lehrernrw 1 2022
SCHULE & POLITIK
KOMMENTAR Digitalisierung und Schule
Dienst zumAusdruck zu bringen, gleichzeitig aber Hoffnungen auf materielle Verbesserun- gen, die diese honorieren könnten, zu dämp- fen. An nur sehr wenigen Stellen wurde er- kennbar, wo sich die Bundesinnenministerin vorstellen könnte, kleine Schritte substanziel- ler Umsetzungen zu wagen, zum Beispiel bei der Einführung/Entwicklung von Arbeitszeit- modellen, beimAusbau der Unterstützungs- leistungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder bei der Rückkehr zur Pensi- onswirksamkeit von Zulagen. Alles kleine Stellschrauben, die belegen, wie in der Vergangenheit auch noch so klei- ne Entgelt- bzw. Besoldungsbestandteile ge- nutzt wurden, um beim öffentlichen Dienst Geld einzusparen. Der Vorsitzende des dbb, Ulrich Silberbach, wies zu Recht darauf hin, dass die aktuell zutage tretenden Defizite sich seit Jahren aufgebaut hätten, weil der Staat notwendige Investitionen in diesem Bereich vermieden habe. Staatliche Einspa- rungen, die sich auch auf dessen Ansehen als Arbeitgeber ausgewirkt haben und die sich nun rächen. Dass der öffentliche Dienst in diesen Kri- senzeiten nicht zum besten aufgestellt war, läge nicht an seinen Mitarbeitern, sondern an der Politik, die ihn sächlich und personell nicht ausreichend ausgestattet habe. Erst seit wenigen Jahren wandele sich das Image wieder, und jüngere Menschen inte- ressierten sich vermehrt für eine Tätigkeit im Staatsdienst. Streitpunkt Bildungshoheit Die Verwaltungsmodernisierung stand bei dieser Tagung ganz überwiegend im Vorder- grund, der Bildungsbereich blieb zumeist hintenan, schließlich haben die Bundeslän- der auf diesem Feld die Hoheit. Nur zu ger- ne würde der Bund stärker in den Bildungs- sektor hineinregieren, erst recht unter dem Blickpunkt der Einführung der Digitalisie- rung in den Schulen. Wer das Geld dazu gibt, möchte auch über die Nutzung mitre- den. Woher aber die pädagogische und di- daktische Expertise auf Bundesebene dafür kommen soll, blieben alle Redner zu diesem Thema schuldig.
tung, mit denen der Bürger nur sehr selten in Berührung kommt, die aber ganz we- sentlich zu den Grundlagen und zur Funk- tionsfähigkeit unseres Gemeinwesens hin- zugehören. Gesprächsfäden aufnehmen und verknüpfen Alles in allem hielt die dbb-Jahrestagung das, was sie seit Jahren verspricht, nämlich die Themen und Diskussionen anzustoßen, die es politisch und gesellschaftlich aktuell zu verfolgen gilt. Allen Vertretern der Poli- tik war anzumerken, wie sie sich vorsichtig herantastend an die Formulierung von Po- sitionen und Haltungen wagten, um in den vielfältig neuen politischen Konstellationen Gesprächskontakte und -fäden konstruktiv und vertrauensvoll aufzunehmen. Das Be- wusstsein war allgegenwärtig, dass die gesamtgesellschaftlichen Herausforderun- gen der Zeit viel zu groß sind, als dass die- se einen kleinlichen oder unnötigen politi- schen Streit rechtfertigen könnten. Das nennt man dann wohl auch einen ’Auftakt nach Maß’. Fehlt nur noch das Motto der Tagung: ’Einfach machen!’ Auch wenn das Wort ’Digitalisierung’ eine hochinflationäre Verwendung in allen Diskussionsrunden fand und der Zuhörer es schon bald nicht mehr hören konnte, so erfreulich war es, doch einmal zu erleben, wie engagiert in manchen Kommunen der Umsetzungsprozess im Detail hin zu einer digital organisierten Verwaltung erarbeitet und für den Bürger nutzbar gemacht wird. Die Diskussionsrunde zu diesen Umset- zungsvorhaben legte in ganz konkreten Beispielen die Zielsetzungen, Möglichkei- ten und Schwierigkeiten nachvollziehbar offen. Dabei wurde auch deutlich, dass der verbesserte ’Bürgerservice’ nur einen klei- nen Teil des notwendigen Digitalisierungs- prozesses bildet, der weitaus größere be- trifft Bereiche der öffentlichen Verwal-
Der Begriff der Digitalisierung wird in den meisten öffentlichen Diskussionen viel zu undifferenziert und rein plakativ verwen- det, ohne dass die konkrete Anwendung bzw. pädagogische Sinnhaftigkeit weiterge- hend bedacht wird. Die Digitalisierung in Schulen betrifft zum einen vor allem die organisatorischen und verwaltungstechnischen Abläufe der Institu- tion. Zum anderen bezieht sie sich auf deren Nutzung für den Unterricht. In Zukunft soll allen Schülerinnen und Schülern eine digita- le Grundbildung das informatorische Rüst- zeug für ihre Schullaufbahn bieten. Dazu ge- sellt sich dann noch die fachspezifische Nut- zung digitaler Inhalte und Formate, je nach Fach mehr oder weniger umfangreich, mehr oder weniger didaktisch begründet. Die pädagogische und didaktische Dis- kussion digitaler Anteile im Unterricht war auf der Ebene des dbb-Forums nicht zu er- warten, ist aber eine unerlässliche, die vor dem Einsatz umfangreich und hinreichend tiefgründig zu führen wäre, und zwar auf allen Ebenen mit allen Beteiligten des Schullebens. Wer Verantwortung dafür trägt, welche Bildung der nächsten Genera- tion zugutekommen soll, muss diesen Fra- gen vorab vertieft nachgehen. Wer dann den bisweilen maßlosen Kon- sum digitaler Medieninhalte beobachtet, muss sich auch mit den Auswirkungen dieser Verhaltensänderung der Kinder und Jugendli- chen befassen. Und er muss sich darum küm- mern, wie er künftig Persönlichkeitsbildung mit dem Ziel der Autonomie des Menschen sicherstellen will. Dadurch könnten für die Institution Schule neben der sinnvollen Nut- zung des Digitalen ganz andere pädagogi- sche Inhalte zur Förderung der psycho-sozia- len Entwicklung in den Vordergrund rücken, die eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt und die Stärkung des gesellschaftli- chen Zusammenhalts bilden. Ulrich Gräler
Ulrich Gräler ist stellv. Vorsitzender des lehrer nrw E-Mail: graeler@lehrernrw.de
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1/2022 · lehrer nrw
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