Bildung aktuell 6/2022

Leitartikel

Studierfähigkeit befähigen soll?Will man die Schulform Gymnasiumund die gymnasialeOberstufe der Gesamt schulen tatsächlichmit den ursprünglichen Ansprüchen erhalten oder sollen wir den immer deutlicher werdenden Qualitätsverlust achselzuckend hinnehmen? Ist der Zug ins digitaleWunderland längst abgefahren? Zur Qualität von Bildung gehört auch die Frage, welchen Beitrag dieDigitalisierung von Schule(n) dazu leisten kann. Dass sie kein Selbstläufer und kein Allheilmittel ist, däm mert vielen von uns längst. Antworten zuMöglichkeiten, aber auch zuGrenzen undmöglichen Fehlentwicklungen liefert die Arbeit »Die ‘DigitaleWelt’ imDiskurs, einGut achten zu denDigitalstrategien des Landes NRWund der KMK« des renommierten Erziehungswissenschaftlers Prof. Dr. Karl-Heinz Dammer. Warumhat der PhVNRWdieses Gutachten zu dieser Zeit in Auftrag gegeben? Ist der Zug ins digitaleWunderland nicht längst abgefahren? Sind nicht bereits alle Argumente ausgetauscht?Wollenwir Philologen etwa das Rad zurückdrehen? Wir sagen, der Zeitpunkt ist angemessen und können alle diese Fragenmit nein beantworten. Die Digitalisierungs strategie der Kultusministerkonferenz, des Landes NRW und das Impulspapier II des MSBwurden ohne die Leh rerverbände und auch ohne diejenigen entwickelt, die den Prozess der Digitalisierung umsetzenmüssen/sollen – nämlich Sie! Bislang gibt es keinen offenen Diskurs über die Ziele, Möglichkeiten und Risiken. Der Prozess wird von oben vorgegeben und bedeutet in vielen Bereichen eine Mehrbelastung für uns Lehrkräfte. Häufig entsteht der Eindruck, bei der Digitalisierung von Bildung geht es eher umwirtschaftliche und technische Interessen als umPädagogik. Allein die Bezeichnung ‘digitaleWelt’ gau kelt vor, dass es keine analogeWelt mehr gebe. Unser Ansinnen ist es nicht, Digitalisierung und die damit verbundenen Entwicklungen der Lehr- und Unterrichts praxis zu blockieren. Wir müssen unsere Kinder und Ju gendlichen auf die Veränderungen in der Lebens- und Arbeitswelt vorbereiten, sie kritikfähig, wissend und resi lient machen. Was wir uns wünschen, ist, dass wir in einen

Diskurs gehen, dass wir über Vorteile und Chancen, aber auch über Grenzen und Risiken sprechen. Wir wünschen uns, dass der Einsatz digitaler Medien undMethoden wis senschaftlich begleitet wird. Wir müssen ihren tatsächli chen Nutzen eruieren. Vor allemhoffen wir, dass durch die Arbeit von Prof. Dammer die bildungspolitischen As pekte wieder mehr in den Fokus rücken, wenn über Digi talisierung gesprochen wird. Das Gymnasium ist primär der Bildung verpflichtet. Aus Sicht des PhVNRWsind die fachlichen Kompetenzenmit konkreten inhaltlichen Schwerpunkten, Wissenschaftspropädeutik und Studier fähigkeit Ziel gymnasialer Bildung; sie dürfen nicht in Konkurrenz gesetzt werden zu digitalisierungsbezogenen und informatischen Kompetenzen. Der Einsatz digitaler Medien ist dann sinnvoll, wenn sie damit erreicht oder unterstützt werden können. Viele Versprechungen der Digitalisierung haben sich bis jetzt nicht erfüllt. Die Belastung von Lehrkräften ist durch sie nicht geringer geworden, häufig ist sogar das Gegen teil der Fall. Dass die Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche durch sie größer geworden ist, darf be zweifelt werden, ebenso, dass schwächere Schülerinnen und Schüler mithilfe digitaler Medien grundsätzlich bes ser gefördert werden könnten. Ohne Lehrkräfte, die anlei ten und begleiten, nützt die beste Lern-App nichts. Der Einsatz liegt in der pädagogischen Freiheit von Lehrerin nen und Lehrern, an diesemGrundsatz sollten wir nicht rütteln. Wenn über Digitalisierung von Schule(n) gespro chen wird, geht es vornehmlich umdatenschutzrechtli che, technische, arbeitsökonomische, methodische und didaktische Aspekte. Die Frage aber, was Digitalisierung mit Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften macht, wird selten, wenn nicht sogar überhaupt nicht thematisiert. Wir wünschen uns, dass das vomPhVNRW initiierte Gutachten einen wichtigen Impuls geben kann. Uns ist der Diskurs wichtig. Zweifel, ob Digitalisierung die Chancengerechtigkeit tatsächlich erhöht

Also lassen Sie uns darüber reden!

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