Bildung aktuell 3/2024

Zeitschrift des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen

3/2024 Ausgabe Mai · 75. Jahrgang · 7108

Bildung aktuell

Wir machen Schule www.phv-nrw.de

Pädagogik & Hochschul Verlag · Graf-Adolf-Straße 84 · 40210 Düsseldorf

>> 12 Forderungen des PhV zur Lehrkräftebildung Leitartikel von Sabine Mistler >> »Sapere aude« - Ohne Kant am Strand Eine Kritik am Lehrplanentwurf Praktische Philosophie >> Personalratswahlen 2024 Jetzt den Philologenverband wählen!

Editorial

von Lars Strotmann >> Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Medien E-Mail: larsstrotmann@yahoo.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Wählerinnen und Wähler, liebe Leserinnen und Leser,

wechselnde und immer mehr politisch- gesellschaftliche Zwecke zu instrumen- talisieren gedenkt. Es dürfte – mit Ausnahme der Berufspolitik und im Profifußball – überhaupt nur wenige Berufsfelder geben, in denen praxisfremde Kommentatoren öffentlichkeitswirksam den Stab über einen ganzen Berufsstand bre chen und dessen Arbeit abqualifizieren dürfen und können. Dass dieses Lehrer- bashing nicht gänzlich folgenlos bleibt, kann man sicher auch am insgesamt abnehmen den Interesse am Lehrerberuf ablesen. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der Leitartikel unserer Landesvorsitzenden Sabi ne Mistler in dieser Ausgabe mit Fragen der Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung. Wir wünschen Ihnen wie immer eine anre gende und abwechslungsreiche Lektüre und bitten Sie weiterhin herzlich: Machen Sie von Ihrem Wahlrecht für die Personal räte regen Gebrauch, und geben Sie Ihre Stimmen dem Philologenverband, Ihrer Stimme für das Gymnasium und für Qualität an Gesamtschulen und Sekundarschulen!

bisweilen beschleicht einen das diffuse bis ungute Gefühl, dass Schule und Unterricht eher althergebrachten Typs in eine Art dau erhafte Projektwoche transformiert werden sollen: einzelne Unterrichtsfächer? Brau chen wir nicht mehr! Rechtschreibung? Un nötig, macht die KI! Ziffernoten? Sind nicht mehr zeitgemäß! Prüfungen und Klausuren? Ich bitte Sie! Inhalte? Überwinden! Leis tungsorientierung? Kinderfeindlich! Welt anschauliche Neutralität? Aber das Klima! Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortset zen. Gemeinsam ist vielen dieser Heilsver sprechen, dass die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen und deren Unterricht prinzi piell als unzureichend oder – so lautet der argumentative ‘finale Rettungsschuss’ der ewigen Reformeiferer – ‘nicht zeitgemäß’ empfunden und abgewertet wird. Hierbei stehen sich ein eher überzeitliches und ganzheitliches Verständnis von Schule, Bildung und Unterricht und deren Funktion und eine eher hektisch-nervöse Zeitgeistig keit gegenüber, die die Schule für stetig

Ihr Lars Strotmann und die Redaktion

INHALT

Interna >> Verbindung. Verantwortung. Vertrauen.

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Editorial >> Editorial von Lars Strotmann

>> Deutscher Lehrkräftepreis: Sehr vorbildlich, Herr Szymkowiak! >> 19 >> Privat- und Ersatzschulseminar im Leonardo-Hotel Dortmund >> 20 >> Für starke Gymnasien und gute Arbeitsbedingungen Mitgliederversammlung des Bezirks Coesfeld >> 20 >> Fortbildung der Vertrauenslehrerinnen und Vertrauenslehrer des Bezirks Mettmann >> 21 >> Treffen der Vertrauenslehrer in Gütersloh >> 23 >> Pensionärstreffen des PhV NRW-Bezirks Bonn/ Rhein-Sieg auf dem Michaelsberg >> 23 >> Zahlreiche Aktivitäten im Bezirk Heinsberg >> 24 >> Gute Argumente für den PhV Seminar für V-Lehrer im Regierungsbezirk Münster >> 25 >> Seminarwochenende für Vertrauenslehrkräfte der Bezirke Düren, Euskirchen und Heinsberg >> 26 Recht >> Vorbereitung auf eine Klassenfahrt nach dem Urteil des Landgerichts Mönchengladbach >> 27

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Aktuell >> Wer? Wie? Was? Warum? Die Internetseite zu den Personalratswahlen 2024 Leitartikel >> 12 Forderungen des PhV zur Lehrkräftebildung Thema >> Interview mit Uta Gosmann: »Lyrik und Literatur gehören in den Englischunterricht«

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>> 04-06

>> 07-09

Schule & Beruf >> Trägt das Startchancenprogramm dem neuen schulscharfen Sozialindex ausreichend Rechnung? >> 10/11 >> Impulse für eine gymnasiale Bildung der Zukunft >> 12/13 >> ‘Sapere aude’ – Ohne Kant am Strand >> 14/15

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Aktuell

Wer? Wie? Was? Warum? Die Internetseite zu den Personalratswahlen 2024 Besuchen Sie unsere Website

Auf dieser Website finden Sie unseren brandneuen Imagefilm, unsere Haltungen und Positionen, unsere Ziele und Forderungen, kurz: alles, wofür wir stehen. Wir stellen Ihnen hier unsere Kandi datinnen und Kandidaten für die Bezirkspersonalräte und den Hauptpersonalrat vor und ergänzen regelmäßig alle Informatio nen rund um die Personalratswahlen.

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Leitartikel

von Sabine Mistler >> Landesvorsitzende

E-Mail: info@phv-nrw.de

12 Forderungen des PhV zur Lehrkräftebildung

Die Kultusministerkonferenz will durch grundlegende Anpassungen den Lehrkräftemangel beheben. Wir haben uns drei Kernempfehlungen der KMK angesehen. Uns überzeugen die Empfehlungen aus Berlin nicht – weil wir in NRW an vielen Stellen weiter sind.

Der Lehrerberuf, einst hochgeschätzt und mit hohem Ansehen verknüpft, wird immer mehr zu einer Profession, in der Kolleginnen und Kollegen es mit sinkendem Res pekt von allen Seiten zu tun haben. Von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, der Politik und häufig auch von den Medien. Wir werden mehr und mehr in die Rolle einer Lernbegleitung gedrängt, erleben kontinuierlich sinkende Leistungsanforderungen und erzieherische Aufgaben nehmen immer mehr Raum ein. Unsere Konzentration – und übrigens auch jede Menge Arbeits- oder Dienstzeit – wird auf fachfremde Tätigkeiten gelenkt. Derzeit stehen wir vor der fast unlösbaren Aufgabe, neben dem Alltags geschäft die curricularen und sozialen Defizite von Schü lerinnen und Schülern aufzufangen, allen voran die Basis kompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen. Gleichzeitig gehen uns reihenweise junge Menschen verloren, die nach einem erfolgreichen Lehramtsstudium nicht ins Referendariat steuern, sondern vorher an irgend einer Stelle abbiegen – meist Richtung Wirtschaft, wo dank Fachkräftemangel und garantierter Aussicht auf eine Vier-Tage-Woche die Einkünfte höher und das Arbeitsle ben geschmeidiger scheinen, unterrichten sollen die an deren. Auch die Studierendenzahlen gehen in den Keller.

