Profil 9/2025

Die Profil Ausgabe 9/2025 mit dem Leitthema "Weltläufigkeit – ein Merkmal deutscher Gymnasien" ist veröffentlicht. Jetzt lesen!

9 2025

DEUTSCHER PHILOLOGENVERBAND

DAS MAGAZIN FÜR GYMNASIUM UND GESELLSCHAFT

Foto: Knieling

Weltläu fi gkeit – ein Merkmal deutscher Gymnasien

Eine Leseempfehlung: Ulrich Woelks “Mittsommertage”

Liebe zur deutschen Sprache: Roland Kaehlbrandts neues Buch

Engagierte Oberstufenschüler: Patenschaften für Grundschüler

PROFIL // Auf ein Wort

nen auch das Homeschooling durch Eltern regulär erlaubt ist, was uns deutlich von ihnen unterschei det. Die Schule steht gemäß Grundgesetz Art. 7 unter der Aufsicht des Staates und soll streikfrei sein und bleiben, damit u.a. der Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf vollständigen und geregelten Unterricht und die dazugehörigen Prü fungen, die ihnen die Berechtigungen für ihre wei tere Berufs- und Lebensplanung für das Weiterler nen geben, verlässlich gesichert werden. Wir Phi lologen denken hier insbesondere natürlich an den Abiturzeitraum und zuverlässig vollzogene Abiturprüfungen, die bislang rechtzeitig den Hoch schulzugang sicherten. Wir setzen Verwaltungs akte um, die Vergabe oder Nichtvergabe von Ab schlüssen wie dem Abitur, wir entscheiden über Versetzungen, wir ordnen Ordnungsmaßnahmen an. In der unabhängigen Amtsführung, dem Streikverbot und der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zeigt sich der Verfassungsrang unseres Schulwesens. Die Ausübung hoheitlicher Befugnis se ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehöri gen des ö ff entlichen Dienstes zu übertragen, die in einem ö ff entlich-rechtlichen Dienst- und Treue verhältnis gegenüber unserem Staat stehen (GG Art. 33,4). Zur Umsetzung dieser Einsicht sind alle Landes regierungen in der Bundesrepublik Deutschland für ihre Lehrkräfte gekommen, zuletzt Berlin im Jahre 2023. Aber: Ist die fi nanzielle Not in der Deutschen Rentenkasse groß, wollen nun manche Bundespolitiker die Gegenbewegung initiieren. Eines ist sicher: Wir werden argumentieren und dafür kämpfen, dass Lehrkräfte Beamte sein sol len und bleiben. Gemeinsam mit dem dbb. Zwi schen uns passt kein Blatt! Danke, Volker Geyer, der Du dies bereits in den vergangenen Wochen deutlichst gezeigt hast!

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes

Lehrkräfte müssen Beamte sein und dürfen nicht streiken! Liebe Kollegen und Kolleginnen, und täglich grüßt das Murmeltier, könnte man glauben: Bärbel Bas fordert, Beamte sollen in die Rentenversicherung einzahlen, obwohl sie als Be amte alimentiert werden und eben deshalb nicht in die Rentenkasse einzahlen. Carsten Linnemann möchte die Beamtenschaft spalten, in diejenigen erster Klasse, die Beamte bleiben dürfen, und in diejenigen zweiter Klasse, die Lehrkräfte, die es in der nächsten Einstellungsgeneration dann nicht sein sollen. Bundespolitiker also fordern dies für Lehrkräfte, die es als Bundesbeamte gar nicht gibt, sondern die vielmehr Landesbeamte sind. Dies ist also ein Aufruf auf Bundesebene, die Länder im föderalen Deutschland gegeneinander auszuspielen, damit das eine oder andere Land es sich ggf. überlegt, diesem zu kurz gedachten Ruf zu folgen, und in die anderen, die solide die Rücklagen für die Pensio nen ihrer Beamten gebildet haben und denen es die Lehrkräfte wert sind, Beamte zu bleiben. Ein Aufruf also, dafür zu sorgen, dass das Lehrersein in dem einem Bundesland mit Beamtenstatus dau erhaft attraktiver gemacht werden soll als in dem anderen. Wie tief sind manche in ihrer Argumenta tionsnot gesunken … Wir halten dagegen: der Deutsche Beamtenbund, sämtliche Lehrerverbände und -gewerkschaften, sogar die GEW, nach der die Attraktivität des Lehr kräfteberufs auch aus ihrer Sicht nun am Beam tenstatus für Lehrkräfte hängt. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie einleuch tend, ich kann sie hier nicht alle aufzählen: Wir ha ben in Deutschland die Schulp fl icht, keine Unter richtsp fl icht wie in vielen anderen Ländern, in de-

Mit kämpferisch-kollegialen Grüßen!

Ihre

Susanne Lin-Klitzing

3 PROFIL // 9/2025

DPhV-Standpunkte  DPhV würdigt den Einsatz der Lehrkräfte für das Abitur 2025: Sie sind der Garant für ein Abitur auf hohem Niveau

PROFIL // Inhalt

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 DPhV warnt Bildungsministerkonferenz vor möglichem „Verbundfach Naturwissenschaften“ 6 Titel  Deutsch-französische Beziehungen im Bildungs bereich: 70 Jahre Deutsche Abteilung am Lycée international Saint- Germain-en-Laye, einer Deutsch-Pro fi l-Schule  Die Welt zu Gast in Bremen Eindrücke zur aktuellen Lage der deutschen Auslandsschulen 12 Aktuell  Potenziale fördern und Persönlichkeit stärken Bayerns Mentoring-Programm „Balu und Du” 16  Inklusive Elite?  Von der Schönheit der deutschen Sprache Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt ist von ansteckender Begeisterung 27 Zur Diskussion  Karin Priens Vorschlag für Obergrenzen ist ein Denkanstoß, mehr nicht! 30 Aus den Ländern  Nordrhein-Westfalen: „Vielfalt erhalten – Bildungsqualität fördern“ 32  PhV Niedersachsen: Das Abitur darf nicht zu einem Schein, der Studierfähigkeit vorgaukelt, verkommen 34  Junge Philologen im PhV Baden-Württemberg: Schluss mit Flickschusterei: Dauerhafte Investitionen in Lehrkräfte nötig 36 8 Bildungswissenschaftliche Korrekturen der erfolgreichsten deutschen Schulform 20

Deutsch- französische

Beziehungen im Bildungsbereich 8

Bayerns Mento ring-Programm „Balu und Du” 16

Von der Schönheit der deutschen Sprache 27

Buchtipp & Verlosung  Erfolgreich und verletzlich Ulrich Woelks Roman über eine Akademikerin im modernen Berlin  Clara Lösel: Jetzt geht sie auf Tour

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Impressum

Nachgefragt

dbb magazin

 Dr. Sabine Leppek, Hochschule des Bundes für ö ff entliche Verwaltung: Der Staat hat einen entscheidenden strategischen Vorteil bei der Gewinnung von Fachkräften

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Clara Lösel: Jetzt geht sie auf Tour 40

Blickpunkt

dbb magazin

 Forderungen an die Bildungspolitik der Großen Koalition: Qualität, Personal, Perspektive

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Interview dbb magazin  Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages: Kostensteigerungen zwingen städtische Haushalte in die Knie 46

4 PROFIL // 9/2025

PROFIL // DPhV-Standpunkte

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DPhV würdigt den Einsatz der Lehrkräfte für das Abitur 2025 Sie sind der Garant für ein Abitur auf hohem Niveau

Mit dem Ende der Abi turprüfungen 2025 spricht der Deutsche Philologenverband (DPhV) allen Lehr kräften an Gymna sien und gymnasia

