Bildung aktuell 1/2024

Zeitschrift des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen

1/2024 Ausgabe Mai · 75. Jahrgang · 7108

Bildung aktuell

Wir machen Schule www.phv-nrw.de

Pädagogik & Hochschul Verlag · Graf-Adolf-Straße 84 · 40210 Düsseldorf

>> Alle Jahre wieder – Pisa als Vorwand für Schulstrukturdebatten Leitartikel von Sabine Mistler >> Korrekturende gemäß Arbeitszeitverordnung? Das Hamburger Arbeitszeitmodell im Faktencheck >> Arbeitszeiterfassung – der richtige Weg zu gerechteren Arbeitszeiten? Eine Einordnung von Ulrich Martin

Besuchen Sie uns auf der didacta in Köln vom 20. bis 24. Februar in Halle 7/ Stand E-030

Editorial

von Lars Strotmann >> Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Medien E-Mail: larsstrotmann@yahoo.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser,

(Aus-)Bildungsbedingungen haben wollt, wie sie zu unserer Zeit für alle selbstver ständlich waren, dann bieten wir an, dass wir euch ungefragt einen gigantischen Genera tionenbildungskredit aufbürden. Dieser soll und wird euch in die Lage versetzen, dass ihr euren Generationenbildungskredit tilgt, vielleicht auch noch die in den letzten zwan zig Jahren völlig heruntergewirtschaftete öffentliche Infrastruktur wieder auf Vorder mann bringt und natürlich unsere Altersvor sorge finanziert. Leider wird das zur alterna tivlosen Folge haben, dass die bereits re kordverdächtige Steuer- und Abgabenlast noch einmal ansteigen wird. Der Leitartikel unserer Landesvorsitzenden Sabine Mistler wirft einen genaueren Blick auf die schulpolitischen Risiken und Ne benwirkungen im Kontext dieses jüngsten Pisa-Debakels, bei dem es nun aber ein für alle mal dem ungeliebten Gymnasium als vermeintlich letzter Bastion der Klassen- gesellschaft an den Kragen gehen soll. Wir wünschen Ihnen einen guten Start ins zweite Halbjahr sowie eine anregende und abwechslungsreiche Lektüre! Ihr Lars Strotmann und die Redaktion

viel ist nach der durch Pisa offiziös festge stellten Kernfach-Kernschmelze in unserem Bildungssystem dieser Tage von einem ‘Sondervermögen Bildung’ die Rede. Der orwellianisch anmutende Begriff des Son dervermögens (im Volksmund pejorativ auch als ‘Schulden’ bekannt) suggeriert da bei, dass es sich um real existierendes Geld handeln würde. Ob übrigens sämtliche hier in Rede stehenden und/oder in die Schulen abgeschobenen Problemlagen allein mit Geld behoben werden können, darf und sollte ernsthaft bezweifelt werden. Unternehmen wir also eine – wie man in Pä dagogenkreisen zu sagen pflegt – Gedan kenreise: Stellen wir uns also vor, die vulgär keynesianistische Unterscheidung in gute und schlechte Schulden wäre zutreffend und mit dem Realitätsprinzip vereinbar. Ver setzen wir uns vor diesem Hintergrund ein mal in die Position der hier (noch) zu Bilden den – sprich: der Schülerinnen und Schüler. Dann stellt sich der damit verbundene Deal aus Perspektive der jungen Generation un gefähr wie folgt dar: Wenn ihr vergleichbare

INHALT

Editorial >> Editorial von Lars Strotmann >> 02 Aktuell >> Anhörung zur Lehrerarbeitszeit im Landtag Von Hamburg lernen …? >> 03 Leitartikel >> Alle Jahre wieder – PISA als Vorwand für Schulstrukturdebatten >> 04-06 Thema >> Korrekturende gemäß Arbeitszeitverordnung? >> 07-13

Interna >> »Werden den Lehrermangel ganz brutal erleben«

>> Arbeitszeiterfassung – der richtige Weg zu gerechteren Arbeitszeiten?

>> 14/15

PhV: Vorstand des Bezirks Düren schlägt Alarm. Ländlichen Raum attraktiver machen >> 24/25 >> »Quo vadis?« – Eine Mitgliederversammlung der ernsten Töne >> 25 >> Ein Tag für mich Achtsamkeit und Selbstfürsorge >> 26 Recht >> Erfolgreicher Rechtsschutz durch den PhV NRW: Skiunfall auf Klassenfahrt im Ausland >> 27

Schule & Beruf >> Noten-Inflation gestoppt? Eine Auswertung der Abiturergebnisse 2023 >> Kriegsgräberstätten als Lernorte entdecken

>> 16-18

>> 19-22

In eigener Sache >> Neue Mailadresse? Schulwechsel?

Neue Besoldungsstufe oder Entgeltgruppe? Neue Bankverbindung?

>> 23

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Aktuell

Die PhV-Landesvorsitzende Sabine Mistler bei der Anhörung am 23. Januar im Landtag.

Anhörung zur Lehrerarbeitszeit im Landtag Von Hamburg lernen …?

Im nordrhein-westfälischen Landtag ging es am 23. Januar im großen Plenarsaal um das Thema Lehrkräftemangel und wie man diesem entsprechend am besten begegnen kann. Die SPD-Fraktion hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt.

‘Lehrkraft-Sein ist mehr als Unter richt: Die Landesregierung muss das Potenzial eines Arbeitszeitmodells für Lehrkräfte in NRW nutzen’ – so stand es auf dem Antrag, zu dem Vertreterinnen und Vertreter der Lehrerverbände sowie der Schullei tervereinigungen Stellung nehmen konnten. Hintergrund der Anhörung waren die weiter gestiegenen Belas tungen und Herausforderungen der vergangenen Jahre – ein Befund, den alle Geladenen teilten. In der Frage nach einer gerechteren Arbeitszeit für Lehrerinnen und Leh rer jedoch gab es durchaus unter schiedliche Ansätze. Während ein Arbeitszeitmodell, wie im Antrag der SPD gefordert, nach einem modifi zierten Hamburger Modell von den einen favorisiert wurde, sehen wir dieses sehr kritisch (vgl. Seiten 7 und

14 in der aktuellen Ausgabe). Das bisherige Deputatsmodell birgt aus unserer Sicht zwar Handlungsbedarf, dennoch müssen wir uns fragen, ob wir uns einer extrem differenzierten Faktorisierung aussetzen wollen, die sich nur an Mittelwerten orientiert. Wollen wir wirklich gänzlich auf Ver trauensarbeitszeit verzichten? In Hamburg gibt es die höchste Teil zeitquote bundesweit – wir hinterfra gen, was die Ursache dafür sein mag. Wenn das Modell so umwerfend er folgreich gewesen wäre, es gibt dies immerhin seit 2003, warum sind nicht auch andere Bundesländer dem Beispiel Hamburgs gefolgt? Wir sagen, wir müssen in jedem Fall Entlastung erfahren, und zwar in möglichst gerechter und flexibler Form. Den Nachweis dafür, dass wir mehr als fünfzig Wochenstunden in

Vollzeit arbeiten, belegen diverse Studien hinreichend. Jetzt benöti gen wir schnellstmöglich ein Han deln der Politik. Der PhV NRW for dert daher mehr Anrechnungsstun den, die Rücknahme der Stundener hebung auf 23 Wochenstunden, die drastische Reduzierung von unter richtsfernen Aufgaben für mehr Konzentration auf unser Kernge schäft Unterricht – und Freude und Motivation an unserem tollen Beruf!

