lehrernrw 7 2023

ANGESPITZT

Attraktivitätsdiskriminierung

I n Kalifornien ist neulich der häss lichste Hund der Welt gekürt wor den. ‘Scooter’ heißt der triumphale Sieger, und er gehört zur Gattung ‘Chinesischer Schopfhund’. Auf sein Aus sehen wollen wir an dieser Stelle nicht im Detail eingehen – nur so viel: Der Titel ist mehr als verdient! Mehr als ver dient ist auch das mit der Auszeichnung verbundene Preisgeld von 1.380 Euro. 1.380 Euro – das dürfte in etwa dem Stundensatz eines Supermodels aus der Kategorie Gisele Bündchen (und aufwärts) entsprechen. Das zeigt uns: Schönheit zahlt sich aus. Das gilt übri gens auch an der Schule. Denn dort benoten Lehrerinnen und Lehrer ihre Schützlinge nicht zuletzt nach dem Aus sehen. Das jedenfalls will ein Attraktivi tätsforscher (!) an einer nordrhein westfälischen Schule nachgewiesen

haben, wie kürzlich in der ‘Neuen West fälischen’ zu lesen war. Demnach werden besonders attrakti ve Schülerinnen und Schüler im Durch schnitt um eine dreiviertel Note besser bewertet als besonders unattraktive – bei gleicher objektiver Leistung. Eine dreiviertel Note, das kann viel Holz sein – zum Beispiel wenn der picklige Finn Malte und der hübsche Justus beide zwischen Vier und Fünf stehen. Natürlich würde keine Lehrerin und kein Lehrer einen Schüler wissentlich nach dem Aussehen bewerten. Das Ganze spielt sich auf einer unterbe wussten Ebene ab. »Wir gehen davon aus, dass attraktive Menschen die bes seren Menschen sind«, wird der besag te Attraktivitätsforscher im NW-Artikel zitiert. Und besser heiße im Schulkon text eben auch intelligenter. Umgekehrt

würden wir bei Fehlverhalten oder schlechten Leistungen von attraktiven Menschen auch eher zu Nachsicht nei gen. »Attractiveness Glamour Effect« nennen das die Forscher. Was also kann die geneigte Lehrkraft mit diesen Erkenntnissen anfangen? Wie können Lehrerinnen und Lehrer ru higen Gewissens die Untiefen der At traktivitätsdiskriminierung elegant um fahren? Mit einer großzügig gewährten Gnaden-Drei für Finn-Malte? Oder einer prophylaktisch eingestreuten Vier minus für Justus? Wir empfehlen: Nehmen Sie nicht alles so ernst und vertrauen Sie Ihrem gesunden Lehrerverstand. Übrigens: Gisele Bündchen hat mit 15 Jahren die Schule abgebrochen. Womöglich hat sie sich über eine nicht mit ihrem Aussehen korrespondierende Note geärgert. Jochen Smets

lehrer nrw · 7/2023 30

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