Blickpunkt Schule 2/2020

Diskussion mit dem Plenum

in fünf Schuljahren hundertfünfzig Schulen maximal. Hierfür gebe es ver- schiedene Wahlmöglichkeiten, womit diese Schulen sich von den normalen Regelschulen unterscheiden würden und in denen der Verzicht auf Ziffern- noten zugunsten von Verbalbeurtei- lungen nur eine Option unter mehre- ren darstelle. Am Ende der Schullauf- bahn oder bei einem Schulwechsel stehe aber immer eine Ziffernnote, so sei es vereinbart. Ein solcher Schultyp erhalte statt 104 Prozent eine 105- prozentige Lehrerzuweisung. Der Wunsch für eine solche Option der ’Verbalbenotung’ sei nicht nur von den GRÜNEN in die Debatte einge- flossen, sondern von Teilen der Indus- trie gewünscht worden. Die Hessische Landesregierung »verordnet also nicht die Abschaffung der Ziffernno- ten zugunsten einer Verbalbenotung, sondern sie ermöglicht es«, so Roth. Voraussetzung sei allerdings, dass alle Schulgremien (Schülervertretung, Kollegium, Schulelternbeirat, Schul- konferenz, Schulträger) ausnahmslos zustimmen müssten. Zudemmüsse das Kollegium ein Konzept diesbezüg- lich – wobei hier mehrere andere Kri- terien und Wahlmöglichkeiten auch vorhanden bzw. zumTeil ersatzweise erfüllt werden müssen! – erarbeiten, dem die Gesamtkonferenz nach Vor- lage zustimmen müsse. Eine Abwertung durch Lehrer erfolgt weder durch Ziffernnoten noch durch Verbalnoten Monika Roth schloss sich zudem den Ausführungen von Prof. Di Fuccia an, der ihr »aus dem Herzen gesprochen« habe. Auch sie gab zu bedenken, dass die Notengebung und die ’Bewer- tungskriterien’ im Lehrerberuf die un- angenehmste Tätigkeit dabei seien. Deshalb sei hier Transparenz notwen- dig. Zudem gab sie die Einschätzung, dass »eine Abwertung durch Lehrer nicht durch die Noten, auch nicht durch Verbalnoten« erfolge, sondern nur und ausschließlich durch Herab- setzung der Person.

terricht entzogen würden. Zudem seien hierbei noch nicht einmal die jeweiligen Korrekturen von Klas- senarbeiten im laufenden Schuljahr berücksichtigt. Als Gewerkschaft dürfe man dies nicht verschweigen und dies sei in der Konsequenz ab- zulehnen. • Ein Lehrer von einer Privatschule in Frankfurt erläuterte, dass und wie an seiner Schule ’Verbalbenotung’ gehandhabt werde. Es werde fä- cherübergreifend und ohne Ziffern- noten gearbeitet. Statt Eltern- sprechtagen gebe es Lernentwick- lungsgespräche und Lernentwick- lungsberichte, bei denen keine Textbausteine benutzt werden wür- den, sondern eine absolut individu- elle Verbalbewertung vorgenom- men werde. Auf Nachfrage räumte er allerdings ein, dass er nur eine einzige Klasse unterrichte mit le- diglich vierzehn Schülern. Dies spie- gelt aber nicht die Praxis der nor- malen Regelschule, zum Beispiel ei- nes Nebenfachlehrers mit zehn bis zwölf Lerngruppen wider. • Prof. Di Fuccia verwies abschließend darauf, dass aufgrund wissen- schaftlicher Studien es weder Vor- noch Nachteile zu Bewertungssys- temen (Ziffernnoten oder Verbal- beurteilungen) gebe, da Schule von zu vielen Variablen abhängig sei, die kaum kontrollierbar seien. • Ein Fazit zur gesamten Veranstal- tung zog der Moderator Heinz Sei- del: Wenn es keine eindeutigen Vor- teile bei einer Verbalbeurteilung ge- genüber den herkömmlichen Zif- fernnoten gebe, dann sei auch der Mehraufwand an Arbeitszeit zulas- ten des Kerngeschäfts Unterricht hierbei in keiner Weise gerechtfer- tigt. Rückmeldungen in verbaler und nonverbaler Form an die Schü- ler innerhalb des Lernprozesses sei- en allerdings gute Tradition im Un- terrichten, notwendig und ohnehin Pflicht der Lehrer. Beide Referenten wurden unter gro- ßem Applaus und mit jeweils zwei hochwertigen Weinen von der Lahn verabschiedet. Heinz Seidel

Den beiden Referaten schloss sich eine rege Diskussion in und mit dem Plenum an: • Der Landesvorsitzende des Hessi- schen Philologenverbandes, Rein- hard Schwab, plädierte für die Bei- behaltung der Ziffernnoten, merkte allerdings kritisch an, dass hier mehr Transparenz bei den Kriterien, die Anwendung von Bildungsstan- dards und zusätzliche Diagnose- instrumente vonnöten seien. Prof. Di Fuccia ergänzte seinerseits: Die Kriterien dürften nicht schul- verschieden, sondern müssten hier- bei einheitlich sein. • In diesem Zusammenhang wurde das Thema ’inflationäre Noten’ an- gesprochen, das sich bis zu stetig verbesserten Abiturzeugnisnoten bundesweit bei stetig steigenden Übergangszahlen von der Grund- schule zum Gymnasium als ein Kernproblem herauskristallisierte. Damit sei das Gymnasium im Kern gefährdet. Bayern, so Prof. Di Fuc- cia, sei da noch relativ stabil entge- gen dem Bundestrend. Fakt sei, dass die besseren Noten in Schule und Universitäten »leider nicht un- bedingt mit besserer Leistung kor- relieren. Das Kriterium der Bewer- tung ist in vielen Fällen nicht klar.« • Zur Frage, ob die ’Verbalbenotung’ als ’pädagogisch wertvoll’ oder ’un- sinnige Arbeitsbelastung’ zu beur- teilen sei, führte der Bezirksvorsit- zende Heinz Seidel an, dass zwecks Arbeitsentlastung hierbei selbst die Grundschulen sogenannte Textbau- steine verwendeten, was zwar dann nicht mehr ganz individuell sei, aber zumindest die unumgängliche Mehrarbeit eingrenze. Man müsse aber davon ausgehen, dass allein bei Zeugnisnoten (Fachnote, Ar- beits- und Sozialverhaltensnote) bei rund 300 Schülern pro Lehrer im Schnitt bei etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten pro Verbalbeno- tung 85 bis 100 Stunden Arbeitszeit anfielen, die dem Kerngeschäft Un-

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