Sabine Mistler Landesvorsitzende

INFO

Die Stellungnahme zum Arbeitszeitmodell sowie alle weiteren finden Sie in unserem Online-Auftritt unter: https://phv-nrw.de/ aktuelles/stellungnahmen/

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Leitartikel

Alle Jahre wieder – Pisa als Vorwand für Schulstrukturdebatten Kaum sind die Ergebnisse in der Welt, geht das reflexartige Hauen und Stechen los. Neu ist allerdings die Wucht, mit der die Gymnasien in die Kritik geraten. Von einem Niedergang kann keine Rede sein, der Ruf nach der Einheitsschule ist die falsche Reaktion.

von Sabine Mistler >> Landesvorsitzende

E-Mail: info@phv-nw.de

Die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler in Deutsch land lassen die alte Diskussion um die Schulstruktur er neut aufflackern. Dabei wird auch das Gymnasium als Schulform wieder infrage gestellt. Es wundert nicht, wenn man sich anschaut, aus welcher Ecke reflexartige Reak tionen kommen, die das gegliederte System wieder ein mal angreifen. Diese Aussagen werden sowohl von Bil dungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern als auch von der Landesschüler*innenvertretung vertreten. Ein besonderes mediales Echo fanden die Aussagen des Pisa-Chefs Andreas Schleicher, der seinen Ruf nach der Abschaffung des gegliederten Schulsystems mit einer unqualifizierten Pauschalkritik an Lehrkräften verband, die auf eine profunde Unkenntnis der schulischen Reali täten hinweist. Insbesondere das Gymnasium ist den Einheitschulbefür wortern ein Dorn im Auge, gilt diese Schulform doch als ‘selektiv’ und ‘elitär’ und damit ursächlich oder zumindest mitverantwortlich für die Bildungsmisere. Die Rettung verspricht man sich vom ‘längeren gemeinsamen Lernen’, das möglichst noch ‘selbst gesteuert’ erfolgen soll. Da stört es wenig, dass es keinerlei empirische Belege dafür gibt, dass längeres gemeinsames Lernen die Bildungs

chancen erhöht. Die Ideologen der Einheitsschule nutzen durchaus geschickt positiv konnotierte Begriffe wie ‘ge recht’ und ‘zukunftsfähig‘, um das bewährte begabungs gerechte Schulsystem als ‘ungerecht‘ und ‘rückständig‘ zu diskreditieren. An die Stelle des bildungswissenschaftli chen Diskurses tritt das Mantra der ‘Chancengerechtig keit‘. Wir halten dem entgegen: ‘Chancengerechtigkeit‘ darf nicht mit ‘Gleichheit‘ verwechselt werden. Wir in Nordrhein-Westfalen müssen auch gesellschaftlich daran arbeiten, dass endlich wieder eine Haltung etabliert wird, durch die alle Bildungsabschlüsse Anerkennung fin den können. Aus der Vergangenheit haben sich aus die sem Fehldenken klare Absenkungen der Standards erge ben. Eine missverstandene Gleichheit bzw. Gerechtigkeit, die darin mündet, möglichst viele Schülerinnen und Schü ler unbedingt zum höchsten Schulabschluss bringen zu müssen, hat zur Folge, dass die anderen Bildungsab schlüsse an Bedeutung verloren haben.

Aus PhV-Sicht gibt es keine Alternative zu einem mehrgliedrigen Schulsystem

Wir brauchen ein leistungsfähiges Schulsystem, das jedem und jeder Einzelnen die Möglichkeit zur Entfal

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Leitartikel

tung seiner und ihrer Begabungen gibt. Es gibt aus PhV-Sicht keine wirkliche Alternative zu einem mehr gliedrigen, begabungsgerechten und in alle Richtungen durchlässigen Schulsystem. Was die im Zusammenhang mit den Pisa-Ergebnissen getätigten pauschalen Äuße rungen zum Niedergang der Gymnasien angeht, hat die DPhV-Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing zu Recht auf den unredlichen Umgang mit den Daten verwiesen. Bei näherer Betrachtung der Zahlen und dem Vergleich mit den führenden OECD-Staaten schneiden die deut schen Gymnasien eben nicht schlechter, sondern teilwei se sogar besser ab. Nicht zu verhehlen ist allerdings, dass seit der letzten Erhebung die Leistungen an den Gymna sien insgesamt gesunken sind; auch die Zahl der Schüle rinnen und Schüler in den unteren Kompetenzstufen ist angestiegen. Der Ruf nach der Einheitsschule ist zweifelsohne die fal sche Reaktion auf die ernüchternden Pisa-Ergebnisse. Schulform- und Schulstrukturdebatten bringen uns nicht weiter. Daher begrüßen wir an dieser Stelle die klare Hal tung der nordrhein-westfälischen Schulministerin Doro

thee Feller. Sie hatte Anfang Januar in einem Zeitungsin terview einer solchen Debatte für Nordrhein-Westfalen eine klare Absage erteilt. Lehrerinnen und Lehrer können nicht alle Probleme lösen Bei der Ursachenforschung verdient eine Fehlentwick lung der vergangenen Jahre besondere Beachtung: die Überlastung der Schulen mit immer neuen Aufgaben. Was macht denn unsere Arbeit an den Schulen immer noch schwieriger und herausfordernder? Warum denken viel zu viele Kolleginnen und Kollegen über ein Verlassen des Schuldienstes nach, und zwar unter massiven finan ziellen Einbußen? Wir können als Lehrkräfte allein nicht alle Probleme die ser Zeit auffangen und bewältigen. Viel zu oft fühlen sich Kolleginnen und Kollegen allein gelassen und zu wenig unterstützt bei der wichtigen Aufgabe der Integration. Auch die Inklusion, ob zielgleich oder auch zieldifferent, wird allzu oft den Lehrkräften der allgemeinbildenden Schulen allein überlassen, vielfach ohne Unterstützung durch ausgebildetes Unterstützungspersonal wie Förder schullehrkräfte. Soziale Ungleichheit gilt es ebenfalls

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Leitartikel

1. Wir brauchen eine Konzentration auf das pädago gisch-didaktische Kerngeschäft. Wichtig ist die Ver mittlung von Bildung. 2. Wir benötigen dringend eine Reduzierung der unterrichtsfremden Tätigkeiten und der Verwaltungsaufgaben. 3. Wir brauchen sinnvolle Strategien zur Qualitätssiche rung und ein klares Bekenntnis zum Leistungsgedan ken – gegen Nivellierungstendenzen und Wohlfühl pädagogik. 4. Wir brauchen anspruchsvollen Fachunterricht und eine Vermittlung von vertieftem Fachwissen, verbun den mit einer gesunden Skepsis gegenüber reform pädagogischen, didaktischen Moden und der Redu zierung von Bildung auf messbare Kompetenzen. 5. Für die Schulformen der Sek-II darf es kein Übermaß an Heterogenität geben. 6. Wir brauchen mehr Verbindlichkeit der Grundschul gutachen beim Übergang in die weiterführende Schule. 7. Wir brauchen ehrliche Noten. Der Verzicht der Schule auf Noten wird nicht zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen. 8. Wir brauchen eine Bildung, die an Menschen gebun den ist – eine gute Beziehung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schüler ist zentraler Faktor für er folgreiche Lernprozesse. 9. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, denn digitale Medien können keine Lehrkraft ersetzen. Unser gemeinsames Ziel muss die Verbesserung der Bil dungschancen für unsere Kinder und Jugendlichen sein. Um das zu erreichen, sieht der PhV dringenden Hand lungsbedarf bei der Verbesserung der Arbeitssituation von Lehrerinnen und Lehrern. Darüber hinaus bedarf es einer Schulpolitik, die sich wieder am gesunden Men schenverstand orientiert und die sich nicht von Ideolo gien oder pädagogischen Illusionen leiten lässt.

