Profil 9/2023

PROFIL // Umfrage

dbb Bürgerbefragung 2023 Vertrauen sinkt, Gewaltbereitschaft steigt Nur noch 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger glauben, dass der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. Sie sehen ihn vor allem mit der Asyl- und Flüchtlingspolitik, der Bildungspolitik sowie der Klima- und Umwelt politik überfordert. Gleichzeitig nimmt die Gewaltbereitschaft gegen Beschäftigte des ö ff entlichen Dienstes zu. Das sind die zentralen Ergebnisse der 17. dbb Bürgerbefragung Ö ff entlicher Dienst.

Die vom Meinungsforschungs institut forsa im Auftrag des dbb durchgeführte Studie hat darüber hinaus ergeben, dass alle abgefrag ten staatlichen Dienstleistungen und Institutionen im Jahr 2023 schlechtere Performance-Noten be kommen haben als im Vorjahr. „Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bür ger in die Handlungsfähigkeit ihres Staates ist damit auf einen neuen Tiefpunkt gesunken“, kommentierte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach die Ergebnisse am 15. August 2023 in Berlin. „Das ist alar mierend und besorgniserregend.“ Gesellschaft will mehr Service Die wichtigsten Aufgaben des Staa tes sind aus Sicht der Befragten die Aufrechterhaltung der sozialen Ge rechtigkeit, die Verbesserung der In frastruktur sowie der Klimaschutz. Im Westen sehen die Menschen Kli maschutz, Migrationsfragen und die Unterstützung der Ukraine als wich tigste Staatsaufgaben, im Osten eher die Entlastung der Bevölkerung von In fl ationsfolgen, den sozialen Ausgleich und die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land. Was konkrete Maßnah men betri ff t, um die Leistungsfähig keit des ö ff entlichen Dienstes auf rechtzuerhalten oder zu verbessern, wünscht sich die große Mehrheit vor allem eine schnellere und bessere Terminvergabe für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger (71 Pro zent), eine konsequente Digitalisie rung aller Aufgaben des ö ff entlichen

Bildungsabschluss tiefer und der ge sellschaftliche Stresslevel steigt.“ In zwischen konstatieren 80 Prozent der Befragten eine generelle Verrohung der Gesellschaft. 26 Prozent sind da bei selbst Zeuge von Übergri ff en auf ö ff entlich Bedienstete geworden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten im ö ff entlichen Dienst (54 Prozent) sind selbst beschimpft, bedroht oder tätlich angegri ff en worden. „Das ist ein vollkommen inakzeptabler Wert! Die Beschäftigten des ö ff entlichen Dienstes zahlen die Zeche für den ge nerellen Ansehensverlust des Staates, nicht nur bei Polizei und Rettungs diensten, sondern auch in Schulen, Jobcentern und Bürgerämtern.“ Ver rohung und Gewaltbereitschaft seien inzwischen ein riesiges Problem für den ö ff entlichen Dienst und die ganze Gesellschaft. „Schauen Sie sich nur an, was im Internet, in Fußballstadien oder im Straßenverkehr los ist.“ Im ZDF-Morgenmagazin vom 15. Au gust 2023 unterstrich Silberbach die se Positionen im Vorfeld der Presse konferenz zur Bürgerbefragung: „Wir stellen fest, dass sich das gesellschaft liche Klima nicht zum Positiven ent wickelt. Das spiegelt sich im Verhalten mancher Menschen wider.“ Dabei sei eine Mischung aus verschiedenen Faktoren au ff ällig: „Da ist einerseits Respektverlust. Wir haben es mit Menschen zu tun, die sich o ff ensicht lich einen Spaß daraus machen, Ret tungskräfte anzugreifen oder in einen Hinterhalt zu locken. Anderseits stel len wir im politischen Diskurs fest,

© Marco Urban

dbb Chef Ulrich Silberbach und Manfred Güllner (forsa, links) stellten die Ergebnisse der Bür gerbefragung 2023 in Berlin vor.

‘Gewinner’ und Verlierer’: Ansehen einzelner Berufsgruppen – Veränderungen von 2007 zu 2023

Müllmann/-frau Beamter/in Feuerwehrmann/-frau Krankenp fl eger/in Kanal-/Klärwerksmitarbeiter/in

-21

+9

Richter/in Studienrat/-rätin Bankangestellte/r Journalist/in Unternehmer/in

Angaben in Prozentpunkten

Dienstes (69 Prozent) sowie die Ver besserung von Beratung und Service (66 Prozent). 43 Prozent halten dafür auch eine ausreichend gute und leis tungsgerechte Bezahlung der Be schäftigten des ö ff entlichen Diens tes, 41 Prozent eine Ausweitung der Ö ff nungszeiten der Behörden und 37 Prozent eine Verjüngung des öf fentlichen Dienstes für erforderlich. Der Stresslevel steigt „Besonders bedenklich ist die sich im mer stärker abzeichnende Spaltung der Gesellschaft“, erläuterte Silber bach. „Die Gräben zwischen Ost und West, Arm und Reich werden je nach

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