Neben der anspruchsvollen Korrek tur der schriftlichen Prüfungen und der Durchführung der mündlichen Prüfungen leisten die Gymnasial lehrkräfte noch viel mehr: Sie berei ten die Schülerinnen und Schüler in der Quali fi kationsphase zielgerich tet auf die Anforderungen der Abi turprüfungen vor. Sie entwickeln und überarbeiten Prüfungsauf gaben, die den hohen Standards des Abiturs gerecht werden. Sie beraten Schülerinnen und Schüler nicht nur fachlich, sondern auch psychologisch in einer für junge Menschen oft hoch belastenden Zeit. Sie begleiten den Übergang der Abiturientinnen und Abiturien ten in die nächste Lebensphase mit intensiven Beratungsgesprächen zu Studien- und Berufsperspektiven – oftmals weit über den Unterricht hinaus. „All das ist nur mit einem außerordentlichen Maß an Fach kompetenz, Engagement und päda gogischer Verantwortung zu bewäl tigen“, so Lin-Klitzing weiter. „Ohne dieses verlässliche und gewissen

5 PROFIL // 9/2025 Der Deutsche Philologenverband gratuliert allen Abiturientinnen und Abiturienten zum bestandenen Abi tur und bedankt sich bei den Lehr kräften für ihren unermüdlichen Einsatz für das Abitur 2025 für eine qualitativ hochwertige gymnasiale Bildung in Deutschland.  hafte Arbeiten der Gymnasiallehr kräfte gäbe es kein Abitur auf so hohem Niveau.“ Der DPhV weist darauf hin, dass diese Leistung jedes Jahr unter Rah menbedingungen erbracht wird, die von steigenden Anforderungen, größerer Heterogenität der Schüler schaft und wachsenden administra tiven Aufgaben geprägt sind. „Gera de deshalb ist es uns ein Anliegen, die Arbeit der Lehrkräfte nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern ihre unverzichtbare und prägende Rolle für die Bildungsbio gra fi en junger Menschen ausdrück lich sichtbar zu machen und wert zuschätzen“, unterstreicht Lin-Klit zing abschließend.

Pressemitteilung vom 7. Juli

len Oberstufen seinen ausdrück lichen Dank und höchste Anerken nung für ihren herausragenden Einsatz für das Abitur 2025 aus. „Das Abitur ist das Ergebnis der in tensiven und hochquali fi zierten Ar beit der Lehrkräfte mit ihren Schüle rinnen und Schülern über viele Jahre hinweg“, betont die Bundesvorsit zende des DPhV, Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing. „Von der individuellen Beratung über die gezielte Vorberei tung der Prüfungsthemen bis hin zur Begleitung in den schriftlichen und mündlichen Prüfungen tragen Lehrkräfte ganz wesentlich dazu bei, dass die jungen Menschen nun mit einem soliden Fundament in ein Studium, eine Ausbildung oder das Berufsleben starten können.“

PROFIL // DPhV-Standpunkte

Alle Schulfächer am Gymna sium haben und brauchen eine universitäre Bezugsdis ziplin. Dies gilt gerade auch für naturwissenschaftliche Fächer wie hier Chemie.

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DPhV warnt Bildungsministerkonferenz vor möglichem „Verbundfach Naturwissenschaften“

Ein Ersatz des Fachunterrichts in Biologie, Chemie und Physik durch ein „Verbundfach“ ist auch für die Sekundarstufe I nicht verhandelbar

Der Deutsche Philolo genverband (DPhV) appelliert eindring lich an die Bildungs ministerkonferenz (BMK), Überlegun gen zu einem mögli

(DPG) ein „Verbundfach Naturwis senschaften“ ab. * DPhV-Bundesvorsitzende Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing sagt: „Wer auf die Fächer Biologie, Chemie und Phy sik verzichten will, scha ff t nicht nur den Bildungsstandort, sondern auch gleich den Wirtschaftsstandort Deutschland ab! Wo sollen denn die dringend benötigten Fachkräfte der Zukunft herkommen, wenn solider Fachunterricht in der Schule nicht mehr geplant, sondern durch ein sogenanntes ‚Verbundfach‘ ersetzt werden soll? Wir brauchen Pro fi s in einem Fachunterricht, der die solide Basis für die Auseinandersetzung mit fächerübergreifenden, gesellschaftli chen Schlüsselproblemen ist, aber wir können für diese Auseinander setzung doch nicht auf den zugrunde liegenden Fachunterricht verzichten!“ Fachunterricht sei für den DPhV fun damental und nicht verhandelbar: „Es ist unsere tiefste Überzeugung, dass jedes Schulfach eine universitä

re Bezugsdisziplin benötigt, um nach deren fachwissenschaftlichem Studium anschließend an der Schule unterrichtet werden zu können. Mit einem ‚Verbundfach Naturwissen schaften‘ wird der Lehrkräftemangel in naturwissenschaftlichen Fächern kaschiert. Das hilft aber doch den Schülern und Schülerinnen nicht!“, führt Lin-Klitzing aus. Bereits jetzt wird der naturwissen schaftliche Unterricht häu fi g von Lehrkräften erteilt, die nicht in dem jeweiligen Fach ausgebildet sind. Ein „Verbundfach Naturwissenschaften“ würde diese Problematik noch ver stärken. Zudem fehlen bislang be lastbare empirische Nachweise da für, dass ein solches Verbundfach zu einem kohärenteren Kompetenzauf bau oder zu besseren Lernergebnis sen führen würde.  * https://www.dphv.de/2025/07/16/dphv-warnt bildungsministerkonferenz-vor-moeglichem- verbundfach-naturwissenschaften-ein-ersatz-des fachunterrichts-in-biologie-chemie-und-physik durch-ein-verbundfach/

Pressemitteilung vom 16. Juli

6 PROFIL // 9/2025 senschaftliche und naturwissen schaftsdidaktische Verbände und Gesellschaften wie etwa die Deut sche Physikalische Gesellschaft chen „Verbundfach Naturwissen schaften“ nicht zu verfolgen. Ein solches „Verbundfach Naturwissen schaften“ hat keine universitäre Bezugsdisziplin und ist deshalb für Lehrkräfte nicht studierbar. Trotz dem emp fi ehlt die Ständige Wissen schaftliche Kommission der Kultus ministerkonferenz (SWK) ein sol ches „Verbundfach Naturwissen schaften“ zur Prüfung, um perspek tivisch gegebenenfalls den Fach unterricht in Biologie, Chemie und Physik in der Sekundarstufe I zu er setzen (Empfehlung 10.5). * Neben dem DPhV lehnen auch naturwis

PROFIL // Titel

Deutsch-französische Beziehungen im Bildungsbereich: 70 Jahre Deutsche Abteilung am Lycée international Saint- Germain en-Laye, einer Deutsch-Pro fi l-Schule

8 PROFIL // 9/2025 tional Saint- Germain-en-Laye (https://lycee-international-stgermain.com/) . von Rolf Knieling L udwig der Vierzehnte wurde 1638 in Saint-Germain-en-Laye geboren. Dem Sonnenkönig folgte vor 70 Jahren die deutsche Abteilung der ehemaligen SHAPE 1 Schule, des heutigen Lycée interna

Das Jubiläumsjahr hatte seinen festlichen Abschluss und Höhe punkt am 25. Mai 2025 mit an schließender gemeinsamer Feier der Schulgemeinde und der gelade nen Gäste auf dem Gelände des Ly cée. Ausnahmsweise wurde kein Champagner serviert, sondern bay

risches Bier gezapft. Neben franzö sischen Leckereien durften Brez’n und Bratwurst natürlich nicht feh len. Damit wurden keine Klischees bedient, sondern der Herkunft des aktuellen Abteilungsleiters und sei nes Vorgängers Rechnung getra gen.