auszugleichen und viele Schülerinnen und Schüler müs sen individuell gefördert werden. Auch dies ist sehr wich tig und notwendig. Mit großen Lerngruppen ist dies al lerdings nicht einfach aufzufangen. Die Digitalisierung mit ihren Datenschutzerfordernissen, den technischen und didaktischen Herausforderungen und den sich rasant entwickelnden neuen Möglichkeiten der KI braucht Zeit für Einarbeitung, Bewertung und an gemessener Umsetzung. Die Chancen müssen ebenso erkannt, wie den Risiken vorgebaut werden muss. Auch dazu brauchen wir mehr Zeit. Weitere wichtige Aufgaben werden in die Hände der Lehrkräfte gelegt, wie die Gewaltprävention (bei nach gewiesenem Anwachsen von Gewalt gegen Lehrkräfte und innerhalb der Schülerschaft). Da sind die vielen Pro gramme, wie die Berufsorientierung, die Drogenpräven tion, die Verkehrserziehung. Darüber hinaus sind die ge wachsenen Ansprüche der Eltern zu benennen, die sich immer weniger mitverantwortlich für Bildung und Erzie hung fühlen. Die Liste könnte noch um viele Aspekte er weitert werden. Wir Philologinnen und Philologen erheben unsere Stim me und werden nicht müde, auch weiterhin mit unserer Haltung und unseren Forderungen präsent zu bleiben. Wir sind davon überzeugt, dass wir nur mit einer deutli chen Aufgabenkritik, einer ergebnisoffenen Prüfung neuer Ideen und Innovationen voranschreiten können, ohne die Schülerinnen und Schüler sowie auch die Lehr kräfte immer wieder zu Versuchskaninchen zu machen. Denn dafür haben wir keine Zeit. Nordrhein-Westfalen hat viel zu viele Reformen durchgemacht. Schaut man sich auf der Bundesebene die Ergebnisse von Leistungs studien an, dann schneiden vor allem die Bundesländer gut ab, die über eine lange Zeit ein stabiles Bildungssys tem hatten. Neun Thesen des PhV für mehr Effizienz und Effektivität in unseren Schulen Was sind die Stellschrauben für mehr Effizienz und Ef fektivität in unseren Schulen? Neun Thesen:

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Thema

Eine Hamburger Lehrkraft protokol lierte ihre Arbeitszeit und hatte die vom Dienstherrn zugewiesene Zeit für die Korrektur einer einzelnen Klas senarbeit oder Klausur zuvor ausge rechnet. Sobald die Korrekturzeit für eine Klausur oder Klassenarbeit über schritten wurde, zog die Lehrkraft am Rand einen waagerechten Strich und druckte dort mit einem Stempel ‘Kor rekturende gemäß Arbeitszeitver ordnung‘ und bewertete lediglich die bis dahin gelesene Schülerleistung oberhalb des Striches.

Korrekturende gemäß Arbeitszeitverordnung?

Das Hamburger Arbeitszeitmodell wird derzeit auch in Nordrhein-Westfalen viel diskutiert, wobei dessen Fürsprecher jedoch die entscheidenden Details unerwähnt lassen. Zeit für ei ne kritische Analyse und einen Faktencheck.

von Carsten Hütter >> Vorsitzender PhV-Bezirk Düsseldorf E-Mail: carsten.huetter@schule.duesseldorf.de

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2019 und des Bundesarbeitsgerichts von 2022 stehen nun Arbeitgeber in der Pflicht, die Arbeitszeit der Beschäf tigten systematisch zu erfassen. Dies gilt auch für den Arbeitsplatz

Schule. Seitdem wird hierzulande die Kritik am Deputatsmodell lauter, und es wird immer häufiger auf das Lehrerarbeitszeitmodell in Ham burg verwiesen, ohne jedoch des sen Details zu kennen bzw. zu be schreiben.

Seit 2003 gilt in Hamburg nicht mehr das Deputatsmodell, sondern ein Lehrerarbeitszeitmodell, das den An spruch hat, über die reine Unter richtsverpflichtung hinaus alle weite ren Tätigkeiten von Lehrkräften zu berücksichtigen.

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Thema

Bekannte Probleme bei der Messung der Arbeitszeit von Lehrkräften Die Autoren des Hamburger Lehrerar beitszeitmodells benennen in ihrer Analyse die Probleme der Messung der Lehrerarbeitszeit klar: »Die Arbeitszeit der Lehrkräfte ist nur bei der Erteilung der im Stundenplan festgelegten Unterrichtsstunden exakt zeitlich messbar. Ein großer – an manchen Schulformen überwiegen der – Teil der Arbeitszeit kann von den Lehrkräften weitgehend frei gestaltet werden und findet auch nicht in Dienstgebäuden statt, so dass sie sich einer exakten Bemessung entzieht. Die messbare Unterrichtsverpflich tung löst für die Lehrkräfte in den je weiligen Schulformen, auf den Jahr gangsstufen und in den einzelnen Un terrichtsfächern Zusammenhangstä tigkeiten in stark divergierendem zeit lichem Umfang aus. Auch Aufgaben außerhalb des Unterrichts werden mit unterschiedlichem zeitlichem Auf wand von Lehrkräften wahrgenom men, was sich nicht adäquat in der Un terrichtsverpflichtung widerspiegelt. Die Arbeitszeit der Lehrkräfte ist nicht regelmäßig über das Jahr verteilt, son dern konzentriert sich auf 38 Unter richtswochen. In den Schulferien, die über den Urlaubsanspruch hinausge hen und somit rechtlich teilweise zur Ar beitszeit gehören, können die einzelnen Schulen und auch die einzelnen Lehr kräfte weitgehend selbst bestimmen, inwieweit überhaupt gearbeitet wird.«

Gleichermaßen fundiert differenzie ren die Autoren die Tätigkeiten einer Lehrkraft in drei Bereiche:

U-Zeiten, F-Zeiten und A-Zeiten, auf die 46,578 Stunden Wochenarbeits zeit?

U-Zeiten Unterrichtsbezogene Aufgaben

■ Unterricht, ■ dessen Vor- und Nachbereitung, ■ Korrekturen, ■ Gespräche mit Schülerinnen und Schülern sowie mit Eltern, ■ die Teilnahme an Klassen- und Zeugniskonferenzen sowie ■ die individuelle fachliche Fortbildung

F-Zeiten Funktionsbezogene Aufgaben

Schuleitung, Stufenkoordination, Beratungs- lehrkraft Oberstufe, Klassenleitung, Fachvorsitz, Sammlungsleitung u.ä.

A-Zeiten Allgemeine Aufgaben

Teilnahme an ■ allgemeinen Konferenzen, ■ Elternabenden,

■ sonstigen schulischen Veranstaltungen und ■ Fortbildungen im Rahmen der schulischen Fortbildungsplanung sowie ■ Aufsichten und Vertretungsstunden

Quelle: Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften der Lehrkräfte-Arbeitszeit-Verordnung)

Die Lösung: Jahres- arbeitszeitkonten und Faktorisierung?

