lehrernrw 5 2023

RECHT § AUSLEGER

 Des Weiteren wird der Gedanke vertre ten, dass man den Notenschutz mit dem Nachteilsausgleich auf ein Niveau stellen könnte, so dass Behinderten auch hierbei ein entsprechender Anspruch auf Schutz gewährt wird. Folglich dürfte die Inan spruchnahme des Notenschutzes in Zeug nissen auch nicht erwähnt werden.  Urteil mit Ausstrahlungswirkung Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird vermutlich jedenfalls Ausstrahlungs wirkung haben auch auf Bestimmungen und Gegebenheiten in den Bundesländern. In NRW besteht eine Regelung auf Erlass ebene (Förderung von Schülerinnen und Schülern bei besonderen Schwierigkeiten im Erlernen des Lesens und Rechtschrei bens, LRS), Runderlass des Kultusmin. vom 19.07.1991, BASS 14-01 Nr. 1). Diese be sagt, dass Lese- und Rechtschreibleistun gen in Zeugnissen zurückhaltend zu ge wichten sind. Darin kann auch vermerkt werden, dass die Schülerin oder der Schü ler an einer zusätzlichen LRS-Fördermaß nahme teilgenommen hat. Die Thematik kann vor dem Hintergrund der geschilderten möglichen, aber zu ver meidenden Probleme insbesondere psy chischer und sozialer Natur sowie bei Schulabschlüssen und Berufschancen von Schülerinnen und Schülern mit Legasthenie nicht zu gering bewertet werden. Instanz in Deutschland, letztlich urteilen wird. Denkbar ist, dass die vom Bundesver waltungsgericht entwickelte Systematik der Unterscheidung von Nachteilsaus gleich und Notenschutz beibehalten wird. Vorstellbar ist aber auch, dass diese Unter scheidung aufgegeben wird. So kann man – wie in der Verhandlung geschehen – auch zu bedenken geben, dass jemand, der mehr Bearbeitungszeit als andere bekom me, auch nicht am allgemeinen Maßstab gemessen werde. Der Nachteilsausgleich ähnele insofern dem Notenschutz.

 Der Unterschied zwischen Nachteilsausgleich und Notenschutz Ein Nachteilsausgleich erlaubt, dass Schülerinnen oder Schüler mit einer Be hinderung doch zeigen können, was sie zu leisten im Stande sind. Die Anforde rungen unterscheiden sich nicht von de nen Nicht-Behinderter. Allerdings können die Nachteile, die durch die Behinderung bestehen, durch verschiedene Maßnah men ausgeglichen werden, indem bei spielsweise für die Bearbeitung von Auf gaben mehr Zeit als für die Mitschülerin nen und Mitschüler eingeräumt wird. Das Bundesverwaltungsgericht sagt, auf den Nachteilsausgleich bestünde ein grund gesetzlicher Anspruch. Um diesen vollum fänglich zur Geltung zu bringen, dürfe er auch nicht in einem Zeugnis vermerkt werden. Im Unterschied dazu bedeute Noten schutz, dass die allgemeinen Leistungs standards nicht einzuhalten seien. Es gelte dann ein individueller Leistungsmaßstab. Oder auf die Erbringung bestimmter Leis tungen werde verzichtet. Als Beispiel kann die Nicht-Bewertung der Rechtschreibung derjenigen dienen, die unter Legasthenie leiden würden. In diesen Konstellationen sei die allgemeine Aussagekraft von Beno tungen von Leistungen beeinträchtigt. Da her sei hier die Aussagekraft von Zeugnis sen ein Wert von Verfassungsrang, der mit dem Verlangen, Beeinträchtigungen nicht zu erwähnen, konkurriere. Das bedeutet, dass kein Anspruch besteht, Notenschutz im Zeugnis nicht zu vermerken.  Letzte Instanz Bundesverfassungsgericht Nach der Niederlage vor dem Bundesver waltungsgericht zogen die drei Schüler mit Legasthenie vor das Bundesverfassungsge richt, das zwischenzeitlich über die Klage verhandelt hat und ein Urteil voraussicht lich in den kommenden Monaten verkün den wird. Dabei ist offen, wie das Bundes verfassungsgericht, die oberste richterliche

Christopher Lange leitet die Rechtsabteilung des lehrer nrw E-Mail: Rechtsabteilung@lehrernrw.de

29

5/2023 · lehrer nrw

Made with FlippingBook - Online Brochure Maker