Foto: Knieling

PROFIL // Titel

Château Royal in Saint-Germain-en-Laye

Saint- Germain und der umliegen den Gemeinden nur anschließen. Auch Herr von Rimscha, Kulturrefe rent der Deutschen Botschaft, spar te nicht mit Lob. Ich selbst habe etliche Jahre eng mit dem aktuellen Abteilungsleiter Frank Walter zusammengearbeitet. Als Bevollmächtigter der KMK für die Option internationale du baccalauréat (OIB) – mittlerweile Baccalauréat français international (BFI) – durfte ich gemeinsam mit Frank Walter

feiern zu dürfen. Aus diesem Anlass möchte ich ein Gedicht von Bertolt Brecht zitieren. Wirklich, ich lebe in fi nsteren Zeiten! Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn Deutet auf Unemp fi ndlichkeit hin. Der Lachende Hat die furchtbare Nachricht

Nur noch nicht empfangen. Was sind das für Zeiten, wo Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!

So beginnt Bertolt Brecht sein Ge dicht „An die Nachgeborenen“, das am 15. Juni 1939 im Pariser Exil in der Neuen Weltbühne erschien. Er endet wie folgt: Dabei wissen wir: Auch der Haß gegen die Niedrigkeit Verzerrt die Züge.

Auch der Zorn über das Unrecht Macht die Stimme heiser. Ach, wir, Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit, Konnten selber nicht freundlich sein. Ihr aber, wenn es soweit sein wird, Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist, Gedenkt unsrer Mit Nachsicht.

Foto: Knieling

AL StD i.R. Norbert Kremeyer und StD i.R. Franz Strieder, ehem. Stv. AL Hans-Peter Jacht, Odile Duguet, Assistentin der Abteilung sowie Rolf Knieling

9 PROFIL // 9/2025 In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als Europa noch in Trüm mern lag und sich die Spannungen des Kalten Krieges abzeichneten, wurde in Saint-Germain-en-Laye die internationale SHAPE-Schule ge gründet. So kamen im Jahr 1954, vor dem o ffi ziellen NATO-Beitritt der  Diese erschütternden Worte Brechts hallen heute mit besonderer Kraft wider. Sie erinnern uns an die Kom plexität des Erinnerns, an die Wun den der Geschichte, aber auch an die drängende Notwendigkeit, eine Zukunft in Frieden und gegenseiti gem Verständnis zu gestalten. Die Geschichte unserer Deutschen Abteilung ist eng mit der Geschichte Europas selbst verknüpft:

und seinen Vorgängern Franz Strie der und Norbert Kremeyer die nicht immer einfachen Verhandlungen mit dem französischen Bildungs ministerium im Sinne der KMK füh ren und die gemeinsamen koor dinierenden Konferenzen der deut schen Abteilungen in Frankreich und an französischen Auslandsschulen leiten. Ich möchte Herrn Studien direktor Walter, der seine Anspra che auf Französisch hielt, in deut scher Fassung in Auszügen zu Wort kommen lassen: Ich bin heute tief bewegt, gemein sam mit Ihnen das 70-jährige Beste hen unserer Deutschen Abteilung

Die Vizepräsidentin der Region Île de France stellte die Bedeutung der Abteilung für die Wirtschaft der Re gion heraus. Sie bietet vielen deut schen und internationalen Familien die Möglichkeit einer herausragen den binationalen Schulbildung. Dem konnten sich die Bürgermeister von

PROFIL // Titel

Foto: Kastner

10 PROFIL // 9/2025 fenheit zweier Völker und die deutsch-französischen Freund schaft. Sie hat Generationen kluger Bundesrepublik Deutschland, die ersten deutschen Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler an die SHAPE- Schule. Saint-Germain en-Laye, einst Sitz des Oberkom mandos West während der deut schen Besatzung, erlebte die Rück kehr der Deutschen, doch diesmal als Gesandte eines neuen Europas, das sich dem Geist der Zusammen arbeit verschrieben hatte. Anfangs stieß diese Integration nicht nur auf Begeisterung. Die deutschen O ffi zie re holten ihre Kinder in Zivil ab – im Gegensatz zu den Vätern anderer Nationen, die Uniform trugen. Der entscheidende Wendepunkt un serer Geschichte war das Jahr 1967. Mit dem Abzug von SHAPE aus Frankreich stand die Existenz des Lycée International auf dem Spiel. Nur der unbeirrbare Wille der Deut schen und der Niederländer, in Saint-Germain zu bleiben, ermög lichte die Neugründung der Schule. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Deutsche Abteilung stetig weiterent wickelt und bereichert: Von der Ein führung des Abiturs der NATO-Schu len 1961 über die Option internatio nale du baccalauréat im Jahr 1985 bis hin zum Baccalauréat français in ternational im Jahr 2023. Jede Etappe bedeutete einen bedeutenden Fort schritt. Ich danke dem französischen Bil dungsministerium, der Kultusminis terkonferenz und natürlich der Bun desrepublik Deutschland. Ihnen al len ist es zu verdanken, dass wir an dieser weltweit einzigartigen Schule unterrichten und wirken dürfen. Heute dürfen wir mit Stolz auf den gemeinsamen Weg zurückblicken. Die Deutsche Abteilung steht für den Mut zur Erneuerung, für die Of

Nicht nur die Abiturienten sind frisch gebacken

mdl. Prüfung im Schloss auf dem Campus

Foto: Knieling

und welto ff ener junger Menschen hervorgebracht und trägt wesentlich zum Ansehen unseres Lycée Inter national bei. Anlässlich der Feierlichkeiten dieses 70-jährigen Jubiläums, erinnern wir uns noch einmal an die Worte Brechts:

schichte und/oder Erdkunde haben, können an die deutsche Abteilung vermittelt werden. Sie werden im Westen von Paris in einem inspirie renden internationalen Ambiente (im merhin gibt es vierzehn unterschiedli che internationale Abteilungen an der Schule!) mit engagierten Schülerinnen und Schülern sowie Kolleginnen und Kollegen aus ganz Frankreich und französischen Auslandsschulen zu sammenarbeiten dürfen. In Deutschland bekannter als der Doppelabschluss BFI dürften das deutsch-französische Abitur an den deutsch-französischen Gymna sien und die Abibac -Zweige sein, da sie auf beiden Seiten des Rheins be stehen:  1963 unterzeichnen Bundeskanz ler Adenauer und Präsident de Gaulle den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag. Der so ge nannte Élysée- Vertrag sieht auch

Ihr aber, wenn es soweit sein wird Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist, Gedenkt unsrer Mit Nachsicht.