Die Lösung ist in Hamburg die soge nannte ‘Faktorisierung‘. Die Heraus forderung ist nun: Wer bestimmt nach welchen Kriterien die Faktoren zum Beispiel für unterschiedliche Un terrichtsfächer der Fächergrup- pe I bzw. der Fächergruppe II? »Die Faktoren normieren auf Grund pauschalierender Schätzung vielmehr die Zeiten, die der Dienstherr zur quali tativ angemessenen Vor- und Nachbe reitung einschließlich aller hierzu ge hörenden Einzelaufgaben und zur Er teilung einer Unterrichtsstunde für er forderlich hält und insoweit auch von den Lehrkräften erwartet.« Der Zeitaufwand für einzelne dienstli che Tätigkeiten wurde also pauscha

Nach Abzug aller Wochenenden und Feiertagen verbleiben 221,25 Arbeits tage in 44,25 Arbeitswochen mit 40 Wochenstunden Arbeitszeit, so dass Beamtinnen und Beamte in Hamburg im Jahr insgesamt 1770 Stunden Ar beit leisten müssen. Aufgrund der Schulferien verteilen sich diese 1770 Stunden bei Lehrkräften allerdings nur auf 38 Wochen, so dass die rech nerische Wochenarbeitszeit in diesen 38 Wochen 46,578 Zeitstunden be trägt. Die Krux ist nun: Wie verteilt man alle Tätigkeiten einer Lehrkraft aus den o.a. drei Bereichen, also die

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Thema

F o t o

: A d

o be S

t o c k

Das Experiment: eine NRW-Lehrkraft in Vollzeit mit zwei Korrekturfächern in Hamburg

lierend geschätzt, dabei hätte man damals durchaus auch auf empirisch ermittelte Zeitwerte aus dem Arbeits zeitgutachten aus Nordrhein-Westfa len von Mummert & Partner (1999) zurückgreifen können. Die Hambur ger Verordnungsgeber hatten die Studie zwar verwendet, aber dahin gehend kritisiert, dass dort die Ergeb nisse »durch Selbsteinschätzungen ermittelt werden und somit ganz we sentlich die individuellen Auffassun gen von Lehrkräften über die von ih nen tatsächlich aufgewendeten Ar beitszeiten bestimmt werden, nicht jedoch das normative Maß der not wendigen Zeit wiedergeben.« Man lehnte also in Hamburg die Zeit messung dienstlicher Vorgänge durch die Lehrkräfte selbst im Rahmen der Arbeitszeitstudie von Mummert & Partner in Nordrhein-Westfalen als subjektiv und nicht verlässlich ab. Sie war somit in Hamburg nicht Grundla ge der Faktorisierung. Diese Haltung ist jedoch heute obsolet, da das Instrument der Selbstaufschrei bung inzwischen auch gerichtlich als valide anerkannt wird. (vgl. Schulver waltung NRW 11/2023, S. 293). Um die Faktorisierung am konkreten Beispiel zu verdeutlichen, soll nun die Arbeitszeit für eine vollbeschäftigte Lehrkraft * an einem Gymnasium (63 Jahre alt, in Nordrhein-Westfalen mit drei Stunden Altersermäßigung) be rechnet werden .

Bisheriger Beschäftigungsumfang:

25,5 Unterrichtswochenstunden-Soll für eine Lehrkraft dieser Schulform

25 tatsächliche wöchentliche Unterrichtsverpflichtung (Vollzeit/Teilzeit)

Stundenzuweisung nach dem neuen Lehrerarbeitszeitmodell: Ist Soll Wochenar beitszeitstun den Wochen- arbeitszeit stunden

46,57

Schwerbehindertenermäßigung

Allgemeine Aufgaben unteilbare allgemeine Aufgaben (Lehrerkonferenzen, Fachkonferenzen, schulische Veranstaltungen am Abend, Fortbildung) 1 teilbare allgemeine Aufgaben 1 (Aufsichten, Wochenpauschale für Vertretung)

1,8

2,0

Funktionen

Altersermäßigung ab 60 J.: 2 WAZ

2,0

Unterricht

Stundenzahl

Faktor

Deutsch 8. Klasse

3

1,7

5,1

Englisch 10. Klasse

3

1,6

4,8

Deutsch Lk Q1

5

1,8

9,0

Deutsch Gk Q2

3

1,8

5,4

Englisch Gk Q2

3

1,8

5,4

Englisch Lk Q2

5

1,8

9,0

22

44,50

46,57

Summen der Wochen stunden

Zeitstunden Ist

Zeitstunden Soll

Unterrichtswochen pro Jahr

38

Zeitstunden- Ist im Jahr

1.691,0

Zeitstunden- Soll im Jahr

1.770,0

* Es handelt sich um eine reale Lehrkraft und eine reale Unterrichtsverteilung. Der Name der Lehrkraft ist der Redaktion bekannt.

Bilanz in Jahreszeitstunden:

-79

Zeitstunden-Soll

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Thema

Die Lehrkraft im Rechenbeispiel hat in Nordrhein-Westfalen ein Deputat von 25 Stunden bei drei Stunden Al tersentlastung und ist somit nur 0,5 Wochenstunden à 45 Minuten, also 22,5 Minuten pro Woche im Unter hang für das kommende Schuljahr. Die gleiche Lehrkraft hat mit der glei chen Unterrichtsverteilung und zwei Stunden Altersentlastung in Ham burg eine negative Bilanz von 79 Jah reszeitstunden. Wenn man diese durch die 38 Unterrichtswochen teilt, kommt man auf einen Unterhang von 2,07 Wochenzeitstunden à 60 Minu ten, also 124 Minuten pro Woche. Damit ist diese Lehrkraft mit der iden tischen Unterrichtsverteilung und starker Korrekturbelastung in Ham burg deutlich schlechter gestellt als in Nordrhein-Westfalen. Grund genug, das Zustandekommen der Faktoren genauer zu untersuchen. In Hamburg heißt Kostenneutralität vornehm ‘Auskömmlichkeit’ Die Hamburger Verordnungsgeber setzten mit der Faktorisierung das normative Maß der notwendigen Zeit

für jede einzelne Tätigkeit fest. Der Geburtsfehler bei Einführung der Faktorisierung jedoch war wohl das Postulat, dass der Übergang vom Deputatsmodell zum neuen Ham burger Arbeitszeitmodell ‘auskömm lich‘ zu gestalten sei, gemeint war auskömmlich für den Finanzsenator. Kostenneutralität war das Gebot der Stunde. »Auskömmlichkeit bedeutet in die sem Zusammenhang: Die Kommissi on hat die Lehrerarbeitszeit der Hamburger Lehrkräfte so zu organi sieren, dass beispielsweise im Schul jahr 2003/4 die Jahresarbeitszeit von 13700 vollbeschäftigten Lehr kräften dazu ausreicht, sämtliche im hamburgischen Schulwesen durch Lehrkräfte zu erledigenden Arbeiten auch wirklich in der zur Verfügung stehenden Zeit aufgabengerecht durchzuführen.« (Bericht der 2. Hamburger Lehrerarbeitszeitkom mission 2003, S. 5) Man erwartete also von Lehrkräften in Hamburg dieselben Tätigkeiten bei gleichen Personalkosten wie zu vor. Doch schon zuvor beim Depu tatsmodell hatten die Kolleginnen und Kollegen in Hamburg Mehrar beit geleistet. Diese ist offenbar

stillschweigend im neuen Arbeits zeitmodell übernommen worden.