Seit Monaten hören und lesen wir von der Zunahme der Gewalt an Schulen, von der starken Belastung im Lehrer beruf, Zwangsabordnungen und gestrichenen Teilzeit möglichkeiten. Jetzt wundern wir uns, dass kaum noch ein junger Mensch in diesen Beruf einsteigen möchte? Lehrerinnen und Lehrer wären die besten Werbefiguren für ihren eigenen Beruf Wir wären die besten Werbefiguren für unseren wunder baren Beruf, aber dafür müsste sich in Schule und Bil dung etwas zum Besseren wenden. Welcher Kollege und welche Kollegin hätte nicht gern mehr Zeit für Unter richt? Wir würden uns darüber freuen, uns gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Aufgaben zu stellen, die unsere Leidenschaft für unsere Fächer in den Mittel punkt stellen ließen. Leidenschaft gibt es aber nicht bei ChatGPT, sie ist nicht per Prompt zu generieren und im Allgemeinen sowieso nur schwer entflammbar. Feuer für den Beruf kann auch die Kultusministerkonferenz (KMK) nicht entfachen, wohl aber die Rahmenbedingun gen für die Lehrerbildung und -ausbildung verbessern. Ge nau die haben die Ministerinnen und Minister in den Fokus

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Lehrkräfte, sondern prüft die Möglichkeiten der Anerken nung eines Zweitfaches. Das begrüßen wir. Wenngleich in Musik und Kunst Ein-Fach-Lehrkräfte zugelassen sind und auch durch den Seiteneinstieg in MINT-Fächern Lehrkräfte mit nur einer Fakultas arbeiten, so würde dies bei den Hauptfächern bedeuten, dass sich entsprechend Korrekturaufwände akkumulieren. Das erfolgreiche Able gen der OBAS mitsamt Staatsprüfung bringt nicht nur ei ne Person als gleichwertige Lehrkraft in den Berufsalltag, es ermöglicht ihr zudem die gleichen Aufstiegschancen wie allen Kolleginnen und Kollegen. Seiteneinsteiger, die nur die Pädagogische Einführung absolvieren, sind entweder in ihrem Fach verfangen oder verdrängen, so sie fachfremd in der Sek I eingesetzt sind, die sogenannten Erfüller aus der Sek I in die Sek II und sollten daher die Ausnahme bleiben. An den Gymnasien ist der fachfremde Einsatz von Lehrkräften auch in der Sek I die absolute Ausnahme und sollte es auch bleiben, um die Qualitätsstandards und die Laufbahn zu sichern. Die Rekrutierung von Ein-Fach-Lehrkräften über den Sei teneinstieg lehnt der PhV NRW ab. Vor diesen Erfah rungswerten hat sich das Modell der OBAS für den Sei teneinstieg in Nordrhein-Westfalen bewährt. >

genommen und wollen damit vor allem dem Lehrermangel entgegenwirken. Sie orientieren sich in ihrem aktuellen Beschluss an dem im Dezember 2023 veröffentlichten Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK; ‘Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für ei nen hochwertigen Unterricht’) und an den Empfehlungen zur Lehrerausbildung im Fach Mathematik des Wissen schaftsrats (WR) – ebenfalls aus dem vergangenen Jahr. Handlungsleitend für die KMK sind der oben beschriebene Rückgang der Studierendenzahlen, die hohen Abbruch quoten, fehlende Attraktivität des Lehrerberufes mit ihren dramatischen Folgen in den Kollegien und das Dauerpro blem der unangemessenen Lehrerbedarfsprognosen. Aus beiden Veröffentlichungen übernimmt die KMK drei Empfehlungen, auf die sich alle Bundesländer einigen können: ■ Qualifizierung von Ein-Fach-Lehrkräften

■ Ausbau des Dualen Studiums ■ Quereinstiegs-Masterstudium Wie der PhV NRW zu diesen Aspekten steht:

Qualifizierung von Ein-Fach-Lehrkräften Nordrhein Westfalen setzt in der Regel nicht bewusst auf Ein-Fach

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Leitartikel

Kooperationen mit den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung hat sich bewährt

rem auch an das MSB und an die politischen Verantwortli chen richten. Der Philologenverband plädiert… ■ für ein Festhalten an den 18 Monaten Referendariat, gegen das Einrichten einer dritten Phase als neue zusätzliche Phase, ■ gegen ein Duales Studium bei der Lehrerausbildung GY/GE, ■ gegen einen zu starken Einfluss der Hochschulen auf die Lehrerausbildung, ■ für eine bessere Verzahnung bzw. Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung und den Schulen, ■ dafür, dass die Begrifflichkeit ‘phasenübergreifendes Qualitäts- management’ zunächst näher im obigen Sinne definiert wird, ■ für eine Beibehaltung der Zwei-Phasigkeit der Lehrerausbildung. Ein Mentoring-Programm für die Erleichterung der Berufseinstiegsphase sowie angemessene Fortbildungen sollten allenfalls ergänzend ange dacht werden und dürfen keinen verkürzenden Einfluss auf die beiden Phasen der Lehrerausbildung haben, ■ etwaige Mentoring-Programme sollten auch für OBAS- und Querein steiger mitgedacht werden. Dazu müssen die Fragen der personellen Ressourcen und Verantwortung eindeutig beantwortet werden, ■ gegen die grundsätzliche Einführung eines Einfachlehrers in der Leh rerausbildung im Lehramt der Schulform GY/GE. Durch Quereinstei ger darf nicht ein Einfachlehrer durch die Hintertür eingeführt werden, ■ für die Aufstockung der Fort- und Weiterbildungsangebote, damit Lehrkräfte sich nachhaltig professionalisiert weiterbilden können, ■ für eine Anpassung zur Mobilitätssteigerung, wenn tatsächlich gleich sinniges Handeln und tatsächliche Anerkennung in allen Bundeslän dern gewährleistet sind. ■ gegen den Einsatz von B.A.-Studierenden im eigenverantwortlichen Unterricht, auch nicht als Vertretungslehrkräfte, für das Lehramt GY/GE, ■ für eine vertiefte Fachlichkeit und eine praxisnahe Didaktik im Studi um. Ein Ausweiten der Praktika und Querschnittsthemen (wie bei spielsweise Inklusion, Umgang mit sprachlicher und kultureller Hete rogenität, durchgängige Sprachbildung, Digitalisierung), dürfen nicht zu einer Reduzierung dieser wesentlichen Grundbausteine führen.

Duales Studium Die erste Phase der Professionalisierung, die universitäre Ausbildung, ist wichtig und fokussiert die fachliche Ausbildung und die Vermittlung theoretischer Grundlagen. Sie kann aber nur in Teilen vorbereitend für die zweite Phase sein. An den Universitäten gibt es nicht hinreichend Einblick in den späteren Berufsalltag. Daher hat sich in NRW bereits im Praxissemester die Kooperati on mit den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung in der ersten Phase bewährt. Mehr Praxis im Studium ist kein Instrument zur besseren Professionalisierung an den Schulformen mit Sek II und auf keinen Fall gegen eine fachliche Ausbildung aufzurechnen. Ein duales Studium ist für die Lehrerbildung aus den o.g. Gründen abzulehnen. Die über den Seiteneinstieg (OBAS) begleitende didaktische Ausbildung halten wir für ange messen. Eine von Grund auf duale Ausbildung halten wir im Sinne der qualitativen Ausbildung für ungeeignet. Quereinstiegs-Masterstudium In den Mangelfächern hat sich die Rekrutierung von Quereinsteigenden über die OBAS bewährt. Ein Erwerb der Lehrbefähigung in zwei Fächern mit entsprechender Grundbildung über die OBAS mit pädagogischer Einführung und finanziell attraktiverem Vorbereitungsdienst und entsprechender Prüfung, sichert die Qualität für die dann folgende Tätig keit. Fachwissenschaftlich notwendiges Wissen muss, ab gestimmt auf das jeweilige Lehramtsstudium, vorhanden sein. Ein Professionsbezug mit Hinblick auf die Anforde rungen in verschiedenen Schulstufen und Schulformen wird mit Recht von der SWK gefordert. Zwölf Forderungen des PhV NRW für eine gelingende Nachwuchsgewinnung Ausgehend von den Überlegungen der KMK hat der PhV zwölf Forderungen für eine gelingende und zukunftswei sende Lehrkräftebildung formuliert, die wir so unter ande