Möge es uns auch in Zukunft gelin gen, eine Welt zu gestalten, in der der Mensch dem Menschen ein Hel fer sei – im Geiste des Friedens, der Verständigung und der internationa len Zusammenarbeit. Soweit der Leiters der Deutschen Abteilung des Lycée international Saint- Germain-en-Laye. Philologinnen und Philologen, die die Fakultas für die Fächer Deutsch, Ge

PROFIL // Titel

Das Abibac-Logo wurde von Schülern des Wentzinger Gymnasiums in Frei burg und des Lycée Georges-Clé menceau in Montpellier im Rahmen ei nes Wettbewerbs entwickelt, der 2013 anlässlisch des 50-jährigen Jubiläums

11 PROFIL // 9/2025 (https://www.auslandsschulwesen.de/DE/ Schulnetz/DPS/dps_node.html) verliehen. Sie gehören wie die Deutschen Auslandschulen und die Sprach diplomschulen weltweit zum Netzwerk der PASCH-Initiative (https://www.auslandsschulwesen.de/ DE/Schulnetz/PASCH/pasch_node.html) . die Gründung deutsch-französi scher Gymnasien in beiden Län dern vor. Davon gibt es mittler weile zwei in Frankreich, in Buc und im Aufbau in Straßburg, so wie drei in Deutschland, in Saar brücken, Freiburg und im Aufbau in Hamburg.  1987 wird die „Double Délivrance Abitur-Baccalauréat“ an den Pilot schulen Cité Internationale in Lyon und Friedrich-Ebert Gymna sium in Bonn eingerichtet und 1994 das Regierungsabkommen über die „Double Délivrance Abi tur-Baccalauréat“ verabschiedet. Das Abibac ist geboren. Mittler weile gibt es rund achtzig deutsch französische Abibac-Tandems.  Die deutschen Abteilungen der Lycées internationaux in Frank reich und an französischen Aus landsschulen, die einen deutsch französischen Doppelabschluss (BFI) anbieten, werden vom Aus wärtigen Amt und der KMK unter anderem durch die Vermittlung von Auslandsdienstlehrkräften an die koordinierende Abteilung in Saint-Germain-en-Laye und die Bereitstellung von Prüfungs vorsitzenden für die deutschen Prüfungen nach Vorgaben der KMK in Deutsch und Geschich te/Erdkunde (histoire/géogra phie) geför dert. Das Aus wärtige Amt hat diesen Schulen den Titel Deutsch Pro fi l-Schulen

der deutsch-französischen Freundschaft durchgeführt wurde.

auch an deutschen Gymnasien wer den jedoch die vermeintlich ein facheren romanischen Sprachen der jeweiligen Partnersprache vorgezo gen. Dabei waren und sind bildungs politisch kurzsichtige Entscheidun gen nicht unbeteiligt. Die Beherr schung der jeweiligen Sprache des Nachbarlandes auf mindestens dem Niveau B1 ist nicht nur für die beruf liche Zukunft unserer Abiturientin nen und Abiturienten bzw. der Ba chelières und Bacheliers jenseits des Rheins von großer Bedeutung, son dern ist auch für das Tandem Deutschland/Frankreich angesichts seiner politischen und wirtschaftli chen Bedeutung für Europa ein un abdingbares Desiderat. 

Als ehemaliger Französischlehrer hatte ich die Sprachkenntnisse und das Privileg, mich für die deutsch französischen Beziehungen im schu lischen Bereich engagieren zu dür fen. Ohne Zweifel ist Frankreich mittlerweile unser engster Partner in der EU, sowohl auf wirtschaftli cher als auch auf politischer Ebene. Das DFJW (https://www.dfjw.org/) , die Deutsch-Französische Hochschule (https://www.dfh-ufa.org/), Erasmus (https:// www.erasmusplus.de/) und viele an dere vom PAD koordinierte Pro gramme (https://www.kmk-pad.org/ programme/programmsuche) erlauben den Austausch auf vielerlei Ebenen mit Frankreich und weiteren Partnern. Englisch wird in beiden Ländern als lingua franca fl ächendeckend unter richtet. Sowohl an französischen als

1 Supreme Headquarters of the Allied Powers in Europe

Herzliche Glück wünsche! Abtei lungsleiter StD Frank Walter schneidet den Kuchen an

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PROFIL // Titel

Die Welt zu Gast in Bremen Eindrücke zur aktuellen Lage der deutschen Auslandsschulen

Abbildung: Knieling

von Rolf Knieling V om 6. bis 8. August fand die 37. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Lehrkräfte im Ausland in der Hansestadt Bre men statt. Bremen hat eine Geschichte von In ternationalität und Welto ff enheit. Gleichzeitig hat Deutschland seit dem 17. Jahrhundert eine Geschich te der Migration, die eng mit Bremen verbunden ist. Viele Millionen Deut sche haben zu einem großen Teil über Bremen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Heimat verlas sen, hinterließen in ihrer neuen Hei mat insbesondere in Lateinamerika, aber auch in Südosteuropa, in Ägyp ten oder im Südlichen Afrika bis heu te bedeutsame Spuren in der Bil dungslandschaft. Die Bundesrepu blik Deutschland nutzt diese welt weit noch existierenden Brücken ins Ausland im Rahmen ihrer Auswärti

gen Kultur- und Gesellschaftspolitik (AKGP). Das Motto der Tagung „Hori zonte Erweitern“ könnte in der heuti gen Zeit nicht relevanter sein.

Staatsrat Klieme sprach für die Hansestadt Bremen das einleitende Grußwort in Vertretung von Bil dungssenatorin Aulepp, gefolgt

v. l. n. r.: Oliver Bientzle, Leiter des Referats 605 „Deutsch als Fremd sprache und Auslandsschulen“ im Auswärtigen Amt und Bundesvor sitzender des BLASchA; Dr. Thomas Lother, Vorsitzender des VDLiA; Heike Toledo, Leiterin der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten; Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des DPhV; Thomas Mayer, Leiter des Referats VII.6 „Internationale schulische Zusammenarbeit, Internationale Schulen, Schule Arbeit im Ausland und Austauschmaßnahmen“ im Bayrischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und Länder vorsitzender des BLASchA; Wilfried Auel, Arbeitgruppe Auslandslehr kräfte AGAL der GEW und zugeschaltet aud Namibia Heike Daun, Vor standsvorsitzende des Weltverbandes Deutscher Auslandsschulen.

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12 PROFIL // 9/2025

PROFIL // Titel

von der Vorsitzenden des Deut schen Philologenverbandes (DPhV), Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, dem Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Auslandslehrkräfte (AGAL) der GEW, Michael Schopp, der Vorsitzenden des Weltverbands Deutscher Aus landsschulen, Heike Daun, zuge schaltet aus Namibia, und dem Lei ter des Referats „Neue Entwicklun gen in der beru fl ichen Weiterbil dung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK)“, Jan Kuper. Die Vorsitzende des DPhV strich in ihrem Grußwort heraus, dass die an Deutsche Auslandsschulen (DAS) vermittelten Lehrkräfte aktuelle Deutsche Bildungsqualität nicht nur dank ihrer fachlichen, ihrer metho dischen und didaktischen Kom petenz, sondern auch als Vorbild einer gelebten demokratischen Werteordnung mit ihrer Welto ff en heit und Toleranz vermittelten. Gleichzeitig pro fi tierten die Kollegin nen und Kollegen selbst von ihren „Horizonterweiterungen“ im Aus land in hohem Maße, und könnten diese nach Ihrer Rückkehr ins deut sche Schulsystem gewinnbringend einsetzen. Prof. Dr. Susanne Lin Klit zing kritisierte, dass im so genann ten Masterplan die Bedeutung des deutschen Abiturs für die Gründung und Unterstützung von deutschen Schulen im Ausland zurückgenom

men werde und wies darauf hin, dass der Auslandsschulfonds für die Unterstützung der Schulen durch die sogenannten freiwilligen Leis tungen nicht groß genug sei. Man brauche eine positive Auslagerung der dynamisierten Gehälter, forder te die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes. Alle an der Tagung Beteiligten be dauern die aktuelle Entwicklung, dass diesem Vorzeigemodell der AKGP, nämlich den Deutschen Aus landsschulen, die fi nanzielle Grund lage kontinuierlich entzogen wird. Die fehlende Dynamisierung des Auslandsschulfonds bedeutet ange sichts der In fl ation und steigender Gehälter seine Kannibalisierung und hat unter anderem die Streichung der so genannten freiwilligen För derung und damit letztendlich eine Erhöhung der Schulgelder und eine Einschränkung der sozialen Ö ff nung zur Folge. Nicht nur der Philologen verband unterstützt eine haushalte risch zufriedenstellendere Lösung angesichts der nachhaltigen Bedeu tung des Deutschen Auslandsschul wesens für unsere internationalen Ver fl echtungen auf gesellschaftli cher, politischer und wirtschaftlicher Ebene. Die Verbände ho ff en auf ein o ff eneres Ohr als in der letzten Le gislaturperiode bei den Entschei dungsträgern in Berlin.