Mehrarbeit - auch im Hamburger Lehrerarbeits zeitmodell stillschweigend eingeplant? Mehrarbeit wird in Hamburg, wenn sie von der Schulleitung als solche anerkannt wird, folgerichtig dem Jahresarbeitszeitkonto gutge schrieben. In Nordrhein-Westfalen wird Mehrarbeit von Vollzeitkräften ab der 4. Mehrarbeitsstunde finan ziell vergütet. Obwohl in Hamburg sehr viel Mühe in die möglichst umfassende Erfas sung der Arbeitszeit verwandt wur de, schlossen die Verordnungsge ber versteckte Mehrarbeit bzw. Mehrarbeit, die vom System nicht erfasst wird, von Anfang an nicht aus. Im Bericht der 2. Hamburger Lehrerarbeitszeitkommission 2003 formulierte man es noch verklausu liert mit dem Hinweis auf die Profes sionalität der Lehrkräfte. »Maßstab für die Setzung der Zeit werte kann immer nur der professio nelle Zeitaufwand für die Aufgabe

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Thema

und nicht ein optimal wünschbarer Zeitaufwand sein.« (Bericht, S. 22) Die »Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften der Lehrkräfte-Arbeits zeit-Verordnung« im selben Jahr sind dann beim Thema Mehrarbeit un missverständlich. »Benötigt eine Lehrkraft tatsächlich mehr Zeit für die unterrichtsbezoge nen Aufgaben, beruht dies auf

ihrer individuellen Entscheidung und hebt die normative Erwartung, wel cher Zeitaufwand tatsächlich zu er bringen ist, nicht auf.« (Bericht, S. 2) Bemerkenswert ist hierbei, dass die Verantwortung für Mehrarbeit auf die einzelne Lehrkraft abgewälzt wird. Man spricht hier von Responsabilisie rung, wenn die Verantwortung der Gestaltung von Arbeitsabläufen von

der Ebene des Dienstherrn auf den Schreibtisch jeder einzelnen Lehr kraft verlagert wird. Responsabilisierung der Lehrkräfte führt zu ‘Abrechnungsmentalität’

Diese Responsabilisierung wurde von den Lehrkräften in Hamburg

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Thema

Wird die Verantwortung für Mehrarbeit auf die Lehrkraft abgewälzt, spricht man von Responsabilisierung.

Foto: AdobeStock

rasch erkannt und führte in der Fol ge zu einer Haltung gegenüber der eigenen Arbeitszeit, die im ‘Bericht der Kommission zur Überprüfung des Hamburger Lehrerarbeitszeit modells’ 2008 von Kommissionsmit gliedern wie der ehemaligen nord rhein-westfälischen Schulministerin Behler und Professor Schaarschmidt als ‘Abrechnungsmentalität’ kritisiert wird. Ein extremes Beispiel hierfür ist ei ne in Fachkreisen in Hamburg bis heute bekannte Lehrkraft, die ihre Arbeitszeit akribisch protokollierte. Die Lehrkraft hatte die vom Dienst herrn zugewiesene Zeit für die Kor rektur einer einzelnen Klassenarbeit oder Klausur zuvor genau ausge rechnet. Sobald die Korrekturzeit für eine einzelne Klausur oder Klas senarbeit dann aber überschritten wurde, zog die Lehrkraft am Rand einen langen waagerechten Strich

zeitverordnung‘ in die Schülerar beit. Konsequenterweise bewertete

und druckte dort mit einem Stem pel ‘Korrekturende gemäß Arbeits

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Thema

die Lehrkraft dann nur die bis dahin gelesene Schülerleistung oberhalb jenes Striches. Offenbar gab es sei tens der Schulaufsicht keine diszip linarischen Maßnahmen gegen die se Lehrkraft. Denn die Autoren des Hamburger Lehrerarbeitszeitmo dells hatten mit der ‘normativen Er wartung‘ des Zeitaufwands für die Korrektur einer Klausur auch das Qualitätsniveau der Korrektur fest gelegt. Das Hamburger Lehrerarbeitszeit modell wurde bislang zweimal evalu iert, 2005 und 2008 dann von der sogenannten Behler-Kommission (s.o.). Der erste Bericht nennt als Kri tikpunkte den »Motivationsverlust bei den Lehrkräften und eine Beein trächtigung des außerunterrichtli chen Schullebens, insbesondere die fast vollständige Einstellung von Klassenreisen (64 Prozent der be fragten Schulleitungen) und von Sportveranstaltungen (42 Prozent der befragten Schulleitungen)«. (Präsentation, S. 20) Der Bericht der Behler-Kommission 2008 kritisiert dann erneut die Art und Weise, wie Klassenreisen ver rechnet werden, und fügt hinzu, es müsse »ein Ausgleich für solche Unterschiede im Zeitaufwand ge schaffen werden, die durch unter schiedliche Größe von Klassen / Evaluierungen des Hamburger Modells zeigen Reformbedarf

Kursen bei den Korrekturen entste hen.« (S. 9) In der Tat sind unterschiedliche Größen von Lerngruppen und da mit die unterschiedliche Anzahl von Klausuren und Klassenarbeiten bis heute nicht in den Faktoren abge bildet. Bis heute gab es auch keinerlei An passung der Faktorisierung an ver änderte Ausgangsbedingungen in Schule wie zum Beispiel die Digitali sierung und die Beschulung ge flüchteter Kinder. Ebenso wenig findet das Konnexi tätsprinzip Anwendung, nach dem der Dienstherr bei zusätzlichen neu en dienstlichen Tätigkeiten entspre chende Ressourcen für das System bereitstellen muss, was in Hamburg dementsprechend eine Anpassung der Faktorisierung wäre. In Hamburg höchste Teitzeitquote von allen deutschen Lehrkräften 54,4 Prozent aller Hamburger Lehr kräfte arbeiten in Teilzeit, sie haben damit die höchste Teilzeitquote im Bund laut Statistischem Bundesamt. Auch wenn dieser Umstand nicht monokausal betrachtet werden darf und laut Fachleuten die Verjüngung der Lehrerschaft auch eine Rolle spielt, so ist das derzeit bestehende Hamburger Arbeitszeitmodell si cherlich ein entscheidender Faktor dafür.