INFO

SWK-Gutachten ‘Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht’ https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/ KMK/SWK/2023/SWK-2023-Gutachten_ Lehrkraeftebildung.pdf Zusammenfassung: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/KMK/ SWK/2023/SWK-2023-Gutachten_ Lehrkraeftebildung_Zusammenfassung.pdf

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Thema

Lyrik und Literatur gehören in den Englischunterricht Ein Interview mit der ehemaligen Englischlehre rin, Übersetzerin und Psychoanalytikerin Uta Gosmann. Sie ist die deutsche Übersetzerin der amerikanischen Nobelpreisträgerin und Lyrikerin Louise Glück (1943-2023). Voriges Jahr veröf fentlichte Gosmann ihren ersten Gedichtband ‘Reise durch Nimmerich’. Die Fragen stellte unser Redaktionsmitglied Carsten Hütter.

Uta Gosmann

? Wie wurden Sie von einer Gymnasiallehrerin für Englisch zur deutschen Übersetzerin der Literaturnobelpreisträgerin Louise Glück? Das konnte niemand voraussehen! Neben meiner Ausbildung zur Gym nasiallehrerin habe ich über zeitge nössische amerikanische Lyrik pro moviert und danach begonnen, die Lyrikerinnen, über die ich wissen schaftlich gearbeitet hatte — also auch Louise Glück — zu übersetzen. Gleichzeitig fing ich an, selbst zu schreiben. Dass Glück 2020 den Nobelpreis erhielt, kam als große Überraschung. ? Wie sind Sie durch Ihr Lehr amtsstudium auf Ihre spätere Tätigkeit als Übersetzerin vorbe reitet worden? Das Lehramtsstudium hat mich nicht direkt vorbereitet, auch wenn der ein

oder andere Übersetzungskurs zum Pflichtprogramm gehörte. Doch hat mir der DAAD zwei Studienaufent halte in den USA ermöglicht, in de nen ich meine sprachlichen und fachlichen Kenntnisse vertiefen und ein Gefühl für die amerikanische Kultur und die Besonderheiten ihrer Lyrik entwickeln konnte. Das Über setzen eignet man sich schließlich über das ‘learning by doing’ an. Lyri ker betätigen sich gern als Überset zer, weil man sich intensiv mit dem Genre und den Möglichkeiten der eigenen Sprache auseinandersetzt. ? Was sind Ihrer Ansicht nach die Freuden beim Übersetzen von Lyrik, was die Herausforderun gen? Die Freude besteht für mich darin, etwas Schönes in meiner Mutter sprache wiedererstehen zu lassen. Ich lebe in beiden Sprachen, und

wenn es so ist, dass unterschiedliche Sprachen unterschiedliche Erfah rungen von Welt eröffnen, verbindet das Übersetzen diese miteinander. Freude entsteht auch aus der Mitt lerposition zwischen den Kulturen. Die Herausforderung besteht darin, den Affekt des Ausgangstextes rich tig zu erfassen und in die Zielsprache zu transportieren. Bei Glück die rich tige Mischung aus sparsam, aber elegant zu bewahren, ohne flach oder blumig zu werden, ist nicht ein fach. ? Sind Sie Louise Glück auch persönlich begegnet? Ich kam mit einem Stipendium nach Yale, wo Louise Glück Kreatives Schreiben unterrichtete. Einige Jah re später zog ich nach New Haven, unser Kontakt intensivierte sich und wir freundeten uns an. Zu den Über

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Thema

setzungen konnte ich sie rege befra gen und erhielt fast immer vor Ab lauf einer Stunde Antwort. Sie liebte Rituale und plante ihr so ziales Leben oft schon Monate im voraus. Ich erinnere mich an ein Abendessen in Cambridge, das Lo kal hieß ‘The Hungry Mother’. Domi nante, gar gefräßige Mutterfiguren erscheinen in ihrem Werk überall, und so war die Wahl des Lokals si cherlich kein Zufall. Als Dichterin und Mensch hatte Glück etwas sehr Eigenwilliges und Entschlossenes und, so scheint mir, hat auf diese Weise auch das Ende bewältigt. Sie ist ja Anfang Oktober ganz plötzlich verstorben, hat nach der Krebsdiagnose nur noch wenige Tage gelebt. Sie hatte sich vorberei tet, über den Tod in ihrem Buch ‘Treue und edle Nacht’ alles gesagt. Es ist eine wunderbare Sammlung, der Finsternis hält ein Glänzen und Strahlen metaphorisch die Waage. ? Wie kamen Sie zu dem Ent schluss, selbst Gedichte zu schreiben und zu veröffentlichen? Es war weniger ein Entschluss als eine innere Notwendigkeit, ein Wunsch wie ein innerer Fluss, der aber auch ständig vom Versiegen bedroht war. Ich musste Hindernisse aus dem Weg räumen und die Lyrik, diese feine Form, in meinem Leben erst stabilisieren. Ich habe mich he rangetastet, über die wissenschaftli che Arbeit, dann das Übersetzen, das Finden eines literarischen Um

Aus der Schule erinnere ich mich in Sachen Lyrik leider nur an die Dada-

Gedichte im Deutschunterricht der 8. Klasse, die mit ihrem ‘ratatatata’ die Geräusche aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs imitieren sollten. Ich brauchte den Umweg über das Englische und das Französische, um zu begreifen, was an Sprache schön sein kann und was die besondere, ja enorme Schönheit der deutschen Sprache ausmacht.

felds (mein Mann ist Professor für Li teratur, viele Freunde schreiben), schließlich meine eigene Psycho analyse. Es war ein langer Weg. ? Mit welchen Themen setzen Sie sich in Ihren Gedichten auseinander? Schwere Frage! Im weitesten Sinn treiben mich zwei Fragen an, die ei gentlich ein und dieselbe Frage sind, was Wirklichkeit ist und wer wir sind. Meinem Buch habe ich den Titel ‘Reise durchs Nimmerich’ gegeben. Das Nimmerich ist ein Nicht-mehr Ich, der Ort eines erweiterten Ichs. Hier gib es viel Platz, viel Leere, wiegt die Welt leichter, bewegen sich die Dinge durch uns hindurch, ohne sich mit uns zu verhaken, ohne uns zu beschweren. Die herkömmli

che Wirklichkeitswahrnehmung wird verunsichert: Zeit erleben wir in der tiefen Aushöhlung eines Canyons. Raben treiben nicht auf Luft, son dern Licht. Ein Kind muss erst lernen, dass der unter Wasser getauchte Fuß nicht verloren ist. Die Welt ist wie eine zu kleine Decke, mit der wir uns vergeblich versuchen zuzude cken. Verlust führt zum Gewinn einer beseelten Leere. Ein Vater kann sein verstorbenes Kind im Traum retten. Vor Zerstreuung bewahrt nur der Bau einer inneren Kammer. Das Ver blühen des Mohns setzt überra schend Licht frei. ? Wie hat Ihre Tätigkeit als Übersetzerin von Lyrik Ihr eigenes Schreiben von Gedichten beeinflusst?

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Thema

Ich finde wenig so erhellend und bereichernd wie das ‘close reading’ eines Gedichts, das langsame, präzise Lesen jeder Zeile mit der Frage im Hintergrund, auf wie viele Arten sich die Worte in ihrer Ambivalenz und Vielschichtigkeit deuten lassen.

