Profil 9/2024

PROFIL // Auf ein Wort

die Gestaltung ihrer eigenen und gesellschaftlichen Zukunft bekommen, muss sie, müssen die amtieren den Bildungspolitikerinnen und -politiker im Interes se einer souveränen Beherrschung der deutschen Sprache von den Schülerinnen und Schülern um steuern. Das ist ihre politische Aufgabe, das ist unse re Aufgabe, dafür können wir nicht die jüngere Ge neration verantwortlich machen. In den Lehrplänen ist mittlerweile in allen Schularten zu wenig Zeit zum Einüben von Rechtschreibung, Kommasetzung und Grammatik vorgesehen. Nicht nur in den Grundschulen, sondern auch in den wei terführenden Schulen, im Gymnasium brauchen wir in den fünften bis zehnten Klassen eine Stunde mehr Deutschunterricht, in jedem Falle vier Stunden pro Woche als Basis. Zudem müssen Rechtschrei bung, Zeichensetzung und Grammatik bei der Leis tungsbeurteilung eine relevante Rolle spielen, denn wenn die Anreize wegfallen, das richtige Schreiben zu üben, schleifen sich Fehler dauerhaft ein. Gerade in der Mittelstufe brauchen wir mehr Zeit, um uns mit der Klasse intensiv mit Lektüren zu be schäftigen. Wer in diesem Alter ausreichend viel liest, entwickelt ein besseres Gefühl für Sprache und trainiert die eigene Vorstellungskraft, auch im Sinne einer „Resilienz“ gegenüber zahlreichen Fremd bestimmungsangeboten von außen. Wer nur noch auf Außenreize reagiert – den Clip im Internet, die Animation im Computerspiel –, dem droht die Ver armung seiner Phantasie. Das kann der älteren Generation in ihrer Verantwor tung für die jüngere nicht egal sein. Und die jüngere kann dies nicht für sich selbst leisten, das müssen wir für sie tun. Auch deshalb sollten wir bildungspoli tisch nicht vor dem schulischen Anspruch an eine souveräne Beherrschung der Rechtschreibung, Zei chensetzung und Grammatik der deutschen Sprache von unseren Schülerinnen und Schülern kapitulieren.

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes

„Was will denn eigentlich die ältere Generation mit der jüngeren?“ Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich habe diese Frage Friedrich Schleiermachers, was die ältere Generation mit der jüngeren will, immer als Aufgabenbestimmung der älteren Generation für die jüngere gelesen. In diesem Sinne antworte ich, wenn über die „schlechten Rechtschreibkenntnisse der Jugend“ gesprochen wird. Wie Sie erlebe ich diese und habe zahlreiche Rück meldungen von unseren Lehrkräften und aus den Universitäten, dass es um die Rechtschreibkenntnis se der deutschen Schülerinnen und Schüler oft dra matisch schlecht bestellt sei – weit schlechter als in früheren Jahren. Wenn jemand nicht weitgehend fehlerfrei schreiben kann, ist seine Fähigkeit, ein Stu dium gut zu absolvieren, eingeschränkt. Fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache schaden ebenso den Schulabgängern in einer Lehre. Ganz gleich ob je mand Ingenieurin, Lehrer oder Elektriker werden will: Der Sinn der Rechtschreibung besteht darin, dass Kommunikation auch wirklich gelingt. Das Ziel der Schule generell muss sein, dass Menschen kom petent und sicher am gesellschaftlichen Leben teil nehmen können. Das Bundesverfassungsgericht schreibt in einem Urteil des Ersten Senats vom No vember 2023: „Die Aufgabe der schulischen Vermitt lung von Rechtschreibregeln und deren Bewertung hat sich durch die Entwicklung selbstlernender Recht schreibprogramme nicht überholt“ (S. 25/38, Abs. 84). Ein sorgfältiger Umgang mit der eigenen Sprache zeugt von Wertschätzung und Respekt gegenüber den Menschen, mit denen man kommuniziert. Wenn die ältere Generation im Sinne Schleiermachers „zum Guten erziehen“ will, wenn sie will, dass der intergenerationelle Dialog gut gelingt, dass die Schü lerinnen und Schüler das notwendige Rüstzeug für

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Susanne Lin-Klitzing

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