließlichmuss frühzeitig bekannt gemacht werden, welche Software vorgesehen ist, um Lehrkräfte zu schulen und so eventuell notwendige Umstellungsprozesse rei- bungslos zu gestalten. Vor allem jene Schulen, die sich auf nicht länger ge- duldete Lösungen verlassen haben, dürfen nicht imRegen stehen gelassen werden. Für den Bezirk Fulda: Alexander Schmitt, Matthias Schuster, Reinhard Schwab
schutzkonformer Videokonferenzlö- sungen für den Distanzunterricht über den 31. Juli 2021 hinaus nicht zu verlängern. Die Entscheidung des HBDI offenbart eine Problematik, de- ren Bedeutsamkeit das Hessische Kultusministerium offensichtlich ver- schlafen hat: Die Notwendigkeit, den hessischen Schulen eine daten- schutzkonforme Videokonferenzlö- sung anzubieten. Viele Schulträger und Schulen haben sich daher auf ei- gene Faust versorgt, sei es durch ex- terne Anbieter wie Microsoft Teams oder durch Videokonferenzsysteme in Eigenregie wie BigBlueButton. Kolle- gien und Schülerschaft sind geschult worden und mittlerweile erfahrene Anwender der jeweils gewählten Lö-
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Lehrergesundheit D er Hessische Philologenverband fordert das Hessische Kultusmi- nisterium und die Landesregierung dringend auf, die im Zuge der COVID- 19-Pandemie entstandene gesund- heitliche Gefährdung und Mehrbelas- tung der Kolleginnen und Kollegen endlich zur Kenntnis zu nehmen und ihrer gesetzlich verankerten Fürsor- gepflicht gegenüber den Bedienste- ten in verstärktem Maße nachzukom- men und die dafür verantwortlichen Faktoren zu eliminieren. Die zweifelsfrei für alle Berufs- gruppen gestiegene Belastung durch die Pandemie hat an Schulen zu einer deutlichen Verschärfung der Arbeits- situation geführt. Lehrkräfte, die seit Jahren über zunehmende Anforde- rungen klagen, werden nun in eine Situation katapultiert, die sich als Entgrenzung von Arbeitszeit und wei- tere Verlagerung der beruflichen Tä- tigkeit in das heimische Büro be- schreiben lässt.
Die Ignoranz der Bildungspolitik ge- genüber der Digitalisierung treibt die Lehrkräfte in eine Zwangssituation, in der erwartet wird, dass sie selbst IT- Experten werden, technischen Sup- port für Schülerinnen und Schüler leisten und neue pädagogische und innovative Lernprozesse gestalten – oftmals hin- und herpendelnd zwi- schen Distanz- und Präsenzunterricht. Unterstützung gibt es nur insofern, als dass plötzlich alles erlaubt scheint, was vorher klar verboten war. Kurzfristige Entscheidungen des Ministers, ständig wechselnde und sich oft widersprechende Regeln las- sen Planungssicherheit für die Kolle- ginnen und Kollegen nicht zu. Der Mangel an Mut zu klaren und überfäl- ligen Entscheidungen führt zu einer zunehmenden Verunsicherung von Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie der Lehrkräfte selbst, die sich in einem hohen Maß an Unzufrieden- heit widerspiegelt. Der Wechsel vom
Präsenz- in den Distanzunterricht verringert die Schülerbindung und er- schwert deren Lernprozess. Die Kom- pensation der Lerndefizite muss nun in naher Zukunft durch einen weite- ren Kraftakt der Lehrerinnen und Lehrer aufgefangen werden. Untersuchungen zur Gesundheit von Lehrkräften stellen eine dauer- hafte und massive Belastung von Lehrerinnen und Lehrern fest. Unter anderem werden große Sorgen um die eigene Gesundheit, eine Arbeits- belastung weit über das normale Maß hinaus, emotionale Erschöpfung und Burn-out-Symptome genannt. Als Lösungsansätze bieten sich die radikale Entlastung der Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben, die Be- reitstellung geprüfter digitaler Un- terrichtsmaterialien, die Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit und die Anerkennung der Korrektur- belastung an. Schulpolitischer Ausschuss
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