An der amerikanischen Lyrik mag ich die Offenheit, unverkrampfte Emotio nalität, die Lust am Spiel, den Blick fürs Wesentliche. Ich hoffe, dass diese Ei genschaften auch auf meine Texte ab färben. Aber ich schulde dem Engli schen noch viel mehr. Denn einer Äs thetik der deutschen Sprache war ich mir nicht von vornherein bewusst. Das lag vor allem daran, dass ich in der Nachkriegszeit groß wurde und die kri tische Betrachtung alles Deutschen an erster Stelle stand. Auch daran, dass Deutsch Alltagssprache, also Ge brauchsmittel war. Aus der Schule erin nere ich mich in Sachen Lyrik leider nur an die Dada-Gedichte im Deutschun terricht der 8. Klasse, die mit ihrem ‘ra tatatata’ die Geräusche aus den Schüt zengräben des Ersten Weltkriegs imi tieren sollten. Ich brauchte den Um weg über das Englische und das Fran zösische, um zu begreifen, was an Sprache schön sein kann und was die besondere, ja enorme Schönheit der deutschen Sprache ausmacht. ? Lyrik spielt bei Zentralabitur klausuren eine untergeordnete Rolle. Meines Wissens sind in fünf zehn Jahren Zentralabitur in Nord rhein-Westfalen nur zweimal Ge dichte als Texte vorgelegt worden. Die meisten gängigen Oberstufen bücher enthalten nur sehr wenige Gedichte, meistens Songtexte. Wel che Bedeutung hat für Sie Lyrik im Englischunterricht der Oberstufe?

eliminieren und — warum nicht? — Louise Glück anzubieten. Die ist sprachlich sehr zugänglich und inhalt lich höchst ertragreich. Laden Sie mich ein und wir gestalten gemein sam eine Unterrichtsreihe! ? Wie nehmen Sie die Transfor mation des Englischunterrichts weg vom Literaturunterricht wahr? Ich sehe das als eine gefährliche Ver armung. Ich denke, die Literatur, auch im Fremdsprachenunterricht, bietet mindestens Dreierlei. Erstens: Ansich ten menschlicher Innenwelten. Sie hilft, uns selbst und andere zu verste hen. Zweitens: Modelle für den sub jektiven sprachlichen Ausdruck. Sich zu erklären, Gefühle, Gedanken und Worte miteinander zu verbinden, kann man gar nicht genug üben. Drit tens: ästhetische Erfahrung. Denn die ist kein Luxusgut; aus psychologi scher Sicht ist die Fähigkeit, Schönes zu erkennen, Garant für seelische Ge sundheit.

macht sie für den Unterricht eigent lich besonders dankbar. Ich finde we nig so erhellend und bereichernd wie das ‘close reading’ eines Gedichts, das langsame, präzise Lesen jeder Zeile mit der Frage im Hintergrund, auf wie viele Arten sich die Worte in ihrer Ambivalenz und Vielschichtig keit deuten lassen. Man verbindet sprachliches, intellektuelles, emotio nales und ästhetisches Lernen auf ho hem Niveau. Ich würde vorschlagen, den grässlichen ‘Lord of the Flies’ zu

INFO

Kurzbiografie Uta Gosmann, geboren 1973 in Bochum, lebt nach Stationen in Calgary, Bonn, Buffalo, Guadeloupe, Berlin, Paris, Düsseldorf (als Lehrerin am Gymnasium) und Washington D.C. seit 2008 als Lyrikerin, Übersetzerin vor allem zeitgenössischer amerikanischer Lyrik und Psycho analytikerin in New Haven in den USA. Neben Gedichten von Susan Howe oder Ellen Hinsey übersetzte sie vor allem Bücher der Nobelpreisträgerin Louise Glück (zuletzt: ‘Treue und edle Nacht’, 2023). Seit 2017 erschienen eigene Gedichte in Zeitschriften wie ‘manuskripte’ und ‘Sinn und Form’. Diese Gedichte führt nun ihr erster Gedichtband ‘Reise durchs Nimmerich’ zusammen.

Lyrik bietet in kurzer, konzentrierter Form, was an Literatur wertvoll ist. Das

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Schule & Beruf

Trägt das Startchancenprogramm dem neuen schulscharfen Sozialindex ausreichend Rechnung? In welchem Umfang werden die Gesamtschulen von dem Förderprogramm profitieren?

von Julia Nelleßen >> Vorsitzende des Referats Gesamtschulen E-Mail: julianellessen@gmx.de

Am 6. März teilte das MSB mit, dass das Landeskabinett grünes Licht für eine weitere Umsetzung des Start chancen-Programms gegeben ha be. In den kommenden zehn Jahren werde je 2,3 Milliarden Euro vom Bund und vom Land für die gezielte Unterstützung von landesweit mehr als neunhundert Schulen in heraus fordernden Lagen investiert. Zur Förderung der Basiskompeten zen Lesen, Schreiben, Rechnen so wie der Stärkung der sozialen und emotionalen Kompetenzen werde man die lernförderliche Ausstattung und die Infrastruktur der Schulen und die pädagogische und systemi sche Beratung zur Verbesserung der Schul- und Unterrichtsentwicklung verbessern sowie die Multiprofessio nellen Teams personell verstärken. Das MSB hat nun 281 Grund- und Förderschulen und 125 weiterführen de Schulen als erste Kohorte ausge wählt. Das Programm setzt bei der Förderung der weiterführenden Schulen bei der Sozialindexstufe 7 an.

Wir bezweifeln jedoch die Wirk samkeit des Startchancen-Pro gramms für die Gesamtschulen in herausfordernden Lagen.

onserfahrungen und der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen, emo tionale und soziale Entwicklung so wie Sprache bilden die Grundlage für die Berechnung der sozialen Zu sammensetzung der Schülerinnen und Schüler einer Schule. Für die Gesamtschulen gab es bei der Berechnung der Sozialindexstu fen eine auch vom PhV vehement geforderte Korrektur. Die Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufen der Ge samtschulen wurden aus der Be rechnungsgrundlage getilgt, da sie zu einer Verzerrung der Ergebnisse führten. Die soziale (sozioökonomi sche) Zusammensetzung der Schü lerinnen und Schüler in dieser Schul form wurde vorher nicht realistisch abgebildet. Wie stark sich die Verzerrung äußer te, belegen die nun vorliegenden ak tuellen Zahlen. Die noch für dieses Schuljahr geltende Berechnung ordnet nur achtzehn Gesamtschu

Genese des neuen schul scharfen Sozialindexes

und bisher erfolgte Fördermaßnahmen

Mitte Januar wurde seitens des MSB der neue schulscharfe Sozial index veröffentlicht, der auf der Ba sis statistischer Erhebungen des Jahres 2023 erstellt wurde und im Schuljahr 2024/25 zur Anwendung kommen soll. Die Sozialindexstufen erstrecken sich auf einer Skala von 1 bis 9 (1= niedrigste Belastung, 9= höchste Be lastung). Die vier Parameter, die Kinder- und Jugendarmut, der Anteil der Schüle rinnen und Schüler mit vorwiegend nichtdeutscher Familiensprache, der Anteil der Lernenden mit Migrati

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Schule & Beruf

Fotos (2x): AdobeStock

len in die Sozialindexstufen fünf bis neun ein, während im kommen den Schuljahr 147 Gesamtschulen diesem Bereich zugeordnet werden. Nun stellt sich zu Recht die Frage, welche Handlungsstrategien vom MSB zum Abbau dieser Disparitäten vorgesehen sind? Werden die Ge samtschulen durch die Neube rechnung vom Startchancen-Pro gramm profitieren? Die Veröffentlichung Mitte Januar, zur Zeit der unmittelbar bevorste henden Anmeldungen an den Ge samtschulen, sorgte für großen Un mut. Die digitalen und auch die Print-Me dien zeigten den Eltern, die ihre Kin der an einer weiterführenden Schule anmelden mussten, dass nunmehr 13 Gesamtschulen der Stufe 9, 25 der Stufe 8, 21 der Stufe 7, 41 der Stufe 6 und 47 der Stufe 5 zugeordnet wur den. Mit dieser schon fast als Stigmati sierung empfundenen Veröffentli chung, die nicht gekoppelt war an konkrete Mittel- oder Stellenzuwei sungsschlüssel für die einzelnen In dexstufen, wurden diese Schulen al lein gelas- sen! Wer sich in die vertiefende Lektüre der Informationsseiten des MSB zum neuen schulscharfen Sozialindex be gibt und dort nach konkreten und notwendigen dirigistischen Konse quenzen sucht, der wird enttäuscht werden.