Das Gespräch mit Rüdiger Krontha ler, TV- und Hörfunk-Reporter für die aktuellen Formate des BR und der ARD in Rom, der 1996 an der Deutschen Schule Rom sein Abitur ablegte, als sein Vater dort Lehrer war, und in den vergangenen Jahren seine eigenen Kinder an die Deut sche Schule Rom schickte, verdeut lichte eindrucksvoll, wie bedeutsam die Deutschen Auslandsschulen nicht nur für ehemalige Schüler sein können: „Das zahlt nicht nur mone tär ein!“ sagt der 49jährige Journalist über die Arbeit der Auslandsschu len. Sie können das Interview in Ausschnitten hören: https://vdlia.de/ das-zahlt-nicht-nur-monetaer-ein/ Vorträge einiger Auslandsschulen insbesondere zum Thema Fachkräf tegewinnung und Digitalisierung ermöglichten einen Einblick in die vielschichtige Arbeit der Auslands schulen mit ihren sehr unterschied lichen Ausrichtungen und Bedarfen: Thomas Spahn, ehemaliger Leiter der German International School Silicon Valley (GISSV), Mountain View, USA, berichtete zum Thema „Interdisziplinäres Problemlösen mit KI und dem Deeper-Learning-An satz“. Die GISSV war 2023 Träger des 1. Preises des Wettbewerbs der DIHK „Schulen bauen weltweit Brü cken“. Martin Lentzen und Jenny Jungeblut von der GISSV erhielten 

13 PROFIL // 9/2025

PROFIL // Titel

Gruppenfoto der Teilnehmer der Hauptversammlung der VDLia in Bremen

Foto: Tkocz

Herausforderungen einer auch geo politisch einmaligen Schule: „Frie denserziehung und Empowerment in Zeiten des Krieges“. 2013 ist die bereits 1851 von Kaiserswerther Diakonissen begründete Schule die erste Schule in den palästinensi schen Autonomiegebieten, die mit dem Abitur abschloss. Die besondere Rolle, die diese Schu le in ihrem herausfordernden Um feld spielt, und so Bildungsperspekti ven für Menschen in einer derzeit scheinbar ausweglosen Lage bietet, dabei Empowerment, Umwelterzie hung und Friedenserziehung in den Mittelpunkt stellt, hat sie nicht nur ihren engagierten palästinensischen Lehrkräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken, sondern in großem Maße auch dem Auslandsschulgesetz, das einer ein zügigen Abiturschule die Vermittlung von acht Auslandsdienstlehrkräften (ADLK) zubilligt. Deutschen Aus landsschulen mit dem Schulziel Ge mischtsprachiges International Bac calaureate (GIB) steht hingegen nur eine vermittelte Lehrkraft zu. Bemer kenswert war, dass die Vertreter der GEW Michael Schopp und in der Po diumsdiskussion Wilfried Auel das GIB, welches von einer gemeinnützi gen Stiftung für Bildung mit Sitz in Genf verantwortet wird, in ihren Bei trägen sehr befürworteten.

Nicht nur der DPhV ist davon über zeugt, dass diese an die Deutschen Auslandsschulen vermittelten Schul leiterinnen und Schulleiter sowie die vermittelten deutschen Lehrkräfte das Alleinstellungsmerkmal Deut scher Auslandsschulen auf dem hart umkämpften Markt internationaler Schulen sind. Die aus den Ländern der Bundesrepublik Deutschland vermittelten Lehrkräfte tragen und vermitteln die Werte der AKGP. Dies gilt insbesondere für die Deutschen Auslandsschulen mit dem Schulziel „Abitur“. Thomas Mayer, als Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK) und Ländervorsitzender des Bund-Län der-Ausschusses für Schulische Ar beit im Ausland (BLASchA) räumte ein, dass es im Einzelfall Engpässe bei der Lehrervermittlung ins Aus land geben könne, dass aber über die 16 Bundesländer hinweg in aller Regel die Besetzung aller Stellen möglich sei und die Bundesländer weiterhin zu ihrer Verp fl ichtung der Unterstützung des Auslandsschul wesens stünden. Tatsächlich han delt es sich um weniger als 0,3% der Gesamtlehrerschaft in Deutschland, die für die Tätigkeit im Ausland be urlaubt sind. Zudem steht die KMK weiterhin für Qualität und Vergleich barkeit mit dem Inland an Deut schen Auslandsschulen weltweit.

zum Thema „Startup-Schmiede: Schüler lösen Probleme mit KI“ den 3. Preis „Unterricht innovativ“ 2024, der im Mai dieses Jahres vom DPhV verliehen wurde. Ulrich Lohrbach, ehemaliger Leiter der Deutschen Schule Villa Ballester „Instituto Ballester“, Buenos Aires, Argentinien, erläuterte das Thema „Vielfältig, nachhaltig und digital: Die Studien- und Berufsbildungs messe EDUAlemania“. Für dieses Projekt erhält die Schule 2023 20.000 Euro Preisgeld im Rahmen des Wettbewerbs „Schüler bauen weltweit Brücken“ von der DIHK. Jacobo de la Sierra, Direktionsassis tent und Kollege an der Deutschen Schule Bilbao stellte das Projekt: „Betriebspraktika in Deutschland für Schülerinnen und Schüler der Deutschen Schule Bilbao“ vor. Svenja Ceranna, Fortbildungs- und PQM-Koordinatorin an der Deut schen Schule Bratislava, berichtete zusammen mit einer frisch gebacke nen Abiturientin der Schule über „Die Bedeutung der Digitalität an der Deutschen Schule Bratislava“. Birger Reese, Leiter der Deutschen Schule Talitha Kumi im Westjordan land, erläuterte gemeinsam mit der Verwaltungsleiterin der Schule, Vivian Huzaineh, die Chancen und 14 PROFIL // 9/2025

PROFIL // Titel

Die Leiterin der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, Heike Toledo, betonte ebenfalls die Bedeutung der vermittelten deutschen Lehr kräfte und ihrer Arbeit an den DAS im Sinne der AKGP. Daher sollte der Schwerpunkt des Einsatzes der mut tersprachlichen ADLK im Unterricht liegen. Zudem wird den mit den ADLK geschlossenen Dienstverträ gen die Verp fl ichtung zu sprachsen siblem Unterricht hinzugefügt mit dem erklärten Ziel, das Sprach niveau Deutsch an allen von Deutschland geförderten PASCH Schulen zu stärken. Auf Nachfrage erläuterte Frau Toledo, dass die P fl ichtstundenzahl von 25,5 Unter richtsstunden dem Durchschnitt der 16 Bundesländer entspreche. Der Leiter des Referats 605 „För derung von Deutsch als Fremdspra che und Auslandsschulen“ im Aus wärtigen Amt und qua Amt Bundes vorsitzender des BLASchA, Oliver Bientzle, ist sich mit der ZfA, der KMK und den Verbänden darin ei nig, dass der Masterplan erstmals durch fl exiblere, zielgerichtete und

interessenorientierte Steuerung eine längerfristige Planungssicherheit für die Entwicklung des Auslandsschul wesens bietet, er zugleich die Vor gaben des Auslandsschulgesetzes einfordert und standortbezogen die Abschlüsse einer kritischen Überprü fung unterzieht. Die Synergien der Auslandsschulen und der deutschen Wirtschaft und so die Bedeutung für die AKGP wird in einer aktuellen, kurz vor der Verö ff entlichung ste henden Umfrage der DIHK mit ihren Auslandshandelskammern (AHK) erstmals o ffi ziell bestätigt. Herr Bientzle betont, dass trotz der Herausforderungen des aktuellen Krisenmanagements die derzeitige Bundesregierung großes Interesse an den Auslandsschulen und ihre Bedeutung für die AKGB sieht. Es war eine Tagung mit guten Ge sprächen, „Horizonterweiterungen“ und Knüpfung neuer weltweiter Kon takte. Dafür bedankt sich der Deut sche Philologenverband sehr herz lich beim Verband der Deutschen Lehrkräfte im Ausland und allen Teil nehmerinnen und Teilnehmern. 