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Thema

Arbeitszeiterfassung – der richtige Weg zu gerechteren Arbeitszeiten? Nach höchstrichterlichen Grundsatzentscheidungen zur Erfassungspflicht von Arbeitszeiten steht das Pflichtstundenmodell für Lehrkräfte auf dem Prüfstand. Viele Kolleginnen und Kollegen erhoffen sich Verbesserungen von der Einführung der Arbeitszeiterfassung im Schulbereich.

von Ulrich Martin >> stellvertretender Landesvorsitzender (Westfalen) E-Mail: info@phv-nrw.de

Das Bundesarbeitsgericht entschied am 13. September 2022, dass Arbeit geber verpflichtet sind, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu er fassen. Wie die Arbeitszeiterfassung konkret umzusetzen ist, lässt das Ge richt offen. Vorher hatte bereits der Europäische Gerichtshof im Jahr 2019 entschieden, dass die EU-Mitglieds staaten verpflichtet sind, ein objekti ves, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die ge leistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Die notwendige Reform des Arbeitszeitgesetzes obliegt nun dem Bundesarbeitsministerium. Auch wenn die Kultusministerkonfe renz gesetzliche Sonderregelungen für Lehrkräfte fordert, ist wohl davon auszugehen, dass die Pflicht zur Ar beitszeiterfassung auch im Schulbe reich greifen wird. Viele Kolleginnen und Kollegen verbinden hiermit die Hoffnung auf Erleichterungen für ih ren Arbeitsalltag und sind überzeugt,

dass eine Arbeitszeiterfassung end lich dokumentieren wird, dass sie zu viel arbeiten und dementsprechend eine Verringerung der Arbeitszeit er folgen muss. Andere würden lieber am Deputatsstundenmodell festhal ten und fürchten – auch mit Blick auf negative Beispiele wie das ‘Hamburger Modell‘ – Ver schlechterungen für den Berufsalltag. Derzeit wird die Arbeitszeit von Lehr kräften in allen Bundesländern mit Ausnahme Hamburgs nach dem Pflichtstundenmodell organisiert. Mit 25,5 Deputatsstunden für Lehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen gehört Nordrhein-Westfalen zu den Ländern mit der höchsten Unterrichts verpflichtung. Eine zeitliche Definition der über die Unterrichtsstunden hi nausgehenden Arbeitszeiten erfolgt Pflichtstundenmodell – mit Licht und Schatten

bislang nicht. Die Arbeitszeit der Lehr kräfte beruht mithin zu einem wesent lichen Teil auf der Vertrauensarbeits zeit. Einerseits wird die hiermit verbun dene Flexibilität bei der individuellen Arbeitszeitgestaltung von vielen Kolle ginnen und Kollegen als attraktiv wahrgenommen. Andererseits hat die Unbestimmtheit der Arbeitszeiten jen seits der Deputatsstunden offensicht lich zu einer chronischen Überlastung und einer Entgrenzung von Arbeits- und Privatzeit beigetragen. Die auf schulischer Ebene zur Verfü gung stehenden Steuerungs- und Ausgleichungsmöglichkeiten sind derzeit viel zu begrenzt. Im laufenden Schuljahr 2023/24 wurden die An rechnungsstunden für besondere Be lastungen aufgrund des Wegfalls ei nes Oberstufenjahrgangs sogar ge kürzt. Hinzu tritt, dass von einer ehrli chen Umsetzung des Proportionali tätsprinzips bei Teilzeitbeschäftigten keine Rede sein kann.

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Thema

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Die Ergebnisse der einschlägigen Studien zur Lehrkräftearbeitszeit der letzten Jahrzehnte haben deut lich gemacht, dass die Arbeitszeit der Lehrkräfte über der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst liegt. Als em pirisch gesichert gelten auch die Be funde, dass es eine breite Streuung der realen Ist-Arbeitszeiten gibt und dass der Arbeitsaufwand maßgeb lich von den Fächern und der Schul stufe bestimmt wird. Unstrittig ist zudem, dass für die pädagogische Kernaufgabe des Unterrichtens im mer weniger Zeit zur Verfügung steht, während außerunterrichtliche Tätigkeiten deutlich mehr Raum einnehmen. Die gesundheitlichen Folgerisiken der Überlastung wur den zuletzt durch die LaiW-Studie des Deutschen Philologenverban des nachdrücklich vor Augen ge führt. Arbeitszeiterfassung – mit Risiken und Nebenwirkungen Ob eine Einführung der Arbeitszeit erfassung die Situation der Kollegin nen und Kollegen tatsächlich ver bessern wird, wird entscheidend von der konkreten Ausgestaltung ab hängen. Es ist abzusehen, dass nicht alle Änderungen auf Begeisterung stoßen werden. Für den Arbeitgeber werden fiskalische Erwägungen und der akute Lehrkräftemangel hand lungsleitend sein. Aus berufspoliti scher Perspektive drängen sich eini ge Fragen auf, zum Beispiel:

Die Überlastung und die fehlende Ar beitszeitgerechtigkeit stellen zentrale Herausforderungen im Schulbereich dar. Die Hoffnung, dass mit der Ar beitszeiterfassung alles besser wird, könnte sich im Nachhinein allerdings als trügerisch erweisen. Der PhV NRW fordert eine spürbare Entlastung von Lehrerinnen und Lehrern Das Land muss für eine spürbare ar beitszeitliche Entlastung der Lehr kräfte sorgen. Der PhV NRW fordert die Reduzierung der Pflichtstunden zahl auf 23 Wochenstunden und eine deutliche Erhöhung der Anrech nungsstunden für besondere Belas tungen, insbesondere für Korrekturen. Im Falle der Einführung der Arbeits zeiterfassung fordert der PhV NRW, dass die Zeit in der Schule als Ganzes als Arbeitszeit erfasst wird. Darüber hinaus muss eine Erfassung der Ar beitsleistung außerhalb des Schulge bäudes separat davon erfolgen. Dazu gehören neben der Vor- und Nachbe reitung von Unterricht selbstverständ lich auch Schulfahrten, Korrekturen, Elterngespräche und vieles mehr.

■ Wie können Leistungskontrolle und Überwachung der Beschäf tigten verhindert werden? ■ Werden Lehrkräfte künftig ihren Anspruch auf dreißig Tage Urlaub pro Kalenderjahr anmelden müs sen? Werden die übrigen unter richtsfreien Zeiten auf die Schul wochen umgerechnet, so dass die während der Unterrichtszeit ge schuldete Wochenarbeitszeit bei deutlich mehr als 41 Stunden lie gen wird? ■ Wird der Dienstherr die realen Korrekturzeiten als Arbeitszeit anerkennen? Oder wird es – wie im ‘Hamburger Modell‘ - zu einer pauschalen Zuweisung von reali tätsfernen Zeitkontingenten für die Korrektur einer Klausur kom men? ■ Wird der Arbeitgeber im Rahmen der Zeiterfassung auch die Ein haltung der Vorgaben des Ar beitsschutzgesetzes zu den Ru hezeiten kontrollieren, so dass das von vielen Kolleginnen und Kollegen praktizierte Arbeiten am Abend oder am Sonntag nicht mehr möglich sein wird? ■ Wird die Arbeitszeiterfassung eine Ausweitung der Präsenz pflicht nach sich ziehen und die freie Einteilung der Arbeitszeit infrage stellen? ■ Kann die Einführung der Zeiter fassung einer Stechuhr-Mentali tät Vorschub leisten, die dem Wesen der pädagogischen Arbeit zuwiderliefe?