Das MSB äußert lediglich: »Die sich aus der Aktualisierung des Sozialinde xes ergebenden Umsteuerungen wer den behutsam und schrittweise erfol gen mit dem Ziel, Brüche in der Unter richtsversorgung zu vermeiden.« Man werde auch weiterhin die Stellen nach dem schülerzahlabhängigen Grundbedarf, nicht jedoch auf der Grundlage des Sozialindexes zuwei sen. Der PhV ist der Meinung, dass hin sichtlich der Besorgnis erregenden Zahlen deutlich schnellere und tief greifendere Maßnahmen ergriffen werden müssten. Das MSB zieht eine positive Bilanz bei der Ausweitung von (6315) Stellen für das laufende Schuljahr, die an die Sozialindexstufen gekoppelt wurde: Es seien 360 Stellen gegen Unter richtsausfall den besonders belaste ten Schulen in den Indexstufen 6 bis 9 schulscharf zugewiesen worden. Wenn man die tabellarische Übersicht der geltenden Indexstufen betrachtet, handelt es sich jedoch um 310 Schu len, die versorgt werden mussten. 1550 Stellen seien für den Unter richtsmehrbedarf für Sprachbil dung/Sprachförderung an den Schu len ab der Sozialindexstufe 3 geschaf fen worden. Es existieren jedoch 1814 zu versorgende Schulen in diesen Ka tegorien. Die 1250 Stellen für Sozialpädagogi sche Fachkräfte wurden lediglich in den Grundschulen geschaffen. Unse

re Schulform profitiert hingegen nicht davon. Für weitere Ernüchterung sorgt der Haushalt 2024. Er sieht Ausgaben von nur durchschnittlich 8300 Euro pro Schüler vor. Damit liegt NRW er neut deutlich unter dem Bundes durchschnitt von 9200 Euro. Die ernüchternden Zahlen verdeutli chen, dass es einer deutlich größeren Kraftanstrengung bedarf, den prekä ren Verhältnissen entgegenzuwirken. Das Startchancen-Programm sieht jedoch zunächst nur eine Förderung von 160 weiterführenden Schulen vor. Im nächsten Schuljahr wird es 325 weiterführende Schulen (Sozialindex 6-9) in besonders prekären Lagen ge ben. Von den 100 Gesamtschulen in diesen Indexstufen werden nur 29 in der ersten Kohorte profitieren. Der PhV fordert daher, dass der neue schulscharfe Sozialindex vor allem bei den Sozialindexstufen 6 bis 9 zu einer automatischen Erhöhung der Mehr bedarfe an Lehrerstellen und zu einem Ausbau der Multiprofessionellen Teams führt. Diese Schulen mit einer besonders be nachteiligten sozialen Zusammenset zung könnten dann durch die Verklei nerung von Klassen und Kursen und durch den Ausbau ihrer Förderstruk turen für Schülerinnen und Schüler mit zieldifferentem sonderpädagogi schen Unterstützungsbedarf und für jene mit Fluchthintergrund systema tisch Defizite abbauen.

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Schule & Beruf

PhV NRW-Landesvorsit zende Sabine Mistler und Michael Horstmann im Gespräch.

Impulse für eine gymnasiale Bildung der Zukunft Handlungsfelder und Haltungen in einer Zeit der Veränderungen

Ergebnisse der Tagung des Referats für Bildungsfragen zum Thema ‘Begabtenförderung im Kontext gymnasialer Bildung vor dem Hintergrund der aktuellen Pisa-Ergebnisse’.

von Michael Horstmann >> Referent des PhV NRW für Bildungsfragen E-Mail: horstmann-michael@t-online.de

Impulspapier ‘Gymnasiale Bildung der Zukunft’ in Arbeit Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung waren sämtliche Mitglieder des Bildungsausschusses sowie einige Gäste, die allesamt intensiv und sehr engagiert am Thema gearbeitet ha ben. Die Ergebnisse dieser Arbeit bil den die Grundlage für ein geplantes Impulspapier. Der Bildungsausschuss nimmt damit die Pisa-Studie 2022 und die darauf erfolgte Diskussion über Ergebnisse und Schlussfolgerungen zum Anlass, die Situation des Bildungswesens in Nordrhein-Westfalen erneut zu re flektieren und Handlungsfelder auf zuzeigen. Das Handlungsfeld ‘Begab

»Was hat Begabtenförderung mit den Pisa-Ergebnissen 2022 zu tun?«, könnte man angesichts des Themas fragen, welches den Rah men für die Tagung des Bildungs ausschusses des PhV NRW am 16. und 17. Februar 2024 in Dortmund bildete. Antwort: »Sehr viel!« Weniger leistungsstarke Schülerinnen und Schüler am Gymnasium Der Anteil leistungsstarker Schüle rinnen und Schüler ist in Mathema tik (2022 galten 21 Prozent am Gym nasium als leistungsstark, 2012 wa ren es noch 40 Prozent) und im Lesen (2022: 19,2 Prozent, 2018: 27,3 Prozent) auch an den Gymna sien stark gesunken.

In den Naturwissenschaften hat sich der Anteil kaum verändert (22,4 Prozent). Besonders wenig Leis tungsstarke gibt es allerdings nach wie vor an nicht-gymnasialen Schu len (Lewalter et al. Zusammenfas sung, 2023; S. 10,18 und 21). Dieser Aspekt bildete den Aus gangspunkt für den Vortrag von Prof. Dr. Christian Fischer von der Universität Münster über ‘Transfor mative Begabungsförderung und nachhaltige Potenzialentwicklung’. Ergänzt wurden diese Ausführungen zum aktuellen wissenschaftlichen Stand der Begabtenförderung durch einen Workshop von Anja Deufel, Referentin der Deutschen Gesell schaft für das hochbegabte Kind, zu Perspektiven für die pädagogische Praxis.