Im Benehmen mit allen Vertretern im BLASchA ünterstützt die KMK die Bund-Länder-Inspektion der Deut schen Auslandsschulen, sichert die Qualitätsstandards und Vergleich barkeit der Abschlüsse der KMK, des Abiturs, der Mittleren Abschlüsse und des Deutschen Sprachdiploms der KMK und sorgt auch mit den Bil dungsstandards der 4. Klassen und den Einheitlichen Prüfungsanfor derungen (EPA) der KMK für eine vergleichbare verlässlich gute Bil dung. Zudem ist geplant, Strukturen zu etablieren, die die zentrale schriftliche Abiturprüfung in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik – analog zu den bereits bestehenden zentralen Prüfungen der Mittleren Abschlüsse – für die fünf Zeitzonen weltweit ermöglichen und somit die Lehrkräfte und die Schulen entlasten. Dabei wird das von der Schüler- und Elternschaft der Auslandsschulen sehr geschätz te „Deutsche Pro fi l“ mit seiner Fä chervielfalt, seiner Sprachenvielfalt, seiner Werteerziehung sowie seinen lösungsorientierten Ansätzen wei terhin zu stärken sein.

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PROFIL // Begegnungen

Potenziale fördern und Persönlichkeit stärken Bayerns Mentoring-Programm „Balu und Du” Beim Mentoring-Programm »Balu und Du« übernimmt ein Oberstufenschüler für ein Jahr die Patenschaft für ein Grundschulkind, das besondere Zuwendung außerhalb der Schule benötigt, und verbringt einmal pro Woche Zeit mit ihm. Das Programm lässt sich in fast allen Bundesländern curricular einbinden, beispielsweise als Seminar kurs, Projektkurs oder Seminarfach. Nachdem ich bereits im Juli 2023 über dieses Projekt berichtete, war ich nun am Theresien-Gymnasium in München zu Besuch, um mit einem Tandem über seine Erfahrungen zu sprechen.

von Iris Janda

Projekt aufmerksam und war gleich begeistert. Nachdem ich zusätzlich telefonisch vom Verein viel über das Projekt erfahren habe, wurde ich noch mehr darin bestärkt, es auch an unserer Schule anzubieten«, be richtet die Lehrerin für Katholische Religion, Latein und Italienisch. Auf ihre Projektbeschreibung hin fanden »Natürlich ist das eine große Auf gabe — für mich als Lehrerin und besonders auch für meine Schüle rinnen und Schüler«, betont Arman ni. Vor der Gründung eines »Balu und Du«-Standorts müssten passen de Grundschulen in der Umgebung gefunden werden, die »Moglis« vor schlagen — ein mitunter zeitauf wendiges Verfahren. Die »Balus« wiederum müssen sich mehr ein bringen als in anderen P-Seminaren, schließlich kommen zu dem ein- bis dreistündigen wöchentlichen Tref fen mit dem »Mogli« auch die regel mäßigen Begleitseminare mit den anderen »Balus« und Lehrerin Ar manni sowie die Online-Protokolle sich ausreichend interessierte Schülerinnen und Schüler, die das P-Seminar wählten.

16 PROFIL // 9/2025 beiden jedoch eine Ausnahme. Seit Schuljahresbeginn ist die Elft klässlerin Emilia im Rahmen des Programms »Balu und Du« Marve lous‘ Mentorin. Als »Balu« begleitet sie ihren »Mogli« über ein Jahr hin weg auf seinem Lebensweg, hat für ihn ein o ff enes Ohr und ist ihm Vor bild. Möglich gemacht hat das Leh rerin Armanni, die das Programm im Rahmen des P-Seminars im Schul »Sahen die wirklich so aus früher?«, fragt Marvelous staunend vor den zwei meterhohen Gemälden von Prinzregent Luitpold und seiner Mutter Therese von Sachsen-Hild burghausen. »Ja, früher haben die sich so angezogen«, erklärt Emilia, während beide im ersten Stock des Theresien-Gymnasiums auf Lehrerin Christine Armanni warten. Norma lerweise würden sie an diesem wol kenbehangenen Dienstagnachmit tag gemeinsam kochen, spielen oder etwas anderes zusammen un ternehmen. Schule und alles, was damit zu tun hat, ist eigentlich bei ihren wöchentlich statt fi ndenden Tre ff en tabu — für das Gespräch mit der GiB-Redaktion machen die

Foto: Balu und Du

Lehrerin Christine Armanni

jahr 2024/25 erstmals an das There sien-Gymnasium geholt hat. »Ich wurde durch den GiB-Artikel auf das

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Infos

zu den wöchentlichen Tre ff en hinzu. Und dennoch lohnt sich der Zeitauf wand, betont Armanni: »Ich merke, dass die Schüler wahnsinnig viel an Kompetenzen mitnehmen und sich in ihrer Persönlichkeit stark weiter entwickeln. Für mich als Lehrkraft ist es wahnsinnig spannend und berei chernd, das mitzuerleben.« »Ich fand, dass bereits das Kennen lernen im Sitzkreis ein ganz beson derer Moment war«, erinnert sich »Balu« Emilia an ihre erste Begeg nung mit ihrem »Mogli« zurück. »Ich auch«, stimmt ihr Marvelous zu. Bei der Suche nach dem passenden Tandempartner stehen neben dem Wohnort vor allem die gemein Der Spaß steht im Vordergrund

Balu und Du lässt sich in fast allen Bundesländern curricular in der Oberstufe einbinden. Sie möchten selbst das Programm an Ihrer Schule anbieten und damit junge Menschen dabei unterstützen, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und ihre sozialen und pädagogischen Kompetenzen zu stärken? Dann informieren Sie sich bei der nächsten virtuellen Infoveranstaltung. Eine Anmeldung ist unter www.balu-und du.de > Mitmachen > Infoveranstaltungen möglich. Weitere Informa tionen und einen Überblick über alle Standorte gibt es zudem unter www.balu-und-du.de.

samen Hobbies und Interessen im Vordergrund. Emilia fi el die Wahl dabei leicht: »Marvelous hat angege ben, dass er gerne schwimmen ler nen möchte und da ich bereits bei der Wasserwacht engagiert bin und dort mit Kindern schwimmen übe,

hat das gleich gepasst.« Aufgrund ihres sozialen Engagements sprach Emilia »Balu und Du« als P-Seminar auf Anhieb an. »Ich dachte mir, da passe ich sehr gut rein«, so die Elft klässlerin. Direkt in der Woche nach dem ersten Kennenlernen ging es für Emilia und Marvelous mit den wöchentlichen Tre ff en los. Zunächst starteten sie mit gemeinsamem Spielen mit der Spielebox in Marve lous‘ Schule, doch bald folgten schon weitere Aktivitäten. »Wir wa ren relativ am Anfang einmal Schlitt schuhlaufen, das fand ich toll«, berichtet Emilia und Marvelous ruft begeistert: »Da gehen wir nochmal hin!« Beide entscheiden jede Woche ge meinsam, was beim nächsten Tref fen gemacht wird. Ganz oben auf der Liste stand natürlich das Schwimmenlernen. »Ich fi nde, das haben wir gut gemeistert«, sagt Emilia nicht ohne Stolz zu Marve lous. Auch beim Schwimmen stand wie bei allen Tre ff en der Spaß auf beiden Seiten im Vordergrund. »Ich mag sehr, dass wir schöne Sachen machen«, sagt Marvelous. Emilia sei zu einer wichtigen Bezugsperson in seinem Leben geworden und durch sie und ihre Familie habe er viel Neues kennengelernt. Emilia wiede rum genießt es, dass sie für ein paar