Positionspapier des DPhV vom 11. November 2023: https://www.dphv.de/ 2023/11/14/positions- papiere-2023-bra/)

INFO

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Noten-Inflation gestoppt? Eine Auswertung der Abiturergebnisse 2023

Seit Ende Oktober liegen die Ergebnisse des Abiturs 2023 vor. Dazu wollen wir einen kurzen Über blick geben und entsprechende bildungspolitische Konsequenzen für die Zukunft ziehen. Die Zah len sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert, besonders wenn man die Rückmeldungen mit einbe zieht, die wir unmittelbar im Anschluss an die Abiturklausuren durch unsere Umfrage unter Kollegin nen und Kollegen erhalten haben. Unser Fokus liegt dabei zunächst auf dem Gesamtergebnis, aber dann auch auf den Unterschieden zwischen den einzelnen Fächern, zwischen Jungen und Mädchen und zwischen Gymnasium und Gesamtschule.

von Guido Schins >> Vorsitzender PhV-Bezirk Aachen E-Mail: g.schins@freenet.de

von Michael Horstmann >> Referent für Bildungsfragen E-Mail: horstmann-michael@t-online.de

schnittsnote liegt mit 2,37 fast auf dem Niveau des Vorjahrs (2,35). Fast unver ändert hoch ist die Quote der Schülerin nen und Schüler mit der Traumnote 1,0 (2023: 3,17%; 2022: 3,21%). Eine deutliche Zunahme verzeichnet die Gruppe der ‘Nicht-Besteher’: Wa ren es 2021 noch 3,39% und 2022 4,35%, so sind es in diesem Jahr bereits 4,86%. Nach Geschlecht betrachtet, fällt auf, dass die männlichen Schüler am Gymnasium häufiger nicht bestehen (4,3%) als die Schülerinnen (3,4%). An den Gesamtschulen gibt es in diesem Bereich keine geschlechterspezifischen Unterschiede. Bei den Schülerinnen und Schülern insgesamt liegt hier die

Die Schülerinnen und Schüler, die 2023 Abitur gemacht haben, stellten den ers ten Jahrgang dar, der von den corona bedingten Schulschließungen in den Jahren 2020 und 2021 massiv betroffen war. Denn diese waren damals in der Mittelstufe bzw. in der EF, also in einem ‘schwierigen Alter‘, in dem die intrinsi sche Lernmotivation oft nicht sehr aus geprägt ist, und konnten dennoch über Monate hinweg nicht oder nur sehr un regelmäßig die Schule besuchen, wäh rend die Schülerinnen und Schüler, die damals in der Qualifikationsphase wa ren, noch relativ häufig in den Genuss von Präsenzunterricht kamen. Dieser Kontext und die Erkenntnis, dass die negativen Folgen der Schulschließun

gen im Laufe der Zeit immer offenkun diger geworden sind und weiterhin wer den, bilden sicherlich einen wichtigen Hintergrund für die Einschätzung der Abiturergebnisse. Abiturdurchschnittsnote konstant, aber mehr ‘Nicht-Besteher’ Der wichtigste Wert ist die Abitur durchschnittsnote, welche die Leistun gen aus der Abiturprüfung und aus an rechenbaren Grund- und Leistungskur sen der Qualifikationsphase umfasst und nur diejenigen Schülerinnen und Schüler berücksichtigt, die das Abitur bestanden haben. Diese Durch

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Schlechte Ergebnisse im Fach Mathematik an Gesamtschulen

Nichtbestehensquote mit 8,3% aber er heblich höher als am Gymnasium (3,8%). Zwar werden keine Zahlen da rüber erhoben, wie viele Schülerinnen und Schüler im Laufe der Qualifikati onsphase die Schule verlassen oder das Schuljahr wiederholen, dennoch liegt die Vermutung nahe, dass möglicher weise in diesem Jahrgang in der Qualifi kationsphase Schülerinnen und Schüler wohlwollender bewertet wurden und so die Zulassung zu den Abiturprüfungen erreichten, dann aber die Prüfungen doch nicht bestanden. Schaut man auf die fachspezifischen Er gebnisse der Abiturklausuren in den Leistungskursen, so war es auch dies mal so, dass unter den ‘großen Fächern’ M, D, E, Bio, Ek – also den Fächern, mit einer signifikant hohen Zahl an Abituri enten - die Ergebnisse in Englisch und Erdkunde am besten waren. Zwar gab es in Biologie (9,1 Punkte) und Mathe matik (8,2 Punkte) jeweils Verbesserun gen um einen halben Notenpunkt ge genüber dem Vorjahr; dennoch liegen die Ergebnisse in Englisch und Erdkun de mit 9,2 Punkten nach wie vor einen ganzen Notenpunkt über denen in Ma thematik und Deutsch. Das passt zu den Rückmeldungen unserer Umfrage. Für die Fächer Mathematik und Deutsch wurden die Aufgaben eher als schwierig eingeschätzt, im Fach Erdkunde als zu leicht. Für den Physik LK sind die Ergeb nisse mit 10,3 Punkten recht gut, wie in der Umfrage schon vermutet wurde. Leistungskurs Englisch beliebt

Im Übrigen hat sich auch der Trend zum Fach Englisch als beliebtestem Leis tungskurs verstärkt, mit 31.477 Abituri enten gibt es im im LK E 7000 Abituri enten mehr mehr als im zweitbeliebtes ten Leistungskurs Deutsch. Abwärtstrend des Punkteschnitts im Grundkurs Biologie und Chemie Bei den Grundkursen ist auffällig, dass die Ergebnisse in Biologie mit 6,9 Punk ten (2022: 7,5; 2021: 7,8) weit mehr als zwei Notenpunkte schlechter waren als im Leistungskurs (hier gibt es Verbesse rungen) und im Vergleich zu den beiden Vorjahren einen Abwärtstrend darstel len. Auch dieses Ergebnis passt zu unse rer Umfrage, nach der für den Grund kurs Biologie ein sehr hohes Anspruchs niveau der Aufgaben angegeben wird. Auf das Fach Biologie werden wir in Zu kunft ein besonderes Augenmerk rich ten müssen, da die neuen Kernlehrpläne eine sehr hohe Stofffülle aufweisen, die sich aus den Bildungsstandards der KMK ergeben hat. Wie in unserer Um frage außerdem angegeben, zeigt sich ebenfalls im Fach Chemie ein deutlicher Abwärtstrend (2021: 9,2; 2022: 8,0; 2023: 7,1). In Mathematik waren die Er gebnisse besser als im Vorjahr (6,8 vs. 6,0 Punkte), aber dennoch beträgt der Abstand zwischen den durchschnittli chen Ergebnissen in Englisch und Erd kunde hier sogar zwei ganze Noten punkte. Auch hier schätzten die Kolle ginnen und Kollegen die Aufgaben im GK M ausgehend von einem mittleren Anspruchsniveau als schwierig ein.

Beim Vergleich der Abiturergebnisse an Gymnasien und Gesamtschulen bestätigt sich eindeutig der Trend der Vorjahre: Relativ konstant beträgt der Unterschied zwischen den Durch schnittsnoten an Gymnasium und Ge samtschule 0,25: Gymnasium: 2,31 / Gesamtschulen: 2,55. Am größten ist der Unterschied im Fach Mathematik, wo zwischen den Ergebnissen im LK an Gymnasien und denen an Gesamt schulen drei volle Notenpunkte liegen (8,9 vs. 5,9). Erschreckend ist hierbei die Tatsache, dass an Gesamtschulen im Fach Mathematik im LK 41% der Klausuren im Defizit lagen, im Grund kurs sogar 53%. Interessant wären in diesem Zusammenhang Untersuchun gen, inwiefern diese doch eklatanten Unterschiede sich auch in den Bewer tungen während der Qualifikations phase widerspiegeln. Diese liegen al lerdings (bislang) nicht vor. Jungen schlechter als Mädchen An der Abiturprüfung haben 39.382 Schülerinnen (54,4 %) und 32.972 Schüler (45,6 %) teilgenommen. Die Schülerinnen schneiden mit einer Abi turdurchschnittsnote von 2,30 besser ab als die Schüler (2,45). Der Anteil an Schülerinnen mit der Bestnote 1,0 be läuft sich auf 3,7 %, bei den Schülern beträgt der Anteil 2,5 %. Wie in den letzten Jahren sind die Schülerin- >

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nen in den einzelnen Fächern fast durchgehend besser als die Schüler. Im LK und GK Deutsch sowie im LK

Englisch, die geschlechtsspezifisch etwa gleich angewählt werden, be trägt der Unterschied einen ganzen

Notenpunkt. GK Englisch sowie LK und GK Mathematik sind in etwa ausgeglichen.

