lehrernrw 6 2022
SCHULE & POLITIK
Schritt für Schritt: Ein Anfang ist mit der A 13-Entscheidung der Landesregierung gemacht. Aber wei tere Schritte müssen folgen, um den Arbeitsplatz Schule attraktiver zu gestalten und dem Lehrermangel entgegenzuwirken.
KOMMENTAR Mensch!
wesentlich auf adäquate Gruppengrößen angewiesen, so dass den Schulen dafür flexiblere Möglichkeiten gewährt werden müssten. Nicht jede gegebene Unter richtsstunde mit einer Lerngruppe von bis zu oder sogar über dreißig Kindern und Jugendlichen bedeutet einen Mehr wert an Wissen, Fähigkeiten und Fertig keiten! Ressource Zeit Des Weiteren wären dringend Entlastun gen für Lehrkräfte im Bereich schulischer Verwaltungstätigkeiten zu schaffen, damit diese Zeit gewinnen, um sich auf pädago gische Prozesse im personalen Bezie hungsgeflecht mit Schülerinnen und Schü lern zu konzentrieren. Pädagogische Zeit bedeutet Aufmerk samkeit, die dem Einzelnen für das Auspro bieren und Einüben sozialer Rollen zugute kommt. Und die er in unserem System im mer weniger erfährt. Und diese Zeit für Verwaltungstätigkeiten ’auszugeben’, ist ein Verlust des Angebots an pädagogischer Kompetenz. Jede Minute persönlicher Zu wendung bedeutet einen Mehrwert an menschlicher Wärme und Sozialkompe tenz! Neue Schulkultur Wenn Schule sich darüber hinaus dahinge hend entwickeln könnte/würde, dass ange sichts der Zunahme an Aufgabenfülle und -schwierigkeiten die Möglichkeiten der Erarbeitung von Problemlösestrategien ausdrücklich erwünscht sind und nicht ideologiebehafteten Einschränkungen unterworfen werden, dann könnten bei dem gegenwärtigen Personalmangel auf allen Ebenen für alle zufriedenstellendere Arbeitssituationen geschaffen werden. Diese könnten dann auch als positive Signale nach außen dringen und den Arbeitsplatz für mehr junge Menschen als attraktiv erscheinen lassen. Ein »Weiter so« in der Schule wird für »die Welt der Zukunft« nicht reichen!
Gesellschaft und Politik müssen sich entscheiden, welche Bildung sie für eine Generation im digitalen Zeital ter vorsehen. Dabei sollten sie im Blick behalten, dass bei aller Techni sierung des beruflichen sowie des privaten Alltags die zwischen menschliche Interaktion unerlässlich und wesentlich bleiben wird, und auch diese in unterschiedlicher Qua lität ausgebildet und gelebt wird. Und dass es zudem immer Berufs bereiche geben wird, die auf eine qualitativ hochwertige personale Beziehung angewiesen sein wer den. Da andere gesellschaftliche und mediale ’Erzieher’ zunehmend weg brechen bzw. schädlichen Einfluss ausüben, kommt der Schule eine zu nehmend wichtiger werdende Auf gabe für die Persönlichkeitsentwick lung zu. Mit den derzeitigen Struk turen wird sie dies jedoch nicht leis ten können. Daher ist Schulpolitik gut beraten, sich auf diese Zukunft einzustellen und entsprechende Grundlagen zu schaffen. Die Menschenbildung droht bei all der Tendenz zum Utilitarismus auf der Strecke zu bleiben. Die Schule ist eine der letzten Institutio nen, die dieser Entwicklung in Gän ze nicht folgen müsste, sondern stattdessen stärker dem Ziel der umfassenden Persönlichkeitsent wicklung als wohlverstandene ’kompensatorische Aufgabe’ verhaf tet bleiben könnte und sollte. Denn maßgeblich bleibt, unab hängig vom biografischen Bezug des Textes: »Der Mensch heißt Mensch, weil ...« (Herbert Gröne meyer)
hauses sowie außerschulischer Institutio nen im Jugendbereich erheblich an Ein fluss in dieser Richtung eingebüßt hat, aus unterschiedlichen Gründen, kommt der Institution Schule auf diesem Gebiet eine kaum einlösbare ’kompensatorische’ Funktion zu, die sie bei den gegenwärti gen Gruppengrößen und -strukturen viel fach nicht erfüllen kann. Auf der Strecke bleibt dann ein nachhaltig lernförderli ches Klima. Aufzulösen sind diese Belastungsfak toren nur mit Personal. Personal, das von zahlreichen Berufsfeldern nachgefragt wird. Aus der Sicht der Bewerber wird dann häufig derjenige Bereich den Zu schlag bekommen, der neben der Bezah lung und anderer materieller Bedingun gen auch die persönliche Erfüllung einer sinnstiftenden Tätigkeit verspricht. Eine durch Jahrzehnte verfehlter Personal- politik im Schulbereich massiv entstan dene Dilemmasituation, die jetzt nur in weiteren ’klugen’ Schritten aufzulösen ist. Basis Sozialkompetenz Schwerpunkte dafür wären Maßnahmen zur Förderung des Sozialverhaltens, das eine der wesentlichen Voraussetzungen für erfolgreiches Gruppenverhalten und damit dann überhaupt für Lernprozesse darstellt. Diese Maßnahmen sind ganz
Ulrich Gräler
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des lehrer nrw E-Mail: graeler@lehrernrw.de
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6/2022 · lehrer nrw
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