Blickpunkt Schule 2/2022

Bild: Elavagnon/AdobeStock

Schreibkompetenz und wie man diese fördern kann

Sprache – Bildung – Denken

Um die Schreibkompetenz mit einer möglichst großen Variabilität zu för- dern und den Zugang zu den sprach- lich-ästhetischen Strukturen literari- scher Texte zu erleichtern, sollte ins- besondere die Teilkompetenz ’gestal- tendes Schreiben’ in den Fokus ge- rückt werden. Um aber den Schreibprozess mit seinen Korrekturphasen anleiten zu können, beziehungsweise das Produkt beurteilen zu können, sind bestimmte Kriterien notwendig, die auch zur Fra- ge führen, wie so eine Förderung der Schreibkompetenz überhaupt unter- sucht und dokumentiert werden kann. Die Frage nach den Kriterien für ein gutes Schreiben, also eine zielführen- de Schreibkompetenz, führt schnell in ein Dickicht, das auch durch Katego- rien und Kriterien nicht vollkommen erhellt werden kann. ’Gutes’ Schreiben siedelt sich wohl irgendwo zwischen erlernbaren sprachlichen und gedank- lichen Fähigkeiten in Verknüpfung mit schulischer und/oder privater Lektüre und einer Begabung an, die zwar durch schulischen Unterricht geför- dert werden kann, aber letztendlich aus einer viel tieferen Immersion in ei- ner sprachlich-emotional-gedankli- chen Fantasiewelt herrührt, die kaum vom durchschnittlichen Schüler im Gruppenunterricht mit den anderen geteilt werden kann. Was ist also diese Schreibkompetenz genau? Was muss ein Schüler können, wenn er ’gut’ schreiben will? Woran sieht man die- ses gute Schreiben? Vor allem aber: Woran erkennt man genau, dass ein Schüler gut oder schlecht schreibt?

Woran kann man den Fortschritt sei- ner Schreibentwicklung objektiv mes- sen? Welche Kriterien und Regeln gibt es im Schreiben überhaupt? Jenseits von einer korrekten Ortho- grafie und Grundgrammatik gibt es ja für die deutsche Sprache kaum voll- kommen verbindliche Regeln. Viele grammatische Regeln sind sehr flexi- bel, können künstlerisch überdehnt werden, viele Konjunktionen und be- sonders der Satzbau sind dafür prä- destiniert, im spielerischen Gebrauch übertrieben, verändert oder ad absur- dum geführt zu werden. Viele Schüler empfinden beimVer- fassen komplexer Texte Überforde- rung, Langeweile, Ärger oder denken angestrengt über die strukturellen Vorgaben und die Konzeption nach. Dann sagen sie so etwas: »Meine Tex- te überarbeite ich nicht. Ab und zu le- se ich ihn mir noch einmal durch, aber verbessere dann kaummeine Fehler.« Während also für die meisten Schü- ler gilt, dass sie den Text höchstens noch einmal durchlesen und eventu- elle Rechtschreibfehler korrigieren, hängt bei anderen Schülern die Kor- rekturfreude offensichtlich auch mit der Schreibfreude an sich zusammen, wie etwa bei einer Schülerin aus Frankfurt: »Wenn ich einen längeren Text schreibe, überarbeite ich diesen jedes Mal, wenn ich neu anfange nach einer längeren Pause und Korrektur lese. Meistens finde ich schönere For- mulierungen und kürze Überflüssi- ges.« So sollten die Schüler im Rahmen einer Schreibförderung unbedingt da-

von Dr. David Freudenthal und Sebastian Krämer »U nsere Kinder verler- nen das Schreiben« 1 , betitelte Heike Schmoll (FAZ) bereits im Jahr 2014 einen Artikel und attestierte unter an- derem einen »Sprachnotstand an Grundschulen«. Obwohl ein nicht ge- ringer Anteil der Schülerschaft kaum noch Bücher lesen möchte und grö- ßere Defizite im Bereich der Schreib- kompetenz aufweist, gibt es doch Schüler mit Leselust und einem (für ihr Alter) gut ausgebildeten Schreib- stil. Lässt sich dies allein durch Talent oder zum Beispiel ein bildungsbürger- liches Elternhaus erklären? Wie genau müssen überhaupt diese geforderten Textkompetenzen, ergo die Schreib- kompetenzen, genau aussehen? Das Kerncurricula gymnasiale Oberstufe (KCGO) sagt dazu, dass die Lernenden »inhaltlich angemessene kohärente Texte, die sie aufgaben- adäquat, konzeptgeleitet, adressa- ten- und zielorientiert, normgerecht, sprachlich variabel und stilistisch stimmig gestalten« 2 produzieren müssen, und zwar »entsprechend der jeweiligen Aufgabe in unterschiedli- chen Textformen« 3 . Unter dem Über- begriff ’Schreibkompetenzen’ wird diese Formulierung in neunzehn Un- terkompetenzen aufgesplittet. Doch wo soll ein Lehrer anfangen, wenn er die Schreibfähigkeit seiner Schüler fördern möchte und gleichzeitig weiß, dass jeder Schüler etwas anderes ver- bessern muss?

22

SCHULE

Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online