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Schule & Beruf

Mitglieder des Referats für Bildungsfragen mit Prof. Dr. Christian Fischer (6. v.l.).

tenförderung’ ist eines, das wir stärker in den Vordergrund stellen wollen, um das Profil der Schulform Gymnasium weiter zu schärfen. Wir sehen die Pi sa-Studie 2022 grundsätzlich als Chance, in einem möglichst breiten gesellschaftlichen Diskurs zu einer neuen Bildungspartnerschaft zwi schen Lernenden, Lehrenden, Eltern, Administration und Gesellschaft zu kommen. Ein leistungsfähiges Bil dungswesen bildet die Grundlage für unser demokratisches Zusammenle ben, das persönliche Wohlergehen und unseren wirtschaftlichen Erfolg. Die Schulform Gymnasium ist dafür ein wesentlicher Garant. Wir müssen sie zukunftssicher machen (auch resi lient) und zugleich Perspektiven für eine gymnasiale Bildung der Zu kunft entwickeln. Das schließt einen klugen Umgang mit Veränderungen in der Gesell schaft ein. Die Forderung nach um fassenden Transformationen in allen gesellschaftlichen Bereichen entwi ckelt allerdings einen Handlungs druck, der kluges Handeln erschwert und einen ergebnisoffenen, evidenz basierten Diskurs fast unmöglich macht. Wir müssen zunächst nüchtern fest stellen, dass die bisherigen Anstren gungen im Bildungsbereich nicht ausreichen oder nicht zielführend wa ren. Administrative Maßnahmen wa Konsequenzen aus den Pisa-Ergebnissen 2022

ren und sind beispielsweise wenig hilfreich, manchmal sogar kontrapro duktiv. Die Umstellung auf die Kom petenzorientierung, der Wechsel von G9 zu G8 und wieder zu G9, eine enorme Ausweitung bürokratischer Vorgaben, eine zu wenig fokussierte Schulentwicklung erzeugten eher Reibungsverluste als sie nützten. Wir brauchen einen ehrlichen Blick auf die veränderte Schülerschaft und passende Antworten für Schule und Unterricht. Der aktuelle IQB-Bil dungstrend 2022 zeigte z.B. für den Stadtstaat Hamburg, dass langfristige Maßnahmen an den richtigen Stellen positive Wirkungen entfalten können. Vielleicht gelingt mit QuaMath eine ähnliche Trendwende in Bezug auf die Pisa-Ergebnisse im Fach Mathe matik wie zu Beginn der Pisa-Studien mit dem Sinus-Projekt. Im geplanten Impulspapier werden wir uns nach einem kritisch-konstruk tiven Blick auf die aktuelle Pisa-Stu die angesichts der Komplexität der Thematik auf Schwerpunkte konzen trieren, die für eine gymnasiale Bil dung der Zukunft wesentlich sind und Erkenntnisse aus der Pisa-Studie ein beziehen: Zunächst greifen wir die durchaus kritischen Stimmen zur Aussagekraft der Pisa-Studie auf in Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Länder (Erfassungsquoten, Migration Handlungsfelder und Haltungen in einer Zeit der Veränderungen

etc.), die notwendige Unterscheidung von Korrelation und Kausalität bei der Interpretation der Ergebnisse und in Hinblick auf die vorgeschlagenen Konsequenzen. Außerdem nehmen wir die veränderte Schülerschaft in den Blick, entwickeln unsere Positio nen im Bereich des digitalen Wandels weiter, setzen Akzente für lernwirksa me Unterrichtskonzepte, plädieren für ein Miteinander von Begabungs- und Begabtenförderung am Gymna sium, fokussieren die Situation der Lehrkräfte, fragen nach Verände rungsbedarfen in der Lehrplanent wicklung und ordnen Erkenntnisse zur Bildungsgerechtigkeit ein. Einige Themen des Impulspapiers werden wir auch für die ‘Bildung aktu ell’ aufbereiten. Den Anfang macht in der nächsten Ausgabe das Thema ‘Begabungs- und Begabtenförde rung’.

Pisa Bericht 2022 Deutschland und OECD:

INFO

https://www.pisa.tum.de/ fileadmin/w00bgi/www/ Berichtsbaende_und_Zusam menfassungungen/PISA 2022-zusammenfassung.pdf https://www.oecd-ilibrary.org/ docserver/6004956w.pdf? expires=1713206133&id=id& accname=guest&check sum=927246D55DB88057A 108ABDDE4E88B51

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Schule & Beruf

‘Sapere aude’ – Ohne Kant am Strand Am 22. April dieses Jahres feierten wir den 300. Geburtstag des bedeutendsten deutschen Philosophen. Immanuel Kant wäre wahrscheinlich entsetzt über die Mutlosigkeit und den mangelnden philosophischen Gehalt des aktuellen Entwurfs des Kernlehrplans für das Fach Praktische Philosophie.

von Michael Horstmann >> Referent des PhV NRW für Bildungsfragen E-Mail: horstmann-michael@t-online.de

In einer ausführlichen Stellungnahme hat sich der PhV NRW zum schul formübergreifenden Kernlehrplan Praktische Philosophie für die Se kundarstufe I in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Verbändebeteiligung im Entwurf vom 6. Februar 2024 ge äußert. Bereits vor einem Jahr hatten wir im Kontext der Novellierung des KLP PP unsere fachbezogenen Hin weise abgegeben. Insbesondere un sere darin enthaltene Forderung nach einem schulformspezifischen KLP blieb unberücksichtigt. Wir erheben ausdrücklich Protest gegen die Konzeption eines schul formübergreifenden Kernlehrplans für das Fach Praktische Philosophie. Weder im Entwurf selbst noch bei der Präsentation durch die QUA-LiS NRW wird bzw. wurde eine Begrün dung dafür gegeben, dass das Fach Praktische Philosophie am Gymnasi um das einzige Fach ohne einen Fehlender gymnasialer Anspruch

schulformspezifischen Lehrplan bzw. ohne ausgewiesene Kompetenzer wartungen für das Gymnasium ist. Es finden sich lediglich an zwei Stellen im Entwurf unspezifische Hinweise auf die Umsetzung in den jeweiligen Bil dungsgängen (S. 10 und S. 15). Diese beiden Hinweise sind in ihrer Allge meinheit völlig unzureichend und sichern in keiner Weise den gymna sialen Anspruch an dieses Fach. Vernachlässigung eines immer wichtiger werdenden Faches Man wird damit insbesondere nicht der wachsenden Bedeutung des Fa ches Praktische Philosophie ge recht. An fast allen Gymnasien wird dieses Fach mittlerweile von der Stufe 5 bis 10 unterrichtet und von immer mehr Schülerinnen und Schülern ge wählt. Dies kommt unter anderem durch den signifikanten Zuzug von Schülerinnen und Schülern mit nicht christlichem Bekenntnis zustande bzw. dadurch, dass immer mehr Schü

lerinnen und Schüler keiner christli chen Konfession mehr angehören. Das Fach Praktische Philosophie leis tet damit auch einen wichtigen Bei trag zur Integration und zum demo kratischen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Es hat außerdem als durchgehendes ‘Ersatzfach’ für den Religionsunterricht eine sehr hohe Schülerfrequenz. Aufgrund dieser völlig veränderten Situation wäre auch das Argument, dass bereits der bisherige Kernlehr plan Praktische Philosophie von 2008 schulformübergreifend konzipiert war, nicht nachvollziehbar. Wir begrüßen ausdrücklich den be dachten Zeitplan für die Umsetzung des KLP: Er tritt zwar zum August 2024 in Kraft, begibt sich dann aller dings für ein Schuljahr in die Imple mentierungsphase, so dass erst ab dem Schuljahr 2025/26 die aufstei gende Umsetzung erfolgt. Dadurch bliebe genügend Zeit, jetzt noch (auch grundlegende) Änderungen am Entwurf vorzunehmen.