Foto: Balu und Du

„Balu” Emilia und „Mogli” Marvelous

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PROFIL // Begegnungen

Stunden in der Woche von ihrem Schulalltag abschalten und im Hier und Jetzt sein kann. »Das ist ein fester Termin von ein, zwei Stunden am Dienstagnachmittag, an dem ich nichts anderes zu tun habe, als eine gute Zeit mit Marvelous zu verbrin gen«, verdeutlicht Emilia. Sie ver suche diese Erfahrung auch abseits der gemeinsamen Tre ff en in ihre Freizeit zu integrieren und, auch wenn sie mit Freunden unterwegs ist, mehr den Moment zu genießen. Daneben habe sie auch von Marve lous gelernt, mit mehr Leichtigkeit durch das Leben zu gehen und spontaner zu sein.

lichen Schritt für Schritt mit be stimmten Situationen besser umge hen können und daran wachsen«, sagt Armanni. »Die Erfahrung durch ›Balu und Du‹ ist in ganz anderer Form prägend, als das bei anderen P-Seminaren der Fall ist. Das sind Erlebnisse, die man wirklich für das Leben mitnimmt.« Wie sehr das Projekt die Teilnehmer prägt, habe sie auch bei einem Kennenlern Tre ff en in Köln anlässlich der Stand ort-Gründung am Theresien-Gym nasium erfahren. »Dort habe ich viele ehemalige ›Balus‹ getro ff en, die sich heute selbst im Verein en gagieren. Es gibt auch einige, die noch über das Projekt hinaus ihr Leben lang mit ihren ›Moglis‹ in Kontakt bleiben«, berichtet Arman ni. »Siehst du, du wirst mich nicht mehr los!«, meint Emilia daraufhin lachend zu Marvelous, der sich sorgt, dass sie sich nicht mehr so oft sehen werden. Auch wenn nach dem Ende des P-Seminars und dem Beginn der Oberstufe wöchentliche Tre ff en aus zeitlichen Gründen wohl nicht mehr möglich sein wer den, so verspricht Emilia, dass sie sich auch in Zukunft regelmäßig sehen werden.

Wo es menschelt, da kann es auch herausfordernde Situationen geben, weiß Lehrerin Armanni. Einigen sei etwa die Kommunikation mit den Eltern zunächst schwergefallen. »Man ist es ja nicht gewöhnt, mit anderen Eltern schriftlich zu kommunizieren«, bestätigt Emilia. »Da musste ich auch erst lernen, wie ich da den richtigen Umgang fi nde«, so die Elftklässlerin. Um mit den kleineren und größeren Erfahrungen besser umzugehen, sei der Austausch mit den anderen »Ba lus« im Begleitseminar sehr hilfreich gewesen. »Wir hatten beispielsweise bei einem ›Balu‹ den Fall, dass der ›Mogli‹ von seinen Eltern ein Smart phone geschenkt bekommen hat und dann bei den gemeinsamen Tre ff en nur noch am Handy hing«, so Arman ni. »Das Seminar hat dann gemeinsam überlegt, wie mit der Situation umge gangen werden kann. Am Ende ka men wir auf die Idee, dass der ›Balu‹ mit dem ›Mogli‹ eine schöne Handy tasche basteln könnte, in der das Smartphone bei den Tre ff en verstaut wird.« — letztendlich eine gewinnbrin gende Lösung für alle Beteiligten. 

Eine prägende Erfahrung — weit über das P-Seminar hinaus

Lehrerin Armanni merkt vor allem, wie die Selbst- und Sozialkom petenz ihrer Schüler fast auto matisch geschult werde. Die »Balus« kommen mit Lebensrealitäten in Kontakt, die sie so noch nicht ken nen, und müssen lernen, damit um zugehen. »Ich sehe anhand der Ta gebucheinträge und der Gespräche im Begleitseminar, wie die Jugend

Erstmalig erschienen im Gymnasium in Bayern 04_2025, S. 20/21

PROFIL // Begegnungen

Um ein modernes Bild des deutschen Gymnasiums bemühen sich mittlerweile mehrere renommierte Hochschullehrer. Wir stellen hier den Beitrag des Akademischen Direktors Thomas Gottfried von der Universität Augsburg vor. Inklusive Elite? Bildungswissenschaftliche Korrekturen der erfolgreichsten deutschen Schulform.

von Thomas Gottfried K aum eine andere Schulart steht so im Fokus einer kritischen Ö ff entlichkeit wie das Gymnasium. Dabei erscheint die „neue Haupt-Schule“ (SPIEGEL Nr. 18, 26. April 2025, Seite 35) nicht selten als „Problem schule“ und Inbegri ff der Inhumanität, wo knallhart nach sozialer Zugehörigkeit selektiert werde. Was stimmt nun: Kaderschmiede der gesellschaftlichen Elite oder Förderschule auch für gymnasial Unbegabte bei Einserin fl ation? Dass die Rede von der unbarmherzigen Aus leseschule ein verbandspolitisch gern gep fl eg ter Mythos ist, zeigt ein Blick auf die amtlichen Schuldaten am Beispiel Bayern: An keiner an deren Schulart gibt es mehr Heterogenität, nirgendwo mehr Inklusion als am Gymnasium. Keine Schulart hat sich im Curriculum und den Stundentafeln stärker verändert, in Didaktik und Methodik immer wieder mehr neu erfun den, musste drastischere Reformen (zum Bei spiel Dauer der Schulzeit; Ganztagsschule) über sich ergehen lassen, als das Gymnasium. An keiner anderen Schulart sind die Schülerzahlen und Schulbauten in den letzten Jahrzehnten dermaßen ex plodiert wie beim Gymnasium. Es ist nicht nur in Bayern die beliebteste aller weiterführenden Schularten: Über 324.000 Schülerinnen und Schüler haben im Schuljahr 2022/23 eines der über 430 Gymnasien besucht, davon achtzehn Prozent (über 58.000) mit Migrationshinter grund – fast ebenso viele wie an der Realschule mit zwanzig Prozent. Zum Vergleich: 216.00 Schüler besu chen 378 Realschulen, rund 200.000 Schüler werden an 948 Mittelschulen unterrichtet. Trotz der kognitiv an spruchsvollsten Übertrittsbedingungen ist das Gymnasi um also mit Abstand die am besten besuchte Schulart. Kein Wunder, dass sich die Zahl der Schulbauten von rund 300 im Schuljahr 1955/56 bis heute um ein Drittel erhöht hat.