Bildungspolitische Konsequenzen

Die Ergebnisse zeigen, dass man sich nun nicht einfach zufrieden zurücklehnen darf. Wir sehen vier bildungspolitische Konsequenzen, die aus den Ergebnissen gezogen werden sollten:

1. Aussagekraft der Abitur noten durch Sicherung der Standards erhalten: Die Abi turergebnisse und die Rück meldungen unserer Umfra ge, die in deutlicher Korrela tion stehen, belegen, dass der Anspruch der Abiturauf gaben weitgehend passend ist. Abwärtsentwicklungen wie im Fach Biologie (GK) muss man im Blick behalten. Die Aufgabenkommissionen sollten weiterhin die gymna sialen Standards sichern und in einzelnen Fächer nachjus tieren. Beispielsweise sollte der Anspruch im LK Erdkun de gehoben werden und Probleme im Fach Mathe matik durch unnötig kompli zierte Aufgabenformulierun gen sollten vermieden wer den. Vorgaben der KMK (beispielsweise die zu langen Klausurzeiten oder eine zu undifferenzierte Bepunk tungsmöglichkeit im Fach Mathematik) können zwar nicht unmittelbar geändert werden. Sie sind allerdings nicht in Stein gemeißelt und das bevölkerungsreichste Land Nordrhein-Westfalen wird hoffentlich diese und andere Aspekte in der KMK weiterhin thematisieren.

2. Konzept des selbstregulier ten Lernens überdenken: Im Jahr 2019 warnte Prof. Christian Pfeiffer, ehemaliger Direktor der Kriminologischen Instituts Nie dersachsen: »Wir verlieren unse re Jungs in den Schulen!« (vgl. den Artikel ‘Experten schlagen Alarm: Die Jungen werden in der Schule abgehängt!’ vom 4. No vember 2019 auf News4Te achers). Der Bildungsforscher Stefan Schipolowski wird im ge nannten Artikel folgendermaßen zitiert: »Die Forschung zu Ge schlechterdisparitäten weist da rauf hin, dass die Jungen mögli cherweise größere Schwierigkei ten haben als Mädchen, ihre Lernprozesse selbstreguliert zu steuern. Es könnte also sein, dass sie bei den offenen Unterrichts konzepten, die sich in den ver gangenen Jahren etabliert ha ben, mehr Unterstützung benö tigen.« Wir dürfen die deutlichen geschlechterspezifischen Unter schiede in den Abiturergebnis sen nicht einfach achselzuckend hinnehmen. Die genannten Pro bleme der Jungen mit dem selbstregulierten Lernen, das vom MSB gerade im Zusammen hang der Digitalisierung gefor dert wird, sollten als eine mögli che Erklärung ernst genommen werden.

3. Gymnasiale Oberstufe der Gesamtschulen stärker fokus sieren: Die Entwicklung der Ergebnisse an den Gesamtschulen in Hinblick auf die eklatant hohe Nichtbestehensquote und die teilweise großen Unterschiede zum Gymnasium erfordert eine intensive Analyse, die hinführen könnte bzw. müsste zu einem Umdenken und Umsteuern in Bezug auf Beratung, Vornoten und individuelle Förderung. 4. Der Distanzunterricht der Corona-Zeit war wenig effektiv: Wie eingangs angedeutet, haben wir nun harte Fakten und Zah len vorliegen, welche auch Folgen der Coronazeit widerspie geln. Der vermeintliche Schub für die Digitalisierung und neue Unterrichtskonzepte muss vor diesem Hintergrund relativiert werden. Vor allem für männliche Schüler scheinen sich erhebli che Nachteile zu ergeben, wenn der enge, persönliche Bezug zur Lehrkraft und eine motivierende Unterstützung fehlt. So sollte der Distanzunterricht daher kein Modell für die Zukunft sein. Schülerinnen und Schüler brauchen eine klare Struktur und ein Maß an Selbstständigkeit, das sie nicht überfordert. Mög lichkeiten der Individualisierung, auch digital, wie der Einsatz von adaptiven Lernsystemen, können in bestimmten Phasen des Unterrichts sicherlich helfen und zu besseren Lernergebnis sen führen. Ihr planvoller Einsatz bleibt stets der Entscheidung der Lehrkraft vorbehalten. Wir werden im Zusammenhang mit dem Abitur 2024 wie derum eine Umfrage zu den Abiturklausuren starten. Über eine rege Teilnahme würden wir uns sehr freuen.

INFO

Die Abiturergebnisse 2023 finden Sie hier: https://www.standardsicherung. schulministerium.nrw.de/cms/ upload/abitur-gost/berichte/

Zentralabitur-Gymnasiale-Oberstufe-2023.pdf

Die Ergebnisse unserer Umfrage finden Sie hier: https://phv-nrw.de/2023/06/02/ ergebnisse-phv-abiturumfrage/

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Schüler erkunden die Kriegsgräberstätte Niederbronn-les Bains (Frankreich).

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Kriegsgräberstätten als Lernorte entdecken

Kriegsgräberstätten sind transnationale Erinnerungsorte und Lernorte der europäischen Geschichte. Junge Menschen aus den Ländern der ehemaligen Gegner zusammenzubrin gen und die internationale Verständigung zu fördern, ist das Ziel der Vermittlungsarbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

von Dr. Vasco Kretschmann >> Leiter Fachbereich Friedenspädagogik an Schulen und Hochschulen, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge E-Mail: vasco.kretschmann@volksbund.de

Der Volksbund Deutsche Kriegsgrä berfürsorge e. V. begreift Kriegsgrä berstätten als transnationale Lern- und Begegnungsorte der europäi schen Kriegs- und Gewaltgeschichte. Als humanitäre Organisation, die 1919 nach dem Ersten Weltkrieg gegrün det wurde, sucht und identifiziert der Volksbund im staatlichen Auftrag die deutschen Kriegstoten aus den Welt kriegen und pflegt gemeinsam mit in ternationalen Partnern über 830 Kriegsgräberstätten in 46 Ländern. Neben der Pflege und Angehörigen

betreuung zählt die internationale Ju gend- und Bildungsarbeit zu den Auf gaben der gemeinnützigen Organisa tion. Seit siebzig Jahren engagiert sich der Volksbund in der Jugend- und Bildungsarbeit, denn bereits 1953 fand die erste internationale Jugend begegnung an einer Kriegsgräber stätte statt. Der satzungsgemäße Auftrag ist es, die »Begegnung insbe sondere junger Menschen an den Ru hestätten der Toten und die Ausei nandersetzung mit deren Schicksal zu fördern«. In diesem Sinne bietet der

Volksbund internationale Jugendbe gegnungen, schulische Programme und Qualifizierungen für Lehr- und Fachkräfte zum einzigartigen Lernort Kriegsgräberstätte an. Die Programme der internationalen und historisch-politischen Bildung richten sich jährlich an gut 32.000 junge Menschen. Als einziger Kriegs gräberdienst weltweit betreibt der Volksbund vier Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten – in den Nieder landen (Ysselsteyn), in Belgien

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