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Schule & Beruf

Doppeljahrgang ein inhaltlicher Schwerpunkt zu den Religionen formuliert. Im aktuellen Entwurf fehlen diese Schwerpunkte komplett. Konkrete Vorschläge zur Verbesserung Unser Vorschlag zur Struktur und Benennung der Inhaltsfelder ist da her eine Reduzierung der Inhaltsfelder von sieben auf sechs und eine klarere Benennung dieser Inhaltsfelder mit ei ner entsprechenden Sachstruktur. Mit sechs Inhaltsfeldern würde man sich auch der Konzeption der Oberstufe annähern: 1. Ich selbst; 2. Ich und die anderen; 3. Zusammenleben in Ge meinschaft, Gesellschaft und Staat; 4. Moralisch Urteilen und Handeln; 5. Sinnsuche und Lebensentwürfe in Philosophie und Weltreligionen; 6. Menschliche Erkenntnis. Viele weitere Vorschläge zur Optimie rung finden Sie in unserer vollständi gen Stellungnahme zum Lehrplanent wurf. Wir hoffen auf die entsprechen de Umsetzung, damit wir mit dem Buchtitel von Brigitte Hellmann wie der sagen können: ‘Mit Kant am Strand’.

Nachhaltigkeit nicht eindeutig definiert bzw. in einem unkla ren Durcheinander kombiniert. Dieses Problem setzt sich teil weise bei den inhaltlichen Schwerpunkten und konkretisier ten Kompetenzerwartungen fort. Das Inhaltsfeld 6 (Sinnsuche und Lebensentwürfe), das inhaltlich an die Stelle des ehemaligen Fragenkreises 7 (Die Frage nach Ursprung, Zukunft und Sinn) getreten ist, ist geradezu entkernt und weist zum Fragenkreis 7 kaum noch Parallelen auf. Der alte Fragenkreis 7 hatte eine starke religi onskundliche Prägung, die angesichts einer multireligiösen Gesellschaft ei ner Stärkung bedurft hätte. Stattdes sen schwindet gerade dieser Anteil und das Inhaltsfeld 6 wird stark in den Bereich des Subjektiven verschoben. Religionskunde fehlt Diese deutliche Reduzierung des reli gionskundlichen Teils ist gerade in der aktuellen Situation, aber auch weit über sie hinaus, kontraproduktiv. Dialog kann nur gelingen, wenn ich weiß, wo rüber ich rede. Die Notwendigkeit von Sachwissen unterstrich beispielsweise in besonderer Weise die von der Minis terin erbetene Thematisierung des Überfalls der Hamas auf Israel. So weiß die große Mehrheit der Schülerinnen und Schüler kaum noch etwas über das Judentum. Hier muss das Fach Prakti sche Philosophie die Kenntnisse ver mitteln, die sonst in den Religionsleh ren auch religionsübergreifend thema tisiert werden. Bisher war für jeden

Unklare Sachstruktur der Inhaltsfelder

Formulierung und Konzeption der sieben Fragenkreise im bisherigen Lehrplan sahen allein aufgrund ihrer besseren Abgrenzung eine deutlich sachangemessenere Auseinanderset zung mit den inhaltlichen Schwer punkten vor. Die Benennung und Konzeption der sieben neuen Inhaltsfelder ist unpas send und irreführend. Insbesondere beim Inhaltsfeld 3 (Verantwortung) und Inhaltsfeld 5 (Gegenwart und Zu kunft) sollte geändert werden. Zum ei nen zeigt sich eine fehlende Trenn schärfe dieser beiden Inhaltsfelder schon in einer wörtlichen Wiederho lung. So heißt es in beiden Inhaltsfel dern (sic!), es gehe schwerpunktmäßig um »das menschliche Handeln und die damit verbundene Verantwortung des Menschen für sich selbst und die Welt«! (S. 13). Außerdem sollte hier eine Verengung auf den Aspekt der Verant wortung (Verantwortungsethik) ver mieden und auch andere ethische Po sitionen angelegt werden (Pflicht, Tu gend, Nutzen, Diskurs etc.). Zudem werden Begriffe wie Freiheit, Verant wortung, Werteorientierung und

INFO

Sie finden die vollständi ge Stellungnahme auf der Website des PhV NRW unter: https://phv-nrw.de/2024/ 04/02/stellungnahme-zum schulformuebergreifenden kernlehrplan-fuer-die-sekun darstufe-i-in-nordrhein-west falen-praktische-philosophie/

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Interna

Der stellvertretende Landesvorsitzende Ulrich Martin moderierte den Tag für Vertrauenslehrerinnen und -lehrer im großen Saal des Düsseldorfer Clayton-Hotels.

Die Landesvorsitzende Sabine Mistler bei ihrer Rede: »Sie sind unsere Verbindung an den Schulen mit allen Kolle ginnen und Kollegen«, sagte sie mit Blick auf die anwesenden Ver

trauenslehrerinnen und -lehrer im vollbesetzten Saal.

Verbindung. Verantwortung. Vertrauen. Beim PhV-Tag für Vertrauenslehrerinnen und Vertrauenslehrer ging es vor allem um die bevorstehenden Wahlen zu den Perso nalräten. Schulministerin Dorothee Feller verriet, warum Schulpolitik ihr manchmal schlaflose Nächte bereitet, und eine Film premiere gab es auch.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller hielt ein Grußwort und stellte sich anschließend den Fra gen der Lehrerinnen und Lehrer. Sie sagt: »Wir haben viele Bau stellen in NRW. Wir haben aber auch viele sehr gute Schulen, hochengagierte Lehrerinnen und Lehrer und auch sehr gute Schü lerinnen und Schüler.«

auch der Leh rermangel in bestimmten Regionen des Landes mache

Manchmal, so bekannte Schulminis terin Dorothee Feller in ihrem Gruß wort, liege sie nachts wach und ma che sich Sorgen. Über den Digital pakt II beispielsweise, der eigentlich in diesem Jahr in die Verlängerung

gehen sollte, aber immer noch nicht

zwischen Bund und Ländern ausver handelt ist. »Es sind mühsame Ver handlungen«, so Feller, »aber wir set zen darauf, dass er kommt.« Aber

ihr Kummer. Schnelle Lösungen sei en dafür allerdings nicht in Sicht. Aber auch keine faulen Kompromis se: Eine Verkürzung des Referenda

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Interna

Volles Haus im Clayton-Hotel: Fast dreihundert Vertrauenslehrerinnen und -lehrer waren Mitte April zu Gast in Düsseldorf.

riats auf 12 Monate, wie von der KMK als Mittel gegen Unterrichtsausfall ins Spiel gebracht, seien in Nord rhein-Westfalen kein Thema. Die knapp dreihundert Vertrauens lehrerinnen und Vertrauenslehrer des PhV, die der Einladung ihres Verbandes ins Düsseldorfer Clayton Hotel gefolgt waren, spendeten der Ministerin gebührend Applaus – Offenheit kam gut an. Auch wenn manch ein Gast ein paar deutliche Worte zur Belastungssituation an Gymnasien und Gesamtschulen ver misst hat. Stattdessen gab es Zweck optimismus aus dem MSB: »Wir ha ben viele Baustellen in Nordrhein Westfalen. Wir haben aber auch viele sehr gute Schulen, hochengagierte Lehrerinnen und Lehrer und auch sehr gute Schülerinnen und Schüler.« Der gesamte Tag stand unter dem Motto Verbindung. Ver antwortung. Vertrauen. Diesen Dreiklang nahm die PhV-Vor sitzende, Sabine Mistler, in ih rer Rede auf: »Sie sind unsere legen«, sagte sie mit Blick auf die Vertrauenslehrerinnen und -lehrer im vollbesetzten Saal. »Sie überneh men Verantwortung und tragen un ser Blau in die Lehrerzimmer. Sie ver trauen uns, dass wir uns für Ihre Be lange an den Schulen starkmachen und einsetzen.« Apropos: Gestärkt durch einen er folgreichen Tag startet der PhV nun Verbindung an den Schulen mit allen Kolleginnen und Kol

in die Personalratswahlen. Mistler: »Lassen Sie uns gemeinsam mit Zuversicht und Motivation in diese PR-Wahlen 2024 gehen. Mit der Gewissheit, dass der PhV in Nord rhein-Westfalen die Stimme ist für unsere Kolleginnen und Kollegen, die starke Stimme für unsere Gym nasien, Weiterbildungskollegs und Gesamtschulen.« Eine Premiere gab es Mitte April in Düsseldorf auch. Zum ersten Mal An mehreren Stellen waren während der Mittagspause Büffets aufgebaut. Nebenher gab es reichlich Gelegenheit für den persönlichen Aus tausch.