Apropos Übertritt. Mit dem polemischen Kampfbegri ff »Grundschulabitur« wird das ach so unmenschliche Übertrittsystem völlig unbegründet di ff amiert. Auch hier sprechen die Amtlichen Schuldaten eine ganz andere Sprache: Es ist ein Mythos, dass der Übertritt zu schwer sei und die Grundschule begabte Schülerinnen und Schüler aus sozialdiskriminierenden Gründen vom Gym nasialbesuch abhielte, sonst wären sie nämlich in der

Minderheit. Im Übertrittszeugnis 2022 konn ten gut 57 Prozent der Viertklässlerinnen und Viertklässler einen Gesamtnotendurch schnitt von 2,33 oder besser erzielen und damit die Empfehlung für das Gymnasium erhalten. Der Trend ist eindeutig: Während die Gymnasialeignungen stark zunahmen, ist der Anteil an Realschul- und Mittelschul eignungen zurückgegangen. Ob das wirklich den normalverteilten Begabungspro fi len der Kinder entspricht oder nicht eher an gesun kenen Ansprüchen im Übertrittsverfahren und elterlichem Druck auf Grundschullehr kräfte liegt, die teilweise resignieren und die

Foto: Universität Augsburg

Thomas Gottfried

elterlich erwünschte Empfehlung aussprechen? Die bevorzugte Entscheidung für das Gymnasium zeigt sich auch in der Schulwahl: Zum Schuljahr 2022/23 traten in Bayern 41 Prozent der Viertklässlerinnen und Viert klässler an ein Gymnasium über, nur 29 Prozent an eine Realschule und 28 Prozent an eine Mittelschule. Zudem vertrauen die Eltern der Gymnasialempfehlung der Grundschullehrkräfte und entscheiden dennoch souve rän: Von den Kindern, die eine Gymnasialeignung erhiel ten, wechselten 2022 fast drei Viertel an ein Gymnasium. Gut ein Viertel dieser Kinder entschied sich für den Über tritt an eine Realschule. Kinder mit Realschulempfehlung bzw. Mittelschulempfehlung wechselten zu über 90 Pro zent an die empfohlene Schulart. Die Eltern wägen sehr genau ab, ob ein Gymnasialbesuch für ihr Kind trotz Empfehlung im Übertrittsgutachten wirklich sinnvoll ist.

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PROFIL // Begegnungen

Seit über zehn Jahren übersteigt die gymnasiale Über trittsquote die der Mittel- und Realschule um rund ein Viertel. Das Gymnasium ist die inklusivste aller Schul arten, trotz zunehmender Heterogenität auch bei den Lernvoraussetzungen. Diskriminierend und fachlich de plaziert ist deshalb der Begri ff »Selektion«, zudem his torisch inadäquat und respektlos gegenüber den Opfern an der Rampe von Auschwitz, wo in unbegrei fl ich furcht barer Form wirklich selektiert wurde, indem man die Menschenwürde brutal mit Füßen trat. Wie zynisch ist es dagegen, eine auf Schulleistungen gestützte objektive Auswahl als „Selektion“ zu di ff amieren! Es geht schlicht um leistungsorientierte Di ff erenzierung bei maximalem Wohlwollen. Die P fl ichtwiederholerquote wegen Nichtversetzung beträgt am Gymnasium 1,6 Prozent (2024); diese Zahl hat sich gegenüber 4,0 Prozent im Schuljahr 2009/10 mehr als halbiert. Die Abiturientenzahl am Gymnasium hat sich zwischen 1955 und 2023 von 5.700 auf über 32.000 fast versechs facht. Rund 26 Prozent der gleichaltrigen Wohnbevölke rung („Abiturientenquote“) erwarben 2023 in Bayern am Gymnasium die Allgemeine Hochschulreife – das sind um die Hälfte mehr als noch vor 15 Jahren (2005 rund 19 Prozent) – bundesweit sind es sogar 40 Prozent. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Allgemeine Hoch schulreife mit einer Eins vor dem Komma erreichen, ist ebenso wie die Abiturdurchschnittsnote seit 2006 in allen deutschen Ländern gestiegen; 2008 hatten bundesweit nur etwa 20 Prozent eine Abiturnote mit mindestens 1,9; vierzehn Jahre später waren es mit rund 40 Prozent doppelt so viel. Trotz massiver Zunahme gymnasial unbekannter Schü ler sank die Zahl der Wiederholer, erreichen die Einser abiturienten jedes Jahr neue Rekorde, gibt es immer bessere Abiturnotenschnitte und sinkt die Zahl der Durchfaller im Abitur. In immer mehr Einführungsklas sen streben Schüler mit Mittlerem Schulabschluss aus MS, RS und WS zur Allgemeinen Hochschulreife, die sie meist auch erreichen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass nur ein bestimmter Anteil an Abiturienten wirklich hochschulreif ist, was sich in der seit Jahrzehn ten konstant hohen Zahl von Studienabbrechern aus Leistungsgründen zeigt. Ohne Kulturpessimismus und ohne Verklärung der Vergangenheit ist unbestritten: Noch nie in der Geschichte des deutschen Bildungs wesens war es so leicht, sowohl einen Hochschulzugang als auch einen Hochschulabschluss zu erreichen. Die Klagen über immer geringere Studierfähigkeit reißen nicht ab. Sie titelt die Berliner Hochschulprofessorin

Zümüt Gülbay-Peischard ihre Klageschrift mit dem har ten, aber tendenziell zutre ff enden Adjektiv „Akadämlich“ und belegt an authentischen Beispielen, „warum die an gebliche Bildungselite unsere Zukunft verspielt“ (Köln: Bastei Lübbe 2024). Das Gymnasium ist nach der PISA-Studie trotz einzig artig breiten Spektrums an unterschiedlichsten Lern voraussetzungen die erfolgreichste Schulart. Es vermit telt am meisten Kompetenzen, hat die besten High-Per former und die wenigsten Minderleister. Es ist die Loko motive des deutschen Schulsystems, obwohl die Kom petenzerwartungen massiv gesunken und die Lerninhal te deutlich zusammengeschmolzen sind: so wenig Fach wissen wie nie, so einfache Aufgabenstellungen wie nie, so viel gezielte Vorbereitung und materialgestützte Hil fen wie nie, so viel Crashkurse, Nachhilfe, Prüfungsvor bereitung, Abitrainer wie nie. Hinzu kommen Vorrücken auf Probe, Nachteilsausgleich für Handicaps wie Legas thenie, Lese-Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie, chro nische Erkrankungen, sonderpädagogischem Förderbe darf. Notenausgleich etc. Selbst gute Mittelschüler ma chen heute Abitur. Die Ansprüche wurden maximal ge senkt, die Erleichterungen erhöht, die Ausgleichs- und Ausweichmöglichkeiten erweitert. Selbst gute Haupt schüler machen heute Abitur. Faktisch ist – auch in Bayern – das Gymnasium eine gehobene Gesamtschule. Die Gymnasiallehrer erweisen sich als die wahren För derschullehrer im Bildungssystem. Sie führen auch gym nasial minderbegabte Schülerinnen und Schüler zum Abitur. Trotz oft weit über 250 Schüler pro Vollzeitstelle widmen sie sich der inneren Di ff erenzierung, bedienen und warten digitale Geräte, nehmen Rücksicht auf Kin der mit speziellem Förderbedarf, haben die Ganztags schule umgesetzt, führen über neun Jahrgangsstufen ein umfangreiches Fahrtenprogramm durch und basteln am Schulpro fi l, weil Außenwirkung heute ein Treiber für Schulentwicklung ist. Gymnasiallehrer sind pädagogisch didaktische Multitalente. Das Meiste davon und anderes mehr leisten auch die Kollegen an den Mittelschulen, Realschulen und Wirt schaftsschulen. Dennoch stehen Gymnasiallehrer kaum im Zentrum des wertschätzenden medialen Fokus, son dern dienen als Projektions fl äche für bildungspolitische Traumtänzer oder verbandspolitische Pro fi lneurosen. Es wird Zeit, diese ideologischen Grabenkämpfe zu beenden. Das Gymnasium ist bezüglich der fachlichen Schulleistungen das Flaggschi ff des deutschen Bildungs systems und im Hinblick auf Bildungsgerechtigkeit die Inklusionsschule par exzellence. 

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