konnten die Gäste den neuen Image film des PhV sehen, der den Verband nicht nur im besten Licht, sondern auch an seinen wichtigen Wirkungs stätten präsentiert: Geschäftsstelle, Schulministerium, Landtag, im Ein satz an den Schulen und in den Be zirken. Etwas mehr als vier Minuten lang ist das Video geworden, das ab sofort auf der PhV-Website und der Seite zur PR-Wahl (siehe Info-Box) abrufbar ist. Olaf Steinacker

Mit dem Adolphinum in die Zukunft: Die Daktiker sind Deutschlands dienstältestes Lehrerkabarett. Mit Musik und Witz nahm das Quartett die Zustände an Gymnasien aufs Korn.

INFO

Beim ersten und einzigen regulären Hauptausschuss des Jahres gaben die Anwesenden grünes Licht für die Kampa gne zu den Personalratswahlen 2024, die am 13. Juni ausge zählt werden. Das gesamte Material wie Themenplakate, Post karten, unsere Grundsätze ‘Wofür wir stehen’ sowie die Anlei tungen zu den Wahlen und den neuen Imagefilm des PhV finden Sie im Internet unter: www.prwahl.de

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Interna

Ausgezeichneter Schulleiter: André Szymkowiak aus Köln freut sich gemeinsam mit seiner Familie und der PhV-Vorsit zenden Sabine Mistler über den Deutschen Lehrkräftepreis.

Sehr vorbildlich, Herr Szymkowiak!

Drei Auszeichnungen des Deutschen Lehrkräftepreises gehen nach NRW. Zweimal ist Köln dabei, einmal Gütersloh. Der Sieger in der Kategorie Vorbildliche Schulleitung ist PhV-Mitglied.

Wer hat es nicht schon längst mit bekommen, dass alle Beteiligten an Schule und Bildung gestiegenen Herausforderungen ausgesetzt sind? Dies gilt für unsere Lehrkräf te und auch für die Schulleitungen. Mehr Verantwortung im Zuge der Selbstständigkeit der Schulen, vie le Aufgaben, die über ein ange messenes Maß hinausgehen. Die Schulleitungen müssen Manager/ -innen sein, manchmal Politiker/ -innen, Expertinnen und Experten für Psychologie, Gesundheit und Gebäudemanagement, für Bildung im Allgemeinen und für Krisen aller Art. Kein Wunder also, dass der Job nicht immer Lust und Laune macht. Viel zu selten wird diese Herausforderung gesehen und gewürdigt. Daher freuen wir uns ganz beson ders, dass André Szymkowiak, Mitglied unseres Verbandes und Schulleiter am Kölner Gymnasium Thusneldastraße, beim Deutschen Lehrkräftepreis in der Wettbe werbskategorie Vorbildliche Schul leitung mit dem ersten Platz aus gezeichnet worden ist. »Er hat die

Schule wieder zu einem Ort ge macht, an dem jeder gern lernt und arbeitet«, schreibt das siebenköpfi ge Schulleitungsteam über seinen Chef. Und weiter: »Er schafft es, je dem ein Gefühl der individuellen Wertschätzung und des persönli chen Respekts entgegenzubringen – sei es ein Millionärskind oder ein Kind von Sozialhilfeempfängern.« Der Lehrkräftepreis, der vom Deut schen Philologenverband und der Heraeus Bildungsstiftung gemein sam vergeben wird, hat es sich zum Ziel gesetzt, die öffentliche Wert schätzung sowie das Image des Lehrberufs und der Arbeit der Schulleitungen zu steigern. Der PhV gratuliert André Szymkowiak und den weiteren Preisträgerinnen und Preisträgern aus Nordrhein Westfalen zu dieser Auszeichnung. Karl-Timo Einheuer vom Köln- Kolleg wird in der Kategorie Aus- gezeichnete Lehrkräfte geehrt. Lenny Liebig, Laura Berressem sowie Annika Stuckmann von der Janusz-Korczak-Gesamtschule Gütersloh erhalten den Sonderpreis Kulturelle Bildung. Olaf Steinacker

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Interna

Privat- und Ersatzschulseminar im Leonardo-Hotel Dortmund PhV-Tagung vom 15. bis 16. Februar 2024 in Dortmund Dieses Jahr fand im Februar das Seminar für Privat- und Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen in Dortmund statt. Dank der guten Organisation des Tagungsortes im Leonardo-Hotel war es uns möglich, derzeit wichtige Themen zu erörtern.

So luden wir am Donnerstag zu einem ganz aktuellen Thema für den Bereich Schule Volker Hinzen ein. Hinzen gibt als Referent Vorträge und Workshops im Bereich Text, Websei ten und social media. Er leitete uns daher ganztägig durch das Thema ‘Künstliche Intelligenz (KI) im Unter richt’. Es folgte ein gemeinsamer Abend, wobei sich wieder einmal zeig te, wie wichtig der persönliche Aus

tausch der Kolleginnen und Kollegen an Schulen in freier Trägerschaft ist. Am Freitagmorgen setzte der Ver bandsjustiziar des PhV, Stefan Avena rius, den Seminarverlauf fort. Er klärte am Vormittag Fragen der Teilnehme rinnen und Teilnehmer und legte juris tische Einschätzungen zum Thema Straftaten im Bereich Schule vor. Am Nachmittag stellte uns die Vorsit zende des PhV, Sabine Mistler, zu

nächst in einem Vortrag die gegen wärtigen Ziele des Verbandes im Wahlkampf für die Personalratswahl 2024 vor. Dabei zeigen sich beispiels weise die Situation rund um die No tengebung oder die Gliederung des Schulsystems als relevante Themen. Auch Fragen zur Arbeitszeiterfassung und zum Seiteneinstieg wurden von Mistler erläutert. Marcel Witte und Reinhard Blum

Für starke Gymnasien und gute Arbeitsbedingungen Mitgliederversammlung des Bezirks Coesfeld »Wir kämpfen für ein begabungs- und leistungsgerechtes vielgliedriges Schulwesen, das sich auf Qualität und Leistung fokussiert. Wir wehren uns entschieden gegen Nivellierungstendenzen. Es muss Schluss sein mit der Aushöhlung des Leistungsgedankens im Bildungsbereich«, so Astrid Steens, Bezirksvorsitzende Coesfeld, in ihrer Begrüßung bei der diesjährigen Mitgliederversammlung in Dülmen.

Gemeinsam mit Meik Bruns, Regio nalbeisitzer Westfalen, diskutierten die Mitglieder aktuelle bildungspoliti sche Themen. Dabei stand die zuneh mende Arbeitsbelastung in den Schu len im Mittelpunkt: »Der PhV enga

giert sich für ein qualitätsorientiertes Gymnasium und für angemessene Arbeitsbedingungen. Wir wollen un seren Beruf und unsere Berufung mit Freude und Leidenschaft ausüben und nicht im Arbeitsalltag in Bürokra

tie und erheblicher Mehrbelastung ersticken!«, so Bruns. Digitalisierung mit Weitsicht Besonderes Augenmerk richtete Meik Bruns auf die gymnasiale Bil

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